Schliefer



Schliefer

Buschschliefer (Heterohyrax brucei)

Systematik
Reihe: Landwirbeltiere (Tetrapoda)
Klasse: Säugetiere (Mammalia)
Unterklasse: Höhere Säugetiere (Eutheria)
Überordnung: Afrotheria
Ordnung: Schliefer
Familie: Schliefer
Wissenschaftlicher Name der Ordnung
Hyracoidea
Thomas, 1892
Wissenschaftlicher Name der Familie
Procaviidae
Huxley, 1869
Gattungen

Die Schliefer (Hyracoidea) bilden eine Ordnung gut kaninchengroßer, murmeltierähnlicher Säugetiere (Mammalia). Sie sind am nächsten mit den Elefanten (Proboscidea) und Seekühen (Sirenia) verwandt, mit denen sie manchmal als Paenungulata (früher Uranotheria) zusammengefasst werden. Heute werden sie in die sehr heterogene Gruppe der Afrotheria eingeordnet.

Merkmale

Heutige Schliefer sind relativ kleine Säugetiere. Ihre Kopfrumpflänge liegt zwischen 30 und 60 cm. Der Schwanz ist winzig und meistens kaum sichtbar, im Höchstfalle 3 cm lang. Schliefer erreichen ein Gewicht von etwa 3,5 Kilogramm. Sie sind sehr robuste, stämmige Tiere, die sich alle durch einen muskulösen, massiven, kurzen Hals und einen langen, nach oben gewölbten Leib auszeichnen. Ihre Farbe variiert nach Gattung und Art und reicht von hell- bis dunkelbraun. Auf dem Rücken ist eine Drüse von Haaren einer anderen Farbe verdeckt. Die Funktion dieser Drüse ist unbekannt; gängigen Hypothesen zufolge dient das Sekret der gegenseitigen Wiedererkennung.

Die Schnauze der Schliefer ist kurz, ebenso die Ohren und die Beine. Die Vorderbeine haben vier Zehen, die in kleinen Hufen enden. An den Hinterbeinen sind drei Zehen, deren mittlere in einer langen, gebogenen Klaue endet, während die anderen beiden Hufe tragen. Schliefer laufen nicht auf den Hufen, sondern auf der nackten Sohle, die durch Sekrete beständig feucht gehalten wird. Sie können durch Muskelkraft die Mitte der Sohle einziehen, so dass ein Vakuum entsteht. Hierdurch können sie sich mit beträchtlicher Kraft an Felsen und anderen Unterlagen festhaften.

Lebensraum

Klipp- und Buschschliefer leben in felsigen, ariden Gegenden, die Baumschliefer dagegen in Wäldern. Die Heimat ist Afrika, nur der Klippschliefer lebt auch im Südwesten Asiens. Sie leben sowohl im Flachland als auch im Gebirge, teilweise bis in Höhen von 4.500 Metern.

Lebensweise

Klippschliefer

Schliefer sind sehr lebhafte Tiere, die selbst in steilem und unebenem Terrain schnell unterwegs sind. Alle Arten können auch klettern. Im Verhalten gibt es starke Unterschiede zwischen den bodenbewohnenden Busch- und Klippschliefern einerseits und den waldbewohnenden Baumschliefern andererseits. Erstere sind tagaktiv und halten sich gern in der Sonne auf, Letztere leben verborgen und sind nachtaktiv. Die bodenbewohnenden Schliefer leben in großen Gruppen, die Baumschliefer einzeln oder in kleinen Familienverbänden.

Alle Schliefer sind reine Pflanzenfresser. Wasser zum Trinken ist keine Voraussetzung, da sie oft genug Flüssigkeit aus ihrer Nahrung ziehen können. Wegen ihrer geringen Größe werden Schliefer von zahlreichen Tieren gejagt; Schlangen, Greifvögel und Leoparden sind nur einige Beispiele.

Evolution

Die Schliefer sind eine sehr alte Ordnung. Die erste Familie, die Pliohyracidae, ist aus dem frühen Eozän bekannt. Im darauf folgenden Oligozän stellten die Schliefer die wichtigsten pflanzenfressenden Säugetiere Afrikas; sie existierten in allen Größen von der einer Maus bis zu der eines kleinen Nashorns. Obwohl sie bis ins Pliozän hinein existierten, mussten sie bereits am Ende des Oligozäns einen beträchtlichen Artenrückgang hinnehmen, da sie sich moderneren Säugetiergruppen unterlegen zeigten. Vor etwa 2 Millionen Jahren starben die letzten Vertreter der Pliohyracidae in Ostasien aus.

Die Procaviidae, die die heutigen Schliefer repräsentieren, entstanden im Miozän in Afrika; sie sind fossil von keinem anderen Kontinent bekannt. Während des Pleistozäns erreichte einer ihrer Vertreter, Gigantohyrax, die dreifache Größe eines heutigen Schliefers.

Namen

Da Schliefer in Palästina allgegenwärtig sind, werden sie auch in der Bibel immer wieder erwähnt. Das hebräische Wort shaphan übersetzte Martin Luther mit „Hase“ und „Kaninchen“.[1] Diese Bezeichnung irritierte lange Zeit auch sprachunkundige, aber naturkundige Europäer, da weder Hasen noch Kaninchen Wiederkäuer sind, wie es die Stellen in Leviticus und Deutoronomium zu den Speisegeboten behaupten. Selbstverständlich haben Hasen und Kaninchen keinen mehrteiligen Magen und bringen somit das Futter nicht aus dem Magen ins Maul zurück, um es nochmals zu kauen — Merkmale, die zur wissenschaftlichen Klassifizierung der Ruminantia oder Wiederkäuer dienen. Für das was die Israeliten in den Tagen Mose unter „wiederkäuen“ verstanden, ist die moderne wissenschaftliche Klassifizierung nicht die Grundlage dafür, obwohl der hebräische Ausdruck, der hier für ‚wiederkäuen‘ verwendet wird, wörtlich „[Gekautes] heraufbringen“ bedeutet. Daher gibt es keinen berechtigten Grund dafür, die Zuverlässigkeit der erwähnten biblischen Aussage anhand dieser engbegrenzten, verhältnismäßig neuen Vorstellung von Wiederkäuern zu beurteilen, wie viele Kritiker es tun.

In der Vergangenheit betrachteten Kommentatoren, die an die Inspiration der Bibel glaubten, die Formulierung des Gesetzes nicht als einen Irrtum:

„Es ist nicht zu verkennen, daß der Hase das Futter, das er irgendwann zu sich genommen hat, in Ruhe immer wieder kaut. Diese Tätigkeit ist im allgemeinen stets als Wiederkäuen betrachtet worden. Selbst unser Dichter Cowper, ein genauer Beobachter von Naturvorgängen, stellt in einem Bericht über seine Beobachtungen, die er bei drei von ihm domestizierten Hasen gemacht hat, fest, daß sie ‚den ganzen Tag über wiederkäuten‘.“

The Imperial Bible-Dictionary[2]

Dass diese Tiere nicht nur scheinbar wiederkäuen haben neuere wissenschaftliche Beobachtungen bei Hasen und Kaninchen gezeigt:[3]

„Die Koprophagie, bei der die Nahrung zweimal statt nur einmal durch den Darm geht, ist bei Kaninchen und Hasen eine allgemeine Erscheinung. Der nachts ausgeschiedene Kot, den Hauskaninchen am Morgen gewöhnlich wieder aufnehmen und unzerkaut verschlingen, macht ungefähr die Hälfte ihres gesamten Mageninhalts aus. Beim Wildkaninchen findet die Koprophagie täglich zweimal statt, und dasselbe wird vom europäischen Hasen berichtet. … Man nimmt an, daß die Tiere auf diese Weise mit großen Mengen Vitaminen des B-Typs versorgt werden, die durch Bakterien in der Nahrung im Dickdarm erzeugt werden.“

François Bourlière: The Natural History of Mammals (1964, S. 41)

„Diese Doppelverdauung ähnelt in gewisser Weise dem Wiederkäuen der meisten Paarhuferfamilien.“

Bernhard Grzimek: Grzimeks Tierleben Bd. 12 (1972, S. 421)
Dassie im botanischen Garten von Pretoria (Südafrika)

Erst die Revision der Lutherbibel von 1984 ersetzte die Bezeichnung „Hase“ durch das auch nicht ganz eindeutige „Klippdachs“. Durch seine Ähnlichkeit mit dem Kaninchen kam es teilweise zu Verwechslungen: Der „Shapan“ Spanien erhielt vermutlich daher seinen Namen. Die Phönizier hielten einer gängigen Hypothese zufolge dort gesichtete Kaninchen für Schliefer und gaben der iberischen Halbinsel den Namen „I-Shapan-im“ (Land der Schliefer), was zum lateinischen Namen „Hispania“ führte. Die namensgebenden Tiere haben aber nie dort gelebt.

Die burischen Kolonisten Südafrikas gaben den Schliefern den Namen „Klippdachse“; hieraus machten die Engländer ihre Bezeichnung Dassie, was soviel wie „Dächschen“ bedeutet. Für gewöhnlich werden Schliefer heute im englischsprachigen Raum allerdings hyrax genannt, was aus dem Griechischen stammt und dort ursprünglich eine Spitzmaus bezeichnete.

Der wissenschaftliche Name Procavia (für den Klippschliefer) enthält dagegen das Wort Cavia (Meerschweinchen) mit der Vorsilbe pro („vor“); diese Benennung zeigt, dass anfangs falsche Vorstellungen über die Verwandtschaftsverhältnisse dieser Tiergruppe herrschten.

Taxonomie

Klippschliefer

Die ersten Wissenschaftler, die sich mit Schliefern beschäftigten, ordneten sie bei den Nagetieren ein. Man erkannte jedoch schon im 19. Jahrhundert, dass der Körperbau eher auf ein Huftier schließen lässt. So fasste man Schliefer mit Rüsseltieren und Seekühen zur Gruppe der Paenungulata zusammen. Bis heute gehen die meisten Zoologen von einer Verwandtschaft dieser drei Taxa aus. Vereinzelt gab es jedoch immer wieder davon abweichende Meinungen; so schlossen Prothero und Schoch noch 1989 in The Evolution of Perissodactyls aus der Morphologie rezenter und vor allem fossiler Schliefer, dass diese eine Unterordnung der Unpaarhufer sein müssten.

Moderne DNA-Untersuchungen haben die meisten Zweifel an einer Monophylie der Paenungulata ausgeräumt, so dass die Verwandtschaft mit Elefanten und Seekühen nun gesichert zu sein scheint.

Systematik

Alle heute lebenden Arten werden in der Familie der Procaviidae zusammengefasst, die zur Abgrenzung von fossilen Schlieferfamilien manchmal als „Kletterschliefer“ bezeichnet wird. Diese unterteilt sich in drei Gattungen

  • Die Baum- oder auch Waldschliefer (Dendrohyrax) umfassen drei Arten: Steppenwald-Baumschliefer (D. arboreus), Eigentliche Baumschliefer (D. dorsalis) und Bergwaldbaumschliefer (D. validus).
  • Die Busch- oder auch Steppenschliefer (Heterohyrax) umfassen eine Art (H. brucei). H. antineae gilt als Synonym dieser Art.[4]
  • Die Klipp- oder auch Wüstenschliefer (Procavia) setzen sich nur aus einer Art Procavia capensis zusammen. Eine Aufteilung in zwei Arten wird aufgrund genetischer Merkmale allerdings in Betracht gezogen.

Literatur

  • Martin S. Fischer: Hyracoidea. Handbuch der Zoologie, Band VIII, Teilband 58. Walter de Gruyter 1991. ISBN 3-11-012934-5
  • Ronald M. Nowak: Walker's Mammals of the World. Johns Hopkins University Press 1999 ISBN 0-8018-5789-9
  • Martin S. Fischer: Die Stellung der Schliefer im phylogenetischen System der Eutheria. 1996 ISBN 3-510-61178-0
  • Herbert Hahn: Von Baum-, Busch- und Klippschliefern, den kleinen Verwandten der Seekühe und Elefanten. 1959 ISBN 3-7403-0193-7
  • Edward R. Ricciuti: What on Earth is a Hyrax?. Blackbirch Press 1996 ISBN 1-56711-100-9
  • Donald R. Prothero, Robert M. Schoch: The Evolution of Perissodactyls. Oxford University Press 1990 ISBN 0-19-506039-3
  • A. Lavergne, E. Douery & al.: Interordinal Mammalian Relationships: Evidence for Paenungulate Monophyly Is Provided by Complete Mitochondrial 12S rRNA Sequences In: Molecular Phylogenetics and Evolution Okt 1996, Band 6, Nr. 2, S. 245-258.

Einzelnachweise

  1. Lev 11,5 LUT, Dtn 14,7 LUT, [[Vorlage:Spr (Bibel)|Spr]] 30,26 LUT, Ps 104,18 LUT
  2. The Imperial Bible-Dictionary, herausgegeben von P. Fairbairn, London 1874, Bd. I, S. 700
  3. Siehe auch „Kaninchen sind Wiederkäuer“ in der Zeitschrift Das Tier, 5. Jahrgang, Nr. 11, November 1965.
  4. IUCN Red List. Abgerufen am 11. August 2009.

Weblinks

Commons: Schliefer – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

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