Afrotheria



Afrotheria

Verschiedene Angehörige der Afrotheria

Systematik
Unterstamm: Wirbeltiere (Vertebrata)
Überklasse: Kiefermäuler (Gnathostomata)
Reihe: Landwirbeltiere (Tetrapoda)
Klasse: Säugetiere (Mammalia)
Unterklasse: Höhere Säugetiere (Eutheria)
Überordnung: Afrotheria
Wissenschaftlicher Name
Afrotheria
Stanhope et al., 1998
Ordnungen

Die Afrotheria sind eine molekulargenetisch festgelegte Überordnung innerhalb der Unterklasse der höheren Säugetiere. Sie umfassen etwa 80 Arten. Der äußerlich recht inhomogen anmutenden Gruppe ist die stammesgeschichtliche Herkunft aus Afrika gemeinsam. Abgesehen vom Asiatischen Elefanten, einer Schliefer-Art und den Seekühen ist dieser Kontinent auch heute noch ihr Lebensraum. In der späten Kreidezeit haben sich die Afrotheria in Afrika, auf das sie zunächst beschränkt blieben, von ihrer Schwestergruppe, den Exafroplacentalia (Nebengelenktiere und Boreoeutheria), getrennt.

Merkmale

Diese Säugetiergruppe ist sehr vielgestaltig und umfasst Wasserbewohner wie die Seekühe, Ameisenfresser wie das Erdferkel oder Riesen wie die Elefanten. Das kleinste zu den Afrotheria gehörige Tier ist der Kleine Langschwanztenrek (Microgale parvula) mit einem Gewicht von lediglich 5 g; der Afrikanische Elefant (Loxodonta africana) ist dagegen mit seinem Gewicht von bis zu 5 Tonnen das größte Landsäugetier. Von den genetischen Merkmalen, welche die Gruppe definieren, abgesehen, ist das auffälligste gemeinsame Charakteristikum die langgezogene, gegenüber Berührung empfindliche und oft bewegliche Schnauze. Es ist allerdings unklar, ob diese Ähnlichkeit nicht einfach Folge konvergenter Evolution ist. Darüber hinaus zeichnet sich die Tiergruppe durch einige „primitive“ Merkmale aus, die sie mit urtümlichen Tiergruppen wie den Kloakentieren teilt. So liegen die Hoden der Männchen vieler Afrotherier in der Bauchhöhle und die Thermoregulation ist bei vielen Arten kaum entwickelt. Letzteres kann aber auch damit zusammenhängen, dass sie aus warmen Klimazonen stammen.

Stammesgeschichte

Mit dem Auseinanderbrechen des südlichen Großkontinents Gondwana in der Kreidezeit vor etwa 105 Millionen Jahren haben sich die Afrotheria vermutlich von allen anderen Gruppen der höheren Säugetiere getrennt entwickelt. Ihr gemeinsamer Vorfahr war vermutlich ein waldlebender Insekten- oder Pflanzenfresser. Zu vielen Säugergruppen, die sich zur gleichen Zeit auf dem nördlichen Großkontinent Laurasia entwickelten, brachten die Afrotheria ökologische Gegenstücke hervor. So ähneln die Tenrekartigen den Insektenfressern (beispielsweise die Goldmulle den Maulwürfen), die Seekühe haben in ihrem Körperbau Parallelen zu Walen und Robben, die Schliefer gleichen Murmeltieren.

Als sich vor etwa 30 bis 40 Millionen Jahren durch die Annäherung Afrikas an Europa und Asien wieder die isolierte Lage Afrikas aufhob, wanderten zahlreiche Säugetiergruppen aus Eurasien nach Afrika ein und andererseits strömten einige Afrotherier, wie die Elefanten und Schliefer, ihrerseits aus, um die nördlichen Kontinente zu besiedeln.

Systematik

Die Afrotheria umfassen sechs ganz unterschiedlich aussehende Ordnungen:

  • Die Röhrenzähner (Tubulidentata) mit einer Art, dem Erdferkel,
  • die Rüsselspringer (Macroscelidea) mit 15 Arten,
  • die Schliefer (Hyracoidea) mit 6 Arten,
  • die Seekühe (Sirenia) mit 4 Arten,
  • die Rüsseltiere (Proboscidea), deren einzige rezente Vertreter die Elefanten (Elephantidae) mit 3 Arten sind, und
  • die Tenrekartigen (Afrosoricida) mit 51 Arten, die sich weiter in Goldmulle (Chrysochloridae) und Tenreks (Tenrecidae) unterteilen.
  • Auch die vor rund 1000 Jahren ausgestorbenen Bibymalagasia, grabende Tiere aus Madagaskar, die manchmal als madagassische Erdferkel bezeichnet werden, sowie die nashornähnlichen Embrithopoda und die amphibischen Desmostylia dürften zu den Afrotheria gehören.

Schliefer, Seekühe und Elefanten werden manchmal aufgrund ihrer engen Verwandtschaft als Paenungulata zusammengefasst.

Die Vertreter dieser Gruppe tragen in ihren Genomen spezifische Retroposons, sogenannte AfroSINEs, die die Zusammengehörigkeit belegen. Auch jüngste DNA-Sequenzanalysen bestätigen das.

Literatur

  • M. Nikaido, H. Nishihara, Y. Hukumoto, N. Okada N: Ancient SINEs from African endemic mammals. In: Mol Biol Evol. 20 (2003), S. 522–527.
  • William J. Murphy, Eduardo Eizirik, Mark S. Springer et al.: Resolution of the Early Placental Mammal Radiation Using Bayesian Phylogenetics. In: Science Vol 294, Issue 5550, 14. Dezember 2001, S. 2348-2351.
  • Jan Ole Kriegs, Gennady Churakov, Martin Kiefmann, Ursula Jordan, Juergen Brosius, Juergen Schmitz: Retroposed Elements as Archives for the Evolutionary History of Placental Mammals. In: PLoS Biol. 4(4) (2006): e91. (abstract)
  • David Macdonald: Die große Enzyklopädie der Säugetiere. Könemann in der Tandem Verlag, Königswinter 2004, ISBN 3-8331-1006-6.

Weblinks

Die News der letzten Tage