Neues zur inneren Uhr bei Taufliegen
Bio-News vom 30.12.2022
Es ist eine spannende Frage, warum die innere Uhr trotz schwankender Temperaturen nahezu unverändert gleichmäßig läuft. Ein Team um den Biologen Prof. Dr. Ralf Stanewsky von der WWU hat nun ein wichtiges Puzzlestück der Antwort auf diese Frage gefunden.
Je höher die Temperaturen sind, desto schneller laufen physiologische Prozesse ab. Doch es gibt eine Ausnahme: die sogenannte circadiane Uhr, die bei Organismen den Schlaf-Wach-Rhythmus steuert. Für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist es eine spannende Frage, warum die innere Uhr trotz schwankender Temperaturen nahezu unverändert gleichmäßig läuft – ein Phänomen, das man als Temperaturkompensation bezeichnet. Studien deuten darauf hin, dass verschiedene molekulare Mechanismen dazu beitragen.
Publikation:
Astrid Giesecke, Peter S. Johnstone, Angelique Lamaze, Johannes Landskron, Ezgi Atay, Ko-Fan Chen, Eva Wolf, Deniz Top und Ralf Stanewsky
A novel period mutation, implicating nuclear export in temperature compensation of the Drosophila circadian clock
Current Biology
DOI: 10.1016/j.cub.2022.12.011
Das Forscherteam hat bei der Taufliege Drosophila melanogaster eine Punktmutation entdeckt, die zu einer temperaturabhängigen Periodenverlängerung der circadianen Uhr führt. Sie liegt in einem zentralen „Uhr-Gen“, genannt „period“ (per). Die Fliegen mit dieser „perI530A“-Mutation zeigen bei 18 Grad Celsius einen normalen Schlaf-Wach-Rhythmus von 24 Stunden. Bei 29 Grad Celsius dagegen läuft ihre innere Uhr etwa fünf Stunden langsamer, also 29 Stunden. Diese Periodenverlängerung betrifft auch die Aktivität des period-Gens in den Uhr-Neuronen des Gehirns.
Das betreffende Protein („PERIOD“) wird normalerweise im Laufe von 24 Stunden nach und nach chemisch verändert. Nach maximaler Veränderung wird es abgebaut. Auch dieser Prozess läuft üblicherweise bei Temperaturen zwischen 18 und 29 Grad Celsius, bei denen Fruchtfliegen aktiv sind, gleich ab. Wie die Forscher zeigten, erfolgt die Phosphorylierung in der perI530A-Mutante bei 18 Grad Celsius normal, nimmt aber mit zunehmender Temperatur ab. Dies führt zu einer Stabilisierung des „PERIOD“-Proteins.
Zur Methode
Die Wissenschaftler setzten für ihre Untersuchungen Mutanten der Taufliege mit einer Veränderung im period-Gen ein, die sie mit Methoden der modernen molekularen Genetik erzeugt hatten (CRISPR/Cas9-Mutagenese und homologe Rekombination).
Diese Tiere wurden daraufhin getestet, ob sich ihr Schlaf-Wach-Rhythmus und damit ihre Laufaktivität abhängig von der Umgebungstemperatur unterscheidet. Mit verschiedenen Verfahren machten die Forscher die Uhr-Gene und deren Aktivität in den Hirnneuronen sichtbar.
Unter anderem setzten sie eine neue „Locally Activatable BioLuminescence“-Methode ein, die das münstersche Team mit Forschern in Kanada entwickelte. Die Biolumineszenz-Methode ermöglicht es, die rhythmische Genexpression in Uhr-Neuronen, die nur einen Bruchteil aller Gehirnneurone ausmachen, in lebendigen Fliegen zu messen.
Förderung
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) sowie der Natural Sciences and Engineering Research Council of Canada (NSERC) unterstützten die Arbeit finanziell.
Die von dem Team untersuchte Mutation betrifft ein „Nuclear Export Signal“ (NES), das in dieser Form auch in den period-Genen von Säugetieren vorkommt und eine Rolle bei dem Transport der PERIOD-Proteine aus dem Zellkern spielt. Eine biologische Funktion dieses Exports aus dem Zellkern war bisher nicht bekannt. Die aktuelle Studie zeigt, dass die Mutation zu einem verlängerten Verbleib des PERIOD-Proteins im Zellkern von zentralen Uhr-Neuronen führt – und zwar ebenfalls nur bei höheren Temperaturen. „Wir vermuten daher, dass der Export des Proteins aus dem Zellkern eine wichtige Rolle bei der Temperaturkompensation spielt, zumindest bei der Taufliege“, unterstreicht Ralf Stanewsky.
Diese Newsmeldung wurde mit Material der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.