Pilzinfektionen: Systemische Unterdrückung des Weizen-Immunsystems



Bio-News vom 20.04.2020

Kieler Forschungsteam untersucht, wie bestimmte schädliche Pilze das Immunsystem ihrer Wirtspflanzen herunterregulieren, um neue Infektionen zu ermöglichen.

Weizen ist eine der bedeutendsten Kulturpflanzen weltweit und bildet den Rohstoff für zahlreiche Grundnahrungsmittel. Als das am zweithäufigsten angebaute Getreide kommt der Weizen allein in Deutschland auf einen Ertrag von etwa 20-25 Millionen Tonnen jährlich. Im nordwestlichen Europa ist der Anbau allerdings mit dem schädlichen Pilz Zymoseptoria tritici konfrontiert, der die Weizenblätter befällt und so gravierende Ernteeinbußen von bis zu 50 Prozent verursachen kann. Der Schutz des Getreides vor diesem Pilz ist für rund 70 Prozent der in Deutschland eingesetzten Menge an Pflanzenschutzmitteln verantwortlich - und stellt also eine zentrale Herausforderung für die Ernährungssicherheit dar.

Forschende arbeiten einerseits an der Züchtung resistenter Arten und andererseits an neuartigen und nachhaltigen Pflanzenschutzstrategien, um den Pilz in Schach zu halten. An der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) erforscht die Arbeitsgruppe Umweltgenomik um Professorin Eva Stukenbrock unter anderem die molekularen Interaktionen von Pflanze und Pilz und die daraus hervorgehenden gegenseitigen evolutionären Anpassungen.

In diesem Zusammenhang hat das Kieler Forschungsteam nun eine unter anderem vom Canadian Institute for Advanced Research (CIFAR) und dem CAU-Sonderforschungsbereich (SFB) 1182 „Entstehen und Funktionieren von Metaorganismen“ unterstützte Studie veröffentlicht, die den Mechanismus einer Pilzinfektion beim Weizen insbesondere hinsichtlich der Auswirkungen auf das pflanzliche Immunsystem untersucht. Die Forschenden konnten zeigen, dass der Pilz den pflanzlichen Stoffwechsel beeinflusst, die Zusammensetzung des Weizenmikrobioms verändert und eine räumliche begrenzte Infektion mit Z. tritici eine systemische Unterdrückung des pflanzlichen Immunsystems bewirkt, die dem Schädling die weitere Ansiedlung erleichtert.


Pycnidien, die Pilzfruchtkörper, auf einem Weizenblatt in einem Infektionsexperiment: Ihre Zählung hilft bei der Beurteilung der Fähigkeit der Pilze, die Pflanze zu infizieren.

Publikation:


Heike Seybold, Tobias J. Demetrowitsch, M. Amine Hassani, Silke Szymczak, Ekaterina Reim, Janine Haueisen, Luisa Lübbers, Malte Rühlemann, Andre Franke, Karin Schwarz and Eva H. Stukenbrock
Fungal pathogen induces systemic susceptibility and systemic shifts in wheat metabolome and microbiome composition

Nature Communications Published: 20 April 2020

DOI: 10.1038/s41467-020-15633-x



Pilzinfektionen unterdrücken das pflanzliche Immunsystem

Die Kieler Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchten die Mechanismen der Pilzinfektion anhand zweier verschiedener Weizensorten: einer gegenüber den Pilzen anfälligen und einer entsprechend resistenten Sorte. Dabei konzentrierten sie sich auf Veränderungen des pflanzlichen Stoffwechsels. Die resistenten Pflanzen produzieren nach dem Eindringen des Pilzes einerseits antifungale Stoffwechselprodukte, die das Wachstum des Pilzes hemmen. Zudem werden bestimmte Stoffe gebildet, die die Zellwände der Pflanzenzellen verstärken. Dies erschwert das Eindringen des Pilzes zusätzlich und hilft bei der Abwehr der Infektion.

Bei den anfälligen Weizenpflanzen sind diese Mechanismen jedoch verändert. Sie können keine pilzhemmenden Stoffwechselprodukte mehr ausschütten oder ihre Zellwände verstärken, sobald eine Z. tritici-Infektion vorliegt. „Interessanterweise sind diese Effekte nicht lokal auf den Infektionsherd begrenzt“, betont Dr. Heike Seybold, ehemalige Postdoktorandin in Stukenbrocks Arbeitsgruppe und aktuell Wissenschaftlerin an der Hebrew University of Jerusalem. „Wir konnten zeigen, dass es im Zuge des Pilzbefalls bei bestimmten Weizensorten zu einer systemischen Unterdrückung des Immunsystems kommt und vermuten, dass der Pilz diesen Effekt bewirken kann “, so Seybold weiter.

Schädliche Pilze verändern pflanzliches Mikrobiom

Diese Prozesse lassen sich auch anhand der mikrobiellen Besiedlung der Weizenpflanzen nachvollziehen: Das pflanzliche Mikrobiom ändert sich nach dem Kontakt mit dem Pilz in Menge und Zusammensetzung der darin vertretenen Mikroorganismen. „Bei der pilzresistenten Sorte nimmt die Diversität der verschiedenen Arten innerhalb des Mikrobioms ab, sobald die Pflanze infiziert wird“, erklärt Seybold. „Das bedeutet, dass vor allem die zum Kernmikrobiom gehörenden Arten verbleiben, während die Immunantwort hochgefahren wird“, so Seybold weiter. Die Forschenden vermuten, dass dieser Effekt auf einer evolutionären Anpassung der Pflanze an den Schädling beruht. Bei der anfälligen Weizensorte ist der Effekt dementsprechend nicht ausgeprägt. Eine Pilzinfektion bei resistenten Pflanzen führt also dazu, dass die Ansiedlung bestimmter Arten im Mikrobiom verhindert und so seine Gesamtzusammensetzung zur Abwehr der Infektion in funktioneller Hinsicht geändert wird.

In einem nächsten Schritt untersuchten die Forschenden, wie sich diese Veränderungen auf die Anfälligkeit der Pflanzen gegenüber anderen Schadorganismen auswirkten, zum Beispiel bestimmte schädliche Bakterienarten. Wenn man nicht mit dem Pilz infizierte Weizenpflanzen zunächst nur mit den Bakterien infiziert, wuchsen diese gleich gut auf der resistenten und auf der anfälligen Sorte. „Unterschiede im Bakterienwachstum treten erst auf, wenn man beide Sorten gleichzeitig, aber räumlich getrennten mit Z. tritici und dem Bakterium infiziert“, erklärt Seybold. In diesem Fall zeigte sich, dass die resistente Sorte sowohl den Pilz als auch die Bakterien abwehren konnte. Die pilzanfällige Sorte wurde dagegen noch anfälliger für die Bakterien als vorher. „Dies unterstreicht, dass der Pilz in der Lage ist, unabhängig vom Infektionsort das Immunsystems des Weizens insgesamt zu unterdrücken“, so Seybold weiter.

Wert der transdisziplinären Kooperation

Die neuen Ergebnisse der CAU-Forschenden sind das Produkt einer umfangreichen Zusammenarbeit verschiedener Expertisen: Die Pflanzenforschenden des botanischen Instituts kooperierten mit den Expertinnen und Experten für Genomsequenzierungen und den Fachleuten für die Analyse von Stoffwechseldaten in der sogenannten Metabolomics-Forschung - namentlich in Professor Andre Frankes Arbeitsgruppe Genetik und Bioinformatik am Institut für Klinische Molekularbiologie und in der Abteilung für Lebensmitteltechnologie um Professorin Karin Schwarz am Institut für Humanernährung und Lebensmittelkunde, beide an der CAU.

Nur mit dieser gemeinsamen Anstrengung gelang es, wertvolle neue Erkenntnisse über die Wechselwirkungen von Nutzpflanzen und Schädlingen aus drei sich ergänzenden wissenschaftlichen Perspektiven zu gewinnen. „Unsere neue transdisziplinäre Studie ist für die weitere Erforschung von nachhaltigen Pflanzenschutzstrategien von großer Bedeutung“, unterstreicht Stukenbrock, Sprecherin des CAU-Pflanzenforschungszentrums „Kiel Plant Center“ (KPC). „Wir konnten erstmals belegen, wie ein Pflanzenschädling eine systemische Immunantwort bei Nutzpflanzen auslösen und damit eine erhöhte Anfälligkeit gegenüber anderen Schadorganismen verursachen kann“, so Stukenbrock weiter. Damit ist nun eine zusätzliche wichtige Facette aus der Grundlagenforschung bekannt, die in Zukunft zur Entwicklung von neuen Schutzstrategien für den Pflanzenbau genutzt werden kann.


Diese Newsmeldung wurde mit Material der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.


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