Spezialisierung von Ameisenköniginnen hängt vom sozialen Umfeld ab



Bio-News vom 28.03.2024

Spezialisierung von Ameisenköniginnen auf die Eiablage ist umkehrbar. Sie wird durch Anwesenheit von Arbeiterinnen ausgelöst und aufrechterhalten.

Die Königinnen der sozialen Insekten, wie etwa von Ameisen, Bienen oder Wespen, gelten gemeinhin als Höhepunkt der Spezialisierung im Tierreich. Königinnen, so die verbreitete Ansicht, seien nur dazu da, Eier zu legen – und diese Eigenschaft sei angeboren und nicht von äußeren Faktoren beeinflusst. Forschungen an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) zeigen im Gegensatz zu dieser Auffassung, dass in Ameisenstaaten das soziale Umfeld eine entscheidende Rolle bei der Verhaltensspezialisierung von Ameisenköniginnen spielen kann.


Eine Königin der Schwarzen Wegameise bei der Brutpflege

Publikation:


Vahideh Majidifar et al.
Ontogeny of superorganisms: Social control of queen specialization in ants

Functional Ecology (2024)



„Die Spezialisierung der Königinnen unterliegt bei der Ameisenart, die wir untersucht haben, einer sozialen Kontrolle. Mit diesem Befund stellen wir das weithin akzeptierte Dogma infrage, wonach Insektenköniginnen praktisch als Eierlegemaschinen geboren werden“, sagt Dr. Romain Libbrecht. Die Arbeiten wurden in der Gruppe „Reproduktion, Ernährung und Verhalten von Insektenstaaten“ unter der Leitung von Libbrecht an der JGU durchgeführt und nun veröffentlicht. Romain Libbrecht arbeitet heute als Evolutionsbiologe für das renommierte Centre national de la recherche scientifique (CNRS) an der Universität Tours.

Vorstellung von Insektenstaat als Superorganismus mit spezialisierten Individuen

Soziale Insektenkolonien bestehen aus Königinnen, die die Fortpflanzung monopolisieren, und sterilen Arbeiterinnen, die alle nicht-reproduktiven Aufgaben übernehmen, wie beispielsweise die Versorgung von Eiern und Larven – diese Ansicht stellen die Forschenden in ihrer neuen Studie auf die Probe. Sie nehmen dafür Ameisenarten in den Fokus, bei denen die Königinnen neue Kolonien alleine und ohne die Hilfe von Arbeiterinnen gründen. „Interessanterweise sind die Gründungsköniginnen in dieser Lebensphase noch nicht in ihrem Verhalten spezialisiert“, sagt Libbrecht. „Sie müssen alle Aufgaben im Nest wie auch die Brutpflege selbst übernehmen, um die erste Generation an Arbeiterinnen erfolgreich großzuziehen.“



Libbrechts Gruppe hat die experimentellen Untersuchungen an der einheimischen Schwarzen Wegameise Lasius niger vorgenommen. Sie zeigen, welch eine zentrale Rolle das soziale Umfeld dabei spielt, die Verhaltensspezialisierung von Gründungsköniginnen auszubilden. „Wenn wir Arbeiterinnen zu den Nestern von Gründungsköniginnen hinzugeben, unterdrückt dies die natürliche Veranlagung dieser Königinnen, sich um die Brut selbst zu kümmern. Und umgekehrt, wenn wir aufs Eierlegen spezialisierte Königinnen von ihren Arbeiterinnen isolieren, dann kehren sie schnell zu dem Brutpflegeverhalten von Gründungsköniginnen zurück – selbst nach vielen Jahren der Spezialisierung.“

Verständnis von Insektengesellschaften und ihrer Arbeitsteilung ist nun zu überdenken

Libbrecht betont, dass ein solches Verhalten die weithin akzeptierte Vorstellung infrage stellt, dass soziale Insektenköniginnen von Natur aus spezialisierte Maschinen zur Eiablage sind. Stattdessen zeige die Studie, dass die Anwesenheit von Arbeiterinnen die Spezialisierung der Königin auf die Eiablage nicht nur auslöst, sondern darüber hinaus die Spezialisierung auch in etablierten Kolonien aktiv aufrechterhält. Diese Entdeckung, dass die Spezialisierung der Königinnen einer sozialen Kontrolle unterliegt, könnte unser Verständnis, wie Insektengesellschaften und ihre Arbeitsteilung funktionieren, verändern.


Diese Newsmeldung wurde mit Material der Johannes Gutenberg-Universität Mainz via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.


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