Biopsychologie


Die Biopsychologie auch Biologische Psychologie oder Psychobiologie (engl. teilweise biopsychology, sonst behavioral neuroscience) ist ein Teilgebiet der Psychologie. Sie beschäftigt sich mit Zusammenhängen zwischen biologischen (neuronalen, hormonellen, biochemischen) Prozessen bzw. Mechanismen im Körper und im Verhalten.[1]

Biopsychologische Forschung untersucht zum einen den Einfluss von biologischen Strukturen und Vorgängen – beispielsweise des Gehirns, des kardiovaskulären, endokrinen und immunologischen Systems – auf Verhalten, Emotionen, Träume und Denken/Kognition. Zum anderen, wie psychologische Zustände und Vorgänge biologische Strukturen und Funktionen beeinflussen.

Teilbereiche der Biopsychologie und Abgrenzung

Es lassen sich 6 Hauptbereiche der Biopsychologie unterscheiden.[2]

  • Physiologische Psychologie

Untersucht die neuronalen Mechanismen des Verhaltens durch Manipulation des Nervensystems. So wurde der Beitrag des Hippocampus an Gedächtnisleistungen untersucht, indem dieser bei Ratten chirurgisch entfernt und die Leistung der Ratten in verschiedenen Gedächtnisaufgaben untersucht wurde. Ein populäres Experiment führte der spanische Neurologe José Manuel Rodriguez Delgado in den 1960er Jahren mit einem Stier durch. Er konnte gezielt den Nucleus caudatus per Funk elektrisch reizen, sodass dieser immer, wenn er zum Angriff ansetzte, innehielt und stattdessen anfing, sich im Kreis zu drehen.[3]

Manchmal wird die Physiologische Psychologie aber auch als direktes Synonym zur Biopsychologie benutzt. Die Biologische Psychologie und die Physiologische Psychologie haben sich nahezu parallel zu den übrigen Neurowissenschaften entwickelt und werden auch teilweise als Teilgebiete der Neurowissenschaften betrachtet.

Während die Biologische Psychologie die Zusammenhänge zwischen den biologischen Prozessen in allen Organen des Körpers und dem Verhalten erforscht, beschäftigt sich die Physiologische Psychologie interdisziplinär ausschließlich mit den Beziehungen zwischen Gehirn und Verhalten.[4]

Untersucht die Wirkung von Pharmaka und Drogen auf Gehirn und Verhalten. Zum Beispiel wie durch Gabe von Pharmaka, die die Verfügbarkeit des Neurotransmitters Acetylcholin erhöhen, das Gedächtnis von Alzheimer-Patienten verbessert werden kann.

Untersucht psychologische Effekte von Hirnschäden an menschlichen Patienten. Da hier aus ethischen Gründen keine Experimente durchgeführt werden, untersucht man spezielle Einzelfälle, z. B. Henry Gustav Molaison, auch bekannt als H. M., der an einer speziellen Erinnerungsschädigung litt oder Phineas Gage dem bei einem Unfall eine Eisenstange durch seinen Schädel flog und dabei Läsionen im orbitofrontalen und präfrontalen Kortex erlitt.

Schon 1934 fanden englische Naturwissenschaftler heraus, dass blinde Affen dahingehend trainiert werden konnten, dass sie auf bestimmte Bilder mit Furcht reagierten. Erst in neuerer Zeit gelang es einen Menschen mit einem seltenen Krankheitsbild, sodass festgestellt wurde: Trotz zerstörter Sehrinde ist ein „unbewusstes Sehen“ möglich; obwohl die Person angab, nichts sehen zu können, konnte sie Gegenständen beim Herumlaufen in einem Raum ausweichen (siehe Rindenblindheit).

  • Psychophysiologie

Untersucht die Beziehung zwischen physiologischer Aktivität und psychologischen Prozessen am Menschen mittels nicht invasiver psychologischer Messungen. Man fand heraus, dass sogar bei Patienten, die nach einer Gehirnschädigung angaben, keine Gesichter mehr wahrnehmen zu können, vertraute Gesichter übliche Veränderungen in der Aktivität des autonomen Nervensystems hervorriefen.

Untersucht die neuronalen Mechanismen der menschlichen Kognition, hauptsächlich unter Verwendung funktionaler bildgebender Verfahren. Mit Hilfe dieser Verfahren können Veränderungen der Aktivität in verschiedenen Teilen des Gehirns sichtbar gemacht werden, während Probanden z. B. Gedächtnisaufgaben lösen.

  • Vergleichende Psychologie

Untersucht die Evolution, Genetik und Adaptivität des Verhaltens verschiedener Spezies. Das können nahe Verwandte des Menschen (Primaten) oder andere Arten sein. So konnte z.B. gezeigt werden, dass Vogelarten, die Samenvorräte verstecken, relativ große Hippocampi haben, was anzeigt, dass der Hippocampus für das Ortsgedächtnis wichtig ist.

Historische Entwicklung

Die Biologische Psychologie begann als Forschungsdisziplin im deutschen Sprachraum, wurde aber in den Jahren 1933–1945 dort fast völlig zerstört und konnte sich nur ungenügend erholen.[5]

Bereits bei der Gründung der Psychologie als Wissenschaft spielten die physiologische und biologische Psychologie eine zentrale bisweilen prägende Rolle. Mit dem Lehrbuch Grundzüge der Physiologischen Psychologie von Wilhelm Wundt begann im Jahre 1874 die wissenschaftliche Psychologie. Während in der anglo-amerikanischen Psychologie etwa 20 Prozent der wissenschaftlichen Arbeiten aus dem Bereich der Neurowissenschaften von biologischen Psychologen publiziert werden, sieht dies in den deutschsprachigen Ländern, trotz einzelner hervorragender Forschungsgruppen, anders aus.

Während in den USA tausende Psychologen sich im Rahmen ihrer Forschungsarbeiten mit physiologischen bzw. biologisch psychologischen Fragestellungen beschäftigen, lässt sich die Zahl der Wissenschaftler, die sich in der Bundesrepublik Deutschland mit der biologischen Psychologie wissenschaftlich auseinandersetzen, auf ca. 100 bis 150 aktive Forscher beziffern.

Methoden

Insgesamt stützt sich die Biopsychologie stark auf den Tierversuch, der ein nicht wegzudenkender Kernbestandteil des Fachgebietes ist. Da die deutsche Psychologie Tierversuchen eher ablehnend gegenüber steht, ist das mit ein Grund warum das Fach in Deutschland auf wenige Institute beschränkt bleibt.

Aus Sicht der Kognitiven Neurowissenschaft finden aber auch alle möglichen bildgebenden Verfahren Verwendung, insbesondere Magnetoenzephalographie (MEG), Elektroenzephalografie (EEG) und Funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT). Diese erlauben nichtinvasive Einblicke in kortikale und subkortikale Hirnbereiche und deren Arbeitsweise.

Damit ist die Biopsychologie eng an die Entwicklung neuer Forschungsmethoden und -technologien gebunden, wie z. B. der Trierer Stresstest (TSST = Trier Social Stress Test).[6]

Siehe auch

Literatur

  • Niels Birbaumer, Robert F. Schmidt: Biologische Psychologie. 7. vollständig überarbeitete und ergänzte Auflage. Springer Medizin, Heidelberg 2010, ISBN 978-3-540-95937-3.
  • Neil R. Carlson: Physiologische Psychologie. 8. aktualisierte Auflage. Pearson Studium, München u. a. 2004, ISBN 3-8273-7087-6.
  • Carsten Könneker (Hrsg.): Wer erklärt den Menschen? Hirnforscher, Psychologen und Philosophen im Dialog. (= Fischer-Taschenbücher. Gehirn & Geist. 17331) Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 2006, ISBN 3-596-17331-0 Sammelband mit mehreren Beiträgen u.a. von Christof Koch, Andreas K. Engel und Gerhard Roth zur biologischen Bewusstseinsforschung.
  • John P. J. Pinel: Biopsychologie. 2., neu bearbeitete deutsche Auflage. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg u. a. 2001, ISBN 3-8274-1082-7.
  • Monika Pritzel, Matthias Brand, Hans J. Markowitsch: Gehirn und Verhalten. Ein Grundkurs der physiologischen Psychologie. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2003, ISBN 3-8274-0248-4.
  • Mark R. Rosenzweig, S. Marc Breedlove, Neil V. Watson: Biological Psychology. An Introduction to Behavioral and Cognitive and Neuroscience. 4. Auflage. Sinauer, Sunderland MA 2005, ISBN 0-87893-754-4.
  • Rainer Schandry: Biologische Psychologie. Ein Lehrbuch. Beltz, Weinheim u. a. 2003, ISBN 3-621-27485-5.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Biopsychologie. In: Clemens Kirschbaum: Biopsychologie von A bis Z. Springer, Heidelberg 2008, ISBN 978-3-540-39606-2, S. 37.
  2. John P. J. Pinel, Paul Pauli: Biopsychologie. 6., aktualis. Auflage. Pearson Studium, 2007, ISBN 978-3-8273-7217-8.
  3. Rainer M. Bösel: Das Gehirn: Ein Lehrbuch der funktionellen Anatomie für die Psychologie. 1. Auflage. Kohlhammer, 2006, ISBN 3-17-019183-7, S. 124.
  4. Niels Birbaumer, Robert F. Schmidt: Biologische Psychologie. 7., vollst. überarb. u. ergänzte Auflage. Springer, Berlin/ Heidelberg, 2010, ISBN 978-3-540-95937-3, S. 2.
  5. Niels Birbaumer, Robert F. Schmidt: Biologische Psychologie. 7., vollst. überarb. u. ergänzte Auflage. Springer, Berlin/ Heidelberg, 2010, ISBN 978-3-540-95937-3, S. 5.
  6. Professor Dr. Dirk H. Hellhammer, Abteilung für Klinische und Physiologische Psychologie der Uni Trier, abgerufen am 13. Oktober 2012: Erläuterungen zum Trier Social Stress Test (TSST).

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