Biozönose


Eine Biozönose (von altgriechisch βίος bios „Leben“ und altgriechisch κοινός koinós = „gemeinsam“) ist eine Gemeinschaft von Organismen verschiedener Arten in einem abgrenzbaren Lebensraum (Biotop) bzw. Standort. Biozönose und Biotop bilden zusammen das Ökosystem.

Die Lebewesen einer Lebensgemeinschaft stehen untereinander in zahlreichen Wechselbeziehungen, werden von den abiotischen Umweltfaktoren beeinflusst und wirken auf diese wieder zurück (biozönotischer Konnex). Es entsteht ein biologisches bzw. ökologisches Gleichgewicht.

Die Biozönologie oder Biozönotik, eine Unterdisziplin der Ökologie, untersucht diese Zusammenhänge. Sie stellt ein Teilgebiet der Synökologie dar.

Der Begriff Biozönose wurde 1877 von Karl August Möbius geprägt, der die auf einer Austernbank gemeinschaftlich lebenden Organismen als eine „Lebensgemeinschaft“ oder „Biocönose“ bezeichnete.

Charakterisierung von Biozönosen

Je nach Schwerpunkt der Typisierung können Biozönosen auf Grund unterschiedlicher Taxa charakterisiert werden:

  • Eine Phytozönose (oder Pflanzengemeinschaft) ist die spezifische Kombination von Pflanzenarten eines bestimmten Gebiets oder Standorts. Zur Beschreibung von Phytozönosen werden in der Pflanzensoziologie Pflanzengesellschaften beschrieben, gekennzeichnet durch Arten (Charakterarten), die ähnliche oder gleiche Ansprüche an ihren Standort stellen. (Beispiel: Felsschuttgesellschaft des Hochgebirges mit dem Rundblättrigem Täschelkraut Thlaspi rotundifolium bilden im System die Klasse Thlaspietea rotundifolii.)
  • Eine Zoozönose (Tiergesellschaft) wird durch die Kombination verschiedener zusammen lebender Tierarten gebildet. (Beispiel: Tiergemeinschaft des Ngorongoro-Kraters). Obwohl bestimmte Biotoptypen Zoozönosen besitzen, die sich ähnlich wie Pflanzengesellschaften als charakteristische Artenkombinationen beschreiben ließen, ist ein ähnliches formalisiertes System in der Zoologie nicht gebräuchlich.
  • Eine Mikrobiozönose (Mikrobengesellschaft) stellt die Gesamtheit der in einem Mikrohabitat vorkommenden Mikroorganismen dar. Wobei die Ansprüche und Stoffwechselwege der einzelnen Arten sehr unterschiedlich sein können, da das Stoffwechselendprodukt des einen Mikroorganismus das Substrat für einen anderen Mikroorganismus darstellen kann.

Zönose kann als Oberbegriff für Phytozönose und Zoozönose stehen. Abgegrenzte Teil-Lebensgemeinschaften bestimmter systematischer Ordnung werden allgemein Taxozönosen genannt (Beispiel: Käfer eines Buchenwalds, Moose in Fließgewässern, Vögel einer Agrarlandschaft). Die Bezeichnung nach der jeweils behandelten Gruppe, zum Beispiel Avizönose für die Vogelwelt, ist möglich, aber wenig gebräuchlich. Fasst man Organismen unterschiedlichen systematischen Rangs in Teil-Lebensräumen zusammen (etwa alle Organismen in zersetzendem Holz, alle Koprophagen auf Kot von Huftieren, alle Bewohner der Kronenschicht im tropischen Regenwald) spricht man hingegen eher von Synusien.

Die Arten einer Biozönose besetzen gemäß der Nischentheorie unterschiedliche ökologische Nischen. Arten ähnlicher Lebensweise (Beispiel: alle Samenfresser), die dieselbe Ressource in ähnlicher Art und Weise ausnutzen, werden als Gilden zusammengefasst.

Wechselwirkungen zwischen den Lebewesen

Auch der Stoffkreislauf ist eine Wechselbeziehung zwischen verschiedenen Tier- oder Pflanzenarten

Man unterscheidet Wechselwirkungen zwischen den Mitgliedern einer Art (intraspezifische Wechselbeziehungen) und Wechselwirkungen zwischen den Mitgliedern verschiedener Arten (interspezifische Wechselbeziehungen).

Diese Wechselwirkungen können Einfluss auf die Überlebens- und Fortpflanzungsfähigkeit des Individuums (Fitness), und damit auch auf die Entwicklung der Populationsdichte einer Art in einem Ökosystem haben.

Zu den Beziehungen gehören Nahrungs-, Transport- und Schutzbeziehungen.

Mögliche Auswirkungen der Wechselbeziehungen zwischen zwei Arten auf die Populationsdichte:

  1. Abiosen: Der Trivialfall, dass zwei Arten im selben Lebensraum sich nicht gegenseitig beeinflussen, ist auf Grund der Komplexität von Ökosystem sehr schwer nachzuweisen. Er ist möglicherweise dann gegeben, wenn sich zum Beispiel Zugvögel mit unterschiedlichen ökologischen Ansprüchen auf der Wanderung über Nacht auf einem Rastplatz sammeln.
  2. Eine Art zieht Nutzen aus der Beziehung, die andere wird nicht beeinflusst. Je nach Grad der Abhängigkeit unterscheidet man Pro-, Para- und Metabiosen. Beispiele: Karpose, Kommensalismus.
  3. Symbiose: Beide Arten ziehen Nutzen aus der Beziehung (Symbiose im engeren Sinn, Mutualismus (Biologie)).
  4. Antibiosen
    1. Eine Art wird geschädigt, ohne dass die andere Art einen Vor- oder Nachteil davon hätte. Beispiel: Wenn schwere Huftiere häufig denselben Weg gehen, zerstören sie auf ihrem Wechsel die Vegetation. (Amensalismus)
    2. Beide Arten werden durch die Beziehungen benachteiligt (Konkurrenz).
    3. Eine Art zieht Nutzen aus der Beziehung, schädigt aber gleichzeitig die andere Art. Beispiele: Prädation, Parasitismus.

Stabilität

Biozönosen stellen ein dynamisches System dar, das sich beständig ändert. Bleiben Individuen- und Artenzahlen über einen längeren Zeitraum konstant, befindet sich das Ökosystem im Gleichgewicht. Veränderungen der Umweltbedingungen oder der Artenzusammensetzung können aber eine Biozönose rasch verändern. Dabei können einer verbreiteten Hypothese zufolge artenreiche Ökosysteme Veränderungen besser kompensieren als artenarme, sie sind stabiler. Der Zusammenhang zwischen Artenreichtum und Stabilität ist aber in der ökologischen Forschung umstritten, z.B. weil es Gegenbeispiele gibt - sehr artenarme, dabei aber stabile Lebensgemeinschaften.

Treten in einem Ökosystem nacheinander verschiedene Biozönosen auf, spricht man von Sukzession.

Wechselnde Zugehörigkeiten

Eine Art kann - insbesondere wenn sie Wanderungen durchführt - Angehörige verschiedener Biozönosen sein. So gehören junge Flussaale im Meer als Weidenblattlarven zum Plankton, später als Glasaale zum Nekton und schließlich zum Nekton eines Flusses oder Sees. Die Zugehörigkeit zu einer Biozönose kann sich demnach auch im Verlauf der verschiedenen Entwicklungsstadien ändern. Zum Beispiel sind die meisten Krebse als Nauplius- oder Zoea-Larven Teil des Planktons, leben als erwachsene Tiere aber am oder im Gewässerboden und gehören somit zum Benthos. Ähnlich verhält es sich bei vielen Muscheln und Borstenwürmern

Biozönotische Grundprinzipien

  1. Je vielfältiger die Ökologischen Nischen eines Biotops sind, desto artenreicher ist die Biozönose. (Tropenwälder).

Der Nischenreichtum ist dabei normalerweise im Wesentlichen ein Produkt der Biozönose selbst (z. B. bedingen viele verschiedene Pflanzenarten viele verschiedene Nischen für Phytophage). Ökologische Bedingungen für nischenreiche Systeme zu formulieren ist nicht einfach. Wichtig scheint zu sein, dass die interspezifische Konkurrenz die Lebensgemeinschaft nicht entscheidend dominiert.

  1. Je mehr sich die abiotischen Faktoren eines Biotops vom physiologischen Optimum der meisten Arten entfernen, desto artenärmer, aber auch individuenreicher ist die Biozönose, die Organismen dieser Lebensgemeinschaften sind meist hochspezialisiert. (Salzseen, Schwermetallrasen)
  2. Je langsamer und kontinuierlicher sich die Lebensbedingungen in einem Biotop verändert haben, desto artenreicher ist seine Biozönose. (Korallenriffe)

Evolution

Die intensiven Wechselbeziehungen, vor allem die Nahrungsbeziehungen, fördern die Evolution und damit die Anpassung der Arten an die biotischen und abiotischen Faktoren eines Ökosystems. Von Koevolution spricht man, wenn bei zwei Arten eine gegenseitige Anpassung aneinander erfolgt (z. B. System Bestäuber - Blüte). Koevolution fördert die Spezialisierung von Arten und erhöht damit tendenziell den Artenreichtum von Biozönosen.

Paläontologie

In einer Thanatocoenose („Grabgemeinschaft“), sind die Überreste von Organismen einer Biozönose eingelagert und fossiliert.

Siehe auch

Literatur

  • Eugene P. Odum: Ökologie. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 1999, ISBN 3-13-382303-5.
  • Carl Beierkuhnlein: Biogeographie. UTB, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-8252-8341-4.
  • Hartmut Leser: Landschaftsökologie. UTB, Stuttgart 1997, ISBN 3-8252-0521-5.

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