Faultiere
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Faultiere | ||||||||||||
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Braunkehl-Faultier (Bradypus variegatus), ein Vertreter der Dreifinger-Faultiere | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Folivora | ||||||||||||
Delsuc et al., 2001 |
Die Faultiere (Folivora) bilden eine urtümliche Unterordnung der zahnarmen Säugetiere (Pilosa) und sind mit Ameisenbären und Gürteltieren verwandt. Es sind sechs rezente Arten bekannt, die sich in die beiden Familien der Zweifinger-Faultiere (Megalonychidae) und der Dreifinger-Faultiere (Bradypodidae) aufteilen. Daneben gab es noch eine Reihe heute ausgestorbener Riesenfaultiere.
Lebensraum
Faultiere bewohnen hauptsächlich die Baumkronen der tropischen Regenwälder von Mittelamerika und dem Amazonasbecken bis zum südlichen Brasilien.
Körperbau
Die Tiere erreichen eine Körperlänge von gut einem halben Meter und werden bis zu fünf Kilogramm schwer, Zweifingerfaultiere bis zu neun Kilogramm.
Die vorderen Gliedmaßen sind länger als die hinteren, besonders deutlich bei den Dreifingerfaultieren. Wie der Name sagt, unterscheiden sich die beiden Familien durch die Anzahl der Finger. An den Hinterbeinen haben beide Gruppen drei Zehen, so dass die alte Bezeichnung Zweizehen- und Dreizehenfaultiere irreführend ist. Finger und Zehen tragen große, sichelförmig gebogene Klauen.
Früher ging man davon aus, dass Dreifingerfaultiere im Gegensatz zu anderen Säugetieren zwischen acht und zehn Halswirbel hätten, was ihnen eine größere Beweglichkeit des Kopfes ermögliche (um bis zu 270°). Neuere Untersuchungen lassen allerdings darauf schließen, dass es sich bei den vermeintlich zusätzlichen Halswirbeln nur um Brustwirbel handelt, denen die Rippenfortsätze fehlen.[1] Der Kopf ist im Gegensatz zum Hals sehr kurz, das Gesicht ist rund. Die kleinen Augen liegen weit auseinander, die runde Nase ist deutlich abgeflacht, die Ohren zurückgebildet.
Faultiere besitzen keine Gallenblase.
Das Fell bildet zwei Schichten: Das untere ist kurz und sehr dicht, das obere besteht aus langen strohigen Haaren mit ungewöhnlichen, feinen Längsrillen. Der Schwanz ist stummelartig zurückgebildet oder fehlt ganz. Der Haarstrich ihres langen dichten Felles verläuft vom Bauch zum Rücken, also entgegengesetzt zu anderen Säugetieren. So kann das Regenwasser besser ablaufen.
Die vor etwa 12.000 Jahren ausgestorbenen amerikanischen Riesenfaultiere wie Megatherium und Megalonyx erreichten hingegen die Größe heutiger Elefanten beziehungsweise Ochsen. Es waren pflanzenfressende Bodenbewohner, die im Zuge der Quartären Aussterbewelle am Ende des Pleistozän verschwanden. Möglicherweise wurden sie von den ersten Menschen, die Amerika besiedelten, als Beutetiere gejagt und ausgerottet.
Lebensweise
Fast das gesamte einzelgängerische Leben der Faultiere findet mit dem Rücken nach unten, an einem Ast hängend, statt; die gebogenen Klauen fungieren als Haken. Sie ernähren sich fast ausschließlich von Laub, nur die Zweifingerfaultiere fressen hin und wieder auch Früchte und wirbellose Kleintiere. Diese faserige, nährstoffarme Kost wird mit Hilfe von Bakterien im Verdauungstrakt ganz allmählich zersetzt, so dass der Mageninhalt der Tiere meist den Hauptanteil des Körpergewichts ausmacht. Dementsprechend haben die Faultiere für ihre Größe auch die niedrigsten Stoffwechselraten aller Säugetiere: nur etwa alle acht Tage werden Kot und Urin abgesetzt – die einzige Tätigkeit, zu der sie auf den Boden herabklettern, abgesehen von etwaigen Baumwechseln, die ebenerdig stattfinden.
Auch die Körpertemperatur lässt eher an Reptilien als an Säugetiere denken: In aktiven Phasen steigt sie nicht über 33 °C, im Schlaf kann sie bis 24 °C absinken. Wie die Echsen nutzen deshalb vor allem die Dreifingerfaultiere ein Sonnenbad zur Temperaturregulierung.
Derart sparsam mit Energie versorgt, bewegen Faultiere sich so, wie es ihr Name beschreibt: Scheinbar wie in Zeitlupe, mühsam und zögerlich hangeln sie sich durch das Geäst. Sie schlafen knapp 16 Stunden täglich (nur der Koala schläft noch länger, bis zu 20 Stunden). Dies allerdings nur in Gefangenschaft – neue Untersuchungen haben ergeben, dass Faultiere in freier Wildbahn viel weniger schlafen als bislang angenommen, nämlich nur etwa 9,6 Stunden pro Tag.[2]
Am Boden wirken sie besonders unbeholfen und schutzlos, weshalb sie ihren Aufenthalt dort auch so kurz wie möglich halten. Im Wasser zeigen sie sich dagegen als erstaunlich gute Schwimmer. Auch bei einem Angriff ihrer Feinde – Greifvögel, Katzen und Schlangen – können sie untypisch plötzliche Hiebe mit ihren Klauenarmen austeilen.
Zu ihrem Schutz hat sich bei Faultieren eine ungewöhnliche Tarnung entwickelt: In den Rillen ihrer Haare siedeln Algen, die ihnen zwischen den Blättern als grün-changierende Färbung zugutekommen. Weitere Pelzmitbewohner wie Schmetterlingsraupen und etliche Parasiten vervollständigen die Tarnung. Das dicke Fell bewahrt die Tiere außerdem vor Verletzungen bei Abstürzen.
Seh- und Hörsinn sind sehr schwach entwickelt, so dass sich Faultiere durch Geruchs- und Tastsinn orientieren.
Fortpflanzung
Ebenfalls in hängender Haltung wird von den Faultierweibchen einmal im Jahr ein einzelnes Junges geboren, welches sich auf der Bauchseite an die Mutter klammert, bis es selbstständig ist. Für die meisten Arten wird angenommen, dass sich Weibchen das ganze Jahr fortpflanzen können, nur beim Weißkehl-Faultier (Bradypus tridactylus) erfolgt die Paarung meist nach der Regenzeit. Nach einer Trächtigkeit von 6 bis 11,5 Monaten wird ein 300 bis 400 Gramm schweres Jungtier geboren. Dieses beginnt nach einigen Wochen mit fester Nahrung und wird nach etwa einem Monat entwöhnt. Weibchen erreichen nach drei bis vier Jahren die Geschlechtsreife, Männchen etwas später.
Die Lebenserwartung liegt in der Natur bei 12 Jahren, Tiere in menschlicher Obhut wurden über 30 Jahre alt.
Systematik
Früher hielt man die rezenten baumbewohnenden Faultiere für eng miteinander verwandt, man ordnete sie in eine Familie und stellte sie den bodenbewohnenden Riesenfaultieren gegenüber. Jüngere Untersuchungen haben ergeben, dass die beiden Faultierfamilien trotz der äußerlichen Ähnlichkeiten nicht sehr nahe miteinander verwandt sind, sondern sich zu einem Teil konvergent entwickelt haben. Die Aufteilung in die zwei Gruppen dürfte vor rund 35 Millionen Jahren stattgefunden haben, genaue Angaben sind schwierig, da von den Dreifinger-Faultieren bislang keine fossilen Überreste gefunden wurden. Das nachfolgende Diagramm stellt vereinfacht die Entwicklungsverhältnisse innerhalb der Faultiere dar.
Faultiere (Folivora) |
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Zu den ausgestorbenen Megatheriidae zählen das bekannte Riesenfaultier Megatherium und andere große Arten. Die Megalonychidae umfassen neben den lebenden Zweifinger-Faultieren auch ausgestorbene Arten wie das Riesenfaultier Megalonyx und die Faultiere der Großen Antillen, die bis ins Holozän überlebten. Die größte Art dieser Antillen-Faultiere war Megalocnus rodens. Die Mylodontidae sind eine Familie meist kleinerer Riesenfaultiere, unter anderem mit Mylodon und Glossotherium.
Die heutigen Faultierarten sind:
- Dreifinger-Faultiere (Bradypus)
- Kragenfaultier (Bradypus torquatus)
- Braunkehl-Faultier (B. variegatus)
- Weißkehl-Faultier oder Ai (B. tridactylus)
- Zwergfaultier (B. pygmaeus)
- Zweifinger-Faultiere (Choloepus)
- Eigentliches Zweifingerfaultier (Choloepus didactylus)
- Hoffmann-Zweifingerfaultier (C. hoffmanni)
Faultiere und Menschen
Seit ihrer Entdeckung durch die Europäer genossen Faultiere einen denkbar schlechten Ruf, der sich auch in ihrem deutschen Namen widerspiegelt. Sie galten als faule, verachtenswerte Geschöpfe.
Schon die Carajá-Indianer aus Brasilien erzählten in einer Legende, dass einst eine Faultierfamilie in einer kalten Nacht gefroren hätte und beschloss, sich am Morgen Nester zu bauen. Der Morgen kam, die Tiere aalten sich in der Sonne, sie frühstückten und schliefen ein und vergaßen ihre Entscheidung. Es kam wieder eine kalte Nacht und die Faultierfamilie beschloss, am nächsten Morgen wirklich Nester zu bauen. Doch dann wiederholten sich die Geschehnisse immer wieder und bis heute bauen Faultiere keine Nester.
Unsicherheiten gab es auch bei der systematischen Einordnung der Faultiere. In seiner frühen Ausgabe der Systema naturae ordnete sie Carl von Linné noch den Primaten zu, erst später erkannte man ihre Verwandtschaft mit Ameisenbären und Gürteltieren.
Als Regenwaldbewohner sind Faultiere besonders von den Waldrodungen bedroht, die in großem Ausmaß durchgeführt werden, um Felder und Siedlungen zu errichten. Besonderes Augenmerk muss dem Kragenfaultier gelten, das nur in Südostbrasilien vorkommt und als bedroht gilt. Für die anderen Arten fehlen genaue Daten, aufgrund ihres relativ großen Verbreitungsgebietes gelten sie noch nicht als bedroht.
Das südamerikanische Volk der Shuar jagt Faultiere zur Herstellung von Faultierschrumpfköpfen, denen ähnliche magische Kräfte wie denen eines getöteten Feindes zugesprochen werden (siehe auch Kopfjagd). Nach ihrer Vorstellung war der erste Shuar ein Faultier.
Literatur
- Ronald Nowak: Walker’s Mammals of the World. Johns Hopkins University Press, Baltimore 1999, ISBN 0-8018-5789-9.
- Don E. Wilson, DeeAnn M. Reeder: Mammal Species of the World. Johns Hopkins University Press, Baltimore 2005, ISBN 0-8018-8221-4.
- David McDonald (Hrsg.): The New Encyclopedia of Mammals. Oxford University Press, Oxford 2001, ISBN 0-19-850823-9.
Einzelnachweise
- ↑ Ein skurriles Tier im Visier, 20. Oktober 2010
- ↑ Niels C. Rattenborg, Bryson Voirin, Alexei L. Vyssotski, Roland W. Kays, Kamiel Spoelstra, Franz Kuemmeth, Wolfgang Heidrich, Martin Wikelski: Sleeping outside the box: electroencephalographic measures of sleep in sloths inhabiting a rainforest. In: Biology Letters. 4, Nr. 4, 2008, doi:10.1098/rsbl.2008.0203, S. 402–405.