Echte Feige


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Echte Feige

Echte Feige (Ficus carica)

Systematik
Rosiden
Eurosiden I
Ordnung: Rosenartige (Rosales)
Familie: Maulbeergewächse (Moraceae)
Gattung: Feigen (Ficus)
Art: Echte Feige
Wissenschaftlicher Name
Ficus carica
L.

Die Echte Feige (Ficus carica) ist eine Pflanzenart aus der Gattung der Feigen (Ficus). Sie zählt zu den ältesten domestizierten Nutzpflanzen und wird im gesamten Mittelmeergebiet angebaut. Sie hat wie alle Feigen eine komplexe Bestäubungsökologie.

Beschreibung

Feigenbaum im Frühjahr

Vegetative Merkmale

Die Feige wächst als sommergrüner und laubwerfender Strauch oder kleiner Baum mit einer Wuchshöhe von 3 bis zu 10 Metern [1]. Die Krone ist bei alten Individuen sehr breit und ausladend, jedoch unregelmäßig und niedrig. Der Stamm ist oft knorrig, gedreht oder gebogen. Die reiche Verzweigung beginnt schon in geringer Höhe. Die Zweige sind stark und gerade [1]. Die gräulich-braune Borke besitzt deutliche erkennbare Lentizellen [1]. Die Rinde ist glatt, hellgrau. Die ganze Pflanze führt Milchsaft.

Die Laubblätter sind wechselständig an den Zweigen angeordnet [1]. Der kräftige Blattstiel ist 2 bis 8 Zentimeter lang [1]. Die feste, steife und fast ledrige Blattspreite ist bei einer Länge und Breite von 10 bis 20 Zentimeter breit-eiförmig und drei- bis fünflappig, wobei die Blattlappen eiförmig sind und die Spreitenbasis mehr oder weniger herzförmig ist [1]. Der Blattrand ist unregelmäßig gezähnt [1]. Die dunkelgrüne Blattoberseite ist rauhaarig. Die hellere Blattunterseite ist dicht mit kleinen Zystolithen und kurzen, flaumigen Haaren bedeckt [1]. Es sind zwei bis vier Basalnerven und fünf bis sieben Seitennerven auf jeder Seite des Mittelverves vorhanden [1]. Die Nebenblätter sind rot und bei einer Länge von etwa 1 cm eiförmig-lanzettlich [1].

Blütenstand und Blüten

Die achselständig und einzeln stehenden Blütenstände sind bei einem Durchmesser von 3 bis 5 cm, birnenförmig [1] beziehungsweise flaschenförmig. Sie entstehen, indem die Blütenstandsachse krugförmig nach oben wächst und mehrere hundert Einzelblüten dabei nach innen verlagert werden. An der Spitze des Blütenstandes bleibt eine enge, konkave Öffnung (Ostiolum) frei, die durch schuppenartige, eiförmige Hochblätter fast völlig geschlossen ist.

Feigen sind einhäusig getrenntgeschlechtig (monözisch), d. h. es gibt männliche und weibliche Blüten, die zusammen auf einem Pflanzenexemplar vorkommen. Die männlichen Blüten besitzen vier oder fünf Kelchzähne und meist drei, selten ein, vier oder fünf Staubblätter [1]. Bei den weiblichen Blüten gibt es wieder zwei Formen: Die sogenannte „Gallblüte“ mit kurzem Griffel, sie ist steril. Die fertile, weibliche Blüte besitzt vier oder fünf Kelchzähne und einen eiförmigen, glatten Fruchtknoten sowie einen seitlichen, langen Griffel der in zwei linealen Griffelästen endet [1]. Diese drei Blütenformen sind auf zwei Formen der Kulturfeige verteilt, die klassisch als Varietäten eingestuft werden (siehe jedoch unten):

  • Die Haus- oder Essfeige, var. domestica, die die essbaren Früchte liefert, besitzt nur langgrifflige weibliche Blüten. Da ihr die männlichen Blüten fehlen, kann sie sich also alleine gar nicht vermehren.
  • Die Holz- oder Bocksfeige, var. caprificus, enthält kurzgrifflige weibliche Gallenblüten und männliche Blüten. Letztere stehen in der Nähe des Ostiolums. Die Bocksfeige ist funktionell die männliche Pflanze.

Bestäubung

Die Blütenökologie ist bei der Echten Feige noch komplizierter als bei der Gattung Feigen generell, da hier nicht nur Feige und Feigenwespen interagieren, sondern zusätzlich zwei Feigenvarietäten zusammenspielen müssen.[2] Wie bei allen Feigen werden die Blüten durch eine 2 bis 3 Millimeter große Gallwespenart, die Feigengallwespe (Blastophaga psenes) bestäubt.

Die Gallwespen entwickeln sich in den kurzgriffligen weiblichen Blüten der Bocksfeige. Die Imagines schlüpfen in den reifenden Blütenständen. Die nicht flugfähigen Männchen begatten die Weibchen noch innerhalb der Feige. Vor dem Verlassen der Feige durch das Ostiolum sammeln die Weibchen den Pollen an den männlichen Blüten. Die befruchteten Weibchen suchen nun blühende Feigen. Es gibt nun zwei Möglichkeiten:

  • Das Weibchen findet eine Bocksfeige. Nach dem Eindringen in den Blütenstand bestäubt es mit dem mitgebrachten Pollen die Blüten. Mit seinem Legestachel legt es die Eier in die Fruchtknoten der weiblichen Blüten und sorgt so für eigene Nachkommen. Obwohl die weiblichen Blüten steril sind, müssen sie bestäubt werden, damit sie die Gallen bilden, in denen sich die Wespenlarven entwickeln.
  • Das Weibchen findet eine Essfeige. Es bestäubt ebenso die weiblichen Blüten. Da deren Griffel jedoch länger sind als der Legestachel, kann es keine Eier ablegen.[3]

In beiden Fällen geht die Gallwespe im Inneren der Feige zugrunde.[4]

In den Bocksfeigen entwickelt sich die nächste Gallwespen-Generation, bei den Essfeigen entwickeln sich die essbaren Früchte mit den Samen.

Um in Feigenkulturen die Bestäubung sicherzustellen, werden blühende Bocksfeigenzweige in die Essfeigenbäume gehängt („Caprifikation“).

Drei Blüten pro Jahr

Beide Varietäten bringen jährlich drei Generationen von Blütenständen hervor: Februar/März, Mai/Juni, August/September.

Im Frühjahr schlüpfen die Gallwespen aus überwinternden Fruchtverbänden der Bocksfeige. Die begatteten Weibchen verlassen den Fruchtverband und suchen nun Bocks- oder Essfeigen der 1. Generation. Da die Gallwespen auf ihrem Weg keine männlichen Blüten passiert haben, werden weder Ess- noch Bocksfeigenblüten dieser Generation bestäubt und fruchten daher auch nicht. In die kurzgriffligen Blüten der Bocksfeigen jedoch legen sie die Eier. Bereits im Mai/Juni schlüpft die zweite Gallwespengeneration. Die Weibchen verlassen nach der Begattung den Blütenstand, beladen sich dabei aber mit dem Pollen der nun blühenden männlichen Blüten nahe dem Ostiolum. Diesen Pollen laden sie nun in den Blütenständen der zweiten Generation ab und befruchten so Bocks- wie Essfeigen.

Die Befruchtung der dritten Feigengeneration läuft gleich ab wie bei der zweiten. Die Früchte reifen erst im nächsten Frühjahr, und auch die neue Gallwespengeneration schlüpft erst im nächsten Frühjahr, um den Kreislauf von Neuem zu beginnen.[3]

Parthenokarpe Feigensorten bilden ihre Früchte ohne Bestäubung aus und ermöglichen es, dass nur Einzelbäume angepflanzt werden müssen. Je nach den Voraussetzungen für die Fruchtbildung unterscheidet man drei Gruppen von Feigensorten:

  1. „Smyrna-Typ“ (smirniaca): Nur nach Befruchtung reifen die Feigen. Zu dieser Gruppe gehören die wichtigen Sorten 'Sari Lob' ('Smyrna', 'Calimyrna'), 'Kassaba' und 'Bardacik'.
  2. „Adriatischer Typ“ (hortensis): Die Früchte entwickeln sich parthenokarp, weshalb diese Sorten heute bevorzugt werden: 'Dottato' und 'Trojano' aus Italien, 'Fraga' aus Spanien, 'Adriatic' und 'Mission' aus Kalifornien.
  3. Der „San-Pedro-Typ“ (intermedia) nimmt eine Zwischenstellung ein, da die erste Fruchtgeneration ohne, die zweite jedoch nur mit Bestäubung Früchte bildet. Diese Sorten sind kommerziell wenig bedeutend.[5]

Früchte und Samen

Ungeschälte Feigen, kurz nach dem Pflücken
Reife Scheinfrucht. Längsschnitt

Nach der Bestäubung entwickelt sich der Blütenstand in drei bis fünf Monaten zur bekannten Feige, einem Fruchtverband, genauer einem Steinfruchtverband, da die weiblichen Blüten sich zu Steinfrüchten entwickeln, die beim Essen als kleine Kerne bemerkbar sind. Diese Form des Fruchtstandes nennt man Syconium. Die Form ist kugelig bis birnförmig. Je nach Sorte ist die Farbe grün bis dunkelviolett. Das Innere der Scheinfrucht besteht aus den Steinfrüchten und den ebenfalls fleischig gewordenen Fruchtstielen der Einzelblüten und ist rot gefärbt. Die Schalendicke variiert ebenfalls nach Sorte: Aus dem Hauptanbaugebiet Türkei sind die dortigen Feigen eher dünnschalig, in Griechenland eher dickschalig.

Neben 80 % Wasser enthalten die reifen Früchte ca. 1,3 % Protein, 0,5 % Fett, 12,9 % Kohlenhydrate, ca. 4,5 % Ballaststoffe und 0,7 % Mineralstoffe[6], besonders Kalzium, Phosphor und Eisen. Daneben ist sie auch reich an Vitamin B1.

Die Fruchtstände der Bocksfeige sind holzig und ungenießbar.

Die Samen sind linsenähnlich [1].

„Geschlechts“-Bestimmung bei der Feige

Ob sich ein Samen zu einer Ess- oder einer Bocksfeige entwickelt, dürfte durch zwei dominant-rezessive Genpaare bestimmt werden, die jedoch noch nicht näher erforscht sind. Man spricht auch von Geschlechtsbestimmung, da die Bocksfeige funktionell männlich ist, während die Essfeige als die weibliche Form angesehen wird. Essfeigen entstehen nur, wenn beide Gene homozygot in der rezessiven Form vorliegen, alle anderen Kombinationen ergeben Bocksfeigen. Da die Essfeigen wesentlich mehr Samen erzeugen, ist jedoch das Verhältnis Bocks- zu Essfeigen circa 50:50.[7]

Systematik

Der Name Ficus carica wurde von Linné vergeben. Die Erstveröffentlichung erfolgte bereits 1753 durch Carl von Linné in Species plantarum, 2, S. 1059. [8]

Der lateinische Name ficus für die Feige wurde namensgebend für die ganze Gattung Feigen (Ficus).

Das Artepitheton carica bedeutet „aus Karien“, einer antiken Landschaft in Kleinasien. Von hier kamen in der Antike getrocknete Feigen von ausgesuchter Qualität in Schachteln verpackt in den Handel.[9]

Ficus carica gehört zur Section Ficus in der Gattung Ficus. [10]

Es gibt mindestens zwei Unterarten von Ficus carica[10]:

  • Ficus carica L. subsp. carica (Syn.: Ficus caprificus Risso, Ficus carica var. caprificus (Risso) Tschirch & Ravasini)
  • Ficus carica subsp. rupestris (Hausskn. ex Boiss.) Browicz (Syn.: Ficus carica var. rupestris Hausskn. ex Boiss.): Sie ist im südwestlichen Iran, nördlichen Irak, nördlichen Syrien und der südwestlichen Türkei beheimatet.

Verbreitung und Standort

Die Heimat und die Wildform der Echten Feige sind nicht bekannt. Die Heimat wird in Südwestasien (am Kaspischen Meer, Nordost-Türkei) vermutet, jedoch wird die Art seit der Antike im gesamten Mittelmeerraum kultiviert, wo sie auch vielfach verwildert ist. Genetische Untersuchungen mittels RFLP-Analyse der mitochondrialen DNA lassen jedoch vermuten, dass die Echte Feige im gesamten Mittelmeergebiet heimisch ist.[11]

In wintermilden Regionen kann sie auch weitab ihrer Heimat gedeihen, so gibt es Exemplare etwa auf den dänischen Ostseeinseln und in Südengland.[12]

Nördlich der Alpen, beispielsweise in den Schweizer Gemeinden Sisikon, Weggis oder Gersau, können Feigenbäume in Gegenden mit Weinbauklima an gut geschützten Stellen, wie etwa an Hauswänden und in hellen Innenhöfen, gedeihen und fruchten. Neue Züchtungen sind auch frosthart bis zu minus 15 Grad Celsius. In Deutschland gedeiht die Echte Feige im Weinbaugebiet Pfalz an der Deutschen Weinstraße und an der Bergstraße im Oberrheingraben. Auch im Dresdner Elbtal ist sie vertreten. In diesen Breiten bildet die Feige aber nur einmal, im Herbst, reife Scheinfrüchte.

Der Feigenbaum stellt geringe Ansprüche an den Boden, dieser sollte jedoch einigermaßen tiefgründig sein. Der Baum gedeiht auch in sehr niederschlagsarmen Gebieten, gegen Staunässe und übermäßige Feuchte besonders zur Fruchtreife ist er empfindlich. Er gilt als recht salzverträglich. Der Feigenbaum braucht warme Sommer und milde Winter. In laublosem Zustand ist er zwar in geringem Maße frostresistent, aber er ist sehr empfindlich gegen Früh- und Spätfröste.

Anbau und Nutzung

Erntemengen 2005 (in Tonnen)
Land Ernte
Türkei 280.000
Iran 90.000
Griechenland 80.700
Algerien 63.000
Marokko 60.000
Syrien 43.300
USA 43.000
Spanien 38.000
Brasilien 25.000
Quelle: FAO[13]

Anbau

Der Anbau von Feigen beschränkt sich hauptsächlich auf den Mittelmeerraum, und die jährliche Ernte beträgt rund 1,5 Millionen Tonnen Frischfeigen. In geringerem Maße wird sie auch in Südafrika, Australien, Neuseeland, China, Chile, Mexiko und Kalifornien angebaut.[14]

In Kultur wird die Echte Feige über Steckholz (aus zweijährigen Zweigen) oder über Stecklinge vermehrt, um die Sorten rein zu erhalten. Erstere Variante liefert jedoch rascher widerstandsfähige Pflanzen. Neuerdings wird auch Gewebekultur zur Vermehrung eingesetzt.

Die Bäume werden je nach Sorte, Boden und Niederschlag in Dichten von 80 bis 1200 Bäumen je Hektar gepflanzt. In trockenen Gebieten (unter 600 Millimeter Jahresniederschlag) betragen die Abstände rund 15 Meter.

Die Wuchshöhe der Bäume wird zur Erleichterung der Bearbeitung meist deutlich unter den möglichen 10 Metern gehalten.

Der Feigenbaum benötigt nur geringe Düngung. Für die Qualität der Früchte ist ein hohes Stickstoffangebot eher schädlich. Auch die Pflege ist recht einfach und beschränkt sich in der Regel auf einen Rückschnitt vor dem Frühjahrsaustrieb und das Entspitzen der Fruchttriebe. Letzteres führt zu einer früheren und einheitlicheren Fruchtreife.

Ernte

Die Bäume können bereits im zweiten Jahr nach der Pflanzung Früchte tragen. Vollertrag tritt nach fünf bis acht Jahren ein und hält rund 50 Jahre an. Auf guten Standorten beträgt der Jahresertrag 15 bis 20 Tonnen Frischfrucht pro Jahr und ha, das ergibt rund fünf bis sieben Tonnen Trockenfrucht.[15] Ein Einzelbaum liefert im Jahr 80 bis 100 Kilogramm frische Feigen.[16]

Feigen für den Frischverzehr werden vor der Vollreife von Hand geerntet, damit sie für den Transport noch fest genug sind und auf dem Markt die optimale Reife haben. Da die frischen Feigen relativ rasch in Gärung übergehen, werden sie vor allem in den Anbauländern verzehrt.

Feigen für das Trocknen werden vollreif geerntet, wenn der Wassergehalt der Früchte am Baum bereits um 30 bis 50 % gesunken ist. Sie werden von Hand geerntet, von den Bäumen geschlagen oder maschinell geerntet.

Verarbeitung, Verwendung

Getrocknete Feigen
Getrocknete Wildfeigen (Ficus sycomorus), Durchmesser ca. 2 cm. Im Vordergrund ein aufgeschnittenes Exemplar.

Die meisten Feigen werden getrocknet. Dies geschieht an der Sonne oder in Heißluftöfen. Der Wassergehalt wird dabei auf 33 bis 18 % gesenkt, der Zuckeranteil steigt auf rund 60 %. Die im Handel erhältlichen Rollen entstehen, indem man die getrockneten Feigen unter heißem Wasserdampf presst. Die Hauptverwendung der Feigen ist dementsprechend als Obst.

Aus dem Saft reifer Feigen wird auch ein Dessertwein hergestellt. In Spanien und Portugal stellt man „Feigenkäse“ her, aus reifen Feigen, Hasel-, Pinienkernen, Mandeln, Pistazien und Gewürzen. Geröstete Feigen werden auch zu „Feigenkaffee“ verarbeitet.[17]

Im Handel werden die Feigen meist nicht unter den Sortennamen gehandelt, sondern nach der Herkunft benannt: Smyrna-Feigen (Türkei, besonders Mäander-Tal), Bari-Feigen (Provinz Puglia, Italien), Fraga-Feigen (Provinz Huelva, Spanien), Calamata-Feigen (Peloponnes, Griechenland), Bougie-Feigen (Algerien).

In der Volksmedizin wird die weiße Milch, die austritt, wenn man die Blätter von den Zweigen bricht, zur Linderung bei Insektenstichen und zur Beseitigung von Warzen angewendet.

Holz

Im 13. und 15. Jahrhundert galt Feigenholz als hervorragend geeignet zur Herstellung von Holztafeln für die Malerei.[18]

Domestikation

Die Domestizierung der Feige setzte schon sehr früh ein und ist höchstwahrscheinlich sogar älter als der Ackerbau. In einem etwa 11.400 Jahre alten Haus bei Jericho wurden Überreste von bereits nicht mehr der Wildform entsprechenden Feigen gefunden.[19] Alle antiken Hochkulturen des mesopotamischen sowie des Mittelmeerraumes kannten und nutzten die Feige. Beispielsweise bauten die Assyrer sie schon 3000 v. Chr. in ihren Gärten an. In Griechenland wurde sie 700 v. Chr. eingeführt und verbreitete sich von dort aus im gesamten übrigen Mittelmeerraum.

Bedeutung, Literatur und Mythos

Griechenland

Im antiken Griechenland war die Feige mit aphrodisischen Eigenschaften besetzt. Sie war dem Gott Dionysos geheiligt. In Attika hatte er den Beinamen philosykos = der Feigenfreund, in Naxos nach der dortigen Bezeichnung für Feige meilichios. Bilder des Gottes wurden daher oft aus Feigenholz geschnitzt, auch die großen Phalli für die Dionysos-Prozessionen, über die sich schon Heraklit entrüstete.[20] Der größte Phallus aller Zeiten soll der beim Ptolemaios-Fest in Alexandria 271 v. Chr. mit über 50 Metern Länge gewesen sein.[21] Auch in Sparta gab es Kulte um den Feigen-Dionysos, da man glaubte, er habe den Menschen die Feige gebracht.[22]

Die Athener waren einer Anekdote Plutarchs zufolge auf ihre Feigen so stolz, dass sie die Ausfuhr verboten. Leute, die Verstöße gegen dieses Verbot anzeigten, nannte man Sykophanten.[23] Zur Zeit Plutarchs wurde der Begriff für Denunzianten allgemein verwendet.

Auch im Zusammenhang mit Selbstmord kommt der Feigenbaum vor. Cicero erwähnte, dass sich eine lebensmüde Frau an einem Feigenbaum erhängte, worauf der Nachbar den Witwer um Stecklinge bat.[24] Über Timon von Athen ist folgendes überliefert: Eines Tages bestieg der bekannte Menschenfeind die Rednerbühne und verkündete, dass der Feigenbaum bei seinem Haus, an dem sich schon etliche Menschen erhängt hatten, gefällt werden müsse. Er bitte also alle Lebensmüden, sich mit ihrem Selbstmord zu beeilen.[25]

Rom

Auch bei den antiken Römern war der Feigenbaum überwiegend positiv besetzt. Aus dem Holz schnitzte man Figuren des Gottes Priapus, u. a. der Beschützer der Feigen. Wie auch in der Bibel und bei den Griechen hatte die Feige auch eine sexuelle Bedeutung. Isidor (XVII 7,17) leitet ficus ab von fecundus = fruchtbar ab. Athenaios (594 D) verglich eine Hetäre mit einer Feige, sie bediene alle.

Besondere Bedeutung für Rom hatte die Ficus Ruminalis, die noch unter Augustus am Westfuß des Palatin gezeigt wurde. Unter diesem Baum sollen der Sage nach die in einer Wanne im Hochwasser führenden Tiber ausgesetzten Zwillinge Romulus und Remus angeschwemmt und von der Wölfin gefunden und gesäugt worden sein.[26]

Auf dem Comitium am Forum Romanum gab es einen zweiten ruminalischen Feigenbaum, der das Schicksal Roms verkörperte. Er wurde jedes Mal von den Priestern neugepflanzt, wenn er abgestorben war.

Die Feige hatte zuweilen aber auch eine negative Bedeutung: So wurden Ungeheuer auf Scheiterhaufen aus Feigenholz verbrannt.[27]

Nach Plinius spielte die Feige auch einmal eine hochpolitische Rolle.[28] Cato der Ältere propagierte den Krieg gegen das nach dem Zweiten Punischen Krieg wiedererstarkte Karthago. Um die gefährliche Nähe des Feindes zu demonstrieren, zog er während einer Rede eine taufrische Feige (ficus praecox) aus seiner Toga und erklärte, diese wäre vorgestern in Afrika gepflückt worden. Gemäß Plinius überzeugte dies die Senatoren und sie beschlossen den Dritten Punischen Krieg.

Der römische Koch Apicius soll seine Schweine mit syrischen Feigen gefüttert haben, um das Fleisch zur Vollendung zu bringen. In Rom waren Feigen bei allen Bevölkerungsschichten sehr beliebt. Plinius berichtet, in getrocknetem Zustand dienten sie den gleichen Zwecken wie Brot und vergleichbare Nahrungsmittel; nach Columella stellten Dörräpfel und -birnen, doch vor allem Feigen die wichtigsten Wintervorräte der Landbevölkerung dar.

Bibel und Christentum

Vertreibung aus dem Paradies; Adam und Eva mit und ohne Feigenblatt (Fresko von T. Masaccio, 1426-27)

Die Feige ist die erste namentlich erwähnte Pflanze in der Bibel, und auch die einzige namentlich erwähnte des Garten Eden. Nachdem Adam und Eva vom Baum der Erkenntnis gegessen hatten, wurden sie sich ihrer Nacktheit bewusst: Sie hefteten Feigenblätter zusammen und machten sich einen Schurz (Genesis 3,7). Von daher stammt die Metapher „Feigenblatt“ für schamhafte Verhüllung. Die Feige ist auch der klassische Fruchtbaum der Bibel, wird sie doch 38 mal erwähnt gegenüber vier Erwähnungen des Apfels.[29] Im Allgemeinen steht die Feige im Alten Testament jedoch für Frieden und Wohlstand.

Neben Holunder und Flieder, bei denen dies technisch schwer möglich ist, wird in der nachbiblischen Überlieferung seit dem 4. Jahrhundert besonders auch der Feigenbaum als der Baum genannt, an dem Judas sich erhängt hat. Der Pilger von Piacenza nannte 560 seinen Standort rechts vor dem Osttor Jerusalems, zu anderen Zeiten stand der Baum an anderen Orten.

Augustinus sprach die sinnliche Bedeutung der Feige aus: ficus foliis significantur pruritus libidinis - „Feigenblätter bedeuten das Jucken der Sinnlichkeit“.[30]

Islam

Auch der Koran nimmt auf die Feige Bezug, beispielsweise in der 95. Sure.

Mittelalter und Neuzeit

In Südeuropa weit verbreitet ist die Geste „jemandem die Feige zeigen“, bei der man den Daumen zwischen Zeige- und Mittelfinger schiebt. Die Geste wird auf Kaiser Friedrich Barbarossa zurückgeführt. Die Mailänder hatten seine Gattin Beatrix gedemütigt, indem sie sie mit dem Gesicht nach hinten auf einer Eselin durch die Stadt führten. Nach der Rückeroberung Mailands begnadigte Friedrich nur jene Leute, die mit ihren Zähnen eine Feige aus dem After einer Eselin holen und wieder zurückstecken konnten.[31] Die Geste dient nicht nur der Zurückweisung einer Zumutung, sondern auch der Abwehr aller möglichen Übel wie Behexen, Verschreien und dem bösen Blick.

Die Gleichsetzung der Feige mit der Vulva führte in manchen Sprachen so weit, dass das ursprüngliche Wort für Feige durch ein anderes ersetzt wurde. So wird die Feige in der Türkei häufig mit „Yemis“ = „ich bin satt“ bezeichnet.

Bei den alten Griechen wurde die Feige auch dem Hoden gleichgesetzt, wie auch bei den Berbern, bei denen im Gespräch für die Frucht meist das Wort „ingir“ = „Herbst“ verwendet wird.[32]

Weitere Bilder

Literatur

  • Zhengyi Wu, Zhe-Kun Zhou & Michael G. Gilbert: Moraceae: Ficus carica, S. 52 - Online., In: (Abschnitt Beschreibung und Systematik)
  • Alexander Demandt: Über allen Wipfeln. Der Baum in der Kulturgeschichte. Albatros, Düsseldorf 2005. ISBN 3-491-96140-8
  • Gunther Franke (Hrsg.): Nutzpflanzen der Tropen und Subtropen. Band 2: Spezieller Pflanzenbau. Ulmer, Stuttgart 1994, S. 240–250. ISBN 3-8252-1768-X
  • Bruno P. Kremer: Bäume. Heimische und eingeführte Arten Europas. Mosaik, München 1984, S. 154 f. ISBN 3-570-01188-7
  • Doris Laudert: Mythos Baum. Geschichte, Brauchtum. 40 Porträits. blv, München 2004, S. 217–223. ISBN 3-405-16640-3

Weblinks

Commons: Echte Feige – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
Wikiquote: Feige – Zitate

Fußnoten

  1. 1,00 1,01 1,02 1,03 1,04 1,05 1,06 1,07 1,08 1,09 1,10 1,11 1,12 1,13 Zhengyi Wu, Zhe-Kun Zhou & Michael G. Gilbert: Moraceae: Ficus carica, S. 52 - Online., In:
  2. Gunther Franke (Hrsg.): Nutzpflanzen der Tropen und Subtropen. Band 2: Spezieller Pflanzenbau. Ulmer, Stuttgart 1994, S. 240-250. ISBN 3-8252-1768-X
  3. 3,0 3,1 W. Frank: Nutzpflanzenkunde 1989, S. 214 f.
  4. Richard Dawkins: Gipfel des Unwahrscheinlichen. Rowohlt, Reinbek 2001, S. 329. ISBN 978-3-499-60932-9
  5. Franke 1994, S. 244
  6. Werte nach W. Franke: Nutzpflanzenkunde. Thieme, Stuttgart 1989, S. 312. ISBN 3-13-530404-3
  7. Details und Literaturhinweise siehe: [1]
  8. Eintrag bei Tropicos.
  9. Helmut Genaust: Etymologisches Wörterbuch der botanischen Pflanzennamen. 3. Auflage, Birkhäuser, Basel 1996, S. 128. (Nachdruck ISBN 3-937872-16-7)
  10. 10,0 10,1 Eintrag bei GRIN.
  11. [2]
  12. Bruno P. Kremer 1984, S. 154
  13. Statistik der FAO 2007 [3]
  14. Schütt et al.: Lexikon der Baum- und Straucharten. Nikol, Hamburg 2002, S. 172. ISBN 3-933203-53-8
  15. Franke 1995, S. 249.
  16. Laudert 2004, S. 222.
  17. W. Franke: Nutzpflanzenkunde, 1989, S. 316.
  18. Victoria Finlay: Das Geheimnis der Farben, Eine Kulturgeschichte, Berlin 2005, hier 7. Auflage 2007, ISBN 978-3-548-60496-1, Seiten 20
  19. http://www.wissenschaft.de/wissenschaft/news/265996.html
  20. VS. 22 B 15
  21. Athenaios 201 E
  22. Athenaios 78 C
  23. Athenaios 74 DE
  24. Cicero, De oratore II 278
  25. Plutarch, Antonius 70
  26. Plutarch 4
  27. Laudert 2004, S. 220
  28. Plinius der Ältere: Historia naturalis XV 74 f.
  29. Demandt 2002, S. 21.
  30. Augustinus, PL. 38, S. 442
  31. Laudert 2004, S. 221.
  32. Laudert 2004, S. 220.

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