Vererbung (Biologie)
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Die Vererbung (auch: Heredität, abgeleitet von lat. hereditas für „Erbe“) ist in der Biologie die direkte Übertragung der Eigenschaften von Lebewesen auf ihre Nachkommen, soweit die Informationen zur Ausprägung dieser Eigenschaften genetisch festgelegt sind. Die Übertragung von Fähigkeiten und Kenntnissen durch Lehren und Lernen ist hiervon zu unterscheiden und wird nicht als Vererbung bezeichnet.
Die Wissenschaft, die sich mit der biochemischen Informationsspeicherung und den Regeln ihrer Übertragung von Generation zu Generation befasst, ist die Genetik. Die genaue Beschreibung der Vererbung einer Eigenschaft wird als Erbgang bezeichnet.
Begriffsgeschichte
Erbe und Vererbung waren ursprünglich juristische Begriffe, die erst am Ende des 18. Jahrhunderts auch auf den Bereich der Fortpflanzung der Organismen übertragen wurden.[1]
Biochemische Basis
Die erblichen Informationen sind in der Desoxyribonukleinsäure (DNA) gespeichert. Diese liegt in Form von langkettigen Makromolekülen vor, welche aus Nukleotiden bestehen. Bestimmte Abschnitte der DNA, die Gene, werden im Zuge der Genexpression bei der Bildung der Proteine „abgelesen“. Dabei bestimmt die Abfolge (Sequenz) der Nukleotide die Sequenz der Aminosäuren des betreffenden (kodierten) Proteins. Die Proteine wiederum bestimmen in vielfältiger Weise, etwa als Enzyme oder als Strukturproteine, die Eigenschaften des Organismus.
Die Gesamtheit der in der DNA eines Organismus enthaltenen Erbinformationen wird als Genom bezeichnet. Dazu gehören neben den Genen auch nicht-kodierende DNA-Abschnitte, welche u.a. bei der Regulation der Genexpression von Bedeutung sein können.
Bei Eukaryoten – und somit bei allen höheren Organismen – ist der größte Teil der DNA in Form von Chromosomen organisiert, welche sich im Zellkern befinden. Zusätzlich enthalten die Mitochondrien und Plastiden eigene Erbinformationen. Bei diesen Organellen sowie bei den Prokaryoten (z.B. Bakterien) liegt die DNA zumeist als ein ringförmiges Molekül vor.
Viren, die zwar nicht als eigenständige Lebewesen zählen, da sie keinen zur Vermehrung ausreichenden Stoffwechsel besitzen, unterliegen ebenfalls der Vererbung und enthalten ihre Erbinformation entweder als DNA oder als RNA.
Eine weitere Besonderheit stellen Prionen dar, die als Proteine in unterschiedlichen Faltungen auftreten. Wenn diese Faltungen stabil sind und die Anwesenheit der einen Form die Umfaltung der anderen Form auslöst, können Informationen vererbt werden. Diese Vererbung ist zum Beispiel bei Pilzen wie den Hefen nachgewiesen.[2]
Vom Genotyp zum Phänotyp
Der Phänotyp eines Lebewesen wird zu einem großen Teil durch die Aktivität von Enzymen bestimmt, welche wiederum durch die auf der DNA enthaltene Information festgelegt wird - man nennt dies den Genotyp. Durch Wechselwirkung von Enzymen und Regulatorproteinen mit der Umwelt während der Entwicklung des Individuums entsteht daraus der Phänotyp.
Die Verbindung zwischen dem Genotyp, der Umwelt und dem daraus resultierenden Phänotyp stellt die Reaktionsnorm dar. In Form der Regulationsmechanismen der genetischen Ausprägung stellt die Reaktionsnorm die Umsetzungsfunktion R zwischen Umwelt U und Phänotyp P dar: P = R(U).
Übertragung (Transmission) von Erbmaterial
Transmission bei ungeschlechtlicher Vermehrung
Bei Einzellern, die sich gewöhnlich durch Teilung vermehren, wird die DNA in Form identischer Kopien auf die Tochterzellen verteilt. Dazu muss sie in mindestens zwei identischen Kopien vorliegen. Der Zellteilung geht deshalb eine Verdoppelung der DNA voraus. Bei eukaryotischen Einzellern bleibt dabei die Anzahl der Chromosomen konstant, und jedes Chromosom besteht dann aus zwei aneinandergelagerten, identischen „Chromatiden“. Diese Schwester-Chromatiden werden durch den Vorgang der Mitose in streng geregelter Weise zwei Tochter-Zellkernen zugeteilt, und beide Tochterzellen erhalten je einen der genetisch identischen Kerne.
In entsprechender Weise werden auch beim Wachstum mehrzelliger Lebewesen alle Zellen mit identischem Erbmaterial ausgestattet. Bei der Fortpflanzung durch Abspaltung einer Zelle oder eines mehrzelligen Entwicklungsstadiums (ungeschlechtliche Vermehrung) sind daher auch alle Nachkommen genetisch identisch.
Transmission bei geschlechtlicher Fortpflanzung
Bei geschlechtlicher (sexueller) Fortpflanzung werden Teile der Genome zweier Individuen (Eltern) neu kombiniert (Rekombination). Dabei erhält jeder Nachkomme je die Hälfte seines Genoms von einem der Eltern und besitzt daher (mindestens) zwei homologe Chromosomensätze. Diese Verdoppelung des Chromosomenbestands wird im Verlauf des Lebenszyklus durch eine entsprechende Halbierung bei einer Reduktionsteilung (Meiose) ausgeglichen; beide Vorgänge zusammen bezeichnet man als Kernphasenwechsel. Im einfachsten und häufigsten Fall handelt es sich um einen Wechsel zwischen einer haploiden Phase mit einem Chromosomensatz und einer diploiden Phase mit zwei homologen (gewöhnlich aber genetisch nicht identischen) Sätzen. Es können aber (insbesondere bei Kulturpflanzen) auch mehr als zwei Sätze vorhanden sein (Polyploidie).
Beim Menschen und allgemein bei Wirbeltieren sind nur die Geschlechtszellen (Gameten) haploid, und sie vereinigen sich zur diploiden Zygote, aus welcher der ebenfalls diploide Nachkomme hervorgeht. Bei anderen Organismen, wie etwa Moosen, Farnen oder Hohltieren, wechseln sich diploide und haploide Generationen ab (Generationswechsel), und wieder andere, z.B. viele primitive Algen, sind normalerweise haploid und bilden nur diploide Zygoten, aus denen nach der Meiose wieder haploide Nachkommen hervorgehen.
In allen diesen Fällen werden bei der Meiose homologe Chromosomen zufällig auf die Tochterzellen verteilt, und außerdem erfolgt zumeist auch ein Austausch von Teilen homologer Chromosomen (Crossing-over), wodurch auch Gene, die auf homologen Chromosomen liegen, neu kombiniert werden können.
Extrachromosomale Vererbung
Die extrachromosomale oder zytoplasmatische Vererbung beruht darauf, dass einige Zellorganellen, die Mitochondrien und Plastiden, ein eigenes kleines Genom besitzen, das unabhängig von den Chromosomen vererbt wird. Diese Organellen werden als semiautonom bezeichnet, da ein Teil der zu ihrer Bildung und Funktion benötigten Gene nicht im Zellkern, sondern in den Organellen selbst lokalisiert ist. Eine allgemein akzeptierte Erklärung dieses Sonderfalles gibt die Endosymbiontentheorie.
Da die weiblichen Keimzellen immer deutlich mehr Zytoplasma als die männlichen Keimzellen aufweisen (das weibliche Geschlecht und das männliche Geschlecht werden über den Größenunterschied der Keimzellen definiert), werden die im Zytoplasma eingebundenen Zellorganellen, und damit auch deren Erbgut, ganz oder zumindest überwiegend über die maternale (mütterliche) Linie weitergeben. Damit gehorcht die extrachromosomale Vererbung nicht den Mendelschen Regeln.
Das Phänomen der extrachromosomalen Vererbung wird in der Archäogenetik zur Ermittlung von Stammbäumen eingesetzt. Das hier wohl bekannteste Beispiel ist die sogenannte Mitochondriale Eva.
Die extrachromosomale Vererbung ist bei einigen seltenen Erbkrankheiten relevant (siehe auch Erbgang der Mitochondriopathie).
Mutation
Hauptartikel: Mutation
Genome müssen nicht durch alle Generationen unverändert weitergegeben werden. Bei der Duplikation der Genome und bei der Verteilung der DNA während der Zellteilungen kann es zu Fehlern kommen. Die dabei entstandenen Veränderungen des Genoms können Auswirkungen auf den Phänotyp haben. Man bezeichnet solche Veränderungen als Mutationen und die dadurch von der vorangehenden Generation abweichenden Individuen als Mutanten. Mutationen sind eine der Voraussetzungen für die Evolution der Lebewesen.
Beispiele für Erbgänge
Hauptartikel: Erbgang (Biologie)
Dominant-rezessive Vererbung
Bei der dominant-rezessiven Form der Vererbung setzt sich das dominante Allel gegenüber dem rezessiven Allel durch. Die Augenfarbe beim Menschen wird z.B. dominant-rezessiv vererbt, wobei das Allel für braune Augen dominant und das Allel für blaue Augen rezessiv ist. Bekommt ein Kind von einem Elternteil die Erbinformation für blaue Augen und vom anderen die für braune Augen, so wird es braune Augen haben. Die Erbinformation für das rezessive Allel (hier „blaue Augen“) bleibt jedoch erhalten und kann an die nächste Generation weitergegeben werden.
Bei einem diploiden Organismus sind die in den Mendelschen Regeln beschriebenen Aufspaltungen zu beobachten. Bei dominant-rezessiver Vererbung gleichen die Nachkommen oft völlig einem Elternteil, da sich nur das dominante Gen durchsetzt - die Merkmale des rezessiven sind zwar im Erbgut vorhanden (Trägertum), kommen jedoch in dieser Generation nicht zur Ausprägung.
Erbkrankheiten werden meistens rezessiv vererbt, unter anderem Albinismus, Mukoviszidose und Sichelzellanämie. Zu den wenigen dominant vererbten Krankheiten gehören Nachtblindheit, Zystenniere (ADPKD), Kurzfingrigkeit, Skelettdeformationen (Spalthand, Spaltfuß, Polydactylie, Syndaktylie), die Nervenkrankheit Chorea Huntington sowie das Marfan-Syndrom.
Intermediäre Vererbung
Bei intermediärer Vererbung wird eine Mischform der beiden Erbanlagen ausgebildet. Zum Beispiel wird bei der japanischen Wunderblume (Mirabilis jalapa) die Blütenfarbe intermediär vererbt: Besitzt ein Exemplar eine Anlage für rote und eine für weiße Blütenblätter, so bildet es rosa Blütenblätter aus.
Intermediäre Vererbung ist die seltenere Variante der Vererbung.
Erbkrankheiten und Inzucht
Hauptartikel: Erbkrankheit, Inzucht
Viele Erbkrankheiten werden rezessiv vererbt, und praktisch jeder Mensch trägt die Anlagen für einige solcher Krankheiten in sich. Die Krankheit wird aber nicht manifest, wenn im dominant-rezessiven Erbgang das rezessive Allel nicht reinerbig vorliegt.
Zu den Effekten von Inzucht siehe unter Inzuchtdepression und Purging.
Literatur
- François Jacob: Die Logik des Lebenden – eine Geschichte der Vererbung, Fischer, Frankfurt/Main 1972, Neuausgabe 2002
- Hans-Jörg Rheinberger, Staffan Müller-Wille: Vererbung – Geschichte und Kultur eines biologischen Begriffs. Fischer, Frankfurt/Main 2009, ISBN 978-3-596-17063-0
Siehe auch
Weblinks
- Stephen M. Downes: Heritability. In: Edward N. Zalta (Hrsg.): Stanford Encyclopedia of Philosophy
- Ehud Lamm: Inheritance Systems. In: Edward N. Zalta (Hrsg.): Stanford Encyclopedia of Philosophy
- Mütter wichtiger als Gene
Einzelnachweise
- ↑ Hans-Jörg Rheinberger, Staffan Müller-Wille: Vererbung. Geschichte und Kultur eines biologischen Konzepts, Fischer Taschenbuch, Frankfurt/Main 2009, S. 16-20
- ↑ Lindquist S, Krobitsch S, Li L, Sondheimer N: Investigating protein conformation-based inheritance and disease in yeast. In: Philosophical Transactions of the Royal Society of London. Series B, Biological Sciences. 356. Jahrgang, Nr. 1406, Februar 2001, S. 169–76, doi:10.1098/rstb.2000.0762, PMID 11260797, PMC 1088422 (freier Volltext) – (nih.gov [PDF; abgerufen am 9. Oktober 2012]).