Halluzinogen


Als Halluzinogene werden psychotrope Substanzen bezeichnet, welche bedeutende Veränderungen in Denken und Perzeption, und somit eine stark veränderte Wahrnehmung der Realität hervorrufen können.[1][2] Die namensgebende Gemeinsamkeit aller halluzinogenen Drogen ist das mögliche Auftreten von Halluzinationen. Es handelt sich hierbei jedoch nur um einen einzelnen Aspekt eines je nach Droge und Dosierung qualitativ sehr unterschiedlich veränderten Bewusstseinszustandes. Den durch Einnahme von Halluzinogenen ausgelösten Rauschzustand bezeichnet man als Trip.

Kulturgeschichte

Die Praxis der Nutzung halluzinogener Substanzen zu medizinischen und religiösen Zwecken reicht vermutlich bis in die Anfänge der Menschheitsgeschichte zurück.[3] So ist die kultische Verwendung des Fliegenpilzes und psilocybinhaltiger Pilze in mehreren Teilen der Welt vor 7000 Jahren belegt,[4][5] und diese hat sich bis in die Gegenwart im Kontext des sibirischen und zentralamerikanischen Schamanismus erhalten. Die psychoaktiven Eigenschaften des Stechapfels waren bereits im alten Griechenland bekannt.[6] Auch wurde in Mitteleuropa dem Bier bis in das 17. Jahrhundert oft Bilsenkraut zugegeben, um die Wirkung zu verstärken.

Bis heute existieren viele Gemeinschaften, in denen der geregelte Gebrauch halluzinogener Substanzen eine zentrale Rolle einnimmt, etwa die Santo-Daime-Kirche und die Native American Church. Doch auch Einzelpersonen nutzen privat Halluzinogene, um mit psychonautischen Mitteln die eigene Psyche zu erforschen oder spirituelle Zustände zu erfahren.

Einteilung

Die Halluzinogene umfassen psychoaktive Vertreter der Psychedelika, Dissoziativa und Delirantia.[7][1] Bekannte oder oft genutzte Substanzen der jeweiligen Gruppen sind:

Pharmakologie

Der durch Halluzinogene herbeigeführte Drogenrausch erstreckt sich abhängig von Droge und Dosierung in der Regel über mehrere Stunden, wobei die Phase größter Intensität (das Plateau) im Vergleich zur Gesamtdauer des Rausches relativ kurz ist.

Psychedelika

Psychedelika entfalten ihre Effekte vorwiegend über agonistische Aktivität am 5HT2A-Rezeptor.[8] Die Störung der Normalfunktion bestimmter Regelschleifen bewirkt hierbei eine Einschränkung der Filterfunktion des Thalamus; innere und äußere Reize sowie alle Arten von nicht bewussten Inhalten können in der Folge ungehindert in die Großhirnrinde aufsteigen und auf diesem Wege als Visionen im Bewusstsein erscheinen. Ferner kommt es zu einer Überaktivierung des Locus caeruleus und hierdurch zu großflächiger Noradrenalinausschüttung, was manche Konsumenten als einen Zustand geistiger Transzendenz betrachten und glauben, spiritueller Erfahrungen damit erlangen zu können.[9][10] Drogen, die diesen als "psychedelisch" bezeichneten Zustand herbeiführen können, bezeichnet man auch als Entheogene, insbesondere, wenn sie traditionell genutzt werden.

Dissoziativa

Die meisten dissoziativen Drogen fungieren primär als NMDA-Antagonisten und rufen auf diesem Wege durch Unterbrechung der normalen Integration von Bewusstseinsinhalten einen psychotomimetischen Zustand mit lebhaften Pseudohalluzinationen und außerkörperlichen Erfahrungen hervor.[11][12][8] Auch werden nikotinische Acetylcholinrezeptoren blockiert, deren Einfluss auf die Psyche jedoch derzeit nicht bekannt ist.[13] Viele Dissoziativa wirken dosisabhängig auch als Agonisten am σ1-Rezeptor, von dem angenommen wird, dass er unter anderem bei Schizophrenie und anderen Formen assoziativer Lockerung eine Rolle spielt.[13][14][15] Durch den Konsum von Dissoziativa können Zustände auftreten, die von den Konsumenten als spirituelle und psychedelische Erfahrung aufgefasst werden. Einen Spezialfall stellt das Salvinorin A dar, welches primär am K-Opioid-Rezeptor bindet, wodurch die dissoziative Komponente schwächer ausgeprägt ist.

Delirantia

Fast alle deliranten Drogen wirken durch Antagonismus an muskarinischen Acetylcholinrezeptoren anticholinergisch und weisen in rauscherzeugenden Dosen entsprechende Wirkungen auf. Es kann zu Verwirrtheit, Unruhe, Amnesien und echten, nicht als solchen erkannten Halluzinationen kommen, wodurch im Rausch aufgrund von Phantomhandlungen eine hohe Unfallgefahr besteht. Es kommt nicht zu Zuständen, die von den Konsumenten als psychedelische Erfahrung aufgefasst werden. Das Muscimol aus dem Fliegenpilz wirkt im Gegensatz dazu nicht anticholinergisch, sondern als Agonist an nikotinischen Acetylcholinrezeptoren sowie am GABAA-Rezeptor. Die Wirkung ähnelt dadurch in Teilen der des Alkohols, der ebenfalls delirante Zustände bewirken kann.

Siehe auch

Wiktionary: Halluzinogen – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Drug Identification GuideSunshine Coast Health Center
  2. HallucinogensWebster's Online Dictionary
  3. Kriminaltechnische Untersuchung von DrogenLandeskriminalamt Thüringen
  4. Andrea Blätter: Rausch und Ekstase zwischen Normalität und Ächtung. In: Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): Das Parlament. Nr. 3, 17. Januar 2005 (HTML [abgerufen am 7. November 2010]).
  5. http://www.erowid.org/plants/mushrooms/mushrooms_history.shtml Erowid: Psilocybe Mushroom History, 2005.
  6. Psychoactives in History – Erowid, Fire. "Psychoactives in History: A Sample of Some of the Earliest Evidence of the Use of Psychoactives". Erowid Extracts. May 2003; 4:12-17.
  7. Drugs of Abuse: Psychedelic AgentsSouthern Methodist University
  8. 8,0 8,1 Edelrausch im LaborNeuro Culture Lab
  9. Psychedelikasterneck.de
  10. Spiritualität auf Knopfdruck?Heise Telepolis
  11. Ketamine associated psychedelic effects and dependence - Singapore Medical Association
  12. Ketamine Psychedelic Therapy (KPT): A Review of the Results of Ten Years of ResearchEleusis – Alternative Addiction Treatment Center
  13. 13,0 13,1 Sigma, PCP, and NMDA ReceptorsNational Institute on Drug Abuse
  14. DXM FAQ: Physiological Effects of DXMErowid
  15. Eine deutsche Ketamin-FAQdrogenring.org

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