Hyperurikämie


Klassifikation nach ICD-10
E79.0 Hyperurikämie ohne Zeichen von entzündlicher Arthritis oder tophischer Gicht
M10 Gicht
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Als eine Hyperurikämie wird eine Erhöhung des Harnsäurespiegels im Blut bezeichnet. Sie kann zu einer Gicht führen.

Definition

Harnsäure

Bei einem Anstieg der Serumharnsäurekonzentration von ≥ 6,5 mg/dl (387 µmol/l) liegt definitionsgemäß eine Hyperurikämie vor. Diese Festsetzung beruht auf der physikalischen Löslichkeitsgrenze für Natriumurat (Natriumsalz der Harnsäure) im Plasma bei 37 °C und pH 7,4 von 6,4 mg/dl (381 µmol/l). Dieser Grenzwert gilt für beide Geschlechter.

Tatsächlich weisen Frauen in den hormonaktiven Jahren durchschnittlich niedrigere Serum-Harnsäure-Werte auf als Männer. Dies liegt am weiblichen Hormonstoffwechsel mit Überwiegen der Östrogene. Bezogen auf den Grenzwert der Hyperurikämie von ≥ 6,5 mg/dl ist die Krankheitshäufigkeit einer Hyperurikämie in der Allgemeinbevölkerung häufig. In einer Studie [1] lag sie bei weiblichen Blutspendern bei 2,6 % und bei männlichen bei 28,6 %.

Einteilung

Generell kann zwischen primärer und sekundärer Hyperurikämie unterschieden werden.

Primäre Hyperurikämie

Die primäre Hyperurikämie wird auch als idiopathische oder familiäre Hyperurikämie bezeichnet. Dabei ist die Ursache meist eine verminderte Harnsäureausscheidung in der Niere (ca. 99 % der Fälle) bei ansonsten normaler Nierenfunktion, nur selten liegt eine Harnsäure-Überproduktion aufgrund einer angeborenen Störung (Enzymdefekt) des Purinstoffwechsels vor (ca. 1 % der Fälle), wie z. B. ein Mangel des Enzyms Hypoxanthin-Guanin-Phosphoribosyltransferase (kurz HGPRTase).

Die Abgrenzung einer Harnsäureüberproduktion von einer verminderten Ausscheidung durch die Niere kann durch die Bestimmung der Harnsäureclearance (zur Berechnung muss man die Harnsäureausscheidung im Sammelurin (über 24 Stunden) und die Serumharnsäure bestimmen) oder – weniger aussagekräftig – durch die Bestimmung des Harnsäure/Kreatinin-Quotienten erfolgen.

Sekundäre Hyperurikämie

Bei der sekundären Hyperurikämie ist die Hyperurikämie Folge einer anderweitigen Erkrankung (z. B. verminderte Ausscheidung bei Niereninsuffizienz, vermehrter Zellabbau bei Hungerkuren oder Malignomen) oder einer medikamentösen Therapie (z. B. bestimmte Diuretika).

Als Ursachen kommen neben vermehrter Purinaufnahme durch die Nahrung (u. a. Fleisch, Innereien) verschiedene Erkrankungen und bestimmte Medikamente in Frage:

  • Steigerung der Harnsäurebildung aufgrund vermehrter Purinfreisetzung durch vermehrten Zellumsatz bzw. Zellzerfall
    • Polycythaemia vera
    • chronisch myeloische Leukämie
    • Tumorbehandlung mit Zytostatika
  • Steigerung der Harnsäurebildung aufgrund verminderten Abbaus im Purinstoffwechsel
    • HGPRTase-Mangel
  • Verminderung der renalen Harnsäureausscheidung

Klinik

Eine Hyperurikämie bleibt in den meisten Fällen klinisch asymptomatisch. Sie kann sich aber, u. a. abhängig vom Ausmaß der Erhöhung der Harnsäurekonzentration im Blut oder Gewebe, in verschiedenen Formen manifestieren:

  • akuter Gichtanfall
  • chronische Gicht mit Weichteil- und Knochentophi (Knötchen)
  • Nierenerkrankungen (Nierensteine, Urat-Nephropathie)

Therapie

Grundsätzlich sollte eine Senkung des Harnsäurespiegels durch diätetischen Maßnahmen angestrebt werden. Zum einen sollte die Zufuhr von Purinen, die durch den Stoffwechsel zu Harnsäure abgebaut werden, verringert werden (purinarme Kost).

Alkoholhaltige Getränke sollten möglichst weggelassen oder nur in geringen Mengen konsumiert werden, da Alkohol die Harnsäureausscheidung über die Niere hemmt. Zudem enthalten einige alkoholhaltige Getränke Purine (z. B. Bier).

Eine Normalisierung von Übergewicht kann sich günstig auf den Harnsäurespiegel des Blutes auswirken. Fettbetonte Kost begünstigt die Bildung von Ketonkörpern im Blut, welche die Ausscheidung von Harnsäure über die Niere herabsetzen, was klinisch aber nur eine geringe Rolle spielt.

Die tägliche Trinkmenge sollte mindestens 2 Liter betragen. Hierdurch wird eine verbesserte Harnsäureausscheidung bewirkt und bei vermehrtem Anfall von Harnsäure kann die Bildung von Harnsäuresteinen vermieden werden. Bei der Mehrzahl der Patienten mit Hyperurikämie (ca. 95 %) liegt eine verminderte Ausscheidung von Harnsäure über die Nieren vor, und damit auch nur eine geringe Gefahr für die Bildung von Nierensteinen aus Harnsäure. Nierensteine aus Harnsäure (röntgennegativ!) sind ein Hinweis auf einen vermehrten Anfall von Harnsäure z. B. durch einen Enzymdefekt (am wichtigsten: HGPRTase-Mangel), vermehrten Zellzerfall (z. B. durch Malignome und/oder deren Behandlung oder extreme Hungerkuren) oder exzessive Purinzufuhr.

Bei sehr hohen Harnsäurewerten (> 8,5 mg/dl), gehäuften Gichtanfällen oder anderen Komplikationen der Hyperurikämie ist neben den diätetischen Empfehlungen eine medikamentöse Behandlung sinnvoll bzw. notwendig.

Zur Dauertherapie erhöhter Harnsäurespiegel ist die Behandlung mit Urikostatika (Febuxostat und Allopurinol) oder Urikosurika (z. B. Benzbromaron, oder einem Kombinationspräparat aus beidem (Allopurinol + Benzbromaron) möglich. Ein Absetzversuch nach der Normalisierung der Harnsäurespiegel durch die Medikation ist nicht sinnvoll, außer in den Fällen, in denen die Ursache der Hyperurikämie zwischenzeitlich beseitigt werden konnte (z. B. Gewichtsnormalisierung, Absetzen eines die Hyperurikämie verursachenden Diuretikums, Ende eines Alkoholabusus). Die Senkung des Harnsäurespiegels soll und kann die Manifestation von Komplikationen (Gicht, Nierensteinen, Nephropathie) verhindern.

Im akuten Gichtanfall waren lange nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) wie Indometacin, Ibuprofen oder Diclofenac Mittel der ersten Wahl, einschließlich der aufgrund der Nebenwirkungen veralteten Alternative Colchicin.

Wegen der guten Wirkung bei vergleichsweise geringen Nebenwirkungen einer Kurzzeittherapie werden zunehmend häufiger Steroide zur Therapie des akuten Gichtanfalles eingesetzt.

Einzelnachweise

  1. U. Gresser u. a.: Uric acid levels in Southern Germany in 1989. In: Klinische Wochenschrift 68, 1990, S. 1222–1228.

Literatur

  • L. Thomas (Hrsg.): Labor und Diagnose. 5. Auflage. TH-Books-Verl.-Ges., Frankfurt a. M. 1998, ISBN 3-9805215-3-2.
  • U. Gresser: Diagnose und Therapie der Gicht. In: Deutsches Ärzteblatt. Jahrgang 100, Heft 44, 2003, A 2862–2870. PDF

Weblinks

Die News der letzten Tage