Neuralgie
Klassifikation nach ICD-10 | |
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M79.2 | Neuralgie und Neuritis, nicht näher bezeichnet |
ICD-10 online (WHO-Version 2019) |
Neuralgie ist das medizinische Fachwort für Nervenschmerz (von griechisch νεῦρον neuron „Nerv“ und ἄλγος algos „Schmerz“). Es bezeichnet Schmerzen, die sich im Versorgungsgebiet eines (oder mehrerer) Nerven (Innervationsgebiet) ausbreiten und durch diese verursacht werden. Im engeren Sinne werden damit neuralgiforme Schmerzen bezeichnet.
Entstehung
Neuralgien entstehen durch die Schädigung peripherer Nerven. Diese können durch Druck (mechanisch, z. B. beim Bandscheibenvorfall), Entzündungen (Neuritis, beispielsweise beim Herpes zoster), Stoffwechselstörungen (metabolisch, bei Diabetes mellitus usw.), Strahlung (aktinisch) oder z. B. Verätzungen (chemisch) entstehen. Zu unterscheiden ist dann zwischen mehreren Schädigungsmustern, die aber auch nebeneinander auftreten können:
- Schädigung der Markscheide (Isolationsschicht), demyelinisierend: Hierbei kommt es zur Freilegung der Nervenfasern und folglich zum Überspringen elektrischer Impulse von Nervenfasern für die Berührungsempfindung auf Schmerzfasern. Dies führt zu einschießenden heftigen Schmerzen (neuralgiformer Schmerz)
- Schädigung der Nervenfaser, axonal: Bei Blockierung der Informationsleitung (Deafferenzierung) kommt es zu einem Informationsmangel im zentralen Nervensystem. Aus nicht vollständig bekannten Gründen entsteht dabei im ZNS anfangs ein Taubheitsgefühl, im Verlauf jedoch nicht selten schmerzhafte Empfindungen (Deafferenzierungsschmerz).
- Durchblutungsstörung im Nerv: Durch Druck auf den Nerv kommt es zu einer örtlich begrenzten Durchblutungsstörung und damit Stoffwechselstörung, die zu heftigen Schmerzen führt. Typisch ist die rasche Linderung bei Entfernung des mechanischen Problems.
Behandlung
Bei der Behandlung sind die Ursache und die Art der Schmerzen zu beachten. Ursächliche Therapie ist meist wirksamer (z. B. die chirurgische Beseitigung einer Kompression) als symptomatische Therapie. Dabei ist aber das individuelle Risiko der Operation zu beachten.
Bei Neuralgien mit einschießenden (neuralgiformen) Schmerzen wirken eher Antikonvulsiva oder Opiate, bei Dauerschmerzen eher Antiphlogistika, Antidepressiva oder Opiate. Ferner sind auch therapeutische Regionalanästhesie und TENS wirksam.
Abgrenzung
Der Begriff der Neuralgie wird teilweise unkritisch verwendet. So neigen auch Mediziner dazu, jeden Gesichtsschmerz als Trigeminusneuralgie zu bezeichnen, obwohl sich dahinter wenigstens ebenso viele „anhaltende idiopathische Gesichtsschmerzen“ und andere Störungen wie das Kiefergelenkssyndrom verbergen.
Ein neuralgiformer Schmerz ist einschießend, kurz, sehr intensiv und durch Reizung anderer sensibler Qualitäten (Berührung, Temperatur usw.) auslösbar.
Typische Beispiele
Grundsätzlich kann jeder Nerv bei entsprechender Schädigung zu einer Neuralgie führen. Gehäuft sind jedoch die folgenden Nerven betroffen:
- Nervus trigeminus: Trigeminusneuralgie
- Nervus glossopharyngeus: Glossopharyngeusneuralgie
- Nervus nasociliaris: Nasoziliarisneuralgie (Charlin-Syndrom)
- Nervus auriculotemporalis: Aurikulotemporalisneuralgie (Frey-Syndrom)
- Ganglion pterygopalatinum: Sluder-Neuralgie
- Nervus intermedius: Intermediusneuralgie
- Nervus ischiadicus: Ischialgie („Ischias“)
- Nervus medianus: Karpaltunnelsyndrom
- Nervus vagus: Laryngeus-superior-Neuralgie
- Plantarnerven (Nervi plantares) des Nervus tibialis: Morton-Neuralgie
- Nervus occipitalis major: Okzipitalis-Neuralgie
- Nervus genitofemoralis: Spermatikus-Neuralgie
- Nervus ulnaris: Ulnarisrinnen-Syndrom („Musikantenknochen“)
Unter den Neuralgien im Bereich von Kopf und Hals ist die Trigeminusneuralgie am häufigsten, es wird mit 10–20/100.000 Einwohner gerechnet. Danach folgt die Glossopharyngeusneuralgie, die aber bereits 100fach seltener ist.
Neuralgischer Punkt
Im allgemeinen Sprachgebrauch existiert der Begriff „neuralgischer Punkt“. Damit ist ein Umfeld, eine Situation oder ein Ort gemeint, welcher bestimmte Schwierigkeiten oder Risiken birgt.
Siehe auch
Literatur
- Fischer-Börold & Zettl: Schmerz. Visite – Die Gesundheitsbibliothek. Schlütersche, 2006, ISBN 3-89993-521-7.
- Peter Wessely: Neuropathische Schmerzen. Springer, 2001, ISBN 3-211-83666-7 (wissenschaftlich anspruchsvoll).