Streptogramine
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Streptogramine bezeichnen eine Klasse von Antibiotika, die sich allesamt von Pristinamycin, einem Stoffwechselprodukt des Bakteriums Streptomyces pristinae spiralis ableiten. Ihnen ist gemein, dass sie die Proteinbiosynthese von Bakterien hemmen und so deren weiteres Wachstum verhindern.[1] Bedeutung erlangen sie vor allem durch die fortschreitende Resistenzentwicklung gegenüber älteren Antibiotika, wie Penicilline oder Makrolide. Einschränkungen in ihrer Anwendung ergeben sich jedoch einerseits durch häufige Wechselwirkungen mit anderen Arzneistoffen, andererseits durch unerwünschte Wirkungen, die sich zum Beispiel in Muskel- und Gelenkschmerzen, Übelkeit oder Entzündungen an der Infusionsstelle ergeben.
Wirkungsmechanismus
Die zwei wichtigsten Vertreter dieser Klasse, Quinupristin und Dalfopristin, binden an die P-Stelle der 50S-Untereinheit des Ribosoms und hemmen so die Elongation der Proteinsynthese. Einzeln betrachtet sind diese beiden Wirkstoffe nur bakteriostatisch wirksam, das heißt, dass sie nur das Wachstum von Bakterien hemmen können, sie jedoch nicht zerstören. Zusammen eingesetzt, häufig in einer 30:70-Mischung von Quinupristin und Dalfopristin (Synercid), zeigt sich ein Synergismus, der Bakterien sogar direkt tötet (bakterizid). Möglich ist dies aufgrund einer Konformationsänderung der 50S-Untereinheit, nachdem Streptogramine der Klasse A, wie Dalfopristin eines ist, gebunden haben, die es Streptograminen der Klasse B, z.B. Quinupristin, ermöglichen eine 100-fach höhere Aktivität zu zeigen. Weitere Vertreter der Streptogramine sind Pristinamycin und Virginiamycin.
Gruppe-A-Streptogramine alleine, blockieren eine frühe Phase der Elongation, in dem sie die Donor- und Akzeptorstellen des Ribosoms blockieren. Ihnen ist es nur möglich an das Ribosom zu binden, wenn dieses frei von einer gebundenen Acyl-tRNA ist. Gruppe-B-Streptogramine jedoch können in jeder Phase der Proteinsynthese das Ribosom besetzen und führen so zu einer Hemmung der Elongation, als auch zu einer Freisetzung von inkompletten Peptiden.[2]
Resistenzmechanismen und Wirkungsspektrum
Obwohl das Einsatzgebiet dieser Antibiotika-Klasse sich auf multiresistente Bakterien beschränken sollte, kennt man schon diverse Resistenzmechanismen. Interessanterweise zeigt sich, aufgrund des ähnlichen Wirkungsmechanismus, oft eine Kreuzresistenz zwischen Streptograminen, Makroliden und Lincosamiden, die auf diverse 23S-rRNA-Methylasen, also Enzyme, die RNA-Moleküle methylieren können, zurückzuführen ist. Damit wird die Wirkungsstätte dieser Antibiotika so verändert, dass eine Interaktion zwischen Antibiotika und Ribosom nicht mehr möglich ist.
Ein anderer weit verbreiteter Mechanismus von Bakterien ist es, ähnlich wie Tumorzellen, die unerwünschte Substanz wieder auszuschleusen bevor es wirksam werden kann. So fand man ABC-Transporter, eine Familie ATP-abhängiger Pumpen, die spezifisch für Streptogramine sind. Eine direkte Kreuzresistenz ist durch diese Pumpen nicht zu erwarten, da diese Transporter in Abhängigkeit vom chemischen Aufbau der Stoffe agieren. Es wurden jedoch Plasmide gefunden, die mehrere Gene für Antibiotikaresistenzen enthalten, die auch Streptogramine einschließen. Außerdem fand man Lyasen, die in der Lage sind, Streptogramine zu spalten und somit direkt zu deaktivieren.[3]
Heute kann man davon ausgehen, dass die meisten gram-positiven Bakterien, wie Staphylokokken, Streptokokken, Enterokokken gegenüber Synercid empfindlich sind, inklusive der multiresistenten Stämme. Ausgenommen hiervon ist Enterococcus faecalis, welches eine natürliche Resistenz aufgrund einer Effluxpumpe zeigt, sowie Enterobakterien und Pseudomonaden. Im Wirkungsspektrum werden auch aerobe gram-negative Bakterien erfasst, wie Moraxella catarrhalis, Legionellen, Neisserien, Hämophilus influenzae, jedoch zu einem geringerem Grad, sowie anaerobe Bakterien, zum Beispiel Bacteroides, Lactobacillus, Clostridium perfringens und (Clostridium) difficile.[4]
Das Einsatzgebiet beschränkt sich heute auf komplizierte Hautinfektionen, durch Gruppe-A-Streptokokken und Methicillin-empfindliche Staphylokokken, sowie auf Infektionen mit Vancomycin-resistenten Stämmen von Enterococcus faecium und nosokomiale, also im Krankenhaus erworbene, Lungenentzündungen.[5]
Nebenwirkungen
Die heute in der Klinik verwendeten Streptogramine zeigen keine gute orale Bioverfügbarkeit, weshalb sie intravenös verabreicht werden müssen. Hierbei kann es zu lokalen Irritationen der peripheren Venen kommen. Beobachtet wurden Ödeme, Entzündungen des umliegenden Gewebes, sowie der Venenwand (Phlebitis) und Thrombosen. Deshalb wird empfohlen Streptogramine über einen ZVK zu verabreichen, um die lokale Konzentration, durch das größere Lumen, geringer zu halten. Bei bis zu 30 % der Patienten treten dosisabhängige Muskelschmerzen (Myalgien) und Gelenkschmerzen (Arthralgien) auf, die mit herkömmlicher analgetischer Therapie, sei es mit NSAR oder mittels Opioidanalgetika, gut behandelbar sind und nach Beendigung der Therapie vollständig verschwinden.[6], [5] Seltenere unerwünschte Arzneimittelwirkungen sind ein erhöhtes konjugiertes Bilirubin, Hyponatriämie und Anämie.
Bedeutend jedoch ist der Umstand, dass Streptogramine Inhibitoren der hepatischen Monooxygenase CYP3A4 sind, ein System, das für den Abbau diverser Arzneimittel zuständig ist. Zu den prominentesten Beispielen zählen Amiodaron, Ciclosporin, Diazepam, Lidocain, Warfarin oder Phenytoin. Bei Kombinationen solcher Arzneimittel mit Streptograminen oder aber bei Leberschädigungen sind Dosisanpassungen in Erwägung zu ziehen. Bei renalen Insuffizienzen ist dies nicht der Fall.[7]
Einzelnachweise
- ↑ Bergeron M, Montay G: The pharmacokinetics of quinupristin/dalfopristin in laboratory animals and in humans. In: J. Antimicrob. Chemother. 39 Suppl A. Jahrgang, Mai 1997, S. 129–38, PMID 9511077 (oxfordjournals.org).
- ↑ Mukhtar TA, Wright GD: Streptogramins, oxazolidinones, and other inhibitors of bacterial protein synthesis. In: Chem. Rev. 105. Jahrgang, Nr. 2, Februar 2005, S. 529–42, doi:10.1021/cr030110z, PMID 15700955.
- ↑ Woodford N: Biological counterstrike: antibiotic resistance mechanisms of Gram-positive cocci. In: Clin. Microbiol. Infect. 11 Suppl 3. Jahrgang, Mai 2005, S. 2–21, doi:10.1111/j.1469-0691.2005.01140.x, PMID 15811020.
- ↑ Eliopoulos GM: Quinupristin-dalfopristin and linezolid: evidence and opinion. In: Clin. Infect. Dis. 36. Jahrgang, Nr. 4, Februar 2003, S. 473–81, PMID 12567306 (uchicago.edu).
- ↑ 5,0 5,1 Fraser TG, Hansen C, Long JK: Newer antibiotics for serious gram-positive infections. In: Cleve Clin J Med. 73. Jahrgang, Nr. 9, September 2006, S. 847–53, PMID 16970136.
- ↑ Olsen KM, Rebuck JA, Rupp ME: Arthralgias and myalgias related to quinupristin-dalfopristin administration. In: Clin. Infect. Dis. 32. Jahrgang, Nr. 4, Februar 2001, S. e83–6, PMID 11181142 (uchicago.edu).
- ↑ Lincosamides, Oxazolidinones, and Streptogramins. The Merck Manual. November 2005. Abgerufen am 24. August 2008.