Tacrolimus


Strukturformel
Strukturformel von Tacrolimus
Allgemeines
Freiname Tacrolimus
Summenformel C44H69NO12
Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 104987-11-3
PubChem 6473866
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Arzneistoffangaben
ATC-Code

D11AX14, L04AD02

Wirkstoffklasse
  • Immunsuppressivum (systemisch)
  • Immunmodulator (topisch)
Eigenschaften
Molare Masse 804,02 g·mol−1
Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung [1]

Gefahr

H- und P-Sätze H: 301
P: 301+310 [1]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Tacrolimus (auch FK506 oder FK-506) ist ein Makrolidlacton aus dem gram-positiven Bakterium Streptomyces tsukubaensis. Tacrolimus wird verwendet als Arzneistoff aus der Gruppe der Immunmodulatoren oder Calcineurinhemmer. Die Zulassung für den klinischen Einsatz beim Menschen erfolgte im Jahr 1994 erstmals durch die FDA. Tacrolimus wird als selektives Immunsuppressivum gegen Abstoßungsreaktionen bei der Organtransplantation sowie als Alternative zu den Glucocorticoiden beim atopischen Ekzem verwendet.

Struktur

Es handelt sich um ein makrocyclisches Lacton mit einer molaren Masse von 822,05 Dalton. Es konnte 1987 erstmals von japanischen Wissenschaftlern aus dem Kulturmedium von Streptomyces tsukubaensis isoliert werden. Der äußerst hydrophobe Charakter des Moleküls hat bedeutende Auswirkungen auf die therapeutischen Anwendungsmöglichkeiten.

Wirkungsmechanismus

Tacrolimus ist eine Substanz mit immunsuppressiver Wirkung und zählt zu der Gruppe der sogenannten Calcineurin-Inhibitoren. Tacrolimus greift spezifisch in die Signaltransduktion und Aktivierung von T-Zellen ein. Es bindet an den zytosolischen Rezeptor, einem sogenannten Immunophilin innerhalb der Zielzelle. Der Komplex aus Immunophilin und Tacrolimus lagert sich an die Serin-Threonin-Phosphatase Calcineurin. Calcineurin kann nun nicht mehr aktiviert werden. Dadurch wird die Transkription und Freisetzung von Zytokinen (insbesondere IL-2, aber auch c-myc, IL-3, TNFα, IFN-γ) in den T-Zellen gehemmt, wodurch die Reaktion des Immunsystems auf transplantierte Organe unterbunden wird. Tacrolimus lässt sich damit in Bezug auf den Wirkmechanismus mit Ciclosporin, einem weiteren Calcineurininhibitor vergleichen.[2]

  • orale Bioverfügbarkeit: durchschnittlich 20–25 %; Schwankungsbereich 6–43 %, bei fettreicher Ernährung weniger
  • Metabolismus: über Leber; CYP 3A4
  • Halbwertszeit: 12–15 h bei Transplantationspatienten
  • Ausscheidung: Tacrolimus wird nahezu vollständig metabolisiert, unverändert ausgeschiedenes Tacrolimus in Fäzes und Urin < 1 %

Verwendung

Tacrolimus wird einerseits systemisch (oral, in Ausnahmen intravenös) als Immunsuppressivum bei Organtransplantationen verwendet, um die Abstoßung des transplantierten Organs nach Nieren-, Leber- und Herztransplantationen zu verhindern. Daneben wird es zur Abstoßungsbehandlung eingesetzt, wenn andere Immunsuppressiva nicht wirken. Es wurde auch berichtet, dass Tacrolimus bei therapierefraktären Formen von Autoimmunerkrankungen (z. B. Colitis ulcerosa, Morbus Crohn, Glomerulonephritis, Myasthenia gravis) eingesetzt wurde. Diese Indikationen sind allerdings im europäischen Raum nicht zugelassen. Auch ist eine Einnahme parallel zu Beginn einer Azathioprintherapie möglich, da die Wirkung von Azathioprin häufig erst mehrere Monate nach Therapiebeginn einsetzt. Tacrolimus wirkt dagegen schon nach einigen Tagen.[2]

Mit Tacrolimus liegt außerdem eine topisch zu applizierende Salben-Formulierung vor, die seit über 10 Jahren erfolgreich zur äußerlichen Behandlung des atopischen Ekzems eingesetzt wird. Es wirkt dabei als Entzündungshemmer ähnlich den Kortikoiden, allerdings selektiver als diese. Die gesamte Substanzklasse der „topischen Calzineurininhibitoren“ Tacrolimus und Pimecrolimus bewirkt im Gegensatz zu Kortikosteroiden keine Verdünnung der Haut und erhöht, ebenfalls im Gegensatz zu Kortikosteroiden, nicht den Augeninnendruck – dafür sind andere Nebenwirkungen zu beachten. Neben der klassischen „reaktiven“ Therapie sichtbarer Ekzemherde wurde Tacrolimus Salbe auch zur langfristigen, „proaktiven“ Behandlung zugelassen – hier wird die Anzahl der Ekzemschübe durch eine Minimaltherapie langfristig verringert (s. Literatur Wollenberg et al.).

Nebenwirkungen

Bezüglich der Nebenwirkungen ist eine Unterscheidung zwischen der Anwendung als Immunsuppressivum und der als topisches Arzneimittel für Ekzeme zu treffen. Bei systemischer Anwendung zu nennen sind Nephrotoxizität und Neurotoxizität. Die Nephrotoxizität kann bei Patienten mit einer Spenderniere einen wesentlichen Beitrag zur Ausbildung einer chronischen Transplantatnephropathie liefern, so dass die Umstellung auf ein anderes Immunsuppresivum, das kein Calcineurin-Inhibitor ist, angezeigt sein kann.[2][3][4]

Bei einer immunsuppressiven Therapie ist das Risiko für die Entwicklung einer Krebserkrankung erhöht, wobei Hautkrebs am häufigsten berichtet wurde. Immunsupprimierte Patienten sollen daher regelmäßig den Hautarzt aufsuchen und auch ausreichenden Sonnenschutz sicherstellen. Des Weiteren wurden unter Tacrolimus gehäuft neurologische Störungen wie Tremor, Schwindel, Sehstörungen, Depressionen, Schlaflosigkeit beobachtet; auch Bluthochdruck, Krämpfe, Hypomagnesämie, Diabetes, Appetitlosigkeit und Hyperglykämie.[5]

Der Abbaumechanismus (Cytochrom P450) gibt außerdem Anlass zur Vorsicht bei Vielfachmedikation sowie dem Genuss von Grapefruitsaft.

Die Anwendung auf der Haut verursacht in den ersten Tagen der Behandlung sehr häufig Brennen, Juckreiz, Hitzegefühl und Rötung. Später kann dies kurz nach Genuss alkoholischer Getränke erneut auftreten. Da es theoretische Gründe zur Annahme gibt, dass auch die dermale Anwendung das Risiko für Lymphdrüsenkrebs (Lymphome) oder UV-Licht bedingten Hautkrebs erhöhen könnte, wird diesen Aspekten von Wissenschaftlern und Laienpresse besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Wissenschaftliche Studien, die das Risiko für beide Erkrankungen unter äußerlicher Tacrolimus-Anwendung bei atopischem Ekzem untersucht haben, zeigten bisher jedoch gerade kein erhöhtes Krebsrisiko, sondern eine statistisch gesehen schützende Wirkung. Der wesentliche Risikofaktor für die Lymphomentstehung ist der Schweregrad des atopischen Ekzems.

Im Februar 2005 hat die amerikanische Gesundheitsbehörde FDA eine Gesundheitswarnung für topisch anzuwendende Tacrolimus-Arzneimittel erlassen. Die Europäische Gesundheitsbehörde und die europäischen Ekzemexperten sind dieser Auffassung nicht gefolgt und haben zeitnah eine viel differenziertere, im Ergebnis klar positive Gesamteinschätzung der Tacrolimus-Salbe veröffentlicht. [6]

Tacrolimus Salbe ist ab dem zweiten Lebensjahr zugelassen. Die Entscheidung für eine Behandlung mit Tacrolimus Salbe ist von zahlreichen Faktoren abhängig und erfordert eine Einzelfallentscheidung. Dies betrifft auch die kürzlich neu zugelassene proaktive Therapie, bei der eine langfristige, minimale Erhaltungstherapie des unsichtbaren Minimalekzems zur Verhinderung von Ekzemschüben durchgeführt wird.[7]

Im Dezember 2008 verschickte Astellas einen Rote Hand Brief: Anwendungsfehler führten zu einer falschen Dosierung der Präparate und damit zu schwerwiegenden unerwünschten Reaktionen wie durch Biopsie bestätigte akute Abstoßung transplantierter Organe und Toxizität infolge der Verabreichung zu hoher Dosen. Immunsuppressive Therapie ist verschreibungspflichtig und muss durch einen erfahrenen Arzt eingestellt werden.[8]

Tacrolimus ist ein Wirkstoff mit enger therapeutischer Breite. Patienten werden individuell anhand der Wirkspiegel auf die immunsuppressive Therapie eingestellt.

Handelsnamen

Monopräparate
  • systemisch: Advagraf (EU), Modigraf (EU), Prograf (EU), sowie div. Generika [z.B. Tacrolimus HEXAL] (D,A)
  • topisch: Protopic (D, A, CH)

Literatur

  • Kino T, Hatanaka H, Hashimoto M et al.: FK-506, a novel immunosuppressant isolated from a Streptomyces. I. Fermentation, isolation, and physicochemical and biological characteristics. J Antibiot (Tokyo) 1987; 40(9): 1249–1255; PMID 2445721.
  • Arellano FM, Wentworth CE, Arana A, Fernandez C, Paul CF. Risk of lymphoma following exposure to calcineurin inhibitors and topical steroids in patients with atopic dermatitis. J Invest Dermatol. 2007 Apr;127(4):808–16.
  • Margolis DJ, Hoffstad O, Bilker W. Lack of association between exposure to topical calcineurin inhibitors and skin cancer in adults. Dermatology. 2007;214(4):289–95.
  • Bieber T, Cork M, Ellis C, Girolomoni G, Groves R, Langley R, et al. Consensus statement on the safety profile of topical calcineurin inhibitors. Dermatology. 2005;211(2):77–8.
  • Darsow U, Wollenberg A, Simon D, Taieb A, Werfel T, Oranje A, et al. ETFAD/EADV eczema task force 2009 position paper on diagnosis and treatment of atopic dermatitis. J Eur Acad Dermatol Venereol. 2009 Aug 31.
  • Wollenberg A, Frank R, Kroth J, Ruzicka T. Proaktive Therapie des atopischen Ekzems – Ein evidenzbasiertes Therapiekonzept mit verhaltenstherapeutischem Hintergrund. J Dtsch Dermatol Ges. 2009;7:117–21.
  • Ewout J Hoorn, Stephen B Walsh u. a.: The calcineurin inhibitor tacrolimus activates the renal sodium chloride cotransporter to cause hypertension. In: Nature Medicine. 17, 2011, S. 1304–1309, doi:10.1038/nm.2497.

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 Datenblatt FK-506 monohydrate bei Sigma-Aldrich (PDF).Vorlage:Sigma-Aldrich/Abruf nicht angegeben
  2. 2,0 2,1 2,2 www.ema.europa.eu Summary of the European Public Assessment Report (EPAR) (englisch)
  3. Umstellung der Abstoßungsprophylaxe auf Sirolimus - Chance auf längeren Erhalt der Nierentransplantatfunktion. In: Dialyse aktuell 12, 2008, S. 526–528, doi:10.1055/s-0028-1104662.
  4. R. K. Wali und M. R. Weir: Chronic allograft dysfunction: can we use mammalian target of rapamycin inhibitors to replace calcineurin inhibitors to preserve graft function? In: Curr Opin Organ Transplant 13, 2008, S. 614–621. PMID 19060552 (Review).
  5. J.M. Hanifin, A.S. Paller, L. Eichenfield, R.A. Clark, N. Korman, G. Weinstein, I. Caro, E. Jaracz, M.J. Rico: Efficacy and safety of tacrolimus ointment treatment for up to 4 years in patients with atopic dermatitis. In: J. Am. Acad. Derm. 2005, 53, 2, 2, S. 186–194, PMID 16021174.
  6. www.fda.gov Tacrolimus FDA Gesundheitswarnung (englisch)
  7. N. H. Cox, Catherine H. Smith: Advice to dermatologists re topical tacrolimus. British Association of Dermatologists, Therapy Guidelines Committee, Dezember 2002, abgerufen am 23. Juli 2009.
  8. www.bfarm.de Rote Hand Brief wegen Anwendungsfehler

Weblinks