Überfischung


Der Alaska-Seelachs ist Beispiel für eine Fischart, deren Bestände nicht nachhaltig befischt werden.[1]

Mit Überfischung bezeichnet man die übermäßige Dezimierung des Fischbestandes in einem Gewässer durch Fischfang. Überfischung liegt vor, wenn in einem Gewässer dauerhaft mehr Fische gefangen werden, als durch natürliche Vermehrung nachwachsen oder zuwandern. Es gilt als typisches Beispiel für ein soziales Dilemma im Sinne der Tragik der Allmende.

Merkmale der Überfischung

Überfischung ist, vor allen anderen menschlichen Eingriffen in marine Ökosysteme, die wichtigste Ursache für den derzeit zu beobachtenden massiven Rückgang der Bestände vieler Arten (Spezies) in den Meeres- und Küstenökosystemen. Bei einigen Arten kann es sogar zum Aussterben kommen. Weitere tiefgreifende ökologische Störfaktoren in Meeresökosystemen sind unter anderem Schadstoffeintrag, Überdüngung, Abbau von Bodenschätzen und anthropogene Klimaänderung. In Zeiten vor der menschlichen Einflussnahme gab es von den betroffenen Fischarten, im Vergleich zu heute, sehr viel mehr Exemplare.

Paläoökologische, archäologische und historische Daten zeigen, dass es vom Beginn der Überfischung bis zu den zwangsläufig folgenden dramatischen Änderungen in den ökologischen Lebensgemeinschaften (Biozönosen) eine zeitliche Verzögerung von Jahrzehnten oder sogar Jahrhunderten gibt. Dies erklärt sich daraus, dass nicht befischte Spezies derselben trophischen Ebene (Stellung in der Nahrungskette) die ökologische Nische der überfischten Spezies einnehmen – solange bis sie ihrerseits überfischt oder an epidemischen Krankheiten als Folge ihrer Überbevölkerung (verursacht durch das Wegfallen der konkurrierenden Spezies) dezimiert sind.

Laut dem Zweijahres-Bericht (The state of World Fisheries and Aquaculture 2006) der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UNO (FAO) zum Fischfang, der im März 2007 veröffentlicht wurde, sind 52 % der Meeresfisch-Bestände so intensiv befischt, dass eine Steigerung nicht mehr möglich ist. Von allen beobachteten Beständen befinde sich ein Viertel in bedenklichem Zustand. Dieser Teil sei entweder übernutzt (17 %), stark zurückgegangen (7 %) oder erhole sich langsam (1 %). Betroffen sind vor allem Arten, die zwischen nationalen Hoheitsgewässern wandern oder außerhalb dieser Zonen gefischt werden. Dazu zählen mehr als die Hälfte der wandernden Hai-Arten und zwei Drittel der wandernden Hochseebestände, wie Kabeljau, Heilbutt, Blauflossen-Thunfisch, Granatbarsch oder Riesenhai. Die Zahl der nur moderat ausgebeuteten Fischbestände ist seit den 1970er Jahren bis 2006 von 40 % auf 23 % gesunken. Überfischte Meere sind der Studie zufolge vor allem der Südost-Atlantik, der Südost-Pazifik, der Nordost-Atlantik (und damit die Nordsee) sowie die Lebensräume der Hochsee-Thunfischarten im Atlantik und im Indischen Ozean. In diesen Gebieten betrage der Anteil der überfischten Bestände bereits 46−66 %. [2]Laut Greenpeace Schweiz (Broschüre "Stoppen wir die Plünderung der Meere", August 2009) hat sich die totale Fangmenge seit 1950 verfünffacht, und dies ohne die illegalen Fang-Aktivitäten. Der Restbestand an Blauwalen betrage nur noch 1,7 %, derjenige an Thunfisch 10 %. Man müsse deshalb, so Greenpeace, 40 Prozent der Meere unter Schutz stellen und vor allem den bisherigen Fischbestand halten.

In der EU-Fischereipolitik werden Quoten festgelegt, welche die Empfehlungen der ICES jedes Jahr durchschnittlich um 48 % überschreiten. Dies ist einer der wesentlichen Gründe, warum inzwischen 88 % der Fischbestände in den EU-Gewässern überfischt sind, während es in den 1970er Jahren lediglich 10 % waren.[3]

Überfischung kann auch zur Ursache von Konflikten zwischen Industrie- und Entwicklungsländern werden. So nennt der Kenianer Andrew Mwangura, dessen Seafarers Assistance-Programme in 90 Prozent aller Kaperungen zwischen somalischen Piraten und Reedern vermittelt, illegales Fischen als Wurzel der Piraterie.[4]

Maßnahmen gegen Überfischung

In vielen traditionellen Gesellschaften wurde der Fischfang durch Allmende- oder Tabu-Regeln begrenzt, wobei die Erträge in einigen Fällen höher lagen als heute.[5] Heutige Maßnahmen gegen die Überfischung sind z. B. supranationale Fischereiabkommen, selektiver Fischfang, die Einrichtung von Meeresschutzgebieten und Fischerei-Schutzzonen, mit denen der freie und ungehinderte Fischfang zeitlich begrenzt bzw. dauerhaft eingeschränkt oder durch Fangquoten festgeschrieben werden. Auch die Festlegung von ausreichenden Mindestmaßen von Maschenbreiten der Netze hilft gegen Überfischung.

Verbraucherinformationen

Ratgeber von Umweltschutzorganisationen wie beispielsweise von Greenpeace[6] oder dem WWF[7] und Umweltzeichen auf Produkten, wie beispielsweise das des MSC (Marine Stewardship Council), das Label Friend of the Sea (FOS), das Label fair-fish für tierschonende, nachhaltig und fair bezahlte Fischerei oder das vom US-amerikanischen Earth Island Institute ins Leben gerufene Programm SAFE für delfinsicher gefangenen Thunfisch, versuchen Verbraucher auf das Problem aufmerksam zu machen.[8][9]

Siehe auch

Quellen

Literatur

  • Charles Clover: The End of the Line. How overfishing is changing the world and what we eat. Ebury Press, London 2004, ISBN 0-09-189780-7.
  • Charles Clover: Fisch kaputt. Vom Leerfischen der Meere und den Konsequenzen für die ganze Welt. Riemann Verlag, München 2005, ISBN 3-570-50056-X.
  • Food and Agriculture Organization of the United Nations (FAO): The state of World Fisheries and Aquaculture 2006. Rome 2007 (PDF, 4 MB).
  • Jeremy B. C. Jackson et al.: Historical Overfishing and the Recent Collapse of Coastal Ecosystems. In: Science. Vol. 293, Nr. 5530, 27. Juli 2001, S. 629–637, (Review).
  • Antje Kahlheber: Die Erschöpfung der Weltmeere. In: Spektrum der Wissenschaft. November 2004, ISSN 0170-2971, S. 60–68.
  • G. Bruce Knecht: Raubzug. Der teuerste Fisch der Welt und die Jagd nach seinen Jägern. Marebuchverlag, Hamburg 2006, ISBN 3-936384-29-0.

Weblinks

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