Autoimmunhämolytische Anämie


Klassifikation nach ICD-10
D59 Erworbene hämolytische Anämien
D59.0 Arzneimittelinduzierte autoimmunhämolytische Anämie
D59.1 Sonstige autoimmunhämolytische Anämien
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Eine Autoimmunhämolytische Anämie (abgekürzt AIHA) ist eine Anämie, die durch Autoantikörper, d. h. durch Antikörper, die gegen eigene Antigene gerichtet sind, verursacht wird. Diese Antikörper heften sich an die Erythrozyten (roten Blutzellen) und können unter bestimmten Umständen zu deren Zerstörung (Hämolyse) führen.

Einteilung

Man unterscheidet vier verschiedene Formen der AIHA:

  • AIHA vom Wärmetyp
  • AIHA vom Kältetyp
  • AIHA vom Donath-Landsteiner-Typ
  • durch Medikamente induzierte AIHA.

Je nach der "hämolysierenden Wirkung" der Autoantikörper unterscheidet man sogenannte komplette Antikörper, die eine sichtbare Agglutination (Verklumpung) der Erythrozyten hervorrufen können, von inkompletten Antikörpern, die dies nicht tun. Erstere sind in der Regel vom Typ Immunglobulin M (IgM), letztere vom Typ Immunglobulin G (IgG). Autoantikörper auf der Erythrozytenoberfläche können mit dem direkten Coombs-Test nachgewiesen werden, Autoantikörper im Serum mit dem indirekten Coombs-Test.

AIHA vom Wärmetyp

Die AIHA vom Wärmetyp wird durch Autoantikörper hervorgerufen, die ihr Reaktionsoptimum bei Körpertemperatur, d. h. 37 °C, haben. Meist handelt es sich um Antikörper vom Typ IgG (nur selten IgA oder IgM). Die Inzidenz der AIHA vom Wärmetyp wird auf etwa 1:50 000 geschätzt. Sie kann in jeder Altersstufe auftreten, jedoch tritt sie wesentlich häufiger im Erwachsenenalter, als im Kindesalter auf. Frauen sind häufiger als Männer betroffen. In etwa der Hälfte der Fälle kann keine äußere Ursache für das Auftreten der AIHA gefunden werden, in der anderen Hälfte der Fälle ist die AIHA vom Wärmetyp typischerweise mit bestimmten Erkrankungen assoziiert:

Das klinische Erscheinungsbild der betroffenen Patienten ist äußerst variabel. Es reicht von weitgehendem Wohlbefinden bei nur milder Hämolyse bis hin zu einem schweren, unter Umständen lebensbedrohlichem Krankheitsbild bei sehr ausgeprägter Hämolyse.

AIHA vom Kältetyp

Die AIHA vom Kältetyp wird durch sogenannte Kälteagglutinine hervorgerufen, die fast immer vom Typ IgM sind. Bei niedrigeren Temperaturen als der Körpertemperatur führen diese Autoantikörper zu einer Vernetzung (Agglutination) der Erythrozyten und anschließend durch Komplementaktivierung zur Hämolyse. Ursachen einer AIHA vom Kältetyp können sein:

  • monoklonale Gammopathie, zum Beispiel Morbus Waldenström
  • maligne Lymphome
  • Infektionen (als typisch gelten das Auftreten nach Mykoplasmen-Pneumonie, infektiöser Mononukleose oder Röteln)

Man unterscheidet eine akute und eine chronische Form. Die akute Form tritt meist im Gefolge von Infektionen auf und verschwindet meist nach Abklingen der Infektion wieder. Die chronische Form tritt praktisch nur im Erwachsenenalter auf und ist ohne Therapie in der Regel irreversibel.

Paroxysmale Kältehämoglobinurie (AIHA vom Donath-Landsteiner-Typ)

Die paroxysmale (d. h. anfallsartige) Kältehämoglobinurie ist die häufigste AIHA im Kindesalter. Bei Erwachsenen findet man sie so gut wie nie. Meist tritt sie nach Virusinfekten auf. Sie wird in der Regel durch Autoantikörper vom Typ IgG, seltener IgM verursacht, die ein ähnliches Reaktionsmuster wie die o. g. Kälteagglutinine aufweisen. Typisch ist eine akute Hämolysesymptomatik mit Hämoglobinurie und Anämie nach Kälteexposition. Häufig treten dabei krampfartige Bauchschmerzen, Erbrechen, Durchfall, Fieber oder Schüttelfrost auf. Trotz des schweren Krankheitsbildes zeigt die Erkrankung meist einen gutartigen Verlauf und die Hämolyse bildet sich meist spontan innerhalb weniger Tage zurück.

Medikamentös induzierte Immunhämolyse

Durch Medikamente kann die Bildung von Autoantikörpern induziert werden. Die Medikamente, die am häufigsten zu einer AIHA führen können, sind:

Der Mechanismus der Autoantikörperbildung ist nicht vollständig verstanden.

Klinik und Symptome

Neben den typischen Symptomen der Anämie (Blässe, Müdigkeit, Leistungsschwäche, Tachykardie, Ohrensausen, Luftknappheit bei körperlicher Belastung) zeigen sich die Symptome der Hämolyse: Ikterus (Gelbfärbung) von Haut und Skleren durch Bilirubin-Einlagerung, dunkler Urin (durch freigesetztes Hämoglobin und Bilirubin-Abbauprodukte). Der klinische Verlauf variiert stark. Eine sehr ausgeprägte akut verlaufende Hämolyse ist ein schweres Krankheitsbild mit Fieber, Schüttelfrost, Bauchschmerzen, Erbrechen, Übelkeit, und kann akut lebensbedrohlich sein. Bei massiver Hämolyse kann es zum Nierenversagen und Schock kommen. Bei der medikamentös induzierten AIHA kommt es typischerweise zur Hämolysesymptomatik wenige Minuten bis Stunden nach entsprechender Medikamenteneinnahme.

Behandlung

Die Anämie kann symptomatisch mit Transfusionen von Erythrozytenkonzentraten ("Bluttransfusionen") behandelt werden. Bei lebensbedrohlicher Anämiesymptomatik muss dies auch ohne Verzögerung geschehen, auch wenn die Kreuzprobe positiv ausfällt. Die Behandlung der AIHA vom Wärmetyp beinhaltet zunächst die Behandlung der auslösenden Grunderkrankung soweit eine solche vorliegt. Die Therapie ist ansonsten immunsuppressiv (Steroide, zum Beispiel 1 mg/Tag kg Körpergewicht Prednisolon; bei ungenügender Wirkung Hinzunahme von Azathioprin). Andere Therapien (Gabe polyvalenter Immunglobuline oder Rituximab oder Cyclophosphamid) sollten erst nach Versagen der Primärtherapie zum Einsatz kommen. Bei der AIHA vom Kältetyp ist die Vermeidung von Kälteexposition wichtig. Die medikamentös induzierte AIHA wird in erster Linie durch das Absetzen des auslösenden Medikamentes behandelt.

Quellen

  • Salama A, Gaedicke G: Autoimmunhämolytische Anämien In: Pädiatrische Hämatologie: Anämien und Hämoglobinopathen, S. 147-154
  • Eckstein R.: Immunhämatologie und Transfusionsmedizin Elsevier, ISBN 3-437-21032-7

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