Ohrenrobben



Ohrenrobben

Neuseeländische Seebären

Systematik
Unterklasse: Höhere Säugetiere (Eutheria)
Überordnung: Laurasiatheria
Ordnung: Raubtiere (Carnivora)
Überfamilie: Hundeartige (Canoidea)
ohne Rang: Robben (Pinnipedia)
Familie: Ohrenrobben
Wissenschaftlicher Name
Otariidae
Gray, 1825

Die Ohrenrobben (Otariidae) sind eine Familie meist großer Robben, zu der man die Seebären (Arctocephalinae) und Seelöwen (Otarriinae) zählt, die an zahlreichen Felsenküsten der Weltmeere große Kolonien bilden. Sie können sich im Vergleich mit den Hundsrobben noch verhältnismäßig gut an Land bewegen.

Die Familie erhielt 1825 durch den britischen Zoologen John Edward Gray ihren wissenschaftlichen Namen, der sich vom Gattungsnamen der Mähnenrobbe (Otaria flavescens) ableitet.

Merkmale

Größe und Gewicht

Stellerscher Seelöwe

Ohrenrobbenmännchen der Neuseeländischen Seelöwen (Phocarctos hookeri) können bis zu 3,50 Meter groß werden, während Weibchen der Galápagos-Seebären (Arctocephalus galapagoensis) manchmal nur eine Körperlänge von einem Meter erreichen. Das Gewicht schwankt nach Art und Geschlecht zwischen 25 Kilogramm bei manchen Seebären-Weibchen und mehr als 500 Kilogramm bei Männchen der Stellerschen Seelöwen (Eumetopias jubatus). Auffällig ist ein deutlicher Geschlechtsdimorphismus, bei den Nördlichen Seebären (Callorhinus ursinus) sind die Männchen zum Beispiel ungefähr viereinhalb mal so schwer wie die Weibchen. Größen- und Gewichtsunterschiede sind eine Folge der speziellen Fortpflanzungsweise der Tiere.

Fell

Der schlanke, spindelförmige Körper wird von einem gleichförmig braunen Fell bedeckt, das bei den Seebären durch ein dichtes Unterfell ergänzt wird. Es trägt durch darin enthaltene Luftbläschen im Wasser zur Wärmeisolierung bei und wird in regelmäßigen Abständen erneuert. Dabei werden zunächst die Haare des Unterfells und dann die vorstehenden Grannenhaare ersetzt; anders als bei der anderen Robbenfamilie, den Hundsrobben, läuft dieser Vorgang weitgehend kontinuierlich ab, so dass nie alle Haare auf einmal abgestoßen werden. Die unter der Haut gelegene Fettschicht ist bei Ohrenrobben meist dünner als bei Hundsrobben.

Schädel und Gebiss

Der Schädel der Ohrenrobben ähnelt stark dem Bärenschädel. Wie dort ist jeweils der große Flügel des Flügelbeins (Os sphenoidale) von einem Kanal durchzogen, durch den die interne Kopfschlagader (Arteria carotis interna) verläuft, die das Gehirn versorgt. Auch der Warzenfortsatz (Processus mastoideus) des Schläfenbeins (Os temporale), an dem eine kräftige Muskulatur ansetzt, ist wie bei Bären deutlich ausgeprägt, aber von der verknöcherten Kapsel des Mittelohrs (Bulla tympanica) klar getrennt. Der Gelenkkopf für das obere Kopfgelenk (Articulatio atlanto-occipitalis), der Condylus occipitalis, ist weit nach oben versetzt. Die Augenhöhlen (Orbita) sind nur unvollständig voneinander getrennt; an ihrem hinteren und oberen Rand besitzt das Stirnbein (Os frontale) je zwei gut entwickelte Fortsätze, die als Processus postorbitalis und Processus supraorbitalis bezeichnet werden. Die beiden Unterkieferhälften sind bei Ohrenrobben nicht fest an der Symphyse (Symphysis mandibulae) verwachsen. Bei den Männchen ist der Schädel etwas anders proportioniert als bei den Weibchen und weist in vielen Fällen einen auffälligen Scheitelkamm auf.

Das Ohrenrobben-Gebiss verfügt auf jeder Seite über drei obere und zwei untere Schneidezähne; bis auf den äußersten oberen Schneidezahn sind sie alle zweihöckrig. Dahinter liegt je ein gut ausgebildeter Eckzahn, dem je vier obere und untere kegelförmige Vormahlzähne folgen. Während sich im Unterkiefer pro Seite je ein Backenzahn befindet, schwankt die Anzahl im Oberkiefer artabhängig zwischen eins und drei; alle Vormahl- und Backenzähne sind homodont, also gleichgeformt. Zusammenfassen lässt sich der Gebissaufbau in der Zahnformel 3/2 1/1 4/4 1-3/1.

Skelettbau der Ohrenrobben (oben) im Unterschied zu den Hundsrobben (unten)

Axialskelett

Die Wirbelsäule zeigt deutliche Verstärkungen im Bereich der Halswirbelsäule und der etwa 15 Brustwirbel, die als Adaptation an die starken mechanischen Belastungen verstanden werden können, die von den zur Fortbewegung eingesetzten Vorderflossen ausgehen. Sie läuft in einem kurzen Schwanz aus. Das Brustbein (Sternum) der Ohrenrobben ist am Griff (Manubrium sterni) verknöchert.

Flossen

Im Gegensatz zu den Hundsrobben haben Ohrenrobben Flossen, die auch bei der Fortbewegung an Land von großem Nutzen sind. Die muskulösen Vorderflossen, die eine glatte, ledrige Oberfläche besitzen, sind, ganz besonders bei den Seebären, sehr lang und weisen je fünf Zehen mit rudimentär erhaltenen Nägeln auf. Die Zehenlänge nimmt von außen nach innen ab. Die kürzeren Hinterflossen können unter den Körper gedreht und bei der Fortbewegung benutzt werden, was den Hundsrobben nicht möglich ist. Auf den drei mittleren Zehen befinden sich gut entwickelte Zehennägel, die beiden äußeren Nägel sind hingegen meist weitgehend degeneriert.

Atmung, Kreislauf, Geschlechtsorgane, Genetik

Bei den meisten Arten ist die rechte Lunge vergrößert. Die für die Wärmeregulation wichtigen arteriovenösen Anastomosen, Querverbindungen zwischen Arterien und Venen, die eine erhöhte Blutversorgung der äußeren Körperschichten und damit einen schnelleren Wärmeaustausch erlauben, existieren bei Ohrenrobben nur in den Flossen, die sie daher an Land gelegentlich mit Urin benetzen, um die Verdunstungskälte zur Abkühlung zu nutzen.

Anders als bei den Hundsrobben befinden sich die Hoden der Männchen in einem externen Hodensack (Scrotum). Der Karyotyp des Taxons umfasst 2n=36 Chromosomen.

Sinnesorgane

Otaria flavescens

Wie schon der deutsche Name der Familie verrät, verfügen alle Tiere über äußerlich sichtbare Ohren. Sie sind meist etwa fünf Zentimeter lang, von knorpeliger Konsistenz und laufen nach außen spitz zu. Im Gegensatz zu den Hundsrobben kommen oberhalb der Augenhöhle grundsätzlich keine Barthaare (Vibrissae) vor.

Verbreitung und Lebensraum

Ohrenrobben sind in polaren, gemäßigten und subtropischen Meeren verbreitet; den größten Individuenreichtum erreichen sie aber in den Meeren der Arktis und Antarktis. Sie finden sich in arktischen Gewässern an den Nordküste Sibiriens und Nordamerikas, im Pazifik an der Westküste Nord- und Südamerikas von Alaska bis Mexiko und von Nordperu bis Kap Hoorn sowie an der Ostküste Nordasiens von Japan bis Nordostrussland, bei der Südinsel Neuseelands sowie auf den Galápagos-Inseln. Im Atlantik kommen sie an der südamerikanischen Ostküste von Feuerland bis Südbrasilien sowie an der Süd- und Südwestküste Südafrikas und Namibias vor. Wichtige Kolonien im Indischen Ozean liegen an der Südküste Australiens. Dazu kommen zahlreiche isolierte Inseln in den Gewässern um Antarktika.

Wie alle Robben verbringen Ohrenrobben eine große Zeit ihres Lebens in küstennahen Meeresgewässern, seltener findet man sie auch im Brackwasser der Mündungssysteme großer Flüsse oder gar im Süßwasser dieser Flüsse selbst. Paarung und Jungenaufzucht finden an Land, insbesondere auf Felseninseln sowie an isoliert gelegenen Stränden statt, wo es keine landlebenden Fressfeinde gibt. Eisbewohnende Arten sind, anders als bei den Hundsrobben, nicht bekannt; Ohrenrobben bevorzugen auch allgemein etwas wärmere Wassertemperaturen.

Fortbewegung

Ohrenrobben nutzen zum Vortrieb im Wasser ausschließlich ihre kräftigen Vorderflossen, mit denen sie gleichsam rudern; die Hinterflossen werden dagegen beim Schwimmen passiv nach hinten ausgestreckt. Die auf diese Weise erreichten Geschwindigkeiten liegen bei bis zu 27 Kilometern pro Stunde.

Anders als Hundsrobben können sich Ohrenrobben auch an Land gut fortbewegen. In unebenem Gelände sind sie in der Lage, einem laufenden Menschen zu entkommen; dressierte Tiere sind sogar in der Lage, Leitern hochzuklettern.

Bei der Fortbewegung ruht das Hauptgewicht auf den seitlich ausgestreckten Vorderflossen, die am „Handgelenk“ um 90 Grad abgeknickt sind, so dass die der Hand entsprechenden Flossenteile flach auf dem Untergrund aufliegen. Selbiges gilt auch für die Hinterflossen, die an Land unter den Körper gebracht werden und so ausgerichtet sind, dass die Zehen nach vorne zeigen.

Lebensweise

Schlafende kalifornische Seelöwen in San Francisco

Alle Ohrenrobben sind sehr soziale Tiere und halten sich häufig in Gruppen auf; zur Kommunikation haben sie ein großes Lautrepertoire entwickelt. Besonders auffällig ist dies in der Paarungszeit, in der sich die Tiere in großen Kolonien sammeln. Dies hängt nicht zuletzt mit der vergleichsweise geringen Zahl geeigneter Aufzuchtstätten für die Jungtiere zusammen, so dass sich die Robben an jenen Stätten, die zur Verfügung stehen, konzentrieren. Zumindest die Weibchen sind in vielen Fällen philopatrisch, kehren also immer wieder in ihre Geburtskolonie zurück.

Ernährung

Die meisten Ohrenrobbenarten sind Generalisten, ihr Nahrungsspektrum ist also relativ breit gefächert. Eine Ausnahme bilden die Antarktischen Seebären (Arctocephalus gazella), die sich fast ganz auf Krill spezialisiert haben. Bei den anderen Arten besteht die Beute neben Krill in der Regel aus kleinen Schwarmfischen, Tintenfischen sowie diversen Krebstieren. Einige Seelöwenarten haben dieses Spektrum um Vögel wie Pinguine oder die Jungtiere anderer Robben erweitert. Im Gegensatz zu den Hundsrobben tauchen Ohrenrobben meist nur in flachen Gewässern, obwohl einige Arten nachgewiesenermaßen Tiefen von mehr als 100 Metern erreichen.

Fortpflanzung

Kolonie Südafrikanischer Seebären

Bei allen Ohrenrobben wachen die Männchen, Bullen genannt, in den Kolonien über einen Harem von Weibchen (Kühe). An den Paarungsstätten treffen stets zuerst die Bullen ein. Hier streiten sie um die Plätze, was oft in blutigen Kämpfen geschieht, die manchmal auch zum Tod einzelner Tiere führen. Schwächere Bullen werden dabei an unattraktive Plätze am Rand der Kolonie oder im Landesinneren gedrängt, während die stärksten Männchen die besten Plätze am Ufer ergattern. Wenn die Weibchen eintreffen, sind die Territorien festgelegt, die stärksten Bullen können nun über bis zu 80 Kühe wachen. Dennoch müssen sie ihr beanspruchtes Gebiet permanent aktiv verteidigen und Nachbarn durch Drohgebärden von der Ausdehnung ihres Territoriums abhalten; bei gelegentlichen Kämpfen werden regelmäßig Jungtiere zu Tode getrampelt. Da ein vorübergehendes Verlassen ihres Territoriums einer vollständigen Aufgabe gleichkäme, müssen die Männchen für bis zu zehn Wochen ganz auf Nahrung verzichten und leben in dieser Zeit von ihren Fettreserven. Dieser Faktor hat vermutlich wesentlich zu den deutlichen Unterschieden in Gewicht und Größe zwischen den Geschlechtern beigetragen. Wegen der extremen Anforderungen, welche die Eroberung und Verteidigung eines Territoriums mit sich bringt, sind die meisten Bullen allenfalls für zwei oder drei Jahre in der Lage, ihren Status zu wahren und werden danach von jüngeren Tieren verdrängt.

Zunächst bringen die Kühe jedoch zwei bis drei Tage nach ihrer Ankunft die im Vorjahr gezeugten Jungen zur Welt. Ihre Tragzeit beträgt gewöhnlich etwa 11 bis 12 Monate, kann aber bei Australischen Seelöwen (Neophoca cinerea) bis zu 18 Monate andauern; fast immer wird nur ein Junges geboren. Es trägt bei seiner Geburt ein besonders dichtes Fell, das gegen Auskühlung schützt und als Lanugo bezeichnet wird. Erst nach zwei bis drei Monaten wird es durch das Erwachsenenfell ersetzt. Neugeborene sind sofort in der Lage zu schwimmen und können sich innerhalb einer halben Stunde auch an Land holprig fortbewegen.

Antarktischer Seebär, Jungtier

Etwa eine Woche später paaren sich die Kühe dann mit dem Bullen ihres Territoriums, dessen Aggression nun auf dem Höhepunkt ist. Kühe, die ein Territorium verlassen wollen, werden in dieser Zeit oft mit Gewalt daran gehindert. Erst nach der Paarung können sie die Kolonie verlassen und auf Nahrungssuche gehen. In regelmäßigen Abständen kehren sie an Land zurück, um ihren Nachwuchs zu versorgen.

Über einen Zeitraum von vier bis sechs Monaten wird das Junge nun von seiner Mutter gesäugt. Die Kommunikation zwischen ihr und ihrem Kind findet vor allem durch Laute statt: Jedes Jungtier hat seinen eigenen charakteristischen Ruf, mit dem es auf Lautäußerungen der Mutter antwortet und den die Mutter aus dem Lärm einer größeren Gruppe von Tieren heraushören kann. Anhand des Geruchs wird die Identität des Nachwuchses bestätigt.

Anders als bei den Hundsrobben wird die Mutter-Kind-Beziehung über einen längeren Zeitraum hinweg aufrechterhalten. Manche Jungtiere erhalten sogar noch unregelmäßig Milch, nachdem ihre Mutter das nächste Junge geboren hat. Von Stellerschen Seelöwen (Eumetopias jubatus) ist sogar bekannt, dass Kühe gleichzeitig drei Jungtiere aus drei aufeinander folgenden Jahren säugen können. Das jüngste Tier ist in diesen Fällen aber immer in der schlechtesten Ausgangsposition und stirbt oft wegen Nahrungsmangel.

Ohrenrobben können ein Alter von mehr als 20 Jahren erreichen.

Gefährdung

Während Seelöwen und Seebären wohl über die gesamte Geschichte der Menschheit hinweg gejagt wurden, bedroht dies erst seit den letzten Jahrhunderten ganze Populationen. Die Verfolgung des Südamerikanischen Seebären begann zwar schon im 16. Jahrhundert, doch die systematische Eliminierung ganzer Kolonien erstreckte sich zumeist auf die folgenden Jahrhunderte. Von 1786 bis 1867 wurden etwa auf den Pribilof Islands im Beringmeer geschätzte 2,5 Millionen Nördliche Seebären getötet, während die Antarktischen Seebären bis Ende des 19. Jahrhunderts beinahe ausgerottet wurden. Zwei Arten, der Guadalupe-Seebär und der Juan-Fernandez-Seebär wurden sogar lange als ausgestorben angesehen, bis sie 1954 beziehungsweise 1965 wiederentdeckt wurden. Erst gegen Anfang des 20. Jahrhunderts eingeführte Schutzmaßnahmen besserten die Situation. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts geht die Gefährdung weniger von den noch erlaubten Jagden aus, die etwa auf den Aleuten noch in begrenztem Ausmaß gestattet sind. Vielmehr sind die Tiere am meisten von Meeresverschmutzung und Fischerei bedroht.

Besonders in den Fettschichten der Tiere reichern sich Spurenelemente wie Kupfer und Selen oder organische Verbindungen wie Butylzinn, Polychlorierte Biphenyle (PCB) und Dichlordiphenyltrichlorethan (DDT) an. Während die Belastung bei Männchen altersabhängig ist, sinkt sie bei säugenden Weibchen, was vermuten lässt, dass die entsprechenden Substanzen in der Muttermilch an die Jungtiere weitergegeben werden. Da zahlreiche Arten mit weit verstreuten Lebensräumen vor Japan, Kalifornien, Alaska oder Sibirien betroffen sind, handelt es sich nicht um ein lokales Problem.

Stellerscher Seelöwe, Bulle

Die industriell organisierte Fischerei hat zahlreiche Fischbestände in einem so rapiden Tempo dezimiert, dass es auch für Robben schwierig ist, noch genug Nahrung zu finden. Für Populationen des Stellerschen Seelöwen in Alaska liegt etwa der Grund für den nachweislichen Rückgang der Individuenzahl mit großer Wahrscheinlichkeit darin, dass viele Jungtiere schlicht verhungern. Ein zweiter Einfluss ist der Fischfang nahe von Robbenkolonien, der oft dazu führt, dass sich die Tiere in den Netzen verheddern und als Beifang verenden. Zumindest dieses Problem wird allerdings zunehmend durch geeignete Fangvorrichtungen und -praktiken verringert.

Die gegenwärtige Gefährdungssituation lässt sich der Roten Liste der International Union for Conservation of Nature (IUCN), der Weltnaturschutzorganisation, entnehmen:[1]

Darüber hinaus stehen sieben Arten in diesen Roten Listen, die derzeit mit nicht gefährdet (Least Concern) beurteilt werden.

Der Japanische Seelöwe (Zalophus japonicus) gilt als ausgestorben (Extinct)[2].

Stammesgeschichte

Die Schwestergruppe der Ohrenrobben sind vermutlich die Walrosse (Odobenidae), mit denen sie im Taxon Otarioidea vereinigt sind.

Viele der angesprochenen anatomisch-physiologischen Merkmale, wie etwa die Beibehaltung starker Vorderflossen, führten einst zu der Annahme, dass Ohrenrobben primitiver als Hundsrobben seien; dies kann jedoch als überholt gelten: Abgesehen davon, dass die moderne Taxonomie auf Einteilungen in primitive und moderne Organismen ganz verzichtet, sind auch die ältesten Fossilien beider Gruppen ungefähr gleich alt.

Fossile Formen

Die Fossilbelege der Ohrenrobben reichen zurück bis ins Miozän. Aus diesem Zeitalter kennt man zwei Gattungen, die anhand der Flossenanatomie klar als Ohrenrobben erkennbar sind, deren Beziehungen zu heute lebenden Taxa aber unklar sind. Pithanotaria von der nordamerikanischen Pazifikküste ist die älteste bekannte Ohrenrobbe. Sie lebte im mittleren Miozän vor etwa 12 bis 13 Millionen Jahren und war mit einer Länge von kaum eineinhalb Metern etwa so groß wie ein Galápagos-Seebär. Aus dem späten Miozän ist dann Thalassoleon bekannt, der ebenfalls an der Pazifikküste Nordamerikas beheimatet war; diese Gattung war bereits deutlich größer und zeigt bereits den typischen Geschlechtsdimorphismus der Gruppe. Beide Arten nutzten vermutlich das große Nahrungsangebot der ausgedehnten küstennahen Tangwälder.

Angehörige der Seebärgattungen Callorhinus und Arctocephalus sowie der Seelöwengattung Zalophus tauchten bereits im unteren Pliozän auf. Alle anderen heute lebenden Gattungen sind fossil erst seit dem Pleistozän belegt und entwickelten sich wohl aus Arctocephalus-ähnlichen Vorgängern.

Obwohl die Ausbreitungsgeschichte der Ohrenrobben wohl nie bis in alle Einzelheiten aufgeklärt werden wird, lassen sich die groben Züge heute mit einiger Wahrscheinlichkeit erkennen: Demnach liegt der Ursprung der Ohrenrobben wie der Robben insgesamt an der amerikanischen Nordpazifikküste. Von dort erweiterte sich ihr Verbreitungsgebiet zunächst nach Norden und Westen, bis sie schließlich auf beiden Seiten des Nordpazifiks zu finden waren. Erst als einige Millionen Jahre später die Landverbindung zwischen Nord- und Südamerika entstand, breiteten sich die Tiere entlang der Westküste Südamerikas nach Süden aus.

Von dort gelangten sie um das Kap Hoorn herum in den Südatlantik, indem sie der Ostküste Amerikas nach Norden folgten, bis tropische Gewässer anscheinend ihre weitere Ausbreitung verhinderten. Dem antarktischen Zirkumpolarstrom folgend gelangten andere Populationen wohl nach Südafrika und zu vereinzelten Inseln im südlichen Indischen Ozean. Dieser ersten Radiation folgte vermutlich eine zweite von seelöwenartigen Ohrenrobben, die wiederum ihren Ausgangspunkt im Nordpazifik nahm. Nach kurzer Zeit überschritten einige Populationen den Äquator und breiteten sich ebenso wie ihre seebärenähnlichen Vorgänger um die Südspitze Amerikas herum bis in den Atlantik aus. Die Besiedelung Neuseelands und Australiens erfolgte vermutlich von Südamerika aus.

Evolutionäre Anpassungen

Die polygyne Fortpflanzungsweise, bei der ein Männchen sich mit mehreren Weibchen paart, entwickelte sich vermutlich aufgrund der amphibischen Lebensweise: Weil die Weibchen darauf angewiesen sind, ihren Nachwuchs an Land zur Welt zu bringen, sammeln sie sich wegen des oft eingeschränkten Platzes und der Notwendigkeit, in der Nähe des Ufers zu bleiben, auf engstem Raum. Dort können sie dann von den aggressivsten und größten Männchen monopolisiert werden. Aus diesem Grund und wegen der notwendigen Nahrungsreserven war ein großes „Kampfgewicht“ für den evolutionären Erfolg eines Männchens zentral. Die geschlechtsspezifischen Unterschiede lassen sich daher sehr wahrscheinlich durch sexuelle Selektion erklären.

Systematik

Es bestehen keine großen Zweifel daran, dass Ohrenrobben eine natürliche Verwandtschaftsgruppe darstellen, also alle Nachkommen ihres gemeinsamen Vorfahren umfassen. Die Familie wird gemeinhin in sieben Gattungen mit 15 rezenten Arten eingeteilt. Informell werden die ersten zwei als Seebären und die weiteren fünf als Seelöwen bezeichnet.

Kalifornische Seelöwen auf einer Boje
Ausgestopftes Exemplar des ausgestorbenen Japanischen Seelöwen

Eine taxonomische Unterteilung in Seebären (Arctocephalinae) und Seelöwen (Otarriinae) ist dagegen nach heutigen Erkenntnissen problematisch, da sie nur auf einem Merkmal, der Behaarung, beruht, die bei Seebären sehr ausgeprägt, bei Seelöwen eher spärlich ist. Schon seit den 1970ern nahm man an, dass die Südlichen Seebären mit den Seelöwen näher verwandt seien als der Südliche mit dem Nördlichen Seebären. Vermutet wurde eine Beziehung wie im folgenden Kladogramm:

 Ohrenrobben  
  N.N.  

 Südliche Seebären


   

 Seelöwen



   

 Nördlicher Seebär



Demnach wären die Seelöwen zwar ein monophyletisches Taxon, die Seebären verdienten aber nicht den Rang einer systematischen Gruppe innerhalb der Ohrenrobben.

2001 wurde eine umfassende molekulargenetische Analyse aller Ohrenrobben vorgenommen. Dabei wurde bestätigt, dass der Nördliche Seebär eine basale Art ist, die sich vor etwa 6 Millionen Jahren von allen anderen Arten getrennt hat. Unerwartet war die Erkenntnis, dass die Zusammenfassung der Südlichen Seebären zu einer Gattung offenbar nicht gerechtfertigt ist. Im Gegenteil ergab die Analyse nicht weniger als vier Kladen Südlicher Seebären, die in unterschiedlichem Maße untereinander und mit den Seelöwen verwandt sind. Auch die Seelöwen konnten nicht als monophyletisch bestätigt werden. Das folgende Kladogramm zeigt die Ergebnisse der Studie, die von den Autoren als vorläufig gekennzeichnet worden sind:

 Ohrenrobben  

 Nördlicher Seebär


  Südliche Seebären und Seelöwen  
  N.N.  
  Seebärklade 1  

 Südafrikanischer Seebär


   

 Subantarktischer Seebär



  N.N.  

 Mähnenrobbe


  N.N.  
  Ostpazifische Seelöwen  

 Stellerscher Seelöwe


   

 Kalifornischer Seelöwe



  N.N.  

 Antarktischer Seebär (Seebärklade 4)


  N.N.  
  N.N.  

 Neuseeländischer Seelöwe


  Seebärklade 2  

 Juan-Fernandez-Seebär


   

 Guadelupe-Seebär




  Seebärklade 3  

 Südamerikanischer Seebär


  N.N.  

 Neuseeländischer Seebär


   

 Galapagos-Seebär









   

 Australischer Seelöwe




Einzelnachweise

Literatur

  • Ronald M. Nowak: Walker's Mammals of the World. 6th Edition. Johns Hopkins University Press, Baltimore 1999, ISBN 0-8018-5789-9
  • Malcolm C. McKenna, Susan K. Bell: Classification of Mammals. Above the Species Level. Columbia University Press, New York 2000, ISBN 0-231-11013-8
  • L. P. Wynen u. a.: Phylogenetic Relationships within the Eared Seals (Otariidae: Carnivora). Implications for the Historical Biogeography of the Family. In: Molecular Phylogenetics and Evolution. Elsevier, San Diego Cal 21.2001,2, S. 270–284, ISSN 1055-7903

Weblinks

Commons: Otariidae – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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