Rüsselkäfer



Rüsselkäfer

Eichelbohrer (Curculio glandium)

Systematik
Klasse: Insekten (Insecta)
Ordnung: Käfer (Coleoptera)
Unterordnung: Polyphaga
Teilordnung: Cucujiformia
Überfamilie: Curculionoidea
Familie: Rüsselkäfer
Wissenschaftlicher Name
Curculionidae
Latreille, 1802

Die Rüsselkäfer (Curculionidae) sind eine Familie der Käfer. In der Überfamilie Curculionoidea werden eine Reihe nahe verwandter Familien zusammengefasst, die teilweise früher als Unterfamilien galten, z. B. die Apionidae (nach anderer Auffassung eine Unterfamilie der Brentidae). Andere, traditionell eigenständige Unterfamilien wie die Borkenkäfer, werden heute als Unterfamilie betrachtet. Meist wird unter dem deutschen Ausdruck Rüsselkäfer die gesamte Überfamilie verstanden.

Rüsselkäfer sind weltweit mit 40.000 bis 60.000 Arten vertreten; eine neuere Übersicht nennt 62.000 Arten (Stand: 2007)[1]. Ca. 1200 Arten wurden in Mitteleuropa gefunden, etwa 950 davon in Deutschland. Geht man von ca. 400.000 beschriebenen Käferarten weltweit aus, so machen die Rüsselkäfer ca. 15 % davon aus. Von den (sehr grob abgeschätzt) zwei Millionen beschriebenen Tier- und Pflanzenarten sind also ca. 3,2 % Rüsselkäfer. Damit sind die Rüsselkäfer wahrscheinlich die artenreichste Familie aller Lebewesen. Einige Arten dieser Familie verursachen in der Landwirtschaft Schäden, darunter der Getreiderüssler, der schon im antiken Ägypten auftrat; andere sind Vorratsschädlinge im Haushalt. Neuerdings wurden aber auch einige Arten mit Erfolg zur biologischen Unkrautbekämpfung eingesetzt. Die bei weitem meisten Arten führen jedoch ein verborgenes Leben, sind wenige Millimeter lang und nur bei gezielter Beobachtung zu entdecken.

Lebensweise der Rüsselkäfer

Rhopalapion longirostre bei der Paarung
Gespinstrüssler (Hypera zoilus)

Käfer und Larven so gut wie aller Arten sind phytophag, das heißt, sie ernähren sich von Pflanzen. Innerhalb der Familie existiert eine Vielzahl unterschiedlich spezialisierter Arten; beinahe alle Gewebe fast aller Pflanzenarten werden von Rüsselkäfern genutzt. Selbst so winzige Pflanzen wie die Wasserlinsen werden von einer spezialisierten Art (Tanysphyrus lemnae) befallen. Frei von spezialisierten Arten sind in der heimischen Flora nur die Familien Orchidaceae (Orchideen) und Dipsacacee (Kardengewächse); Gründe dafür sind nicht bekannt. Die beinlosen, madenähnlichen Larven entwickeln sich meist im Pflanzeninneren, nur wenige leben frei (ektophag) (z. B. Arten des Tribus Hyperini auf Schmetterlingsblütlern). Die Imagines (Vollkerfe) sind überwiegend frei lebend. Der namengebende "Rüssel" stellt eine Verlängerung der Kopfkapsel dar, an dessen Spitze kauend-beißende Mundwerkzeuge sitzen; häufig sind die Fühler seitlich am Rüssel eingelenkt. Man nimmt an, dass die Verlängerung bei der Nahrungsaufnahme in engen Hohlräumen oder Löchern hilfreich ist. Neben Arten mit langem, dünnen Rüssel (bis vielfach körperlang) existieren auch Arten mit sehr kurzem oder fast fehlendem Rüssel. Die Unterfamilien mit kurzem Rüssel leben meist auf vielen Pflanzenarten (polyphag). Manche sind auf Holz als Nahrungsquelle spezialisiert (xylophag), neben den früher als eigene Familie betrachteten Borkenkäfern (Scolytinae) z. B. auch die Cryptorhynchinae und Cossoninae. In diesen Gruppen existieren auch Arten, die in totem Holz leben, also nicht zu den Phytophagen im engeren Sinne zählen. Die meisten Rüsselkäfer bevorzugen allerdings weiches Gewebe wie Blätter oder krautige Arten. Die Larven einiger Arten sind wurzelfressend (rhizophag). Larven einiger Arten minieren in Blättern, so beispielsweise die Larve des Buchenspringrüsslers. Andere induzieren Wucherungen (Pflanzengallen), von denen sie sich ernähren. Einige Arten der Gattung Curculio leben als Parasitoide in den Gallen von Blattwespen. Auch samenfressende Arten kommen vor, z. B. andere Curculio-Arten in Eicheln und Haselnüssen. Manche Imagines sind Blütenbesucher (Pollenfresser).

Meist wird nur eine Generation pro Jahr durchlaufen. Die Überwinterung erfolgt häufig im Imaginalstadium. Einige Arten sind parthenogenetisch (d. h. es existieren keine Männchen mehr).

Bau der Rüsselkäfer

Es handelt sich um kleine bis große Käfer (1,3–20 mm), die deutlich an ihrem Rostrum (lat.: „Rüssel“) zu erkennen sind. Diese rüsselartige Verlängerung der Mundpartie ist bei den einzelnen Arten unterschiedlich lang und kann sogar mehr als Körperlänge erreichen (z. B. Haselnussbohrer (Curculio nucum)).

Die Fühler sind meist gekniet: das erste Glied (= Fühlerschaft) ist stark verlängert, darauf folgt gewinkelt angesetzt die mehrgliedrige Fühlergeißel.

Es existiert eine sehr unterschiedliche Färbung, wobei es neben farbigen auch einfarbige Arten gibt. Oft jedoch sind die Tiere unauffällig schwarz oder schwarzbraun gefärbt, viele Arten sind auch grün oder grünlich. Der Körper ist bei vielen Arten, ähnlich wie der Schmetterlingskörper, mit Schuppen bedeckt. Andere sind behaart oder fast kahl. Manche bodenlebende Arten sammeln außen eine Kruste aus Boden- oder Detritusteilchen an (meist durch spezielle haken- oder keulenförmige Haare fixiert) und sind dann kaum zu entdecken.

Die Beine sind kräftig entwickelt (zum langsamen Schreiten). Einige Arten, wie der Buchenspringrüssler, können sogar springen. Die Füße sind fünfgliedrig, das vierte Glied ist jedoch oft nur undeutlich zu erkennen. Die Fußunterseiten, vor allem das vergrößerte dritte Glied, sind dicht behaart. Sie dienen zum Festhalten auf glatten Oberflächen. Die Flügel sind normalerweise entwickelt, können aber auch fehlen (z. B. beim Großen schwarzen Rüsselkäfer).

Wirtschaftliche Bedeutung der Rüsselkäfer

Einige Arten, wie der gefurchte Dickmaulrüssler, der Große Braune Rüsselkäfer (Hylobius abietis) oder der Gemeine Graurüssler (Brachyderes incanus) können in Wäldern und Gärten beträchtlichen Schaden anrichten. Andere Arten werden zur Kontrolle invasiver Pflanzen eingesetzt. Die 2 mm große Art Stenopelmus rufinasus aus Florida wird in Afrika gegen den großen Algenfarn (Azolla fulicoloides) eingesetzt. Dieser Farn vermehrt sich rasant, überzieht die Oberfläche von südafrikanischen Gewässern mit einem dicken Teppich von Blättern. Als Folge werden wichtige Wasserwege unpassierbar, Bewässerungspumpen und Rohre verstopfen. Die absterbenden Pflanzenmassen entziehen dem Wasser Sauerstoff, Fäulnisgestank entsteht. Weidevieh verwechselt den Teppich mit Gras, verfängt sich darin und ertrinkt. Erste Versuche zeigen, dass Stenopelmus rufinasus, der sich monophag von Azolla ernährt, den Farn wirkungsvoll zurückdrängen kann.

Systematik

Weblinks

Commons: Rüsselkäfer – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Rolf G. Oberprieler, Adriana E. Marvaldi & Robert S. Anderson: Weevils, weevils, weevils everywhere. In: Zhang, Z.-Q. & Shear, W.A. (Eds) (2007) Linnaeus Tercentenary: Progress in Invertebrate Taxonomy. Zootaxa, 1668, 1–766.