Sensillum


Sensillum ist ein Begriff aus der Physiologie der Gliederfüßer und bezeichnet verschiedene Sinnesorgane zur Wahrnehmung chemischer, optischer oder mechanischer Reize. Dabei wird ein Sensillum immer aus einem Haar oder Poren und zwei Sinneszellen (Rezeptor) gebildet. Die Weiterleitung der Reize erfolgt über multiterminale ganglionale Rezeptorzellen.

Funktion von Sensillen

Da Gliederfüßer ein starres Exoskelett (Außenskelett) besitzen, müssen äußere mechanische Reize anders als beispielsweise bei Wirbeltieren an die erregbare Membran geführt werden. Dazu bilden Epithelzellen einen dünnen Chitinfaden, in dessen Basis mindestens ein Dendrit einwächst. Dieser Chitinfaden überträgt den mechanischen Reiz mit der Cuticula des Körpers am Gelenk auf die erregbare Membran. Je nach Reizart kann dieser Reizüberträger in vielfältiger Weise zu Stiften, Platten, Kappen etc. abgewandelt werden. Der adäquate Reiz ist ein transversaler Druck auf die Dendritenmembran.

Ein Haarsensillum ähnelt in Funktion sehr einer Haarzelle:

  • Das Außenglied des Dendriten gleicht einem starren Zilium und ist dicht mit Mikrotubuli versehen. Wo es zur Kraftübertragung in Chitinstrukturen des Gelenks eingezwängt ist, bildet es einen sogenannten Tubularkörper (besteht aus besonders vielen Mikrotubuli). Die Außengliedmembran wird mit dem darunter liegenden Mikrotubuli-Mantel durch Molekülzapfen (Konen) und nach außen mit der Dendritenscheide durch Brücken mechanisch verbunden. Die Chitinstrukturen des Gelenks, die die Hebelkraft auf die Dendritenmembran übertragen, liegen unmittelbar auf der Dendritenscheide. In der Dendritenmembran liegen mechanosensitive Ionenkanäle, die in ihrer Funktion bislang aber noch nicht erforscht sind.
  • Es reagiert richtungsspezifisch, da transversaler Druck zu einer Depolarisation und transversaler Zug zu einer Hyperpolarisation führt.
  • Für das reizspezifische Außenglied entsteht durch ionendichte Verbindungen mit benachbarten Epithelzellen ein abgetrennter Rezeptorlymphraum, dessen Ionen anders zusammengesetzt sind als in der Hämolymphe, die den proximalen (körpernahen) Teil der Sinneszelle umspült. So entsteht über dem Sensillum ein Gleichspannungpotential, das durch den Rezeptorstrom moduliert wird.
  • Sensillen reagieren schon auf kleinste Krafteinwirkungen. An den Beinen von Insekten antworten sie schon auf Vibrationsamplituden von wenigen Nanometern. Die elektrische Arbeit an der Erregungsschwelle beträgt etwa 10 bis 16 Ws. Ähnlich für die Auslenkung der Haarsensillen reizen Partikelbewegungen durch Luft oder Wasser, die durch Reibung (visköse Kopplung) die Haare bewegen.
  • Haarsensillen haben eine bestimmte Masse und Steife, somit eine bestimmte mechanische Resonanzfrequenz, die von der Art des Hebelgelenks und den eigenen dynamischen Eigenschaften beeinflusst wird. Typisch liegt diese Frequenz im Bereich von 100 bis 200 Hz und ergibt sich aus:
    • der von der Auslenkung abhängigen Steife (10 bis 12 N/rad),
    • der von der Geschwindigkeit der Haarbewegung abhängigen Reibung,
    • der von der Beschleunigung abhängigen Massenwirkung (9 bis 10 mg pro Sensillum).

Arten von Sensillen

Geruchssensillen

Ein Geruchssensillum ist ein Organ zur Wahrnehmung chemischer Reize geringer Konzentration auf den Antennen von Insekten. Es handelt sich dabei um cuticuläre Sinnesorgane. Die Riechstoffe gelangen über Poren (150 bis 50.000 pro Sensillum) zu den 1 bis 45 Sinneszellen.

Geschmackssensillen

Ein Geschmackssensillum ist ein Organ zur Wahrnehmung chemischer Reize höherer Konzentration. Sie befinden sich

Haarsensillen

Typische Mechanorezeptoren werden durch die Haarsensillen repräsentiert. Sie bedecken den ganzen Körper, vornehmlich aber die Beine. Es sind zumeist einfache Tasthaare und spezialisierte Trichobothrien, die auf Luftbewegungen und auch auf Schalldruckwellen reagieren.

Hier gibt es zwei Typen:

  • Fadenhaare: Aktivierung durch Druck oder Zug, daher richtungssensitiv
  • Borsten: reiner Berührungsrezeptor

Borstenfelder haben eine sehr wichtige Funktion, denn sie übermitteln Gelenkstellungen.

Kuppelsensillen

In Kuppel- oder Campaniformen Sensillen messen Mechanosensoren die Verformung der Cuticula und registrieren so selbst winzige mechanische Reize. Sie sind durch Querkompression (Belastung oder Muskelkraft) aktivierbar.

Scolopidialsensillen

Scolopidialsensillen enden unter dem Epithel und reagieren im Körperinneren auf Druck oder Zug.

Spaltsensillen

Spalt- oder Lyriforme Sensillen haben dieselben Aufgaben wie Kuppelsensillen, jedoch sind sie auf den Vibrationssinn besonders bei Spinnen spezialisiert. Sie werden durch zahlreiche parallele Spalten in der Exocuticula (äußerst liegende Hautschicht) gebildet. Im Zentrum eines jeden Spaltes befindet sich ein sogenannter Kopplungszylinder, eine zylinderförmige Vertiefung, an der der Dendrit (Cytoplasmafortsatz einer Nervenzelle) der zugehörigen Sinneszelle angreift. Spaltsensillen dienen zur Wahrnehmung von Boden- und bei Spinnen von Netzvibrationen, reagieren aber auch auf Luftschall im Frequenzbereich zwischen 100 und 2.500 Hz (optimal zwischen 300 und 700 Hz).

Tubularsensillen

Die Funktion der Tubularsensillen ist bislang ungeklärt.