Thomas-Langur
Thomas-Languren (Presbytis thomasi) sind baumlebende, tagaktive Primaten aus der Gruppe der Altweltaffen (Catarrhini). Sie sind im Norden Sumatras (Indonesien) in der Provinz Aceh nördlich der Flüsse Simpangkiri und Wampu [14] verbreitet, wobei sie einer neueren Entdeckung zufolge auch am Südufer des Simpankiri leben [1].
Lebensraum
Thomas-Languren (Presbytis thomasi) bevorzugen als Lebensraum ungestörte Regenwälder [10]. Sie leben aber auch in Mosaik-Lebensäumen aus primären und sekundären Wäldern mit Kautschuk-Plantagen an ihren Rändern [13] und in Gummibaum-Plantagen [4]. Sie leben in Höhenlagen von Meereshöhe bis ca. 1.500 m.
Aussehen
Thomas-Languren (Presbytis thomasi) kann man aufgrund ihrer einzigartigen Gesichtszeichnung leicht von anderen Languren Südostasiens unterscheiden. Das weiße Fell auf dem Bauch und der Innenseite der Arme - das mit dem schwarzen Fell des restlichen Körpers konstastiert - erstreckt sich weiter bis um den Hals. Zwei weitere weißen Streifen, ausgehend von der Oberseite des Kopfes, laufen an den Seiten hinunter, kommen in einer V-Form an den Augen zusammen und umkreisen sie. Um die orange-braunen Augen befinden sich lila-silberfarbene Ringe. Unter dem allgemein dunklen Farbton des Gesichts sieht man die rosa Haut der Thomas-Languren. Die gleiche rosa Haut bedeckt die Schnauze.
Männchen und Weibchen sind annähernd gleich schwer und erreichen als Erwachsene ein Gewicht von durchschnittlich 6,7 kg. Der Schwanz ist zwischen 50 und 85 cm lang, die Körperlänge einschließlich Kopf variiert zwischen 42 und 62 cm [3][6].
Ernährung
Thomas-Languren (Presbytis thomasi) ernähren sich in erster Linie von Früchten, Blättern und Samen. Sie fressen aber auch Blüten, Rinde, Blattstiele, junge Triebe, Stiele von Kokusnüssen, kleine Vögel und ihre Eier und einige Insekten. Wasser trinken sie oft aus Baumhöhlen, in denen es sich gesammelt hat. Bei gelegentlichen Ausflügen auf den Boden suchen sie nach Pilzen, Ameisen und Schnecken. Dreimal pro Tag sind sie bei der Nahrungssuche besonders aktiv, unterbrochen von Ruhepausen, die sie in den unteren Etagen der Bäume abhalten. Ihr Verhalten bei der Nahrungssuche ist stark von der Gefahr geprägt, die von Raubtieren ausgeht. [3][4][6][9][12]
Fortpflanzung
Thomas-Languren (Presbytis thomasi) haben keine bestimmte Fortpflanzungssaison. Nach einer Tragzeit von 5 - 6 Monaten kommt in der Regel ein einzelnes Junges zur Welt, Zwillinge sind selten. Die Entwöhnung der Säuglinge erfolgt nach 12 bis 15 Monaten, danach sind sie völlig unabhängig. Trotzdem erreichen die Jungaffen die Geschlechtsreife erst mit 4 oder 5 Jahren [5][2].
Während der Zeit, in der sie ihren Nachwuchs aufziehen, stehen die Mütter außerhalb der sonst üblichen Dominanzstrukturen. Andere Weibchen der Gruppe werden von den Säuglingen stark angezogen - möglicherweise ist ihre unterschiedliche Fellfärbung der Auslöser dafür - sie pflegen, schützen und tragen die Kleinen wann immer möglich. Sobald der Säugling aufgeregt oder verstört wirkt, sind andere Weibchen schnell zur Stelle und veruchen ihn zu trösten. In der Phase vor der entgültigen Entwöhnung haben die Jungen bereits viele Verhaltensweisen und Überlebenstaktiken erlernt, wie etwa welche Pflanzenteile essbar sind, und welche besser gemieden werden sollten [5][2].
Der männliche Nachwuchs hat bis zum Alter von etwa 10 Monaten keinen Kontakt zu anderen Männchen, junge Weibchen haben erstmals bei Erreichen der Geschlechtsreife im Alter von 3½ bis 4 Jahren Kontakt zu Männchen. Oft kommt es noch während der Entwöhnungsphase zur Kindstötung (Infantizid), begangen von einem Männchen der eigenen oder einer externen Gruppe. Dieses scheinbar sonderbare Verhalten hat zur Folge, dass die Mutter ihren normalen Sexualzyklus schneller wieder aufnimmt, als wenn ihr Kind noch am Leben wäre. Dies mag den späten Kontakt zwischen Jungaffen und erwachsenen Männchen erklären [5][2].
Gruppenleben
Thomas-Languren (Presbytis thomasi) verbringen die meiste Zeit des Tages entweder mit Ruhen, Fressen oder Umherstreifen. Ihre Gruppen bestehen meist aus fünf Weibchen und einem Männchen, es gibt aber auch kleine Junggesellengruppen und einzelgängerische Männchen. In beiden Gruppenformen gibt es Hierarchien, denen sich ihre Mitglieder unterwerfen. Man geht davon aus, dass der Rang eines Individuums von seinem Alter und von der Fähigkeit abhängt, sich gegen andere Gruppenmitglieder durchzusetzen [5][2][4]; Steenbeek et al., 1999).
Auch wenn Thomas-Languren (Presbytis thomasi) für ein ruhigeres Verhalten als andere Primaten - in Bezug auf Gesten und Reaktionen auf Artgenossen - bekannt sind, gibt es doch einen gewissen Grad an Wettbewerb innerhalb der Gruppen. Dieser Wettbewerb steigt mit der Größe der Gruppe an - Weibchen ziehen daher wegen der Gefahr der Kindstötung kleinere Gruppen vor [5][7].
Die Entscheidung eines Weibchens seine Gruppe zu verlassen und sich einer anderen anzuschließen, hängt von vielen Faktoren ab. Dazu gehören der Wettbewerb um Nahrungsressourcen, Gefahren durch Raubtiere und Vermeidung von Inzucht. Noch wichtiger scheint die Verhinderung der Kindestötung zu sein, denn oft verlassen Weibchen ihre Gruppe, um die Säuglinge genau davor zu schützen [8].
Kommunikation
Thomas-Languren (Presbytis thomasi) sind sehr territorial und verteidigen ihre Reviere durch Lautäußerungen wie Bellen oder sogar durch Angriffe auf die fremden Artgenossen [6]. Vokale Kommunikation tritt besonders häufig und intensiv während der Morgendämmerung auf. Sie wird in einer Vielzahl von Situationen genutzt, etwa bei der Standortverlagerung, bei Angriffen, bei Auseinandersetzungen um den Schlafplatz, bei der Revierverteidigung und bei der Paarung. Hier spielt wohl auch olfaktorische, also auf Gerüchen basierende Kommunikation eine Rolle [5][2].
Vokale und visuelle Kommunikationsformen entwickeln sich bei Thomas-Languren (Presbytis thomasi) mit zunehmendem Alter. Bei Säuglingen sind die Laute auf Jammern und Quitschen beschränkt. Sobald sie das Jugendalter erreichen, erweitern sich die Formen der Kommunikation um Schreien, Grimassenschneiden, Schlagen auf den Boden, Alarmrufe und Drohgebärden. Als junge Erwachsene hören sie schließlich mit Quitschen und zu Schreien auf und beteiligen sich erstmals an Auseinandersetzungen, wenn es um die Rangfolge innerhalb der Gruppenhierarchie geht. Wie bei allen Primaten spielt auch die taktile Kommunikation eine große Rolle, etwa zwischen Geschlechtspartnern, Konkurrenten und zwischen Müttern und ihrem Nachwuchs. Taktile Kommunikation umfasst Pflege, Beruhigung, und Aggression [5][2].
Gefahren
Die durchschnittliche Lebenserwartung von Thomas-Languren (Presbytis thomasi) liegt in der Wildnis bei rund 20 Jahren, in Gefangenschaft bei 29 Jahren. Der Grund für diese neun Jahre Unterschied liegt bei zahlreichen Faktoren wie etwa der Zerstörung von Lebensraum, der Bejagung durch den Menschen, das Vorhandensein von natürlichen Feinden und der erhöhten Verletzungsgefahr bei Auseinandersetzungen zwischen benachbarten Gruppen [5].
Eine Besonderheit, die viele Fressfeinde der Thomas-Languren (Presbytis thomasi) gemeinsam haben, ist ihre Fähigkeit auf Bäume zu klettern. Räuber wie Netzpythons (Python reticulatus), Nebelparder (Neofelis nebulosa), Tiger (Panthera tigris) und asiatische Goldkatzen (Catopuma temmincki) sind bei der Jagd auf Tomas-Languren häufig erfolgreich. Da sich die Languren recht zügig durch die Äste bewegen, sind Raubtierangriffe nur erfolgreich, wenn der Abstand zwischen ihnen und ihrer Beute sehr kurz ist. Noch erfolgreicher sind Raubtiere, wenn sich die Thomas-Languren in Bodennähe aufhalten - aus diesem Grund ist die untere Schicht des Waldes (0 bis 10 m) der gefährlichste Bereich für die Affen. Der beste Schutz gegen Raubtiere ist ihre Schnelligkeit in den Bäumen und die Alarmrufe, so steigen sie weit häufiger auf den Boden herab, wenn noch andere Gruppen in der Nähe sind, die vor Raubtieren warnen können. Wegen ihrer Vorliebe für Schnecken wagen sich Weibchen öfter auf den Boden als Männchen, die dabei aber stets in einem Baum in der Nähe sithen und Ausschau nach Gefahren halten [3][9].
Die Bejagung durch den Menschen scheint für die Thomas-Languren (Presbytis thomasi) als Art keine signifikante Bedrohung darzustellen, ganz anders der Verlust der primären Lebensräume durch Abholzung und Umwandlung in Palmölplantagen, was wahrscheinlich bereits einige Populationen verdrängt hat [11].
Die Weltnaturschutzunion stuft Thomas-Languren (Presbytis thomasi) aufgrund des Abwärtstrends der Populationen als gefährdet (Vulnerable) ein. Man schätzt, dass die Zahlen in den vergangenen 40 Jahren - das sind drei Affengenerationen - um mehr als 30% zurückgegangen sind [11].