Phayre-Brillenlangur
Der Phayre-Brillenlangur (Trachypithecus phayrei) ist von Ost-Bangladesch bis nach Südwest-China verbreitet. Er kommt in Nordost-Indien, Laos, Myanmar und in Teilen von Thailand und Vietnam vor.
Taxonomie
Primatologen unterscheiden 3 Unterarten:
T. p. phayrei ist in Bangladesh, Nordost-Indien (Assam, Mizoram, and Tripura) und im Westen Myanmars verbreitet.
T. p. crepuscula ist in Südwest-China (Provinz Yunnan mit dem Salween-Fluß als westliche Grenze), Laos, Myanmar und Thailand verbreitet.
T. p. shanicus ist in Südwest-China sowie im Norden und Osten von Myanmar verbreitet [3].
Lebensraum
Phayre-Brillenlanguren sind in einer Vielzahl von Lebensräumen heimisch, auch in solchen, die in ihrem Verbreitungsgebiet durch menschliche Eingriffe entstanden sind. So kann man sie in gemischten Laub- und immergrünen Primär- und Sekunderwäldern antreffen. In dichten immergrünen Wäldern bewohnen sie Baumetagen in 15 bis 50 m über dem Boden. In Gebieten ohne diese Primär-und Sekundärwälder sind sie auf Bambus- oder kleine Strauchvegetationen angewiesen [7].
Aussehen
Das Fell der Phayre-Brillenlanguren ist im Allgemeinen grau-bläulich, der Rückenbereich tendiert zu braun und die Bauchseite ist bräunlich-weiß. Die drei Unterarten unterscheiden sich etwas in der Färbung. Die Oberarme, Beine und Schwanz sind silbrig-grau und im allgemeinen sind der Kopf und der Schwanz dunkler als der Rest des Körpers. Die Bereiche um die Lippen und Augen sind weiß. Die Säuglinge haben wie alle Haubenlanguren bis zum Beginn des 4. Lebensmonats ein gelblich-oranges Fell, danach nimmt es die Farbe der erwachsenen Affen an, die auch etwas längere Haare auf der Oberseite des Kopfes haben.
Die Weibchen der Phayre-Brillenlanguren sind mit einer Kopf-Rumpf-Länge von rund 51 cm etwas kleiner als die Männchen, die rund 54 cm erreichen. Zur Kopf-Rumpf-Länge hinzu kommt der Schwanz mit rund 77 Zentimetern. Die Männchen wiegen rund 8 Kilogramm, die Weibchen 7 Kilogramm [1].
Männchen und Weibchen kann man anhand ihrer weißen Augenringe unterscheiden. Bei Männchen verlaufen verlaufen die Augenringe parallel zur Nasenseite, was zu einem gleichmäßig breiten dunklen Streifen zwischen Nase und Augenring führt. Bei Weibchen sind die weißen Augenringe nach innen in Richtung der Nase gebogen, was zu einer eher dreieckigen Form des dunklen Bereichs zwischen Nase und Augenring führt [6].
Ernährung
Phayre-Brillenlanguren ernähren sich folivor, d. h. sie fressen hauptsächlich Blätter. Bei Beobachtungen konnte ermittelt werden, dass sie die Blätter von nicht weniger als 80 Pflanzenarten fressen. Diese Art der Ernährung liefert nur wenig Proteine und die Blätterfasern erfordern ein spezialisiertes Verdauungssystem. Die Mägen von Mitgliedern der Unterfamilie Colobinae sind groß und haben mehrere Kammern. In ihren Vormägen leben Bakterien, die die Cellulose der Blätter aufbrechen und dabei helfen, die faserige Nahrung zu verdauen und Gifte unschädlich zu machen. Phayre-Brillenlanguren fressen auch Bambussprossen, wenn es an Blättern mangelt [9].
Fortpflanzung
Das Paarungssystem der Phayre-Brillenlanguren ist ähnlich dem der Südlichen Brillenlanguren (Trachypithecus obscurus). In der Gruppe gibt es ein dominantes Männchen, das sich mit mehreren Weibchen paart. Da junge Männchen noch vor erreichen der Geschlechtsreife ihre Geburtsgruppe verlassen, kommt es weder zu Herausforderungen des dominanten Männchens noch zu Paarungen mit den Weibchen in ihrer Geburtsgruppe. Die jungen Männchen schließen sich auf der Suche nach paarungsbereiten Weibchen oft zu Junggesellengruppen zusammen oder suchen nach einer Möglichkeit, das dominante Männchen zu verdrängen. Dominante Männchen schützen ihr Hoheitsgebiet vor gruppenlosen Männchen äußerst aggressiv. Wenn ein eindringendes Männchen eine Auseinandersetzung gewinnt, muß das bis dahin dominierende Männchen die Gruppe verlassen, und der Newcomer ist nun an der Reihe, sich mit allen Weibchen zu paaren. Das neue dominante Männchen kann die Nachkommen des vorherigen Gruppenchefs töten (Infantizid), wodurch Weibchen schneller wieder empfängnisbereit werden [5].
Nach einer Tragzeit von rund 205 Tagen bringt das Weibchen in der Regel ein einzelnes Junges zur Welt. Die Geburten bei den Phayre-Brillenlanguren finden im März und April statt. Die Kleinen werden für fast ein Jahr gesäugt, die Männchen erreichen die Geschlechtsreife im Alter von 3 bis 4 Jahren [4].
Wie bei Primaten üblich, investieren Phayre-Brillenlanguren viel Zeit und Energie in die Aufzucht der Jungen. Neugeborene werden für fast ein Jahr gesäugt, was die Überlebenschancen drastisch erhöht. Die Mütter ernähren, schützen und pflegen die Neugeborenen. Es ist nicht ungewöhnlich, dass die älteren weiblichen Geschwister den Säugling in Obhut nehmen, während die Mutter auf die Suche nach Nahrung geht. Subadulte Phayre-Brillenlanguren neigen auch dazu, lockeren Kontakt zur Mutter zu pflegen, auch wenn diese bereits erneut ein Junges geboren hat. Wenn junge Phayre-Brillenlanguren auf den Boden fallen, rufen sie in ihrer Verzweiflung nach der Mutter. In den meisten Fällen steigt dann die Mutter oder eine ältere Schwester hinunter, um das Kleine zu holen. Geht ein Kind aus der Gruppe verloren, gibt die Mutter einen Ruf ("lost call") von sich, in der Hoffnung, den Säugling zu lokalisieren [4].
Gruppenleben
Phayre-Brillenlanguren sind in der Regel sehr scheu und flüchten, wenn sie sich bedroht fühlen. Sie verbringen mehr als 75 % ihrer Zeit damit, in den Baumkronen nach Nahrung zu suchen. Sie verlassen die Sicherheit der Bäume nur, wenn diese ihren Anforderungen nicht gerecht werden oder um baumfreie Bereiche zu überqueren. Phayre-Brillenlanguren sind stark territorial und verteidigen ihre Gebiete gegen andere Gruppen ihrer Spezies. Trotzdem leben sie in einer Gegend sympatrisch mit Gruppen anderer Primaten zusammen.
Die Gruppen der Phayre-Brillenlanguren bestehen aus 8 bis 22 Affen. Die Gruppen setzen sich aus 3 bis 6 erwachsenen Weibchen, einem dominanten Männchen sowie Jugendlichen und Kindern zusammen. Die Weibchen pflegen untereinander oft eine enge Beziehung und verlassen die Gruppe nur selten. Ob es eine Hierarchie unter den Weibchen gibt, ist nicht geklärt. Junge Männchen verlassen im Alter von 3 Jahren noch vor der Geschlechtsreife die Gruppe.
Das Revier einer Gruppe von Phayre-Brillenlanguren umfasst 10 bis 100 Hektar und überlappt nur wenig mit den Revieren anderer Gruppen. Die Größe eines Reviers hängt sehr stark von der Verteilung und Verfügbarkeit von Nahrung ab. Sind die Resourcen limitiert, vergrößern die Gruppen auf der Suche nach Nahrung ihre Reviere [5].
Kommunikation
Sowohl Männchen als auch Weibchen geben in einer Vielzahl von Situationen unterschiedliche Laute von sich. Erwachsene Männchen alarmieren die Gruppe mit einem lauten "kah kah kah". Der weichere "ooh" - Ruf wird verwendet, wenn sie ein Raubtier in der Umgebung bemerken. Das dominante Männchen bringt die Gruppe mit einem "cheng-kong" - Ruf wieder zusammen. Wenn eine dominantes Männchen sein Gebiet verteidigen muss, ist ein von Primatologen so genannter "loud call" zu vernehmen, der nichts anderes als schrilles Gebrüll gegen Eindringlinge ist. Junge Phayre-Brillenlanguren geben einen Notruf von sich, wenn sie aus den Baumkronen fallen. Weibchen rufen mit einem "lost call" nach verloren gegangenen Jungaffen. Diese Lautäußerung konnten Forscher auch hören, wenn Neugeborene gestorben waren [8].
Gefahren
Die Hauptfeinde der Phayre-Brillenlanguren sind Menschen. Sie werden von Einheimischen wegen ihres Fleisches und ihrer Gallensteine gejagt, denen man Heilkräfte nachsagt und die daher für medizinische Zwecke verwendet werden.
Der Verlust und die Fragmentation der Lebensräume ist die größte Bedrohung für den Fortbestand der Phayre-Brillenlanguren. In Bangladesch und Indien sind Phayre-Brillenlanguren direkt betroffen von der Errichtung von Tee-Plantagen und Papierfabriken, aber auch von der Viehzucht, von der Umwandlung des Lebensraums in landwirtschaftliche Flächen, von der Viezucht, vom Sammeln von Brennholz für die Holzkohleproduktion und von menschlicher Besiedlung ganz allgemein[2].
Andere Bedrohungen, denen die Populationen der Phayre-Brillenlanguren ausgesetzt sind, sind Umweltverschmutzung, Inzucht und der lokale Handel mit den Primaten, sei es für den Verkauf an Zoos oder als Nahrungsmittel. Die Population in Bangladesch ist in den letzten 20 Jahren um mehr als 80% zurückgegangen, so dass sie sehr anfällig auf extrem fragmentierte Bereiche reagiert. Weiter im Osten ihres Verbreitungsgebiets (in China, Vietnam, Thailand und Laos) ist die große Bedrohung die Jagd (Bushmeat) und die traditionelle "Medizin". Im Norden Thailands wurden Phayre-Brillenlanguren durch die Jagd fast vollständig ausgerottet und so sind die Populationen jetzt nur noch in größeren Schutzgebieten überlebensfähig [2].