Gemeine Fichte



Gemeine Fichte

Gemeine Fichte (Picea abies)

Systematik
Klasse: Coniferopsida
Ordnung: Koniferen (Coniferales)
Familie: Kieferngewächse (Pinaceae)
Unterfamilie: Piceoideae
Gattung: Fichten (Picea)
Art: Gemeine Fichte
Wissenschaftlicher Name
Picea abies
(L.) H.Karst.
Rötlich braune Rinde einer jüngeren Fichte
Graue, borkige Rinde einer älteren Fichte.
Männliche Blüte.
Weiblicher Zapfen in Normalfärbung.
Weiblicher Zapfen – grüne Form.
Samen
20 Tage alter Sämling
Junge Fichte.
Abgestorbene Bergfichte in 1150 Metern Höhe

Die Gemeine Fichte (Picea abies), auch Gewöhnliche Fichte, Rotfichte oder Rottanne genannt,[1] ist eine Pflanzenart in der Gattung der Fichten (Picea). Sie ist in Europa heimisch und der einzige in Mitteleuropa natürlich vorkommende Vertreter der Gattung. Sie ist ein forstwirtschaftlich bedeutsamer Holzlieferant.

Die Gewöhnliche Fichte kann bis 600 Jahre alt werden; die forstliche Umtriebszeit beträgt dagegen nur 80 bis 100 Jahre. 2008 wurde unter der Fichte Old Tjikko im Fulufjäll in der Provinz Dalarna in Schweden Wurzelholz gefunden, das auf ein Alter von 9.550 Jahre datiert wurde und genetisch identisch mit dem darüber wachsenden Baum ist.[2]

Beschreibung

Gestalt und Wuchs

Die Gewöhnliche Fichte ist ein aufrecht wachsender immergrüner Baum, der Wuchshöhen von bis zu etwa 40 Meter erreichen kann; unter besonderen Bedingungen wurden schon 50 bis maximal 62 Meter gemessen. Damit ist sie neben der Weißtanne (Abies alba) der größte in Europa heimische Baum. Die Gemeine Fichte kann Stammdurchmesser bis 1,5 Meter erreichen. Fichten bilden Senkerwurzeln aus. Auf vernässten Standorten sterben diese jedoch ab und die verbleibenden Horizontalwurzeln bilden flache Tellerwurzeln, wodurch die Bäume stark windwurfgefährdet sind.

Die Krone der Gewöhnlichen Fichte bildet sich um den gerade wachsenden Stamm kegelförmig aus. Die Zweige sind quirlig angeordnet. Während sie in der oberen Stammhälfte gewöhnlich aufrecht oder gerade ausgerichtet sind, hängen sie in der unteren Stammhälfte meist gebogen nach unten. Letzteres ist besonders gut bei älteren Bäumen zu beobachten. Bäume im Freistand behalten ihre grünen Zweige lange Zeit bis zum Boden und wachsen so als Mantelfichten.

Bei der Gemeinen Fichte haben sich auf Grund des großen Verbreitungsgebietes mit unterschiedlichen Standort- und Klimabedingungen sogenannte Ökotypen entwickelt, die sich in Bezug auf Verzweigung und auch Nadeln unterscheiden. Dabei unterscheidet sich die Kronenausformung insbesondere bei den zuerst angelegten Ästen, den Ästen 1. Ordnung sowie den davon abgehenden weiteren Verzweigungen, den Ästen 2. und höherer Ordnung. Bei den sogenannten Plattenfichten gehen die Äste 2. Ordnung horizontal ab. Bei den Kammfichten hängen die Äste 2. und höherer Ordnung dagegen durch. Bis in ein Alter von etwa 20 Jahren weist die Gemeine Fichte durchgängig eine plattenartige Verzweigung auf. Erst dann beginnt die Herausbildung dieser beiden Haupttypen der Kronenausformung.[3] Die jeweilige Kronenausformung scheint vor allem von Belichtungsverhältnissen, Standortgüte und Wasserversorgung beeinflusst. Kammfichten finden sich vor allem auf gut versorgten Standorten, während Plattenfichten auf nährelementarmen Moorstandorten und extremen Höhenlagen dominieren. Plattenfichten können Streulicht und senkrecht einfallendes Licht besser nutzen und stehen deshalb vor allem im Unterstand sowie an Südhängen. Kammfichten, die schräg einfallendes Licht effektiver nutzen, finden sich eher auf Nordhängen sowie im borealen Nadelwald.[4] Die Auflagefläche der Kammfichten ist gering, wovon sie in schneereichen Regionen profitieren. In stark windexponierten Lagen wie in Irland und Schottland findet man dagegen vor allem Plattenfichten, da ihre verkürzten Äste eine bessere Steifigkeit und ihre plattige Anordnung mehr Windschlüpfigkeit bietet. Die durchhängenden Äste der Kammfichte können in solchen Regionen dagegen leichter von starkem Wind abgerissen werden.[5]

Rinde

Der Stamm zeigt in tieferen Lagen eine rötlich-braun gefärbte, feinschuppige Rinde, wogegen in Gebirgslagen die rötliche Farbe eher Grautöne annimmt. Die auffällige Rindenfärbung ist offenbar für die botanisch irreführende Bezeichnung „Rottanne“ verantwortlich. Die graubraune Borke älterer Bäume ist ein gutes Unterscheidungsmerkmal zur hellgrauen Rinde der Weiß-Tanne. Fichtenborke blättert in unregelmäßigen Schuppen ab, der Stamm der Weiß-Tanne ist wesentlich glatter.

Nadeln

Zweig der Gewöhnlichen Fichte: Unbehaart, harzlose Knospen. Die Nadeln sitzen auf einem verholzten Blattkissen.

Die Nadeln stehen ausschließlich an Langtrieben. Sie sind stechend-spitz und im Querschnitt vierkantig, im Schatten etwas abgeflacht. Bei gesunden Bäumen werden die Nadeln 4 bis 7 Jahre alt, im Hochgebirge auch älter. Die Nadeln der gemeinen Fichte weisen meist eine Länge zwischen ein bis zwei Zentimetern und eine Breite von einem Millimeter auf. Bis auf eine schmale Naht an der Zweigunterseite verteilen sie sich rund um den Zweig. Sie sitzen an braunen Stielen. Beim Nadelabfall verbleibt der mit der Sprossachse verwachsene Blattgrund (Blattkissen) am Zweig. Die Zweige fühlen sich deshalb raspelig und rau an. Dieses ist auch ein Unterscheidungsmerkmal an älteren Zweigen gegenüber der Weiß-Tanne.

Blüten und Zapfen

Die gemeine Fichte entwickelt zwischen Mai und Juni, häufig nur im Abstand von drei bis vier Jahren, Blütenknospen und Blüten. In Gebirgslagen erreichen die Bäume gewöhnlich nur alle sieben Jahre die Blüte. Blüht die Fichte in kürzerem Abstand, so kann dies auf Nährstoffmangel, Wasserknappheit oder Kälteperioden hindeuten (sogenannte „Angstblüte“). Die schlanken, einhäusigen Knospen sind hellbraun gefärbt und kegelig geformt. Die einen Zentimeter großen männlichen Blüten stehen einzeln und werden bei älteren Bäumen an den Spitzen der Zweige des Vorjahres ausgebildet. Ihre Farbe geht allmählich von karminrot in gelb über. Die weiblichen Blüten stehen in Zapfen zusammen. Sie befinden sich bei jüngeren Bäumen dicht gedrängt in den oberen Astquirlen, bei älteren Exemplaren verteilen sie sich, kleinen roten, aufrechtstehenden Zapfen ähnelnd, über die gesamte Baumkrone. Die Einzelblüte besteht aus einem flachen Fruchtblatt und einem häutig bleibendem Tragblatt, der Deckschuppe. Das Fruchtblatt verholzt später zu einer festen Samenschuppe. Die Zapfen benötigen ein ganzes Jahr, um zur Samenreife zu gelangen. Die saftig rötlich-grünen Zäpfchen wandeln sich allmählich in die bekannten braunen, nach unten hängenden, trockenen und holzigen Zapfen. Diese weisen eine Länge von etwa 10 bis 15 Zentimeter und eine Breite von drei bis vier Zentimeter auf und werden nach der Reife bald als Ganzes abgeworfen. Die fettreichen Samen sind geflügelt. Bei den gemeinhin bekannten „Tannenzapfen“, die am Waldboden zu finden sind, handelt es sich um Fichtenzapfen, denn Tannen werfen ihre Zapfen nicht als Ganzes ab.

Verbreitung und Standort

Die Heimat der Gemeinen Fichte erstreckt sich über fast ganz Europa mit Ausnahme der Britischen Inseln und der Iberischen Halbinsel bis weit in das kontinentale Asien. Sie kommt vor allem in Mittel-, Ost- und Nordeuropa vor. Sie ist von den Alpen bis auf den Balkan verbreitet, kommt in den Mittelgebirgen und den Karpaten vor, und weiter nach Norden und Osten in Polen, Russland und Skandinavien. Sie zieht feuchtes und kühles Klima vor, und ist daher in ihrem südlichen Bereich ihres Verbreitungsgebietes ein Gebirgsbaum. Ihre obere Höhengrenze liegt zwischen 950 Meter im Harz und 2200 Meter im Wallis.[6]

Nur aufgrund menschlicher Anpflanzungen kommt sie in tieferen Lagen vor, etwa in Aufforstungen oder als Zierbaum. Als Nutzbaum der Forstwirtschaft ist die Gemeine Fichte heute unter anderem in Nordamerika eingebürgert worden.

Zwischen dem Ural und Finnland findet eine Hybridisierung zwischen der Gemeinen Fichte und Picea obovata statt. Manchmal wird jene als Unterart der Gemeinen Fichte angesehen; die entstehenden Hybride werden als Picea × fennica bezeichnet.

In naturnahen Wäldern in Deutschland nimmt der Bergfichtenwald flächenmäßig mit 46 % von 14.500 ha den größten Anteil ein.

Wegen ihres im Vergleich zu anderen Baumarten schnelleren Wachstums und der Möglichkeit, bereits in jüngeren Beständen Holz kostendeckend zu ernten, wurde die Fichte früher als „Brotbaum“ der Forstwirtschaft bezeichnet. Heute ist sie in Deutschland mit über 28 % Flächenanteil am Wald die häufigste Baumart. Noch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden weite Flächen mit Fichtenreinbeständen aufgeforstet. Hierbei wurden auch suboptimale Standorte bepflanzt, da die Wüchsigkeit oft vor Bestandessicherheit ging. Heute werden zahlreiche Fichtenbestände wieder umgewandelt. Einerseits sind standörtliche Gegebenheiten hierfür der Anlass, andererseits aber auch im wirtschaftlichen Bereich die Konkurrenz mit der noch besser wüchsigen Douglasie.

Die Fichte stellt nur hinsichtlich der Wasserversorgung hohe Anforderungen. Die Böden müssen gut durchlüftet bleiben. Der Standortkundler bezeichnet diese Böden als frisch bis mäßig frisch, das heißt ganzjährig (mit Ausnahme sehr heißer Sommermonate) ist eine gute bis ausreichende Wasserversorgung gewährleistet. Bezüglich der Nährstoffansprüche ist die Fichte eher anspruchslos. Klimatisch bevorzugt die Fichte winterkaltes Kontinental- und Gebirgsklima.

Nach Ellenberg ist die Fichte eine Halbschatten-Pflanze, ein Kühlezeiger, mit subkontinentalem Verbreitungsgebiet und eine Klassencharakterart Bodensaurer Nadelwälder (Vaccinio-Piceetea). Der hohe Säuregehalt des Bodens wird durch die schlecht zersetzbare Nadelstreu hervorgerufen, deren Abbau bei einem pH-Wert von 4,1 erfolgt. So sind in reinen Fichtenbeständen Moderhumus-Böden vorherrschend. Mit zunehmendem Alter benötigen Fichten mehr Licht.

Ökologie

Charakteristische Merkmale

Die schnellwüchsige Gemeine Fichte besitzt zwar die größte Produktivität unterhalb der natürlichen Fichtenstufe, ist dort aber auch stärker durch die Rotfäule und Sommerdürre gefährdet.

Während der kalten Jahreszeit werden Photosynthese und Atmung praktisch eingestellt (Winterruhe). Die Fichte besitzt eine ausgeprägte Frostresistenz, die mit den kürzer werdenden Tagen zunimmt. Zur Zeit der ersten Fröste sind die Fichten bereits gegen Temperaturen von −20 °C gewappnet. Im tiefen Winter wurde noch eine Frostresistenz bis unter −60 °C beobachtet. Der Frostschutz wird durch Anreicherung von Zuckern bewirkt, wodurch eine Gefrierpunktserniedrigung eintritt. Im Frühjahr nimmt mit zunehmender Tageslänge die Frostresistenz ab, so dass die Pflanzen gegen Spätfröste empfindlich sind. Gut mit Stickstoff versorgte Bäume zeigen eine besonders hohe Kohlendioxidaufnahme.

Ausbreitung

Die Fichte ist windblütig mit Blüten vom „Unbeweglichen Typ“. Die Pollen der aufrecht stehenden männlichen Blüten besitzen zwei „Luftsäcke“. Zur Hauptblütezeit werden riesige Pollenmengen ausgeschüttet, was gemeinhin mit „Schwefelregen“ bezeichnet wird. Die Schuppen weiblicher blühender Zapfen spreizen sich etwas auseinander, um den herangewehten männlichen Pollen den Zutritt zu den Samenanlagen zu erleichtern. Narben gleichzeitig blühender Obstbäume können durch die Fichtenpollen „sterilisiert“ werden. Der Baum erlangt seine Blühfähigkeit mit 30 bis 40 Jahren. Relativ junge Pflanzen besitzen zunächst nur weibliche Blüten.

Die Samenreife erfolgt innerhalb eines Jahres. Alle 3 bis 4 Jahre findet eine besonders reiche Samenproduktion statt. Die Samen sind nur 3 bis 5 mg schwer. Sie enthalten Öl als Reservestoff, ein typisches Merkmal der Windausbreitung. Die Samenflügel sind häufig schwach gedreht, weshalb die Samen Dreh- und Schraubenflieger genannt werden. Bei Trockenheit spreizen die Samenschuppen, so dass die Samen herausfallen und über den Wind verbreitet werden können. Ihre große Flugweite kann selbst bei Windstille über 300 m betragen. Ferner tragen Tiere zur Verbreitung der Art bei, wenn sie wie Spechte oder Eichhörnchen die Zapfen bearbeiten und hierdurch die Samen freisetzen. Überreiche und häufige Zapfenproduktion kann ein Symptom für zu hohe Immissionsbelastung sein. Die Fichte ist ein Lichtkeimer.

Die Mykorrhizapilze der Gemeinen Fichte

Die Gemeine Fichte geht mit einer Reihe von Pilzen eine enge Lebensgemeinschaft ein, die als Mykorrhiza bezeichnet wird. Das Mycel der Pilze versorgt die Fichte mit Mineralstoffen und Wasser, während der Pilz von der Pflanze die für sein Wachstum benötigten organischen Stoffe erhält. Zu den Pilzen, die in Lebensgemeinschaft der Gemeinen Fichte zu finden sind, zählen Vertreter der Gattung der Wulstlinge wie beispielsweise der Fliegenpilz, der Spitzhütige Knollenblätterpilz, der Perlpilz, der Gelbe Knollenblätterpilz, der Graue Wulstling und der Narzissengelbe Wulstling. In Lebensgemeinschaft mit der Gemeinen Fichte leben aber auch Vertreter der Dickröhrlingsverwandten wie etwa der als Speisepilz geschätzte Steinpilz, der Maronenröhrling, die Ziegenlippe, der Schönfußröhrling, der Gallenröhrling und besonders häufig der Rotfußröhrling. Von den Täublingen ist besonders häufig der Ockertäubling in Fichtenwäldern zu finden.

Krankheiten und Schädlinge

Der Anbau der Fichte außerhalb ihres natürlichen Verbreitungsgebiets ist grundsätzlich mit der Gefahr der Schädigung durch Borkenkäfer verbunden. Insbesondere trockene Jahre schwächen das Abwehrsystem der feuchteliebenden Fichte und führen zu starkem Befall durch den Buchdrucker (Ips typographus) oder aber auch durch den Kupferstecher (Pityogenes chalcographus). Nach Massenvermehrungen ist vor allem der Buchdrucker in der Lage, auch gesunde Bäume zu befallen und zum Absterben zu bringen. Um die übermäßige Vermehrung der Borkenkäfer zu verhindern gilt für den Fichtenanbau das Prinzip der „sauberen Waldwirtschaft“. Das bedeutet, dass frische Resthölzer oder kränkelnde Bäume aus dem Wald entfernt oder durch geeignete Maßnahmen brutuntauglich gemacht werden müssen.

Durch ihr flaches Wurzelsystem ist die Fichte stärker windwurfgefährdet als viele anderen Baumarten. Insbesondere auf staunassen oder verdichteten Standorten, die die Ausbildung von Senkerwurzeln verhindern, treten regelmäßig Sturmholzschäden auf. Diese frisch geworfenen Bäume bilden oft Brutmöglichkeiten für den Buchdrucker, so dass Sturm- und Borkenkäferschäden „Hand in Hand“ gehen.

Die Nadeln der Gemeinen Fichte sind besonders empfindlich gegenüber Luftverschmutzung: Bei geschädigten Pflanzen bleiben die Nadeln oft nur noch 1 bis 3 Jahre an den Zweigen (Möglichkeit zur Bioindikation).

Starke Stickstoffzufuhr durch Luftverschmutzung oder Massentierhaltung führt zu einer vermehrten Bildung des Pflanzenhormons Cytokinin. Dadurch beginnen ruhende Knospen unterhalb der Spitzenknospe auszutreiben. Dies führt zu einer stärkeren Verzweigung, so dass die Fichten eher in die Breite als in die Höhe wachsen.

Schwefeldioxid ("Saurer Regen" aus Verbrennungsprozessen), ist ein starkes Pflanzengift für Nadelhölzer. Insbesondere Fichten sind hierbei betroffen, wenn sich Schwefeldioxid aus Industrieabgasen in Inversionswetterlagen an bewaldeten Berghängen über die kritische Konzentration kumuliert.

Artengemeinschaft im Fichtenwald

Galle verursacht durch die Fichtengallenlaus.

Viele Vögel sind zur Nahrungssuche oder zum Brutgeschäft auf gut gedeckte und geschützte Reviere angewiesen. Die immergrünen, dichten Fichtenwälder bieten z. B. Fichtenkreuzschnabel und Waldbaumläufer, Tannen- und Eichelhäher, Waldohreule und Waldkauz, Sperber, Mäusebussard und Habicht einen idealen Lebensraum. Der Schwarzspecht, der sich u. a. von Larven des Borkenkäfers und Buchdruckers ernährt, ist ganzjährig tief im Waldesinneren zu finden. Gebirgsfichtenwälder bilden für das Auerhuhn ein geeignetes Habitat. Der selten gewordene Vogel ist während der kalten Jahreszeit in seiner Ernährung überwiegend auf Fichtennadeln angewiesen. In der verbuschten Übergangszone Wald-Waldrand und auf Lichtungen halten sich weitere Vogelarten, wie z. B. das Rotkehlchen oder der Buchfink auf. An großen Säugetieren sind v.a. der Rothirsch und das Wildschwein vertreten, denen das dämmrige Licht im Fichtenwald größtmöglichen Schutz gewährleistet.

In natürlichen Fichtenwäldern dringt wenig Licht zum Waldboden durch. Andere Bäume und Sträucher haben deshalb kaum Chancen, sich zu entwickeln. Die Krautschicht bilden überwiegend Gräser, Farne und Zwergsträucher. Die Heidelbeere, ein charakteristischer Zwergstrauch der Fichtenwälder, trägt mit ihren immergrünen Trieben im Winter zur Ernährung von Waldtieren bei. Oft ist der Waldboden von einer durchgängigen Moosschicht bedeckt. Hier findet in Gebirgslagen das zarte Moosglöckchen einen passenden Wuchsort.[7] Der Siebenstern ist in Fichtenwäldern der Mittelgebirge, bisweilen auch in Beständen des Tieflands anzutreffen. Dort, wo die oberste Bodenschicht stark sauer ist, stellt sich gewöhnlich der ausgesprochen schattenverträgliche Wald-Sauerklee ein.

Der Fichtenwald bietet vor allem Pflanzen, deren Versorgung von Photosynthese weitgehend unabhängig ist, ein geeignetes Biotop. So wachsen dort myko-heterotrophe Orchideenarten, wie das Weiße und Rote Waldvöglein oder die Violette Stendelwurz.[8] Besonders angepasst an den Standort „Fichtenwald“ ist der bleichgelbe Fichtenspargel, der mit Fichtenwurzeln in Symbiose lebt und sich die Nährstoffe der Fichte indirekt über Pilzhyphen, die aus den Mykorrhizen des Wirtsbaums auswachsen, bedarfsdeckend erschließt.

An den Knospen junger und immissionsgeschädigter Fichten sind im Frühjahr oft die grünen, ananasförmigen Gallen der Großen Fichtengallenlaus zu beobachten. Die Kleine Fichtengallenlaus befällt eher ältere, konkurrenzgeschwächte Fichten und verursacht gelbgrünliche, erdbeerförmige Gallen.

Bedeutung als Futterpflanze (Auswahl)

Nachfolgende Insektenarten sind von der Pflanze als Nahrungsquelle abhängig. Einige, besonders die Käfer, können in manchen Jahren, besonders in Fichten-Monokulturen zu gefürchteten Schädlingen werden. Die, in letzter Zeit wieder verstärkt vorgenommene Aufforstung von Mischwäldern, mit einer gesunden Fauna (natürliche Feinde der schädigenden Arten) wirkt dem aber entgegen, und vernichtet nicht zusätzlich auch alle anderen Arten wie beispielsweise den sehr seltenen und vom Aussterben bedrohten Alpenbock (Rosalia alpina), der als "Beifang" durch die häufig eingesetzten Pheromonfallen für Borkenkäfer angezogen wird, und durch die "saubere Waldwirtschaft" seine Brutbäume (Buchenstämme oder tote bzw. absterbende Buchen, die mindestens 3 - 4 Jahre liegen bleiben müssen), einbüßt.

Schmetterlinge

Käfer

Systematik

Die heute gültige Erstbeschreibung des deutschen Botanikers Gustav Karl Wilhelm Hermann Karsten wurde 1881 veröffentlicht.[9] Zuvor hatte Carl von Linné 1753 die Art noch unter dem Namen Pinus abies in die Gattung der Kiefern eingestellt. Es sind folgende Synonyme für die Art vorhanden:

  • Pinus abies L. 1753
  • Picea abies var. europaea (Tepl.) Jurkev. et Parv.
  • Pinus excelsa Lam. 1778
  • Picea excelsa (Lam.) Link 1841
  • Picea montana Schur 1851
  • Picea rubra A.Dietr. 1824
  • Picea vulgaris Link 1830

Die Fichte besitzt eine hohe genetische Variabilität, die sich bei uns im Vorkommen von drei Varietäten:

  • var. abies
  • var. acuminata (Beck) Dallim. & A.B. Jacks.
  • var. alpestris (Brügger) P.A. Schmidt

sowie in unzähligen in Habitus, Zapfen- und Nadelmerkmalen voneinander abweichenden Formen (davon über 100 Sorten in Kultur genommen) oder in der Ausbildung genotypischer Verzweigungstypen (Kamm-, Bürsten-, Plattenfichte) äußern kann, aber auch in einem Reichtum an ökologischen Varianten (Wuchsgebietsrassen, Höhenstufenrassen als Ökotypen) ihren Ausdruck findet.

„Schlangenfichte“ (Picea abies 'Virgata')

Im nordosteuropäischen Teilareal gibt es durch Hybridisation eine breite Übergangszone zur Sibirischen Fichte (Picea obovata).

Zuchtformen

Es sind zahlreiche Zuchtformen bekannt; hier eine Auswahl:

'Aurea'
  • 'Aurea': Bei dieser Form sind die jungen Zweige im Mai bis Juni hell goldgelb und grünen bis Juli meist vollständig nach. Manche Nadeln behalten das ganze Jahr über gelbe Streifen.[10]
  • 'Virgata': Dies ist die als ungewöhnlicher Zierbaum bekannte „Schlangenfichte“. Die Form ist seit 1854 bekannt. Sie entwickelt eine irreguläre ausgedünnte Baumkrone mit wenigen dicken und langen Ästen; es wachsen kaum Seitentriebe. Die Nadeln sind 2 bis 2,5 cm lang und dick. Die Zweige sind hellorange.[11][12][13][14][15]

Nutzung

Austrieb des neuen Nadeljahrgangs, der sogenannte Maitrieb

Die Gemeine Fichte liefert ein wichtiges Nutzholz für den Bau von Gebäuden (Balken, Bohlen, Bretter, Kanthölzer, Dickholz; früher auch Gerüstbau), für den Möbelbau (als Material für Korpusse, Türen usw., Furnier, Leimholz, Mittellagen für Tischlerplatten, Unterkonstruktionen), für den Musikinstrumentenbau (alte, langsam gewachsene, zu bestimmten Jahreszeiten geschlagene Fichten) sowie für viele weitere konstruktive Zwecke (Pfähle, Pfosten, Stickel für den Weinbau) verwendet.

Als Ausgangsstoff für die Produktion von Brauerpech hat die Gemeine Fichte große Bedeutung; die Rinde wird zur Herstellung von Gerberlohe verwendet.

Die Fichte ist der Wirtsbaum einiger Honigtau erzeugender Schild- und Rindenläuse. Hierbei tritt in manchen Jahren, während der Austriebsphase, in welcher der Saft der Leitungsbahnen des Baums besonders zuckerhaltig ist, eine Massenvermehrung dieser Insekten auf. In der Folge kann dies zu einem guten Honigertrag (Waldhonig) von im Wald aufgestellten Bienenvölkern führen.

Aus den Baumnadeln gewinnt die Parfümindustrie das Fichtennadelöl, welches durch Wasserdampfdestillation aus frischen Fichtennadeln (oft irreführend „Tannennadeln“ genannt), den nadeltragenden Zweigen und kleinen Ästen gewonnen wird. Um 1 kg Fichtennadelöl herzustellen, werden etwa 500 kg Fichtennadeln benötigt. Der Duft ist spezifisch, harzig-würzig und kräftig-ausstrahlend.

Aus dem Saft heimischer Fichten synthetisierte Wilhelm Haarmann im Jahr 1874 erstmals das Vanillin.

Bis in die Sechziger Jahre war die Gemeine Fichte der vorherrschende Weihnachtsbaum in Deutschland. Da sie jedoch rasch nach dem Einschlag ihre Nadeln verliert, wurde sie seit dem als solcher durch robustere Bäume wie die Nordmann-Tanne und die Blaufichte weitgehend verdrängt.

Medizinische Bedeutung =

Darstellung von Nadeln und Zapfen bei der Fichte

Bereits in mittelalterlichen Kräuterbüchern wurden medizinische Anwendungsmöglichkeiten der Fichte beschrieben: So sollten Abkochungen von Fichtenzapfen Warzen beseitigen und das Harz des Baumes bei Steinleiden, Hüftschmerzen und Wunden Linderung bringen. In der Volksmedizin galt ein Tee aus Fichtensprossen als probates Blutreinigungsmittel, das bei Gicht, Rheumatismus, Magenkrämpfen und Hautleiden Anwendung fand.

Da nachgewiesen werden konnte, dass die ätherischen Öle der gemeinen Fichte eine auswurffördernde Wirkung haben, wird das Fichtenöl in der modernen Medizin eingesetzt. Als Bestandteil von Bronchialbalsam und Inhalationen dient es zur Behandlung von Bronchitis und festsitzendem Husten.

Als Beigabe in Badezusätzen fördert es die Durchblutung und unterstützt die Behandlung von rheumatischen Erkrankungen und Erschöpfungszuständen. Die jungen Zweige enthalten allgemein viel Vitamin C.

Quellen

  • Dietrich Böhlmann: Warum Bäume nicht in den Himmel wachsen – Eine Einführung in das Leben unserer Gehölze, Quelle & Meyer Verlag, Wiebelsheim 2009, ISBN 978-3-494-01420-3
  • Helmut Schmidt-Vogt et al.: Die Fichte
    • Band 1: Taxonomie, Verbreitung, Morphologie, Ökologie, Waldgesellschaften. 2., durchgesehene Auflage. Parey, Hamburg 1986, 647 (XVII) S., ISBN 3-490-09916-8
    • Band 2, Teil 1: Wachstum, Züchtung, Boden, Umwelt, Holz. Parey, Hamburg 1986, 563 (XVI) S., ISBN 3-490-08416-0
    • Band 2, Teil 2: Krankheiten, Schäden, Fichtensterben. Parey, Hamburg 1989, 607 (XX) S., ISBN 3-490-09516-2
    • Band 2, Teil 3: Waldbau – Ökosysteme – Urwald – Wirtschaftswald – Ernährung – Düngung – Ausblick. Parey, Hamburg 1991, 781 (XXIII) S., ISBN 3-490-09716-5
  • Helmut Schmidt-Vogt: Naturnahe Fichtenwirtschaft. Der Waldbaum Fichte, Fehler der Fichtenwirtschaft, Umwandlung von Fichtenreinbeständen, Fichtenreinanbau vermeiden, artenreichen und naturnahen Mischwald anstreben. Beiträge zur Lebensqualität, Walderhaltung und Umweltschutz, Gesundheit, Wandern und Heimatpflege (Heft 31). Wilhelm-Münker-Stiftung, Siegen 1991, 56 S.
  • Alan Mitchell: Die Wald- und Parkbäume Europas: Ein Bestimmungsbuch für Dendrologen und Naturfreunde. Paul Parey, Hamburg und Berlin 1975, ISBN 3-490-05918-2 (übers. u. bearb. von Gerd Krüssmann).
  • Helga Menzel-Tettenborn, Prof. H.F. Neubaur, Das Reich der Pflanzen, Bertelsmann-Lexikon-Verlag, ISBN 3-570-08942-8
  • Manfred Boksch, Das praktische Buch der Heilpflanzen, BLV-Verlag; ISBN 3-405-14937-1
  • Informationen bei Griffon.de
  • Neil A. Campbell, Jane B. Reece, Biologie, Pearson Studium Verlag, ISBN 3-8273-7180-5
  • Kurt Harz, Bäume und Sträucher, BLV-Verlag, ISBN 978-3-8354-0242-3
  • Heiko Bellmann: Der neue Kosmos Schmetterlingsführer, Franck Kosmos Verlags-GmbH, Stuttgart, ISBN 978-3-440-11965-5.

Weblinks

Commons: Gemeine Fichte – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelreferenzen

  1. TU Dresden: Pflanzenkombinationen, Thema 1 : Rotfichte - Picea abies
  2. Pressemeldung Universität Umea, abgerufen 17. April 2008.
  3. Böhlmann, S. 10
  4. Böhlmann, S. 11
  5. Böhlmann, S. 12
  6. Böhlmann, S. 8
  7. Ministerium für ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz Brandenburg, Naturschutz und Landschaftspflege in Brandenburg 11 (1, 2) 2002, Seite 86
  8. Campbell, Rice, Biologie, S. 935, Form und Funktion der Pflanze
  9. Deut. Fl. 324. 1881; siehe den Eintrag bei GRIN Taxonomy for Plants.
  10. http://www.ces.ncsu.edu/depts/hort/consumer/factsheets/trees-new/cultivars/picea_abies-aurea.html
  11. HAMBURGER STADTPARK: Schlangenfichte
  12. http://www.gemeinde-hirschbach.de/html/hirschbach.htm
  13. Die Julischen Alpen - SCHLANGENFICHTE
  14. Schlangenfichte (Picea abies 'Virgata') im Alten Botanischen Garten Marburg
  15. Schlangenfichte - Hilscheid, Gemeinde Hilscheid - Naturdenkmal

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