Gagelstrauch
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Gagelstrauch | ||||||||||||
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Gagelstrauch (Myrica gale) | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Myrica gale | ||||||||||||
L. |
Der Gagelstrauch (Myrica gale), auch Gagel genannt, gehört zur Familie der Gagelstrauchgewächse (Myricaceae). Der Gagelstrauch steht auf der Roten Liste der gefährdeten Pflanzenarten und ist in Europa die einzige Art der Familie Myricaceae.
Beschreibung
Der Gagelstrauch wird 0,5 bis 1,5 m hoch. Er ist ein winterkahler Strauch, der dicht mit Drüsen besetzt ist. Diese Drüsen sondern ätherische Öle mit α-Penin, D- und Y-Cadinen und Limonen ab. Die Blätter haben einen aromatisch bitteren Geschmack.
Blüten
Gagelsträucher sind zweihäusige Pflanzen, die Windblüten sind vom „unbeweglichen Typ“. Weibliche Blüten stehen in kurzen, männliche in länglichen Ähren ab. Die Blüten erscheinen vor den Blättern. Blütezeit ist von April bis Mai.
Ökologie
Der Gagelstrauch ist ein winterkahler Laubstrauch, dicht mit sitzenden, goldglänzenden Drüsen besetzt, die stark aromatisch duften und ätherische Öle absondern. Seine Seitenwurzeln haben Verdickungen, denn der Gagelstrauch bildet mit dem Strahlenpilz Frankia alni eine Stickstoff-fixierende Wurzelsymbiose aus.Frühere Angaben über das Vorkommen einer Mykorrhiza mit einem Pilzpartner wurden nicht bestätigt.
Die Früchte sind winzige einsamige Steinfrüchte mit einem Wachsüberzug und Speicherkeimblättern. Es sind Wind- und Tierstreuer; auch Flug- und Schwimmausbreitung kommen vor. Sie sind Kälte- und Lichtkeimer. Fruchtreife ist im September.
Vegetative Vermehrung erfolgt durch unterirdische Ausläufer.
Giftigkeit
Die ganze Pflanze ist giftig, vor allem aber die Blätter.
Hauptwirkstoffe: In den Blättern 0,4-0,7% ätherisches Öl, das bei 15°C vollständig erstarrt, mit 17% alpha-Pinen, 13% delta- und gamma-Cadinen, Limonen, ß-Myrcen, alpha- und ß-Phellandren, Cineol, Nerodiol, p-Cymen, alpha-Copaen, ß-Caryophyllen, alpha-Terpineol, Guaja-3,7-dien.
In den Zweigen 0,08% und in den Blütenkätzchen 0,4-0,6% ätherische Öle.
Vergiftungserscheinungen: Das aromatische ätherische Öl ist giftig und war früher Bestandteil von Kräuterlikören. Die Pflanze wurde schon im Mittelalter bei der Bierherstellung eingesetzt. Die Folgen waren damals, unabhängig vom Alkohol, schwere Räusche mit Tobsuchtsanfällen. Die Einnahme der Blätter bewirken Kopfweh und Schwindel.
Wirkungen auf die Schleimhäute: Der in großen Mengen produzierte Pollen des Gagelstauchs verursacht inhalativ eine allergische Rhinitis eine allergische Konjunktivitis. Auffällig dabei ist die Antigengemeinschaft zu den Pollen von Erle und Haselnuss.
Seit der Wiederzulassung des Gagelstrauchs im Zierpflanzengewerbe als Bindegrün für Ostersträuße sind auch dort wieder vermehrt allergische Reaktionen gemeldet worden.
Volkstümliche Bezeichnungen
Für den Gagelstrauch existieren zahlreiche regionalspezifische und volkstümliche Bezeichnungen wie Bäckerbusch, Birtgenbertz, Borse, Flohkrut, Gerber-Myrthe, Grut, Mirtelbaum, Mirtelbon, Mirtelepoumahi, Mitrus, Myrtenheide, Noppenkraut, Portz, Rausch, Talgbusch, Torf-Öl-Myrte oder Waschbaum. In norddeutschen Gegenden wird der Gagelstrauch auch Beerpost, Kienpost, Porst, oder Post genannt. Dies kann an einer Ableitung aus den skandinavischen Namen liegen (z. B. dänisch „porse“, estnisch „porss“, norwegisch und schwedisch „pors“). Zahlreiche dieser Bezeichnungen sind jedoch irreführend, da der Name Porst oder Sumpfporst im botanischen Gebrauch der deutschen Sprache die Pflanze Rhododendron tomentosum (alte Bezeichnung Ledum palustre) bezeichnet.
Die Autoren alter Kräuter- und Arzneibücher verwendeten häufig die Bezeichnungen Mirtus pors, Myrten, Rhus sylvestris oder Tamariscen.[1]
Im Englischen bog myrtle = Sumpfmyrte, oder der spanische Namen mirto holandés = holländische Myrte und mirto de Brabante unter Bezug auf die belgische Provinz Brabant.
(siehe auch unten: Kulturgeschichte)
Verbreitung
Der Gagelstrauch wächst vorwiegend an den Rändern von Mooren und feuchten Heiden des atlantischen Klimabereichs.
Er ist verbreitet in Nordamerika und Nordwesteuropa, hier vor allem in den küstennahen (niederschlagsreichen) Gebieten Großbritanniens, Belgiens, der Niederlande, Dänemarks, Polens, Südwestnorwegens sowie Süd- und Mittelschwedens.
In Deutschland ist er auf Bereiche mit atlantischem Klima beschränkt. Seine Vorkommen reichen bis ins Niederrheinische Tiefland, die Westfälische Bucht (Münsterland, Senne), das nördliche Niedersachsen, das westliche Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und die Niederlausitz. Auf den Ostfriesischen Inseln kommt der Gagelstrauch heute nur noch auf Spiekeroog vor. Auf Juist wurde er einst gepflanzt.
Gefährdung und Schutz
Größere Gagelstrauchbestände finden sich in Mitteleuropa heute fast nur noch in Naturschutzgebieten. Der Gagelstrauch ist vor allem durch die Eutrophierung, Trockenlegung und durch Beschattung seiner Standorte stark gefährdet.
Die Raupen einiger Schmetterlingsarten wie Heidespanner (Ematurga atomaria), Wolfsmilch-Rindeneule (Acronicta euphorbiae) und Rotrandbär (Diacrisia sannio) sind von der Pflanze als Nahrungsquelle abhängig.[2]
Kulturgeschichte
Der Gagelstrauch wurde in Nordwesteuropa schon früh zum Bierbrauen verwendet. Aufgrund von archäologischen Funden im Gebiet der Rheinmündung kann angenommen werden, dass Gagel dort bereits zur Zeit Christi Geburt zum Bierbrauen verwendet wurde.[3] Nach der am Niederrhein üblichen Bezeichnung für den Gagelstrauch „Grut“ werden solche Biere auch Grutbiere genannt. Diese waren bis in das 15. Jahrhundert weit verbreitet. Die Bierbrauer, die damit arbeiteten, nannte man früher „Gruter“, woher sich viele ähnliche Familiennamen wie Greuter, Gruyter, Grüter usw. herleiten. Auch heute gibt es noch bzw. wieder Gagelbiere. In Dänemark, vor allem in Jütland, wo der Strauch noch recht häufig vorkommt, bilden die Zweige des Gagelstrauchs den entscheidenden Bestandteil des wegen seiner Mildheit beliebten Gagel-Schnapses (Porsesnaps). Außerdem braut die Brauerei Thisted Bryghus ein Gagelbier mit dem Namen Porse Guld. Für den Jahresbedarf an Gagel (Porse) macht die gesamte Belegschaft der Brauerei Mitte Juli einen Betriebsausflug in die Jütländische Heide um so für den notwendigen Bedarf an Gagel zu sorgen. Somit ist Gagel auch noch gut für das Betriebsklima.
Er fand auch als Gerberpflanze und als insektenvertreibendes Mittel Anwendung. Die Blütenknospen wurden zum Gelbfärben (Färberpflanze) verwendet.
Literatur
- Ruprecht Düll, Herfried Kutzelnigg: Botanisch-ökologisches Exkursionstaschenbuch. Quelle & Meyer-Verlag, 1994, ISBN 3-494-01229-6.
- Peter Lietz: Die Roh- und Zusatzstoffe in der Geschichte der Bierbereitung. In: GGB-Jahrbuch 2004. Gesellschaft für Geschichte des Brauwesens e.V. (GGB), Berlin 2004, ISSN 0072-422X, S. 154–156.
- Frank Lorberg: Das Verschwinden des Gagels. In: Gagel, Speik und Wegerich. Beiträge zur Pflanzensoziologie, Landschafts- und Vegetationskunde. (Notizbuch der Kasseler Schule 52) Kassel 1999, S. 82–107.
- Thomas Prolingheuer, Klaus Kaplan: Zur Vergesellschaftung und zum Standort des Gagels (Myrica gale L.) in Westfalen. In: Metelener Schriftenreihe für Naturschutz, Heft 1. Metelen 1990, S. 39–57.
- R. Düll, H. Kutzelnigg: Taschenlexikon der Pflanzen Deutschlands und angrenzender Länder. 7. Auflage. Quelle & Meyer-Verlag, 2011, ISBN 978-3-494-01424-1.
- Lutz Roth, Max Daunderer, Kurt Kormann: Giftpflanzen Pflanzengifte. 6. Auflage. Nikol, Hamburg 2012, ISBN 978-3-86820-009-6.
Einzelnachweise
- ↑ Christian Rätsch: Urbock - Bier jenseits von Hopfen und Malz. AT Verlag, Arau 1996, ISBN 3-85502-553-3.
- ↑ Heiko Bellmann: Der neue Kosmos Schmetterlingsführer. Franck Kosmos Verlag, Stuttgart 2009, ISBN 978-3-440-11965-5.
- ↑ Heinrich Beck, Karl-Ernst Behre: Porst. In: Heinrich Beck, Dieter Geuenich, Heiko Steuer (Hrsg.): Reallexikon der Germanischen Altertumskunde. Bd. 23, De Gruyter, Berlin/ New York 2003, ISBN 3-11-017535-5, S. 287ff.
Weblinks
- Gagelstrauch. FloraWeb.de
- Gagel als Gewürz