Krätze


Klassifikation nach ICD-10
B86 Skabies
Krätze
Befall durch Krätzmilben
Befall durch Sarcoptes scabiei
Befall durch Skabies
Borkenkrätze
Ekzema scabiosum
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Krätze, medizinisch Scabies oder Acarodermatitis, ist eine weitverbreitete parasitäre Hautkrankheit des Menschen. Sie wird durch die Krätzemilbe (Sarcoptes scabiei) verursacht. Die halbkugelförmigen, 0,3–0,5 Millimeter großen Weibchen bohren sich in die Oberhaut (Epidermis) und legen dort in den Kanälen (caniculi, Milbengänge) Kotballen (Skybala) und ihre Eier ab. Ihre Absonderungen bringen Bläschen, Vesikel, Papulovesikel, Papeln, Pusteln, Blasen, Quaddeln, Infiltrationen und als Sekundärläsionen Krusten, Kratzwunden und Furunkel hervor. Die Inkubationszeit beträgt etwa 3 bis 6 Wochen. Für befallene Patienten gilt in Deutschland nach § 34 Infektionsschutzgesetz bereits bei Verdacht ein Verbot des Aufenthalts und Arbeitens in Gemeinschaftseinrichtungen. Andere Milbenerkrankungen des Menschen werden als Acariasis bezeichnet. Als Entdecker des Zusammenhangs zwischen Milbenbefall und Krätze gilt der italienische Arzt Giovanni Cosimo Bonomo.

Krätze bei Tieren wird umgangssprachlich Räude genannt, wobei hier auch andere Milben vorkommen. Außer den Haarbalgmilben können die meisten dieser Parasiten auch den Menschen als Fehlwirt befallen und eine Pseudokrätze, medizinisch Pseudoscabies, hervorrufen.

Sarcoptesmilbe

Ursache und Krankheitsentstehung

Krätzemilben haben eine obligat parasitäre Lebensweise. Als Angehörige der Spinnentiere verfügen sie über acht paarig angeordnete Beine. Typisch für die Milben ist dabei, dass beide hinteren Beinpaare den Rand des gedrungenen Körpers nicht überragen und, genau wie die beiden vorderen Beinpaare, stummelförmig ausgebildet sind. Die Größe der weiblichen Exemplare beträgt etwa 350 x 280 µm, männliche Milben erreichen 240 x 150 µm. Charakteristisch ist das Vorhandensein von Haftscheiben, die einem ungegliederten Stiel aufsitzen und an den Beinen befestigt sind. Weibliche Milben tragen diese Organe nur an den beiden vorderen Beinpaaren, bei Männchen besitzt auch das dritte Beinpaar diese Einrichtung. Die restlichen Gliedmaßen laufen in Borsten aus.

Datei:Scabies bohrkanal.png
Bohrkanal einer Milbe in der Handfläche (nach ca. einer Woche). Die Milbe ist als schwarzer Punkt erkennbar.
Sonderform Scabies norvegica (Borkenkrätze) bei einem durch AIDS immungeschwächten Patienten

Die Entwicklung der Milben läuft vom Ei über ein Larven- und zwei Nymphenstadien zum adulten Tier und dauert beim Männchen etwa 14 Tage, beim Weibchen eine Woche länger. Nur die Weibchen legen Bohrkanäle in der Hornschicht (Stratum corneum) der Epidermis (Oberhaut) an, in denen sie ihre Eier und ihren Kot deponieren. Die männlichen Milben wandern auf der Suche nach Weibchen hauptsächlich auf der Hautoberfläche entlang. Eine weibliche Milbe kann ein Alter von bis zu 60 Tagen erreichen. Außerhalb des Wirtskörpers überleben die Krätzmilben selten länger als 48 Stunden.[1]

Krätze wird oft mit unhygienischen Verhältnissen und Verwahrlosung assoziiert. Dabei haben Krätzemilben nicht unbedingt mit unhygienischen Lebensverhältnissen zu tun, sondern breiten sich − ähnlich wie Läuse – dort aus, wo viele Menschen zusammenkommen. Betroffen sind besonders Alten- und Pflegeheime, aber auch Kindergärten, Schulen und sogar Krankenhäuser. Krätze wird von Mensch zu Mensch durch Hautkontakt übertragen. Das Bestehen eines indirekten Infektionswegs mittels Wohn- bzw. Kleidungstextilien wird angenommen.

Bei intaktem Immunsystem, und guten hygienischen Umständen, hält die Immunreaktion des Körpers die Milbenzahl auf einem relativ niedrigen Niveau. Bei vorhandener Immunsuppression, z. B. durch eine Infektion mit dem HI-Virus, kann es zu einer explosionsartigen Vermehrung der Milben kommen. Das hierbei entstehende Krankheitsbild, Scabies norvegica, unterscheidet sich signifikant in Aussehen, Intensität und Infektiosität von der klassischen Scabies.[2]

Symptome

Bohrkanal einer Milbe am rechten Fuß. Die Milbe ist links oben als schwarzer Punkt erkennbar.

Krätzmilben bevorzugen Körperstellen mit dünner Hornschicht und hoher relativer Körpertemperatur. Es werden vor allem Fingerzwischenräume, Handgelenke, Gesäß, Genitalien, Ellbogen, Achseln, Bauchnabel, der Bereich hinter den Ohren, Gürtelgegend, Knie, Gelenkbeugen, Füße und Fußgelenke befallen. Bei Kleinkindern, und bei Scabies norvegica (s. o.), können auch Nacken und Kopf befallen sein.

Nach der Erstinfektion verläuft die Erkrankung in den ersten 2–5 Wochen asymptomatisch. Nach dieser Zeit kommt es zu einer Immunreaktion gegen Milbenprodukte (Milbenprotein, Eier, Kot), und einer damit einhergehenden typisch juckenden Hautreaktion.[2]

Auch nicht befallene Körperstellen, z. B. das Gesicht, können allergische Reaktionen zeigen. Ein Juckreiz an Stellen, die selbst nicht befallen sind, spricht also nicht zwingend gegen eine Scabiesinfektion. Der klassisch beschriebene oft sehr intensive Juckreiz tritt bei leichtem Milbenbefall meist nur nachts auf, da die Bettwärme die Juckreizschwelle senkt. Durch das – oft unwillkürliche − Aufkratzen der entstandenen Hautpapeln/-bläschen, entstehen Hautläsionen.

Aufgrund der Individualität der Kratzeffekte, der Verschiedenartigkeit der Verkrustungen, der Inhomogenität der Befallstärke und das eventuelle Vorhandensein von Sekundärinfektionen, ist das Krankheitsbild von Fall zu Fall oft sehr unterschiedlich. Bei gutem Hygienestandard und intaktem Immunsystem verläuft die unbehandelte Scabies chronisch und in gleichbleibend moderater Ausprägung. Es wird in solchen Fällen auch von „gepflegter Scabies“ (häufig fehldiagnostiziert[1]) gesprochen. In diesen Fällen steigt die Milbenzahl am befallenen Körper selten über zehn. Bei sehr hohem Hygienestandard ist oft sogar nur eine einzige Milbe dauerhaft vorhanden.[2]

Komplikationen können in Form von einer meist staphylogenen Superinfektion auftreten. Diese kann Abszesse, Lymphangitis und Sepsis hervorrufen.[2]

Therapie

Die Therapie der 1. Wahl ist sowohl bei Kindern ab 3 Jahren als auch bei Erwachsenen die Anwendung einer 5-prozentigen Permethrinsalbe, die in der Regel nach einmaliger Anwendung die Krätzemilben abtötet.[1] Permethrin ist ein Insektizid aus der Gruppe der Pyrethroide, das trotz besserer Wirksamkeit gegen die Milben weniger toxisch auf den Menschen wirkt als die früher eingesetzten Lindan-Zubereitungen. Weiterhin ist eine Behandlung mit Crotamiton möglich, wobei diese eine deutlich schlechtere Wirksamkeit aufweist.

Eine weitere örtliche Behandlung ist die Verwendung einer Emulsion mit Benzylbenzoat. Bevor die Behandlung beginnt, sollte der Körper gründlich gereinigt werden, danach kann die Emulsion von Kopf bis Fuß eingerieben werden. Drei aufeinanderfolgende Tage lang sollte diese Emulsion aufgetragen werden, danach muss die Behandlung – auch bei fortbestehendem Juckreiz – abgebrochen werden. Am vierten Tag ein Vollbad nehmen, bei bestehendem Juckreiz den Arzt kontaktieren. Bei empfindlicher Haut (vor allem bei Personen mit Parfümallergien oder anderen Hautallergien) kann es zu einer Überempfindlichkeitsreaktion kommen. Da dieses Mittel sehr preisgünstig ist, ist es in Osteuropa immer noch die bevorzugte Wahl für die Behandlung der Krätze. Westeuropäische Studien weisen auf einen Wirkungsgrad von 50 % hin. Eine unabhängige Studie der WHO bewies jedoch den viel besseren Wirkungsgrad von Benzylbenzoat.[3]

Teebaumöl – als pflanzlicher Alternative – wird eine gewisse Wirksamkeit zugesprochen.[4] Für die Behandlung von Haustieren sollte es aufgrund potenzieller Nebenwirkungen nicht eingesetzt werden. Zur systemischen Therapie an Tieren stehen verschiedene Avermectine zur Verfügung.

Während der Behandlung sollten alle Gegenstände, mit denen andere Personen in Kontakt kommen, regelmäßig desinfiziert werden, um eine Übertragung zu verhindern. Ebenfalls ist auf häufige Reinigung von Bett- und Leibwäsche zu achten. Diese sollte nach Möglichkeit bei mindestens 60 °C gewaschen werden. Wenn dies nicht möglich ist, kann die Wäsche für einige Tage beispielsweise in Plastiksäcken fest eingelagert werden, um den Milben die Nahrungsgrundlage zu entziehen.

Die Milben können bei normaler Raumtemperatur und Luftfeuchte höchstens zwei bis vier Tage außerhalb des menschlichen Körpers überleben, bei 12 °C und feuchter Luft auch bis zu 14 Tage.

Juristische Aspekte

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Das Gesetz zur Verhütung und Behandlung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz, IfSG) verlangt von Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 (Schulen, Kindertagesstätten, Heimen, Ferienlager etc.) unter anderem bei Scabies besondere Maßnahmen. Nach § 34 Abs. 1 IfSG dürfen Beschäftigte von Gemeinschaftseinrichtungen mit Scabies-Befund keine Tätigkeiten ausüben, bei denen sie Kontakt zu den Betreuten haben. Betreute mit Scabies-Befund dürfen die Räume der Gemeinschaftseinrichtung nicht benutzen und an den Veranstaltungen der Gemeinschaftseinrichtung nicht teilnehmen. Beschäftigte und Betreute mit Scabies-Befund bzw. deren Sorgerechtsinhaber haben nach § 34 Abs. 5 IfSG die Leitung der Gemeinschaftseinrichtung unverzüglich darüber zu informieren. Die Leitung einer Gemeinschaftseinrichtung hat nach § 34 Abs. 6 IfSG dem zuständigen Gesundheitsamt krankheits- und personenbezogene Angaben über den Sachverhalt zu machen.

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 Prof. Dr. Hans Christian Korting: Skabies. In: Journal der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft. Berlin 2007, 5, S. 424 ff. ISSN 1610-0379
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 Andreas Plettenberg, Wilhelm Meigel, Helmut Schöfer: Infektionskrankheiten der Haut. Grundlagen, Diagnosen und Therapiekonzepte für Dermatologen, Internisten und Pädiater. Thieme, Stuttgart 2010, S. 384–385. ISBN 3-13-137733-X
  3. Vergleichsstudie der WHO zwischen Benzylbenzoat und Ivermectin bei Krätze (englisch): (PDF-Datei; 533,6 KB)
  4. S. F. Walton u. a.: Acaricidal activity of Melaleuca alternifolia (tea tree) oil - in vitro sensitivity of Sarcoptes scabiei var hominis to terpinen-4-ol. In: Archives of dermatology. Chicago 140.2004, 563–566. PMID 15148100 ISSN 0003-987X

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Commons: Scabies – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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