Mispel



Mispel

Mispelzweig mit Früchten und Blättern

Systematik
Familie: Rosengewächse (Rosaceae)
Unterfamilie: Spiraeoideae
Tribus: Pyreae
Untertribus: Kernobstgewächse (Pyrinae)
Gattung: Mispeln (Mespilus)
Art: Mispel
Wissenschaftlicher Name
Mespilus germanica
L.
Baum
Blüte
Früchte am Baum
Geerntete Früchte
Illustration (ausgeführt von Jacob Sturm, aus Johann Georg Sturm: Deutschlands Flora in Abbildungen, 1796)

Die Mispel (Mespilus germanica) oder Echte Mispel ist eine Pflanzenart der Kernobstgewächse (Pyrinae) in der Familie der Rosengewächse (Rosaceae). Es handelt sich um einen sommergrünen Baum mit krummem Stamm und breiter Krone, der essbare Früchte trägt. Die Art war im Mittelalter in Süd- und Mitteleuropa weit verbreitet, im 17. und 18. Jahrhundert auch in England. Heute hat sie in Europa als Obstbaum keine Bedeutung mehr, ist aber in mehreren Gebieten verwildert. Intensiv bewirtschaftete Plantagen gibt es noch in einigen Ländern Südwestasiens, so in Aserbaidschan.[1]

Weitere Namen sind: Deutsche Mispel, Mispelche; Asperl, Aschperln, Hespelein; Dürgen, Dörrlitzen, Dürrlitzen; Hundsärsch.[2]

Beschreibung

Die Mispel ist ein kleinwüchsiger, bis 5 Meter hoher[3], laubabwerfender Baum mit unregelmäßig geformtem Stamm, der einen Durchmesser von 20 bis 25 Zentimeter (BHD), selten bis 50 Zentimeter erreicht. Die Krone ist ausladend und annähernd rund. Meist sind die Bäume breiter als hoch. Mispeln haben eine stark verzweigte, weitreichende und eher flache Bewurzelung. Das Holz ist sehr hart, zerstreutporig und von feiner Textur. Das Splintholz ist weiß mit leicht rosa Tönung, das Kernholz ist bräunlich. Die Jahresringe sind gut zu erkennen. Das Verzweigungssystem ist in Lang- und Kurztriebe unterteilt, wobei nur letztere Früchte hervorbringen. Die schwach filzig behaarten Jungtriebe der Wildform tragen Dornen, die bei Kulturformen fehlen.[4]

Als Chromosomenzahl werden 2n = 32 oder 2n = 34 angegeben.[5]

Knospen und Blätter

Die Winterknospen sind spitz eiförmig, werden 3 bis 5 Millimeter lang und haben gekerbte, rötlichbraune, am Rand fast schwarze, aber hell bewimperte Knospenschuppen (Tegmente). Die wechselständigen, einfachen Laubblätter sind länglich oval und etwas zugespitzt. Die Oberseite ist dunkelgrün, die Unterseite etwas heller und filzig behaart. Die Blattspreite ist 6 bis 12 Zentimeter lang und 2 bis 4 Zentimeter breit. Die Blattstiele sind kurz. Die zwei ovalen, bleibenden Nebenblätter (Stipeln) besitzen eine aufgesetzte Stachelspitze und einen drüsig bewimperten Rand.[4]

Blüten und Früchte

Die Blüten sind die normalen zwittrigen, radiärsymmetrischen Blüten mit doppelter Blütenhülle der Rosengewächse. Sie stehen einzeln an den Kurztrieben und sind auffallend groß, mit einem Durchmesser von 3 bis 5 Zentimeter. Die fünf Kelchblätter sind schmal, lanzettlich und auf der Außen- und Innenseite behaart. Sie stehen zwischen den deutlich kürzeren Kronblättern. Die fünf freien, rundlichen Kronblätter sind weiß oder etwas rosafarben. Die 30 bis 40 Staubblätter besitzen rote Staubbeutel (Antheren). Es sind üblicherweise fünf Griffel vorhanden. Der Fruchtknoten ist unterständig. Selbstbestäubung ist die Regel.[4] Die deutsche Mispel blüht im Mai und Anfang Juni[6].

Die Apfelfrüchte werden gegen Ende Oktober, Anfang November reif. Die Früchte sind dann bräunlich und haben die Form einer abgeflachten Kugel mit den deutlich erkennbaren Kelchblättern an der Spitze.[4] Die Frucht ist stark von Stützgewebe (Sklerenchym) durchsetzt, was ihr den Namen Steinapfel einbrachte.[6] Die Früchte der Wildform haben einen Durchmesser von 1,5 bis 3 Zentimeter und eine Länge von 1,6 bis 2,4 Zentimeter, bei Kulturformen beträgt der Durchmesser 3 bis 6,5 Zentimeter, selten 7 bis 8 Zentimeter. Als Samen werden fünf Kerne gebildet, die vom fleischigen Gewebe umschlossen bleiben.[4]

Verbreitung und Standortansprüche

Da die Mispel bereits früh kultiviert wurde, kann das natürliche Verbreitungsgebiet nicht mit Sicherheit angegeben werden.[1] Als natürliches Areal gelten Westasien (Iran, Irak, Türkei), der Kaukasus, Turkmenistan, die Ukraine, Griechenland, Bulgarien und Italien.[7] Kultiviert wurde die Art auch außerhalb ihres natürlichen Areals, so in Mittel- und Südeuropa, im Süden Englands und auf den Kanalinseln. Es fanden auch Anbauten in den USA, in Südamerika, in Nord- und Südafrika, Australien und Neuseeland statt.[1]

Die Mispel entwickelt sich am besten unter temperaten und submediterranen Klimabedingungen. Sie stellt nur geringe Standortansprüche und kann unter günstigen Bedingungen alt werden. Es sind mehrere über 70 Jahre alte Bäume bekannt,[8] in England auch über 300 Jahre alte Bäume[1]. Als für das Wachstum günstige Lufttemperaturen werden 18 bis 20 °C genannt, Kälte von bis zu −20 °C wird vertragen. Spätfröste richten kaum Schaden an. In Italien wächst die Wildform in Gebieten mit Jahresniederschlägen von 700 Millimeter in Höhen von 0 bis 1100 Meter. Die Art wächst auf verschiedenen Böden, sofern der pH-Wert zwischen 6 und 8 liegt, sie wächst aber meist auf kalkarmen Böden und bevorzugt frische, gut drainierte Lehmböden.[8]

Vermehrung

Die Wildformen vermehren sich generativ, die Samen bleiben 18 bis 20 Monate keimfähig. Sie werden durch Vögel und Eichhörnchen verbreitet, wahrscheinlich auch durch Rehe und Wildschweine. Kulturformen werden durch Okulation und durch Pfropfen auf verschiedenen Unterlagen wie Weißdorne, Birnen, Quitte, Eberesche vermehrt.[4]

Pflanzenkrankheiten

Die Mispel wird nur selten von Krankheiten befallen oder von Insekten geschädigt. In Plantagen können die Larven der blattminierenden Schmetterlingsart Lithocolletis blancardella Schäden anrichten. Der Pilz Monilia fructigena (Gattung Monilia) ruft Fruchtfäule hervor, der Mehltau-Erreger Podosphaera clandestina führt zum Welken von Blättern und Knospen. Die Mispel ist anfällig gegen Erwinia amylovore, dem Erreger des Feuerbrands.[8]

Systematik

Die Gattung Mespilus wurde lange Zeit als monotypisch angesehen. Erst im zwanzigsten Jahrhundert wurde in Arkansas (USA) mit Mespilus canescens J.B.Phipps eine weitere Art gefunden und beschrieben.[9] [10] Im Jahre 2006 vorgestellte phylogenetische Untersuchungen erkennen den beiden Arten den Status als Gattung ab und reihen die beiden Mespilus-Arten in die Gattung der Weißdorne (Crataegus), die zusammen mit der Art Crataegus brachyacantha Sarg. & Engelm. eine Klade bilden.[11]

Innerhalb der Art Mespilus germanica werden 23 Taxa unterschieden. Darunter die Varietäten[5]

  • M. germanica var. gigantea Kirchn. mit sehr großen Früchten
  • M. germanica var. abortiva Kirchn. mit Früchten ohne Samen
  • M. germanica var. argenteo-variegata mit weiß panaschierten Blättern als Zierpflanze
  • M. germanica var. aureo-variegata mit gelb panaschierten Blättern als Zierpflanze.

und die Sorten[5]:

  • 'Dutch Medlar', 'Common Medlar' mit besonders großen Früchten (etwa um 1800)
  • 'Early Medlar' mit früh reifenden, hochwertigen Früchten (etwa um 1800)
  • 'Royal', eine sehr ertragreiche Sorte.
  • 'Seedless' mit samenlosen Früchten geringer Qualität

Etymologie

Der Gattungsname Mespilus stammt aus dem Lateinischen und wurde unter anderen von Plinius dem Älteren (23–79 n. Chr) und Palladius (4. Jhd. n. Chr.) verwendet, der genaue Anweisungen zur Kultur der Mispel in Opus agriculturae anführt. Bei den Griechen wurde der Baum Mespile, die Frucht Mespilon genannt. Sie wurde unter anderen von Theophrastos (371–287 v. Chr.) und Dioscurides (1. Jhd. n. Chr.) erwähnt. Der Ausdruck ist jedoch in beiden antiken Sprachen ein Fremdwort unbekannter Herkunft.[12]

Das Art-Epitheton germanica bedeutet deutsch[13] und dürfte auf den Irrtum zurückgehen, dass die Mispel eine in Deutschland heimische Art sei, da sie dort schon lange bekannt war, als Linné sie benannte.[1]

Verwendung

Die Früchte der Mispel sind nach Frosteinwirkung oder längerer Lagerung essbar und haben einen typischen säuerlich-aromatischen Geschmack.[3] Sie können dann auch zu Marmelade oder Gelee verarbeitet werden, die Art war daher früher als Obstbaum weit verbreitet. Durch das Lagern werden Tannine und Fruchtsäuren abgebaut, der Zuckergehalt steigt und die Früchte werden mürbe, sonst sind sie hart und adstringierend. Heute ist die Mispel nur noch selten in Kultur.[8]

Der Gehalt an Nähr- und Mineralstoffen ändert sich mit zunehmender Fruchtreife. In den Jahren 1984 und 1985 wurden folgende Werte für homogenisierte Früchte angegeben:[14]

Zeitraum L-Ascorbinsäure Glucose Fructose Kalium Calcium
Anfang 1984 1,64 mg/l 53,75 mg/l 37,31 mg/l 47,2 ppm 4,7 ppm
Ende 1984 1,54 mg/l 61,74 mg/l 70,06 mg/l 43,0 ppm 4,5 ppm
Anfang 1985 2,64 mg/l 43,50 mg/l 35,70 mg/l 48.9 ppm 5,2 ppm
Ende 1985 1,41 mg/l 60,30 mg/l 60,50 mg/l 46,1ppm 5,0 ppm

Aufgrund ihrer harntreibenden und adstringierenden Wirkung wurden die Früchte volksmedizinisch eingesetzt.[15]

Unreife Früchte haben einen Tannin-Gehalt von etwa 2,6 % und wurden mit Blättern und Borke zum Gerben genutzt. Auch können sie zum Verringern der Trübung von Wein, Apfel- und Birnenmost verwendet werden, da das Tannin das Ausflocken von Proteinen bewirkt.

Das Mispelholz eignet sich für die Kunsttischlerei, zum Drechseln und für Intarsien. Es wird als Feuerholz und zur Herstellung von Holzkohle genutzt.

Vor allem die panaschierten Formen haben eine gärtnerische Bedeutung als Ziergehölz.[16]

Sonstiges

Wappen der Stadt Viersen
Die Mispel im Mittelalter

Im Mittelalter war die Echte Mispel eine weit verbreitete Obstart in Europa. In der Landgüterordnung Capitulare de villis vel curtis imperii Karls des Großen ist im Kapitel 70 die Echte Mispel als eines der 16 Obstgehölze als mespilarios aufgezählt.[17]

Die Mispel in der Literatur

William Shakespeare erwähnt die Mispel (englisch: medlar) in zweien seiner Stücke, in Wie es euch gefällt und Romeo und Julia.[18]

Die Mispelblüte als Wappensymbol

Die Blüte der Mispel ist als Geldernsche Rose im Wappen der Stadt Geldern und anderer Städte des Herzogtum Geldern zu finden. So führt auch die Stadt Viersen drei silberne Mispelblüten im blauen Schild als Stadtwappen.[19]

Nachweise

Literatur

  • Schütt, Weisgerber, Schuck, Lang, Stimm, Roloff: Enzyklopädie der Laubbäume. 2006, ISBN 3-937872-39-6

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 Schütt et al.: Enzyklopädie der Laubbäume. S. 334
  2. Liber Herbarum Minor (Deutsch) (Zugriff am 4. Mai 2008)
  3. 3,0 3,1 Eintrag in Botanische Gärten Bonn (Zugriff am 4. Mai 2008)
  4. 4,0 4,1 4,2 4,3 4,4 4,5 Schütt et al.: Enzyklopädie der Laubbäume. S. 335
  5. 5,0 5,1 5,2 Schütt et al.: Enzyklopädie der Laubbäume. S. 336
  6. 6,0 6,1 Schütt, Schuck, Stimm: Lexikon der Baum- und Straucharten. 2007, ISBN 3-933203-53-8
  7. Eintrag bei GRIN (engl., Zugriff am 4. Mai 2008)
  8. 8,0 8,1 8,2 8,3 Schütt et al.: Enzyklopädie der Laubbäume. S. 337
  9. J.B.Phipps: Mespilus canescens a new Rosaceous endemic from Arkansas. Systematic Botany 15, 26-32, 1990 (Zitiert nach Schuck et al: Enzyklopädie der Laubbäume)
  10. Eintrag bei IPNI (Zugriff am 5. Mai 2008)
  11. Eugenia Lo, Sasa Stefanovic, Timothy A. Dickinson: Intrageneric classification and biogeography of the genus Crataegus (Rosaceae) based on nuclear and chloroplast sequences. Abstract unter botanyconference.org, Unterseite zu den Webseiten der Botany Conference 2006 (Zugriff am 20. Juni 2008).
  12. Helmut Genaust: Etymologisches Wörterbuch der botanischen Pflanzennamen. 3. Ausgabe, 2005, S 383, ISBN 3-937872-16-7
  13. Helmut Genaust: Etymologisches Wörterbuch der botanischen Pflanzennamen. 3. Ausgabe, 2005, S 265, ISBN 3-937872-16-7
  14. G. Bounous, E. Zanini: Variabilità di alcune componenti e caratteri biometrici dei frutti di 6 specie arboree ed arbustive. Proc. workshop „Lampone mirtillo ed altri piccoli frutti“, Trento, 1987, 189-197 (Zitiert nach Schuck et al: Enzyklopädie der Laubbäume)
  15. P. Peyre: Les Nefliers: Les Arbres & Leurs Fruits, Usage Medicaux Pharmaceutiques & Dietetiques. Les Presses Rapides, Paris, 1945 (Zitiert nach Schuck et al: Enzyklopädie der Laubbäume)
  16. Schütt et al.: Enzyklopädie der Laubbäume. S. 338
  17. Dericks-Tan, Vollbrecht: Auf den Spuren der Wildfrüchte in Europa, ISBN 3-000211-29-2, Abadi-Verlag 2009. S. 18 und 185ff
  18. Mespilus germanica. In: Promising Plants Profiles. The Herb Society of America, 2005, archiviert vom Original am 28. August 2008; abgerufen am 29. September 2012 (englisch).
  19. Beschreibung des Stadtwappens in viersen.de (Zugriff am 13. September 2008)

Weblinks