Wanzen
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Wanzen | ||||||||||||
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Grüne Stinkwanze (Palomena prasina) | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Heteroptera | ||||||||||||
Latreille, 1810 | ||||||||||||
Teilordnungen | ||||||||||||
Familien siehe Systematik der Wanzen |
Die Wanzen (Heteroptera) sind Insekten und gehören zur Ordnung der Schnabelkerfe (Hemiptera). Von den weltweit etwa 40.000 bekannten Arten leben in Europa circa 1.000. Die Ordnung der Heteroptera zeichnet sich durch ihre sehr hohe Formenvielfalt aus. Wanzen sind auch hinsichtlich ihrer Lebensweise und Lebensräume sehr vielgestaltig. So gibt es Pflanzensauger, eine Reihe von räuberisch lebenden Arten, aber auch Ektoparasiten, wie die Bettwanze. Sie finden sich in den verschiedensten Biotopen wie auf Wiesen, Waldrändern und Wald bis hin zu menschlichen Wohnungen.
Lebensraum und Verbreitung
Wanzen sind weltweit verbreitet. Es gibt kaum Lebensräume, in denen keine Wanzen existieren. Die einzelnen Arten können unterschiedlich stark ausgeprägte Standortsansprüche aufweisen. Allgemein sind die meisten Wanzenarten wärme- und trockenheitsliebend (xerothermophil). Einige Arten bevorzugen feuchtere Standorte (hygrophil), andere leben in Mooren (tyrphophil), in Sandlebensräumen (psammophil) oder in Salzlebensräumen (halophil). Es gibt außerdem aquatische Arten, die im Wasser leben sowie epineustische Arten, welche auf der Wasseroberfläche existieren. Einige Arten aus der Familie Meerwasserläufer (Halobatinae), Gattung Halobates, leben als einzige Insekten sogar permanent auf dem offenen Ozean.
Anatomie der Wanzen
Wanzen bestehen wie alle Insekten aus drei Körperabschnitten, die ihrerseits aus drei oder mehr einzelnen Segmentabschnitten zusammengesetzt sind: Kopf (Caput), Brust (Thorax) und Hinterleib (Abdomen).
Kopf
Alle zu den Wanzen gehörenden Gruppen sind durch einen Saugrüssel gekennzeichnet. Dieser ist nicht wie bei den Zikaden (Auchenorrhyncha) und Pflanzenläusen (Sternorrhyncha) in den Kehl- beziehungsweise Brustbereich verlagert, sondern sitzt direkt am Kopfbereich an. Am Kopf befinden sich meist viergliedrige Fühler oder Antennen. Bei einigen Arten wie beispielsweise den Bodenwanzen (Lygaeidae) und den Erdwanzen (Cydnidae) sind zwischen den Fühlergliedern oft verlängerte Zwischenstücke vorhanden, welche echte Glieder vortäuschen. Im Bereich des Scheitels zwischen den Komplexaugen liegen Einzelaugen (Ocellen), die bei manchen Familien fehlen können. In der Mitte vor den Komplexaugen und der Stirn befindet sich die Stirnschwiele (Clypeus). Sie wird beiderseits von den Wangen (Paraclypei) flankiert. An der Kopfunterseite befinden sich die oft eine Längsrinne bildenden Wangenplatten (Bucculae), in welcher der Ansatz der Mundwerkzeuge, die einen Rüssel (Rostrum) bilden, liegt. Die stechend-saugenden Mundwerkzeuge bestehen aus einer drei- oder viergliedrigen Röhre (Labium, Unterlippe), die auf der Oberseite über eine schmale Längsrinne verfügt. Diese wird am Ansatz außen von der Oberlippe (Labrum) abgedeckt. Beiderseits inserieren Stechborsten (Mandibeln), welche an ihrer Spitze scharfe Zähnchen besitzen und mit deren Hilfe winzige Löcher in Pflanzen oder Beutetiere gebohrt werden. Die Mandibeln umgeben die Maxillen, die wiederum zwei Kanäle, einen Nahrungskanal und einen Speichelkanal umgeben.
Brust
Der Brustabschnitt (Thorax) ist in drei Segmente geteilt: Prothorax, Meso- und Metathorax. Jedes dieser Segmente trägt ein Beinpaar. Der Rückenteil des Prothorax wird als Halsschild (Pronotum) bezeichnet. Der Rückenteil des Mesothorax heißt Schildchen (Scutellum). Beide Elemente sind bei den verschiedenen Wanzenfamilien vielfach sehr unterschiedlich gestaltet. Das Schildchen kann bei einigen Arten, zum Beispiel bei den Schildwanzen, die Flügel bis zur Hinterleibsspitze überragen. Die entsprechenden Brustabschnitte auf der Bauchseite werden als Pro-, Meso- und Metasternum bezeichnet; die seitlichen jeweils Pro-, Meso- und Metapleuren. Die Metapleuren tragen die Öffnungen der charakteristischen Duftdrüsen der Wanzen sowie ein Paar Atemöffnungen (Stigmen). Meso- und Metathorax sind die flügeltragenden Elemente. Die Vorderflügel sind teilweise, etwa bis zu zwei Drittel, verhärtet (sklerotisiert) und bestehen aus einem harten vorderen Bereich (Corium), sowie einer häutigen hinteren Membran. Man spricht in diesem Fall von Halbdecken (Hemielytren). An der Innenseite des Coriums befindet sich ein Areal, welches als Clavus bezeichnet wird. Die Hinterflügel sind immer vollständig häutig, können aber auch fehlen. Die Beine folgen in ihrem Aufbau dem Schema der Insektenextremitäten. Sie bestehen aus der Hüfte (Coxa), dem Schenkelring (Trochanter), Schenkel (Femur), Schiene (Tibia) und Fuß (Tarsus). Der Fuß verfügt über Krallen, Haftlappen und Haaren an der Spitze. In Anpassung an ihre spezifischen Lebensweisen können die Beine zu Lauf-, Sprung-, Fang- oder Schwimmbeinen umgestaltet sein.
Hinterleib
Der Hinterleib der Wanzen besteht aus elf Segmenten sowie dem nichtsegmentalen Endabschnitt des Telsons. Die Segmente sind mehr oder weniger stark abgeflacht. Sie bilden rückenseitig (dorsal) das Tergum beziehungsweise die einzelnen Tergite, bauchseitig (ventral) das Sternum oder die einzelnen Sternite. Die festen Tergite und Sternite sind über dehnbare Intersegmentalhäutchen miteinander verbunden. Die seitlichen Anteile der Segmente, das Connexivum, werden aus dorsalen und ventralen Laterotergiten (also vom Tergum abgeleitete Sklerite) gebildet. Sie können sehr in die Breite gehen. Deren Ausbildung und Farbmuster sind vielfach bestimmungsrelevant. Bei den Männchen ist das neunte Segment Träger der Geschlechtsorgane, welche sich bei den Weibchen auf das achte und neunte Segment verteilen. In bestimmten Segmenten liegen die Atemöffnungen (Stigmen). In der Regel sind acht Paare in den vorderen Hinterleibssegmenten ausgebildet. Bei landlebenden Wanzen sind die Atemöffnungen mit einem Verschlussapparat mit eigener Muskulatur versehen.
Lebensweise der Wanzen
Ernährung
Wanzen sind hauptsächlich Pflanzensauger, es gibt jedoch auch eine Reihe von räuberisch lebenden Arten oder auch Ektoparasiten, die wie die Bettwanze (Cimex lectularius) Blut saugen.
Fortpflanzung und Entwicklung
Die einzelnen Wanzenarten paaren sich in unterschiedlicher Weise. Die ausgefallenste ist jene der Bettwanzen, wobei das Männchen das Weibchen ohne Werbeverhalten überfällt und sofort begattet. Sichelwanzen sitzen stundenlang auf den Weibchen und umklammern es mit den Beinen. In antagonistischer Stellung paaren sich viele Baumwanzen (Pentatomidae), Feuerwanzen (Pyrrhocoridae), Randwanzen (Coreidae) und Stelzenwanzen (Berytidae). Netzwanzen (Tingidae) sitzen rechtwinklig zueinander. Bei den Rindenwanzen sitzt das Männchen unter den Weibchen.
Die Weibchen etlicher Wanzenarten verfügen über einen gut ausgebildeten Legebohrer (Ovipositor). Damit werden die Eier in die Erde oder in Pflanzenteile eingebohrt. Viele Arten besitzen dagegen nur einen stark zurückgebildeten Legeapparat. Diese Arten verscharren die Eier in geeignetem Substrat oder kleben sie in Gruppen von meist 20 bis 30 Eiern an beispielsweise Pflanzenteile an. Die Weibchen der mediterranen Randwanze Phyllomorpha laciniata kleben ihre Eier oft auf die Flügel der Männchen. Die Weibchen mancher Arten fügen den Eipaketen spezielle Ballen zu, in denen sich symbiotische Bakterien befinden. Die frisch geschlüpften Nymphen zum Beispiel der Kugelwanze Coptosoma scutellatum, saugen diese auf. Sie werden in einem besonderen Mitteldarmabschnitt gespeichert. Etliche Arten der Wanzen betreiben Brutpflege, wie beispielsweise die Fleckige Brutwanze (Elasmucha grisea). Die Eier werden von den Muttertieren bis zum Schlüpfen der Jungen und auch noch einige Zeit danach bewacht und zeitweise mit dem Körper bedeckt. Bei der tropischen Raubwanze Triatoma flavida besaugen die Jungtiere das Muttertier. Bei Gefahr wenden die Nymphen dem Angreifer ihren Hinterleibsrücken mit den Duftdrüsen entgegen.
Wanzen machen bei der Entwicklung vom Embryo zum erwachsenen Tier (Imago) meist fünf durch Häutungen getrennte Nymphenstadien ohne Puppenstadium durch. Damit sind Wanzen hemimetabol. Dabei werden die Nymphen dem ausgewachsenen Tier schrittweise immer ähnlicher.
Systematik der Wanzen
Die Systematik der Wanzen ist noch nicht abgeschlossen. Früher teilte man die Wanzen nach ihrer Lebensweise in die Gruppen Hydrocorisae (Wasserwanzen), Amphibiocorisae (Wasserläufer) und Geocorisae (Landwanzen). Inzwischen unterscheidet man 23 Unterfamilien in den folgenden sieben Teilordnungen (siehe Systematik der Wanzen):
- Cimicomorpha
- Dipsocoromorpha
- Enicocephalomorpha
- Gerromorpha
- Leptopodomorpha
- Nepomorpha
- Pentatomorpha
Wanzen als Schädlinge
Vor allem unter den Raubwanzen (Reduviidae) gibt es Überträger verschiedener Krankheiten, wie beispielsweise die Chagas-Krankheit, die unter anderem von Rhodnius-Arten übertragen wird. Zur Schadwirkung einiger Arten beim Menschen und ihrer Funktion als Krankheitsüberträger siehe Triatominae.
Einige wenige Wanzenarten können bei Massenauftreten Schäden an Kulturpflanzen anrichten. Die Bekanntesten sind beispielsweise der Spitzling (Aelia acuminata) an Getreide, die Beerenwanze (Dolycoris baccarum) an Beerenobst oder die Kohlwanze (Eurydema oleraceum) an Kohl.
Referenzen
- Ekkehard Wachmann: Wanzen beobachten - kennenlernen. J. Neumann - Neudamm, Melsungen 1989, ISBN 3-7888-0554-4
Literatur
- N. M. Andersen: The semiaquatic bugs (Hemiptera, Gerromorpha). Phylogeny, adaptations, biogeography and classification. (Entomonograph, vol 3). Scandinavian Science Press, Klampenborg 1982.
- Martin Mahner: Systema Cryptoceratorum Phylogeneticum (Insecta, Heteroptera). Stuttgart: E. Schweizerbart'sche Verlagsbuchhandlung, Zoologica Heft 143, ISBN 3-510-55029-3
- K. H. C. Jordan: Wasserwanzen. Die Neue Brehm-Bücherei, Leipzig 1950.
- R. T. Schuh, J. A. Slater: True bugs of the world (Hemiptera: Heteroptera). Classification and natural history. Cornell University Press, Ithaca 1995.
- Erwin Stresemann, Hans-Joachim Hannemann, Bernhhardt Klausnitzer, Konrad Senglaub: Exkursionsfauna von Deutschland, 3 Bde., Bd. 2, Wirbellose, Insekten., Gustav Fischer Verlag, 1999, ISBN 3-8274-0922-5
- Ekkehard Wachmann, Albert Melber, Jürgen Deckert: Wanzen
- Band 1: Dipsocoromorpha, Nepomorpha, Gerromorpha, Leptopodomorpha, Cimicomorpha, Tingidae, Anthocoridae, Cimicidae, Reduviidae. Goecke & Evers, Keltern 2006, ISBN 3-931374-49-1.
- Band 2: Cimicomorpha: Microphysidae, Miridae. Goecke & Evers, Keltern 2004, ISBN 3-931374-57-2.
- Band 3: Pentatomomorpha I: Aradidae, Lygaeidae, Piesmatidae, Berytidae, Pyrrhocoridae, Alydidae, Coreidae, Rhopalidae, Stenocephalidae. Goecke & Evers, Keltern 2007, ISBN 3-937783-29-6.
- Band 4: Pentatomomorpha II mit Pentatomoidea: Cydnidae, Thyreocoridae, Plataspidae, Acanthosomatidae, Scutelleridae, Pentatomidae. Goecke & Evers, Keltern 2008, ISBN 3-937783-36-9.
- Wolfgang Stichel: Illustrierte Bestimmungstabellen der deutschen Wanzen. Berlin 1925–1938.
- Wolfgang Stichel: Illustrierte Bestimmungstabellen der Wanzen – II. Europa. 4 Bände + 1 General-Index. Berlin 1955-1962.