Alkoholische Gärung


Bier als Produkt der alkoholischen Gärung
Übergeordnet
Glykolytische Gärung
Metabolismus der D-Glucose
Gene Ontology
QuickGO

Die alkoholische Gärung (Syn. Ethanol-Gärung, ethanolische Gärung) ist ein biochemischer Prozess, bei dem Kohlenhydrate, hauptsächlich Glucose, unter anoxischen Bedingungen zu Ethanol („Trinkalkohol“) und Kohlenstoffdioxid abgebaut werden. Die meisten Mikroorganismen (Mikroben) mit der Fähigkeit zur alkoholischen Gärung nutzen diesen Stoffwechselweg nur vorübergehend zur Energiegewinnung, wenn der zur normalen Zellatmung benötigte Sauerstoff fehlt.

Geschichte der Entdeckung

Der Mensch nutzte die alkoholische Gärung beispielsweise in der Bierherstellung oder der Weinherstellung seit Jahrtausenden, ohne die genauen biologischen Abläufe zu kennen. Im Jahr 1815 stellte der französische Chemiker Joseph Louis Gay-Lussac erstmals die Brutto-Reaktionsgleichung für den Abbau von Glucose zu Ethanol auf. Danach entwickelten sich verschiedene Ansichten über den Ablauf der Gärung. Während in den 1830er Jahren Jöns Jakob Berzelius und Justus von Liebig mit der „mechanistischen Gärungstheorie“ bestimmten Stoffen eine katalysierende Wirkung zuschrieben, konnten Charles Cagniard-Latour, Theodor Schwann und Friedrich Traugott Kützing unabhängig voneinander nachweisen, dass Lebewesen, nämlich Hefen, dafür verantwortlich sind.[1] Auch Louis Pasteur postulierte 1857 die „vitalistische Gärungstheorie“, derzufolge die alkoholische Gärung nur in Verbindung mit lebenden Zellen möglich sei. Diese Kontroverse wurde am 11. Januar 1897 von Eduard Buchner entschieden, mit einer Publikation über den Nachweis der alkoholischen Gärung mittels zellfreien Hefeextrakts. Er machte den Stoff Zymase – nach heutigem Wissen ein Gemisch verschiedener Enzyme – für die Umsetzung von Zucker zu Ethanol verantwortlich und erhielt 1907 den Nobelpreis für Chemie „für seine biochemischen Untersuchungen und die Entdeckung der zellfreien Gärung“. Nähere Untersuchungen durch Arthur Harden und William John Young führten zur Entdeckung eines phosphorylierten Zwischenprodukts: des Harden-Young-Esters, heute bekannt als Fructose-1,6-bisphosphat. Zusammen erhielten Harden und Hans von Euler-Chelpin 1929 für ihre „Forschung über die Zuckervergärung und deren Anteil der Enzyme an diesem Vorgang“ ebenfalls den Nobelpreis für Chemie. Nachdem Stück für Stück die Teilreaktionen aufgeklärt und Schemata für den Ablauf der Gärung entworfen wurden, identifizierte Otto Warburg den Cofaktor Nicotinamidadenindinukleotid (NADH) als essentiellen Bestandteil des Gärprozesses. Schon 1937 gelang Erwin Negelein und Hans Joachim Wulff die Kristallisation des Gärungsenzyms Alkoholdehydrogenase.[2]

Heute sind die an der Gärung beteiligten Enzyme aus verschiedenen Spezies isoliert und biochemisch charakterisiert (pH-Optimum, Temperaturoptimum, Reaktionsgeschwindigkeit, Umsatzrate). Die Kristallstrukturanalyse gewährte einen ersten Einblick in ihre molekulare Raumstruktur. Man hat Erkenntnisse über die Reaktionsmechanismen. Alles in allem ist man somit in der Lage, Vergleiche zwischen den Spezies zu ziehen [3][4]. Die entschlüsselten Gene, die die Baupläne für diese Enzyme enthalten, geben Aufschluss über die evolutionäre Herkunft und über ihre eventuelle ursprüngliche Funktion.

Die Rolle im Stoffwechsel

Die alkoholische Gärung wird vorwiegend von verschiedenen Hefearten zur Energiegewinnung genutzt. Steht Sauerstoff zur Verfügung, bauen sie Zucker durch Zellatmung ab und gewinnen so die zum Leben benötigte Energie. Die Zucker werden dabei durch eine lange Reihe enzymatischer Umsetzungen (Glykolyse - Oxidative Decarboxylierung - Citratzyklus - Atmungskette) unter Sauerstoffverbrauch vollständig zu Kohlenstoffdioxid und Wasser oxidiert. Steht kein Sauerstoff zur Verfügung, so haben die Hefen in der alkoholischen Gärung eine alternative Möglichkeit zur Energiegewinnung. Sie können aber damit – im Vergleich zur vollständigen Oxidation durch Zellatmung – wesentlich weniger Energie in Form von Adenosintriphosphat (ATP) aus Glucose gewinnen: Bei vollständiger Oxidation werden aus einem Molekül Glucose 38 Moleküle ATP gewonnen,[5] bei der alkoholischen Gärung nur 2 Moleküle ATP. Diese 2 ATP werden in der Glykolyse gewonnen, dem ersten Schritt in der Reaktionsfolge sowohl der Zellatmung als auch der Gärung. Die zwei weiteren Reaktionsschritte der Gärung und damit letztendlich die Ethanolproduktion dienen nicht der Energiegewinnung, sondern der Regeneration des Cofaktors NAD+, der von den Enzymen der Glykolyse verbraucht wird. Da NAD nur in begrenzten Mengen vorhanden ist, wird es durch die Gärungsenzyme aus dem reduzierten Zustand (NADH) durch Oxidation mit Acetaldehyd wieder in den oxidierten Zustand (NAD+) versetzt, der Acetaldehyd wird dabei zu Ethanol reduziert.

Hefen sind fakultative Anaerobier. Wenn Sauerstoff zur Verfügung steht, wird Glucose aerob verstoffwechselt. Unter Luftabschluss müssen Hefen dagegen die alkoholische Gärung betreiben. Da bei dieser weit weniger Energie erzeugt wird als durch die aerobe Atmung, steigt der Bedarf an Glucose stark an. Dieses Phänomen wird Pasteur-Effekt genannt. Wegen der eingeschränkten Energiegewinnung vermehren sich Hefen unter Luftabschluss weit weniger stark als bei Luftzutritt. Außerdem wirkt das entstehende Ethanol als Zellgift.

Es wurde auch schon Ethanolbildung bei Hefen beobachtet, obwohl genügend Sauerstoff vorhanden war. Das geschieht, wenn sie in einem überzuckerten Medium wachsen und die Enzyme der Zellatmung überlastet sind. Die Hefen nehmen ständig den Zucker auf und verwerten ihn neben der Zellatmung zusätzlich durch Gärung. Es handelt sich hierbei um den Crabtree-Effekt.[6]

Neben Hefearten betreiben auch manche Bakterien alkoholische Gärung.[7] So nutzt Sarcina ventriculi den gleichen enzymatischen Weg wie Hefe, während Zymomonas mobilis einen alternativen Weg beschreitet. Ebenso konnte in verschiedenen Pflanzen geringe Ethanolbildung bei Sauerstoffmangel nachgewiesen werden.[8]

Biochemische Grundlagen

Enzymatische Reaktionen

Ablauf der alkoholischen Gärung

Die ersten Schritte der alkoholischen Gärung sind die der Glykolyse. Bei Backhefe (S. cerevisiae) ist dies der Embden-Meyerhof-Parnas-Weg, während Zymomonas mobilis, ein Bakterium, den Entner-Doudoroff-Weg verwendet.[9] Hierbei wird ein Molekül D-Glucose zu zwei Molekülen Pyruvat umgesetzt. Bei S. cerevisiae entstehen hierbei zwei Moleküle Adenosintriphosphat (ATP) aus zwei Molekülen Adenosindiphosphat (ADP) und zwei Phosphatresten (Pi) durch Substratkettenphosphorylierung. Bei Z. mobilis wird nur ein Molekül ATP gebildet. Zusätzlich werden bei beiden Wegen zwei Moleküle NAD+ (Nicotinamidadenindinukleotid) zu zwei Molekülen NADH reduziert.

Damit die Glykolyse erneut ablaufen kann, muss NAD+ regeneriert werden. Dies geschieht unter anaeroben Bedingungen nun in der folgenden Gärungsreaktion. Von jedem Molekül Pyruvat wird ein Molekül Kohlenstoffdioxid durch das Enzym Pyruvatdecarboxylase (EC 4.1.1.1) abgespalten. Als Cofaktoren dienen bei dieser Reaktion Thiaminpyrophosphat, ein Verwandter des Vitamin B1, und zwei Magnesiumionen. Die Pyruvatdecarboxylase darf nicht mit der Pyruvatdehydrogenase E1 (EC 1.2.4.1) des Pyruvatdehydrogenase-Komplexes verwechselt werden, das beim aeroben Abbau von Pyruvat eine zentrale Rolle spielt.

Das in diesem Schritt entstehende Acetaldehyd ist für den Organismus sehr giftig und wird im folgenden Schritt sofort weiter umgesetzt. Das katalysierende Enzym Alkoholdehydrogenase (EC 1.1.1.1) enthält ein Zinkion (Zn2+), welches die Carbonylgruppe am Acetaldehyd polarisiert. Dadurch können zwei Elektronen und ein Proton vom NADH auf das Acetaldehyd übertragen werden, wodurch es zu Ethanol reduziert und NAD+ regeneriert wird. Sowohl die Glykolyse als auch die zwei Folgereaktionen finden im Zytoplasma der Zelle statt.

Die Netto-Reaktionsgleichung lautet für Bäckerhefe wie folgt:

$ \mathrm {C_{6}H_{12}O_{6}+2\ ADP+2\ P_{i}\longrightarrow 2\ C_{2}H_{5}OH+2\ CO_{2}+2\ ATP+2\ H_{2}O} $
Glucose, 2 Adenosindiphosphat und 2 Phosphat reagieren zu 2 Ethanol, 2 Kohlenstoffdioxid, 2 Adenosintriphosphat und 2 Wasser

Das Enzym Alkoholdehydrogenase stellt Ethanol durch Reduktion von Acetaldehyd her, katalysiert aber auch die Rückreaktion. Während der alkoholischen Gärung läuft zum größten Teil die Reduktion von Acetaldehyd zu Ethanol ab. Der entstandene Ethanol wird anschließend von den Zellen an die Umgebung abgegeben.

Die Oxidation von Ethanol zu Acetaldehyd dagegen findet beispielsweise bei der Entgiftung von Ethanol in der Leber statt. Acetaldehyd ist giftig und neben Fuselölen die Hauptursache für Kopfschmerz und Übelkeit nach heftigem Alkoholgenuss (der berühmte „Kater“). Acetaldehyd wird vom Enzym Acetaldehyddehydrogenase zu Essigsäure oxidiert.

Methanolabbau im Körper, katalysiert durch die Alkoholdehydrogenase (ADH)

Bei der alkoholischen Gärung durch Hefen entstehen als unerwünschte Nebenprodukte Methanol und Begleitalkohole wie Butanol, Amylalkohol und Hexanol. Ihre Bildung verläuft aber nicht auf dem hier beschriebenen Stoffwechselweg, sondern zum Beispiel über den Abbau von Aminosäuren. Im Körper wird Methanol vom Enzym Alkoholdehydrogenase zum sehr giftigen Formaldehyd oxidiert. Trinkt man viel minderwertigen Alkohol (mit hohem Methanolgehalt), so entsteht im Körper entsprechend viel Formaldehyd, das dann Proteine, wie die hochempfindlichen Sensoren im Auge, schädigt und im schlimmsten Fall zu Muskelkrämpfen, Erblindung und schließlich zum Tod führen kann.

Regulation

Die Regulation, also das Umschalten zwischen aerober Zellatmung und anaerober Gärung, ist ein aktuelles Forschungsthema. Man kann kein generelles Regulationsschema nach dem System 'Schalter umlegen, wenn es an X mangelt' aufstellen. So gibt es schon Unterschiede zwischen einzelnen Hefe-Stämmen, ganz zu schweigen von Pflanzen und Bakterien. Forscher sind jedoch dabei, das Rätsel zu entschlüsseln.[10] Eine Hauptrolle spielen der Sauerstoffgehalt und der Glucosespiegel.

Außerdem gibt es beispielsweise in S. cerevisiae zwei Gene für das cytosolische Enzym Alkoholdehydrogenase und dadurch zwei leicht unterschiedliche Enzyme, ADH1 und ADH2. Beide Enzyme können Acetaldehyd in Ethanol umsetzen und umgekehrt. Durch kleine Unterschiede in ihrer Molekularstruktur geschieht dies mit unterschiedlicher Geschwindigkeit. ADH1 kann schneller Ethanol aufbauen, während ADH2 schneller Ethanol abbaut. Das Vorhandensein der Enzyme wird durch Transkriptionsfaktoren reguliert, die das Ablesen des jeweiligen Gens steuern.[11] ADH1 zum Ethanolaufbau ist ständig vorhanden. Fällt der Glucosespiegel drastisch ab, so wird das Enzym ADH2 hergestellt, das Ethanol zur Energiegewinnung abbauen kann (wenn Sauerstoff vorhanden ist) und damit die Hefe am Leben erhält. Hefe kann also Ethanol aufbauen, wenn genügend Zucker vorhanden ist und diesen Ethanol später selbst wieder abbauen, wenn sie dringend Energie benötigt. Evolutionär gesehen hat sie damit einen Vorteil: sie vergiftet alle Nahrungskonkurrenten mit Ethanol und verarbeitet diesen anschließend selbst wieder. Die Entstehung der beiden Gene für ADH1 und ADH2 ist vermutlich auf Genduplikation eines gemeinsamen Ursprungsgenes zurückzuführen. In anderen Spezies gibt es auch mehr als zwei Alkoholdehydrogenasen.

Energiebilanz

Da unter anoxischen Bedingungen die Zellatmung mit Atmungskettenphosphorylierung von ADP zu ATP nicht arbeitet, ist die einzige Energiequelle für Hefe unter diesen Bedingungen die Glykolyse mit ATP-Bildung durch Substratphosphorylierung. Sie liefert pro Molekül Glucose 2 Moleküle ATP. Im Vergleich dazu würde die Zellatmung 38 Moleküle ATP produzieren.
Würde der Abbau von Glucose beim Pyruvat stoppen, so käme der Prozess bald zum Erliegen, da durch den NAD+-Verbrauch in der Glykolyse ein NAD+-Mangel eintreten würde. NAD+ liegt in der Zelle nur in Spuren vor und muss ständig regeneriert werden. Dazu wird in der alkoholischen Gärung Pyruvat decarboxyliert und der dadurch entstandene Acetaldehyd mit NADH zu Ethanol reduziert, wobei NADH zu NAD+ oxidiert wird. Nimmt man die gesamte Reaktionsfolge von der Glucose bis zum Ethanol, so entsteht kein energiereiches NADH.
Betrachtet man den Kohlenstoff, so verändert sich jedoch seine Oxidationszahl von 0 (in Glucose) einmal zu +4 (Kohlenstoffdioxid) und zweimal zu -2 (Ethanol). Damit ist die alkoholische Gärung eine Disproportionierung, ein Sonderfall der Redoxreaktionen.

Die Änderung der Freien Energie beträgt unter Standardbedingungen, jedoch pH 7 statt 0, bei der alkoholischen Gärung ΔG0' = - 218 kJ je Mol Glucose, bei der Zellatmung - 2822 kJ je Mol Glucose. Als Standardbedingungen wurden vereinbart: Temperatur 25 °C, Druck 1,013 bar, Konzentration der an der Umsetzung beteiligten Stoffe (Reaktanten) 1 mol/L mit Ausnahme der von Wasser, für die 55,6 mol/L (reines Wasser) vereinbart ist, und der von Gasen, für die eine Konzentration im Lösungsgleichgewicht mit einem Partialdruck von 1 bar in der Gasphase vereinbart ist. Bei biologischen Systemen wird allerdings für die H+-Ionen-Konzentration nicht die von Lebewesen nicht tolerierte Konzentration 1 mol/L entsprechend pH 0, sondern 10−7 mol/L entsprechend pH 7 vereinbart. Weichen die tatsächlichen Bedingungen von diesen Standardbedingungen ab, so ist auch der Betrag der Änderung der Freien Energie ein anderer, er kann erheblich vom Standardwert abweichen. In lebenden Systemen sind Standardbedingungen in der Regel nicht gegeben und ändern sich oft auch während der Stoffumsetzung. Der Betrag der Änderung der Freien Energie unter Standardbedingungen bietet also bei Lebewesen lediglich einen Anhaltspunkt für die bei einer chemischen Stoffumsetzung frei werdende Energie.

Andere Substrate

β-D-Fructose
β-D-Galactose
Saccharose

Neben Glucose können auch andere Einfachzucker durch die Glykolyse und damit auch durch die alkoholische Gärung verarbeitet werden. Jedoch haben die meisten Hefen eine besondere Affinität zu Glucose (sie sind „glucophil“), so dass z.B. bei der alkoholischen Gärung von Traubenmost, der Glucose und Fructose in gleichen Teilen enthält, bevorzugt die Glucose abgebaut wird. Ist der fertige Wein dann noch restsüß, d.h. ist nicht aller Zucker zu Alkohol abgebaut worden, besteht der Großteil des verbliebenen Zuckers aus Fructose. Dies ist insbesondere für Diabetiker von Interesse.

D-Fructose kann zum einen von einer Hexokinase, dem ersten Enzym der Glykolyse, ebenso wie Glucose phosphoryliert und damit in die Glykolyse eingeschleust werden. Auf einem alternativen Weg wird die Fructose von dem Enzym Fructosekinase zu Fructose-1-phosphat umgesetzt, welches von der Fructose-1-phosphataldolase weiter zu Dihydroxyacetonphosphat abgebaut wird. Dieses findet wiederum direkt in der Glykolyse Verwendung.

D-Galactose kann über die Zwischenstufen Galactose-1-phosphat und UDP-Galactose in Glucose umgewandelt werden, die wie gewohnt in die Glykolyse fließt.

Neben Einfachzuckern können auch Zweifachzucker verarbeitet werden, sofern Enzyme vorhanden sind, die sie in ihre Bestandteile aufspalten. So wird Saccharose von der Invertase in ihre Bestandteile Glucose und Fructose zerlegt, die wie bereits beschrieben in die Glykolyse eingehen. Ebenso wird mit Lactose verfahren, die von dem Enzym β-Galaktosidase in Galaktose und Glucose gespalten wird. Gleiches gilt für Polysaccharide. Um etwa Stärke aus Getreide zu nutzen, werden die Samen zum Keimen gebracht. Das pflanzeneigene Enzym Amylase spaltet die Stärke in Maltose, welche wiederum von der Hefe verarbeitet werden kann.

Alternativer Weg

Das Bakterium Zymomonas mobilis ist ebenfalls in der Lage, aus Glucose Ethanol zu produzieren. Allerdings nutzt es dafür nur einen Teil des oben beschriebenen Stoffwechselweges. Statt durch Glykolyse wird die Glucose hier durch den Entner-Doudoroff-Weg zu Pyruvat und Glycerinaldehyd-3-phosphat abgebaut.[12] Das Glycerinaldehyd-3-phosphat kann in die Glykolyse eingeleitet und ebenfalls zu Pyruvat abgebaut werden. Die letzten beiden Schritte der alkoholischen Gärung entsprechen denen bei Hefen. Damit kann aus einem Molekül Glucose nur 1 Molekül ATP gewonnen werden. Die Gärung läuft auf diesem Weg aber schneller, als über den von Hefen genutzten und erzielt eine höhere Ausbeute. Z. mobilis wird zur Herstellung von Pulque aus Agavensaft eingesetzt.

Gärungsnebenprodukte

Gärungsnebenprodukte oder alkoholische Begleitstoffe entstehen neben Ethanol und Kohlendioxid bei der alkoholischen Gärung. Einige dieser Nebenprodukte werden auch als Fuselöle bezeichnet.[13]

Sie können selbst bei Vergären einer reinen Glucoselösung festgestellt werden. Beim Bierbrauen zeigt der Geschmacksunterschied zwischen Würze und Jungbier oder Bier an, dass Gärungsnebenprodukte entstanden sind. Sie enthalten beispielsweise höhere Alkohole wie n-Propanol, i-Butanol, 2-Methylbutanol-1, 3-Methylbutanol-1 und aromatische Alkohole wie 2-Phenylethanol, Tyrosol oder Tryptophol. Daneben treten Ester wie Ethylacetat, Phenylacetat und i-Amylacetat auf. Auch Carbonylverbindungen wie Aldehyde, etwa Acetaldehyd, Propanal, Butanal oder Furfural sowie Ketone und Diketone.

Schwefelverbindungen wie H2S, SO2, Ethylmercaptan und Methylmercaptan treten in kleinen Mengen auf.

Weiterhin finden sich Organische Säuren wie Essigsäure, Milchsäure, Brenztraubensäure, 2-Acetolactat und Fettsäuren (C4-C12)

Auch mehrwertige Alkohole wie Glycerin, 2,3-Butandiol und 2,3-Pentandiol kommen als Gärungsnebenprodukte vor.

Bei den aufgeführten Stoffen handelt es sich um die wichtigsten Vertreter der einzelnen Gruppen.

Natürliches Auftreten

Überall in der Natur findet man Mikroorganismen. So ist auch Obst überzogen mit Bakterien und Hefen, die man durch einfaches Waschen nicht komplett entfernen kann. Liegt Obst nach der Ernte länger in warmer Umgebung, vermehren sich diese Mikroorganismen. Sie bauen Zellstrukturen ab und dringen auch ins Innere der besiedelten Frucht ein. Man nimmt das beispielsweise als weiche Stelle oder braunen Fleck auf einem Apfel wahr. Während dieses Zersetzungsprozesses kann es stellenweise, besonders im Inneren der Frucht, zu Sauerstoffmangel kommen. Die dort arbeitenden Hefen stellen dann ihren Stoffwechsel auf alkoholische Gärung um. So ist es möglich, dass verderbende Früchte Alkohol enthalten.

Bis ins 20. Jahrhundert wurden bei der Weinherstellung keine zusätzlichen Hefen zugegeben. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts war nicht einmal bekannt, dass es Hefen sind, die den Alkohol erzeugen. Man nutzte einfach die natürliche Begebenheit, dass zuckerhaltige Flüssigkeiten nach einiger Zeit begannen, Alkohol zu bilden. Bei der Weinherstellung wird das teilweise auch heute noch der Natur überlassen. Nach dem Pressen von Trauben zu Maische verteilen sich die ursprünglich auf den Schalen sitzenden Hefen in der Flüssigkeit und beginnen mit der Spontangärung. Ohne Zusatz von Reinzuchthefe dauert das zwar etwas länger, da die Konzentration der natürlichen Hefe anfangs sehr gering ist, jedoch erhält der Wein dadurch eine individuellere Note. Die Hefestämme unterscheiden sich je nach Anbaugebiet der Trauben, was dazu führt, dass man auf diese Weise hergestellten Wein geschmacklich seinem Anbaugebiet zuordnen kann. Häufig vorkommende Hefearten sind Kloeckera apiculata und Saccharomyces exiguus. Verlässt sich der Winzer auf die natürlichen Hefen, läuft er allerdings Gefahr, dass andere auch auf der Traubenschale lebenden Hefen und Bakterien während des Herstellungsprozesses überhandnehmen und die Maische verderben. Seit langem werden deswegen verschiedene Hefestämme gezielt gezüchtet, um für jeden Wein sein typisches Aroma zu erzeugen. Diese Reinzuchthefen bestehen nur aus einem Hefestamm und sind oft auf eine Traubensorte spezialisiert. Seit man die Gefriertrocknung zur Konservierung von Hefen nutzen kann, sind solche Reinzuchthefen ohne weiteres in großen Mengen käuflich, viele Monate haltbar und einfach zu handhaben. Setzt man sie gleich zu Anfang der Gärung zu, so steigt der Alkoholspiegel schnell an und die schädlichen Mikroorganismen sterben ab.

Nutzung durch den Menschen

Getränke

Sudkessel in einer Bierbrauerei zur Bereitung der Maische.
Holzbottiche traditionelle Gärbehälter für die Maischegärung bei der Rotweinherstellung.
Gärtanks aus Edelstahl in einer Weinkellerei.

Es gibt eine unüberschaubare Vielzahl alkoholischer Getränke, deren Alkoholgehalt immer auf alkoholische Gärung zurückgeht. Voraussetzung ist ein zuckerhaltiger Ausgangsstoff.

Bier
Beim Bier ist das die Maische. Das beim Bierbrauen als Ausgangsstoff eingesetzte Getreide enthält viel Stärke. Man bringt das Getreide zum Keimen, wobei die Stärke von pflanzeneigenen Enzymen in Maltose (Malzzucker) gespalten wird. Das so durch Verzuckerung der Stärke veränderte Getreide wird als Malz bezeichnet, dessen Enzyme nach ausreichender Verzuckerung der Stärke durch Erhitzen zerstört werden. Das Erhitzen bezeichnet man als „Darren“, das Produkt als „Darrmalz“. Das Darrmalz wird zusammen mit Hopfen in Wasser erhitzt, wodurch die Maltose gelöst wird. Diese als Maische bezeichnete Mischung wird vom größten Teil der darin befindlichen ungelösten Stoffe befreit, mit Hefe versetzt und dadurch zum Gären gebracht. Dabei wird die Maltose von der Brauhefe (S. cerevisiae, Saccharomyces uvarum = obergärig, Saccharomyces carlsbergensis = untergärig) zu Ethanol und Kohlenstoffdioxid abgebaut. Das entstehende Ethanol verbleibt im Bier, das Kohlenstoffdioxid teilweise.
Wein
Als Grundstoff für die Herstellung von Wein dient zuckerhaltiger Traubensaft. Die Weinhefe kann bei einer Zuckerkonzentration bis 250 g pro Liter gären, darüber hinaus ist der osmotische Druck zu groß und das Wasser wird aus den Hefezellen gezogen. Um das Wasser möglichst lange in den Zellen zu halten, produziert die Hefe kompatible Solute, hauptsächlich Glycerin. Die Hefe kann Zucker bis zu einem Alkoholgehalt von bis zu 23 % vergären, bei höheren Gehalten stirbt sie ab, da Ethanol ein Zellgift ist. Der genaue Grenzwert ist abhängig von der Hefe und liegt zwischen 5 % und 23 %. Der Ethanolgehalt schützt den Wein schon während der Gärung vor Schimmelpilzen und anderen unerwünschten Mikroorganismen. Gegen Ende wird die Gärung oft unter Luftabschluss in reduktivem Zustand gehalten, damit Acetaldehyd in Ethanol und Kohlenstoffdioxid hydriert wird. Dabei soll eine Oxidation der Aromen und die Weiteroxidation des Ethanol zu Essigsäure durch Bakterien verhindert werden. Hierbei entweicht Kohlenstoffdioxid.[14]
Schaumwein
Grundlage für die Herstellung von Schaumwein ist eine zweite alkoholische Gärung. Dafür wird Grundwein mit Restzuckergehalt von höhervergärenden Hefestämmen (Saccharomyces bayanus) vergoren, die auch als Nachgär-, Sekt- oder Champagnerhefen bezeichnet werden.[15] Während dieser zweiten Gärung erhöht sich der Alkoholgehalt des Weins. Zudem bildet sich Kohlenstoffdioxid, das in der Flüssigkeit verbleibt.[16]
Hefen
Für die Produktion von alkoholischen Getränken nutzt man Reinzuchthefen. Je nach Gärungsbedingungen wählt man einen geeigneten Hefestamm aus um das gewünschte Ergebnis zu erhalten. Zum Schutz hitzesensibler Inhaltsstoffe kann man die Gärung durch Kaltgärhefe bei niedrigen Temperaturen (15–20 °C) durchführen. Für Portwein und Sherry werden alkoholtolerante Hefen eingesetzt, die einen Alkoholgehalt bis 16 % erreichen. Zum Abschluss der Gärung wird mit Neutralalkohol der endgültige Alkoholgehalt eingestellt. Neu auf dem Markt sind sogenannte Turbohefen. Sie haben eine noch höhere Alkoholtoleranz und schaffen unter optimalen Bedingungen bis zu 20 %. Dafür reicht allerdings reiner Fruchtsaft als Ausgangsstoff nicht aus. Es muss Zucker zugegeben werden. Turbohefen werden meist eingesetzt um relativ geschmacklosen Alkohol zu erzeugen, der später durch Destillation (Brennen) konzentriert wird. Sie kommen beispielsweise bei der Wodkaproduktion zum Einsatz. Sie zur Herstellung von Obstbränden zu nutzen, ist nicht erlaubt, da laut Gesetz dem Grundstoff für einen Obstbrand kein Zucker zugesetzt werden darf.
Hochprozentige
Alle Getränke, die einen Alkoholgehalt über 20 % aufweisen, erhielten diesen durch Destillation (Brennen), durch Mischen mit Neutralalkohol, der wiederum durch Destillation aus vergorenen Rohstoffen entstand, oder durch Ausfrieren von Wasser.

Weitere Lebensmittel

Kefirknollen - eine Gemeinschaft aus Bakterien und Hefen

Eine der wichtigsten Anwendungsgebiete ist die Bäckerei. Backhefe (S. cerevisiae) wird bei der Herstellung beinahe aller Brot- und Brötchensorten sowie von traditionellem Kuchen mit Hefeteig zur Teigauflockerung verwendet. Während der Teig „geht“, entsteht durch alkoholische Gärung das Gas Kohlenstoffdioxid, welches sich fein im Teig verteilt und dessen Volumen beträchtlich vergrößern kann. Das entstandene Ethanol wird beim anschließenden Backprozess, zu dessen Beginn die Hefe auf Grund der hohen Temperaturen abstirbt, verdampft.

Ein alkoholhaltiges Lebensmittel ist der aus Milch gemachte Kefir. Zu seiner Herstellung dienen Kefirknollen, eine Mischung aus verschiedenen Arten symbiotisch lebender Hefen und Bakterien. Die in der Milch enthaltene Lactose wird von den Bakterien über Milchsäuregärung zu Milchsäure und von den Hefen über alkoholische Gärung zu Ethanol abgebaut. Kefir hat einen Alkoholgehalt von unter einem Prozent. Bei asiatischen Steppenvölkern wird traditionell Kumys, vergorene Stutenmilch, getrunken.

Industrie

Zu Zeiten von Rohstoffknappheit und bei absehbarer Erschöpfung der Erdölvorräte gewinnt Ethanol als Fahrzeugtreibstoff stark an Bedeutung. Außerdem wird er in vielen technischen Verfahren benutzt, ist Ausgangsstoff für chemische Synthesen oder dient zur Desinfektion. Dieser Ethanol wird ebenfalls durch alkoholische Gärung von Hefe hergestellt. Grundstoffe sind hier billige Getreide oder Kartoffeln, deren Stärke erst durch großtechnisch hergestellte Enzyme zu Zucker gespalten wird. Auch hier kann durch Gärung ein maximaler Alkoholgehalt von 23 % nicht überschritten werden. Die anschließende Kolonnen-Destillation liefert einen Gehalt von 96 % (Azeotrop). Da auf diese Weise hergestellter Alkohol genießbar wäre, unterliegt auch er in Deutschland der Branntweinsteuer. Eine Ausnahme macht der zur Treibstoffproduktion eingesetzte Ethanol, der strengsten behördlichen Kontrollen unterliegt. Ebenfalls keine Branntweinsteuer muss auf vergällten Ethanol gezahlt werden. Man setzt in geringem Umfang Methylethylketon und andere Stoffe zu, die ihn ungenießbar machen und schließt damit den Genuss aus.

Einzelnachweise

  1. Racker, E. (1974): History of the Pasteur effect and its pathobiology. In: Mol Cell Biochem. 5(1–2); 17–23; PMID 4279327; doi:10.1007/BF01874168
  2. E. Negelein, H.J. Wulff: Diphosphopyridinproteid, Alkohol, Acetaldehyd. in: Biochemische Zeitschrift. Springer, Berlin 293.1937, S. 352-389. ISSN 0366-0753
  3. W. Furey u. a.: Structure-function relationships and flexible tetramer assembly in pyruvate decarboxylase revealed by analysis of crystal structures. in: Biochimica et biophysica acta (BBA). Springer, Berlin 1385.1998,2, S. 253-270. ISSN 0167-4889; PMID 9655915.
  4. H. Eklund u. a.: Crystallographic investigations of alcohol dehydrogenases. in: EXS. Birkhäuser, Berlin 71.1994, S. 269-277. ISSN 1023-294X; PMID 8032158.
  5. P.C.Hinkle: P/O ratios of mitochondrial oxidative phosphorylation. in: Biochimica et biophysica acta (BBA). Springer, Berlin 706.2005,1-2, S.1-11 ISSN 0167-4889; PMID 15620362.
  6. J.P. van Dijken, RA Weusthuis, JT Pronk: Kinetics of growth and sugar consumption in yeasts. in: Antonie Van Leeuwenhoek. International journal of general and molecular microbiology. Springer Dordrecht 63.1993, 3-4, S. 343-352. ISSN 0003-6072; PMID 8279829.
  7. K. Tonomura : Ethanol fermentation in bacteria. in: Seikagaku. The journal of Japanese Biochemical Society. Gakkai, Tokyo 59.1987,10, S. 1148-1154. ISSN 0037-1017
  8. Kimmerer, McDonald: Acetaldehyde and Ethanol Biosynthesis in Leaves of Plants.] in: Plant Physiology. Rockville Md 84.1987,4, S. 1204–1209; PMC 1056752 (freier Volltext, PDF).
  9. Katharina Munk (Hrsg.): Taschenlehrbuch Biologie: Mikrobiologie. Thieme Verlag Stuttgart 2008, ISBN 978-3-13-144861-3, S. 378–379.
  10. J. Piskur u. a.: How did Saccharomyces evolve to become a good brewer? in: Trends in Genetics. Elsevier, Amsterdam 22.2006,4, S. 183-186. ISSN 0168-9525; PMID 16499989.
  11. J. Blom, M.J. De Mattos, L.A. Grivell: Redirection of the Respiro-Fermentative Flux Distribution in Saccharomyces cerevisiae by Overexpression of the Transcription Factor Hap4p.] in: Applied and environmental microbiology. Washington DC 66.2000,5, S. 1970-1973. ISSN 0099-2240; Volltext pdf.
  12. T. Conway: The Entner-Doudoroff pathway, history, physiology and molecular biology. in: Federation of European Microbiological Societies. Blackwell, Oxford 9.1992,1, S. 1-27. ISSN 0168-6445; PMID 1389313.
  13. Lebensmittel-Lexikon, herausgegeben von Waldemar Ternes. books.google.de. Abgerufen am 19. November 2009.
  14. Helmut Hans Dittrich, Manfred Großmann: Mikrobiologie des Weines. 3. Aufl., Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart 2005, S.39
  15. Helmut Hans Dittrich, Manfred Großmann: Mikrobiologie des Weines. 3. Aufl., Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart 2005, S.22
  16. Helmut Hans Dittrich, Manfred Großmann: Mikrobiologie des Weines. 3. Aufl., Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart 2005, S.42

Literatur

  • Gerolf Annemüller, Hans J. Manger, Peter Lietz: Die Hefe in der Brauerei. Hefemanagement- Kulturhefe - Hefereinzucht - Hefepropagation im Bierherstellungsprozess. Versuchs- u. Lehranstalt f. Brauerei (VLB), Berlin 2005, ISBN 3-921690-50-1.
  • Ernst E. Bruchmann: Angewandte Biochemie. Lebensmittelchemie, Gärungschemie, Agrarchemie. Ulmer, Stuttgart 1976, ISBN 3-8001-2301-0 (etwas veraltet).
  • Helmut Hans Dittrich, Manfred Großmann: Mikrobiologie des Weines. 3. Aufl., Ulmer, Stuttgart 2005, ISBN 978-3-8001-4470-9.
  • Adam Maurizio: Geschichte der gegorenen Getränke. Sändig 1993 (Repr.), ISBN 3-253-02199-8.
  • Lubert Stryer: Biochemie. 6. Aufl., Spektrum, Heidelberg 2007, ISBN 978-3-8274-1800-5.

Weblinks