Elasmotherium
- Seiten, die die Expansionstiefe überschritten haben
- Seiten mit Skriptfehlern
- Wikipedia:Kladefehler
- Nashörner
- Rhinocerotidae
- Ausgestorbenes Säugetier
- Wikipedia:Artikel-Feedback Grundstock
Elasmotherium | ||||||
---|---|---|---|---|---|---|
Schädel von Elasmotherium sibiricum im Museum für Naturkunde Berlin | ||||||
Zeitliches Auftreten | ||||||
Oberes Pliozän bis Mittelpleistozän | ||||||
3,6 Mio. Jahre bis 50.000 Jahre | ||||||
Fundorte | ||||||
Nordeurasien: Schwarzmeergebiet, Zentralasien, nördliches China | ||||||
Systematik | ||||||
| ||||||
Wissenschaftlicher Name | ||||||
Elasmotherium | ||||||
Fischer, 1808 | ||||||
Arten | ||||||
|
Elasmotherium war eine Gattung der Nashörner, die im Pliozän und Pleistozän im nördlichen Eurasien vorkam und zur Gruppe der Elasmotheriini gehört, einer Form von Nashörnern mit nur einem Horn auf der Stirn. Sie überlebte mindestens bis zum Beginn des Jungpleistozäns und starb vermutlich in der ersten Hälfte der letzten Kaltzeit vor rund 50.000 Jahren aus. Der Name setzt sich aus den griechischen Bezeichnungen für elasmos (Platte) und therion (Tier) zusammen und bezieht sich auf die besondere Struktur der Zähne.
Merkmale
Elasmotherium gehört zu den am wenigsten untersuchten fossilen Nashorngattungen.[1] Insgesamt handelte es sich um sehr robuste und große Nashörner. Die Gliedmaßen waren im Verhältnis zum Körper relativ lang.[2] Die Vorderbeine endeten wie bei den rezenten Nashörnern in je drei Zehen (Metacarpus II - IV), wobei die mittlere am größten war. Ein vierter Zeh (Metacarpus V) war lediglich rudimentär ausgebildet. Auch die Hinterbeine besaßen je drei Zehen. Der weitere Körperbau war relativ kräftig: So erreichten die Dornfortsätze an den Brustwirbeln, an denen die massive Muskulatur zur Stabilisierung des Kopfes ansetzte, Längen von über 50 cm.[3][4]
Der Schädel war ebenfalls sehr massiv und groß mit einem robusten Unterkiefer. Er besaß ein breites und lang gezogenes Hinterhauptbein mit einem stark ausgebildeten Knochenkamm und ein schlankes Nasenbein, wodurch er in der Aufsicht deutlich keilartig erschien. Das stark gewinkelte Hinterhaupt bewirkte, dass das Tier den Kopf schräg nach unten hielt, ähnlich wie es heute beim Breitmaulnashorn (Ceratotherium simum) der Fall ist.[5][6] Weiterhin ist die Nasenscheidewand in erwachsenen Tieren vollständig verknöchert. Dieses Merkmal kommt bei den heute lebenden Nashornarten nicht vor und ist fossil sonst nur beim Wollnashorn (Coelodonta antiquitatis) bekannt. Da die beiden Gattungen nicht in direkter Linie miteinander verwandt sind, muss sich dieses Charakteristikum unabhängig voneinander entwickelt haben (konvergente Evolution).[3][7]
Markant war eine dom- oder kuppelartige Erhöhung auf dem Stirnbein, die den Schädel um rund 15 cm überragte und einen Durchmesser von 25 bis 35 cm hatte. Diese Erhöhung stellte einerseits die Hornbasis dar, andererseits diente sie als Erweiterungsraum für die Geruchsorgane, um das Auffinden der Nahrung zu erleichtern.[8][3] Das aus Keratin bestehende Horn selbst muss sehr groß gewesen sein, aufgrund fehlender Weichteilüberlieferung ist über seine Form und seinen Aufbau nichts bekannt. Die Hornlage auf der Stirn unterscheidet es deutlich von den rezenten einhörnigen Nashörnern, wie dem Panzernashorn (Rhinoceros unicornis), die ihr Horn auf der Nase tragen.[5]
In jüngerer Zeit ist es gelungen, anhand des Schädels zumindest für die späten Vertreter von Elasmotherium einen Sexualdimorphismus nachzuweisen. So zeichneten sich Kühe allgemein durch einen schlankeren Schädelbau aus, mit einem weniger stark ausgeprägten Hinterhauptskamm. Weiterhin war die kuppelartige Schädelerhöhung weniger prominent.[9][3]
Auch das Gebiss von Elasmotherium zeigte charakteristische Eigenschaften, da es stark reduziert war und lediglich aus zwei Vorbackenzähnen und drei Backenzähnen je Kieferbogen bestand. Entsprechend lautet die Zahnformel für das Dauergebiss: $ {\frac {0.0.2.3.}{0.0.2.3.}} $. Das Vorhandensein der Alveolen der Schneidezähne im allerdings rudimentären Zustand lässt annehmen, dass Schneidezähne im Milchgebiss der Jungtiere noch ausgebildet waren. Das Fehlen der Schneidezähne im Dauergebiss wurde durch flache plattenartige Knochenbildungen am Ober- und Unterkiefer ausgeglichen, die möglicherweise lippenartige Bildungen darstellten und als Organ zum Zupfen von Gras gedeutet werden, ähnlich wie es bei den rezenten afrikanischen Nashörnern der Fall ist.[5][3] Bemerkenswert sind die Molaren, die eine deutlich rechteckige Form mit markant gefaltetem Zahnschmelz besaßen, wobei die Faltenlinien bei den jüngeren Vertretern zusätzlich noch einen sinusförmigen Verlauf aufwiesen. Die starke Faltung führte zur Namensgebung der Gattung. Zudem waren die Molaren äußerst hochkronig und wurzellos. Die extreme Hochkronigkeit ist die stärkste bisher bekannte Spezialisierung in der Familie der Nashörner und der Ordnung der Unpaarhufer und wird lediglich von einigen Vertretern der Nagetiere übertroffen.[10][11][3]
Lebensweise
Elasmotherium bewohnte in erster Linie Steppen und Flachlandgebiete. Man folgert dies vor allem aus den langen Beinen, der Schräghaltung des Kopfes und den hochkronigen Zähnen mit dem stark gefalteten Zahnschmelz. Diese Zahnmerkmale sind eine Anpassung an Grasnahrung. Da Gras wenig Nährstoffe enthält, muss ein Tier dementsprechend mehr fressen, was den Abrieb der Zähne beschleunigte und so hohe Zahnkronen erforderlich machte, während der gefaltete Zahnschmelz der in den Gräsern enthaltenen harten Kieselsäure entgegenwirkte.[6] Allerdings kam die Nashorngattung vor allem in ihrem nördlichen Verbreitungsareal im wasserreichen Südsibirien auch in den Auwäldern der Flussufer oder an Seeufern vor. Dort ernährte sie sich offensichtlich von Sumpfpflanzen, die mitsamt der Erde aus dem Boden gerissen wurden.[12][3]
Über die weitere Lebensweise kann nur wenig ausgesagt werden. Die Lage des Horns auf der Stirn lässt vermuten, dass es nicht oder nur in geringem Maße in Dominanz- oder Territorialkämpfen eingesetzt wurde, im Gegensatz zu heutigen Nashörnern. Da sich bei heutigen Nashörnern das (größere) Horn auf der Nase befindet, kann es wesentlich effektiver verwendet werden, da über die Nackenmuskulatur bei der Bewegung des Kopfes mehr Kraft auf das Horn übertragen werden kann. Deshalb geht man davon aus, dass Kämpfe zwischen einzelnen Elasmotherien hoch ritualisiert waren. Darüber hinaus konnte das Horn aufgrund seiner Lage kaum zur Nahrungssuche eingesetzt werden, wie es bei heutigen Nashörnern teilweise der Fall ist.[5]
Systematik und Ursprung
|
Gegenwärtig werden drei Arten aus der Gattung Elasmotherium anerkannt. Dazu gehören das weitgehend oberpliozäne Elasmotherium chaprovicum, das im Altpleistozän auftretende Elasmotherium caucasicum und das vom Mittel- bis Jungpleistozän lebende Elasmotherium sibiricum. Chow Mingzhen beschrieb 1958 mit Elasmotherium peii und Elasmotherium inexpectatum zwei weitere eigenständige Arten anhand von einzelnen Zähnen, die in den 30er und 40er Jahren des vergangenen Jahrhunderts von Teilhard de Chardin in Nordchina gesammelt wurden. Heute werden beide Arten zu Elasmotherium caucasicum gestellt, da neuere Analysen an den Zähnen und an den vorher nicht näher dokumentierten Langknochen keine Abgrenzungsmöglichkeiten zu dieser Art ergaben.[12][2]
Die Gattung Elasmotherium erschien erstmals im späten Pliozän Asiens und geht auf Sinotherium oder ähnliche Nashörner des Miozäns und unteren Pliozäns zurück. Beide Gattungen bilden eine Klade, die – zusammen mit ihrer Schwesterklade Parelasmotherium und Ningxiatherium und dem weiter außen stehenden Iranotherium – zur Tribus der Elasmotheriini gehört, die meistens der Unterfamilie Rhinocerotinae,[14] von einigen Wissenschaftlern aber auch einer eigenständigen Unterfamilie, den Elasmotheriinae, zugewiesen wird.[15][1] Alle genannten Nashörner zeichnen sich durch einen großen Körperbau, einer Tendenz zur Hochkronigkeit der Zähne mit stark gefaltetem Zahnschmelz und einer fehlenden vorderen Bezahnung aus. Diese Merkmale waren bei den frühen Vertretern der Elasmotheriini im mittleren Miozän noch nicht ausgebildet und kristallisierten sich erst im späten Miozän und frühen Pliozän heraus.[15] Dabei gehen diese Veränderungen, insbesondere die zunehmende Körpergröße und die Zahnmorphologie, mit einer stärkeren Ausbreitung offener Landschaften und der damit verbundenen Nahrungsumstellung auf Gräser einher.[11][16]
Weitere allgemeine Charakteristika der Elasmotheriini sind die Ausbildung eines Horns auf der Stirn (Frontalhorn) und die verknöcherte Nasenscheidewand. Allerdings wiesen nicht alle Vertreter dieser Nashorngruppe diese Merkmale auf. So sind am Schädel von Sinotherium keine Ansatzstellen für ein Frontalhorn oder ein Nasalhorn erkennbar, so dass diese Hörner entweder sehr klein oder nicht vorhanden waren. Dagegen weisen Ningxiatherium und Parelasmotherium wiederum ein Horn auf. Ningxiatherium besitzt des Weiteren eine allerdings nur im vorderen Teil verknöcherte Nasenscheidewand, während dies bei Parelasmotherium nicht der Fall ist (bei Sinotherium lässt sich dieses Merkmal aufgrund der fragmentarischen Schädelerhaltung nicht feststellen). Gerade das Merkmal der partiellen und vollständigen Verknöcherung der Nasenscheidewand ist eine deutliche Parallele zur Entwicklung der eng verwandten Gattungen Stephanorhinus mit dem Steppen- und dem Waldnashorn (Stephanorhinus hemitoechus und Stephanorhinus kirchbergensis) und Coelodonta mit dem Wollnashorn während des Pleistozäns.[1] Eine weitere Parallele ist schließlich die zunehmende Hochkronigkeit der Zähne, die jeweils in Elasmotherium und in Coelodonta ihren Höhepunkt erreichte (beim Elasmotherium jedoch noch stärker ausgebildet war) und auf die weiter zunehmende Aridisierung des Klimas und damit die Versteppung der Landschaft im Ursprungsgebiet der beiden Gattungen am Übergang vom Plio- zum Pleistozän zurückgeht und in der Familie der Nashörner mehrfach unabhängig stattgefunden hat.[11]
Elasmotherium chaprovicum
Den ältesten Vertreter dieser Nashorngattung stellt Elasmotherium chaprovicum dar, welches im oberen Pliozän vor 3,6 bis 2,6 Mio. Jahren im Gebiet des Schwarzen Meeres verbreitet war. Von dieser Art sind bisher nur wenige Knochen und Zähne bekannt. Sie gehört dem Chapri-Faunenkomplex an und ist mit frühen Vertretern des Südelefanten, dem Etruskischen Nashorn (Stephanorhinus etruscus) sowie Paracamelus vergesellschaftet. Typusfundstellen sind hier Chapri und Liwenzowka (beide Ukraine).[17][18] Anfangs wurde sie zur Art Elasmotherium caucasicum gezählt,[8][19] doch wurden schnell Unterschiede zu dieser Art erkannt.[12][20] Diese betreffen vor allem den Zahnapparat; so sind die Zähne in ihrer Größe mit denen von Elasmotherium caucasicum vergleichbar und deutlich größer als die des Elasmotherium sibiricum, unterscheiden sich jedoch von ersteren im Aufbau und der Struktur des Zahnschmelzes. Weiterhin sind die Gliedmaßen deutlich kürzer als die der kaukasischen Variante und erreichen die Maße des sibirischen Vertreters, sind aber deutlich massiver als bei diesem. Da aber bisher zu wenig Fundmaterial vorliegt, ist eine Abgrenzung zurzeit schwierig. Erstmals beschrieben wurde Elasmotherium chaprovicum von Shvyreva 2004 anhand von Zähnen aus Liwenzowka.[17]
Elasmotherium caucasicum
Elasmotherium caucasicum war der größte Vertreter der Gattung und erreichte eine Länge von 5 bis 5,2 m.[3] Das rekonstruierte Gewicht von 5 t ist vergleichbar mit dem heutiger ausgewachsener Asiatischer Elefanten, womit die Nashornart zu den größten des Pleistozäns gehörte.[16] Allgemein war der Körperbau vergleichbar mit dem des Elasmotherium sibiricum. Die Gliedmaßen waren jedoch kräftiger gebaut und wesentlich länger, außerdem zeigten sie gegenüber dem sibirischen Verwandten noch einige altertümliche Merkmale. Im Vergleich mit den Arm- und Beinknochen anderer Nashörner fallen jene des Elasmotherium caucasicum allein durch die enorme Größe auf. So sind jene des Breitmaulnashorns rund 50 % kleiner und 30 % schmaler.[2] Die Zähne waren charakterisiert durch eine etwas geringere Kronenhöhe und ihre allgemeine Größe, während der Zahnschmelz zwar deutlich gefaltet war, die Faltenlinien aber noch nicht einen so markant sinusartigen Verlauf hatten, wie es beim späteren Elasmotherium sibiricum der Fall war. Bemerkenswert ist der letzte Vorbackenzahn, der deutlich massiv ausfiel, was vermuten lässt, dass diese Art noch nicht so stark an ein Leben in offenem Gelände angepasst war wie das spätere Elasmotherium sibiricum.[12]
Bekannt sind von dieser Art bislang lediglich einzelne Skelettelemnte, darunter Zähne und Langknochen – vollständige Skelette wurden bisher nicht gefunden. Die Nashornart trat erstmals am Ende des oberen Pliozäns in Ostasien auf, wo sie von Fundstellen bei Nihewan und Yangyuan im Nihewan-Becken (Provinz Hebei, China) überliefert ist und zusammen mit frühen Vertretern des Wollnashorns (Coelodonta nihowanensis) auftrat. Sie verschwand dort aber wieder im frühen Altpleistozän vor 1,6 Mio. Jahren. In Zentralasien und im Schwarzmeergebiet ist sie im jüngeren Altpleistozän nachgewiesen und kam hier vor 1,1 bis 0,8 Millionen Jahren vor. Ein relativ dichtes Verbreitungsgebiet lag auf der Taman-Halbinsel zwischen Schwarzem Meer und dem Asowschen Meer.[2][12] Hier war die kaukasische Form ein Teil des Taman-Faunenkomplexes, der weiterhin den Südelefanten und den Taman-Bison umfasst.[18] Weitere Funde stammen unter anderem aus Salcia (Moldawien). Auch in Kasachstan ist die Nashornart belegt, so mit einigen Zähnen vom Dorf Lebjazhje am Irtysch.[21]
Beschrieben wurde die Art 1914 von A. Borissjak.[22] Als Grundlage der Beschreibung dienten mehrere große und morphologisch vom Elasmotherium sibiricum abweichende Zähne eines Individuums aus Sinaya Balka am Asowschen Meer.[12]
Elasmotherium sibiricum
Die bekannteste und bisher am häufigsten aufgefundene Art stellt Elasmotherium sibiricum dar. Die Tierart erreichte eine Länge von 4 bis 4,5 m (ohne Schwanz), bei einer Widerristhöhe von 2 m. Allein der Schädel maß 95 cm.[8][3] Mit einem errechneten Körpergewicht von 4 t[16] war sie etwas kleiner als Elasmotherium caucasicum, aus dem sie wahrscheinlich hervorgegangen ist. Weitere Unterschiede zu dieser Art bestehen darin, dass Elasmotherium sibiricum im Verhältnis zum Körper längere Beine hatte. Auch war die Zahnreihe deutlich kürzer ausgebildet, wobei der letzte Prämolar relativ grazil war. Die Zähne waren deutlich hochkroniger und besaßen stark gefalteten Zahnschmelz mit deutlich geschwungenen Faltenlinien. Insgesamt waren die Zähne aber merklich kleiner.[17][21][12]
Elasmotherium sibiricum war vom Schwarzen Meer bis in das östliche Kasachstan verbreitet. Seine südlichste Verbreitungsgrenze lag ungefähr beim 44. Breitengrad im heutigen Usbekistan, während es im Norden bis nach Sibirien an die Mündung der Kama nahe der Stadt Irbit zum 57. Breitengrad vorstieß. Insgesamt sind bisher über 60 Fundstellen bekannt, von denen die Hälfte etwa in Kasachstan liegen. Dabei wurden meist nur einzelne Knochen und Zähne gefunden – bis heute gibt es kein vollständiges Skelett dieser Tierart, so dass einzelne Skelettelemente immer noch unbekannt sind. Das bisher am vollständigsten erhaltene Skelett stammt aus Selenokumsk (Russland) im nördlichen Kaukasusvorland, wo es 1966 in einer Ziegeleigrube am rechten Ufer der Kuma gefunden wurde. Das Skelett, dessen Reste auf einer Fläche von 10 m² verstreut lagen, umfasst einen vollständigen Schädel, Teile der Wirbelsäule, Rippen und Vorder- und Hintergliedmaßen. Nur 200 m entfernt kamen 1968 zwei weitere Individuen dieser Nashornart zum Vorschein. Bereits 1964 war bei Stawropol, ebenfalls im Süden Russlands gelegen, ein relativ vollständiges Skelett gefunden worden, welches später im dortigen Museum als Skelettmontage ausgestellt wurde. Die umfangreichsten Funde von Elasmotherium sibiricum fand man aber bereits 1938 am rechten Ufer des Großen Karaman, einem Nebenfluss der Wolga. Der Fundkomplex bestand aus mehreren Individuen, darunter ein teilweise vollständiges Skelett. Des Weiteren gibt es mehrere Schädelfunde: Ein Schädel stammt von der linken Uferterrasse der Sakmara bei Tscheljabinsk (Russland), ein weiterer wurde bei Luchka (ebenfalls Russland) gefunden und zwei sind von kasachischen Fundstellen bei Atyrau und bei Astana überliefert.[4][8][21]
Erstmals aufgetreten ist Elasmotherium sibiricum im Mittelpleistozän und ging vermutlich aus Elasmotherium caucasicum hervor. Vor allem in Zentralasien war es Bestandteil des Koshkurgan-Faunenkomplexes, welcher des Weiteren den Südelefanten, den Schoetensack-Bison, das Waldnashorn sowie das Mosbacher Pferd umfasste.[23][21] In Osteuropa gehört es weiterhin dem spätmittelpleistozänen Chazar-Faunenkomplex des Wolga-Don Gebietes an und kommt hier zusammen mit Steppenmammut und Waldnashorn vor.[18][24] Der jüngste Fund in Osteuropa stammt von der Wolga-Insel Choroschewski, die mit der Fertigstellung des Saratower Stausees geflutet wurde, und gehört der Mikulino-Warmzeit (Synonym für dier Eem-Warmzeit; vor 128.000 bis 115.000 Jahren) an.[25][3] Der dort gefundene Oberkiefermolar weist zudem einige bisher unbekannte Merkmale auf, die aufgrund fehlender ähnlich gearteter Vergleichsfunde als pathologische Veränderungen angesehen werden.[25] In seinen östlichsten Verbreitungsgebieten überlebte Elasmotherium sibiricum sogar noch länger. So stammen Funde aus der Höhle Smelowskaja II im südwestlichen Sibirien, die mit Wollhaarmammut und Wollnashorn vergesellschaftet sind und radiometrischen Daten zufolge ein Alter von mehr als 50.000 Jahren aufweisen. Weitere spätpleistozäne Knochenreste stammen aus Batpak, ebenfalls in Südwestsibirien.[26][24]
Ob das riesige Nashorn Beutetier früher menschlicher Jäger- und Sammlergruppen war, wie etwa des Homo erectus oder des Neandertalers, ist unklar, an archäologischen Fundstellen scheint es jedoch bisher kaum vorzukommen. Natürliche Feinde hatte es aufgrund seiner Größe wahrscheinlich nicht. Allerdings weist der Schädel von Atyrau (früher Gurjew) eine runde Schädelverletzung im Stirnbereich auf, die jedoch zu Lebzeiten des Tiers wieder verheilt war. Zudem wird vermutet, dass die Tierart aufgrund ihrer relativ nördlichen Verbreitung möglicherweise ein Fell besessen hatte.[3]
Die wissenschaftliche Erstbeschreibung der Gattung Elasmotherium mit der Art Elasmotherium sibiricum erbrachte der deutsche Zoologe Gotthelf Fischer von Waldheim (1771–1853). Sie erfolgte 1808 anhand eines Unterkiefers aus dem Naturkundemuseum in Moskau, welcher zur Fossiliensammlung der Prinzessin Ekaterina Daschkova gehörte. Dieser Unterkiefer gilt als Holotyp, während der wesentlich vollständigere Schädel von Luchka als Lectotyp angesehen wird.[9] Im Laufe der Forschungsgeschichte gab es verschiedene Bezeichnungen für die Art Elasmotherium sibiricum:[8]
- Elasmotherium keyserlingii Fischer von Waldheim, 1842
- Stereocerus galli Duvernoy, 1855
- Enigmatherium stavropolitanum Pavlova, 1916.
Die Bezeichnung Stereocerus galli geht auf ein Schädelfragment aus der Naturaliensammlung des Arztes Franz Joseph Gall (1758–1828) zurück, dessen Herkunft mit "Rheintal" angegeben war. Dies führte zu der Annahme, Elasmotherium sibiricum wäre bis nach Mittel- oder Westeuropa verbreitet gewesen.[27] Jedoch ist die tatsächliche Herkunft dieser forschungsgeschichtlich frühen Sammlungsfunde unklar, ebenso wie bei ähnlich alten Elasmotherium-Fossilien aus Ungarn oder Italien.[8] Die Beschreibung von Enigmatherium stavropolitanum hingegen basiert auf einem einzelnen Zahn aus dem nördlichen Kaukasusgebiet, der jedoch keine Merkmalsunterschiede zu Elasmotherium sibiricum aufweist, weswegen diese Bezeichnung nicht mehr verwendet wird.[3]
Weblinks
- Commons: Elasmotherium – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Quellen
- ↑ 1,0 1,1 1,2 1,3 Deng Tao: A new elasmothere (Perissodactyla, Rhinocerotidae) from the late Miocene of the Linxia Basin in Gansu, China. Geobios 41, 2008, S. 719–728
- ↑ 2,0 2,1 2,2 2,3 Deng Tao und Zheng Ming: Limb bones of Elasmotherium (Rhinocerotidae, Perissodactyla) from Nihewan (Hebei, China). Vertebrata Palasiatica 43, 2005, S. 110–121
- ↑ 3,00 3,01 3,02 3,03 3,04 3,05 3,06 3,07 3,08 3,09 3,10 3,11 Vladimir Zhegallo, Nikolay Kalandatze, Andrey Shapovalov, Zoya Bessudnova, Natalia Noskova und Ekaterina Tesakova: On the fossile rhinoceros Elasmotherium (Including the collections of the Russian Academy of sciences). Cranium 22 (1), 2005, S. 17–40
- ↑ 4,0 4,1 E. I. Belyaeva: About the hyoideum, sternum and metacarpale V bones of Elasmotherium sibiricum Fischer (Rhinocerotidae). Journal of the Palaeontological Society of India 20, 1977, S. 10–15
- ↑ 5,0 5,1 5,2 5,3 Paul Mazza und A. Azzaroli: Ethological inferences on Pleistocene rhinoceroses of Europe; Inferenze sull’etologia di rinoccrontipleistocenici d’Europa. Rendiconti Lincei 4, (2) 1993, S. 127–137
- ↑ 6,0 6,1 Jan van der Made und René Grube: The rhinoceroses from Neumark-Nord and their nutrition. In: Harald Meller (Hrsg.): Elefantenreich – Eine Fossilwelt in Europa. (Halle/Saale) 2010, S. 382–394
- ↑ Esperanza Cerdeño: Cladistic analysis of the family Rhinocerotidae (Perissodactyla). American Museum Novitates 3143, 1995, S. 1–25
- ↑ 8,0 8,1 8,2 8,3 8,4 8,5 Baldyrgan S. Kožamkulova: Elasmotherium sibiricum und sein Verbreitungsgebiet auf dem Territorium der UdSSR. Quartärpaläontologie 4, 1981, S. 85–91
- ↑ 9,0 9,1 Ekaterina Petrova: New data about the skull of the Elasmotherium sibiricum. In: Abstraktband: Quaternary stratigraphy and paleontology of the Southern Russia: connections between Europe, Africa and Asia. 2010 annual meeting INQUA-SEQS, Rostov-on-Don, Russia, June 21–26, 2010. (Rostov-am Don) 2010, S. 121–122
- ↑ Mikael Fortelius: Ecological aspects of dental functional morphology in the Plio-Pleistocene rhinoceroses of Europe. In: B. Kurtén (Hrsg.): Teeth: Form, function and evolution. (New York) 1982, S. 163–181
- ↑ 11,0 11,1 11,2 Donald R. Prothero, Claude Guérin und Earl Manning: The history of Rhinocerotoidea. In Donald R. Prothero und R. M. Schoch (Hrsg.): The evolution of the Perissodactyls. (New-York) 1989, S. 321–340
- ↑ 12,0 12,1 12,2 12,3 12,4 12,5 12,6 N. G. Noskova: Elasmotherians – evolution, distribution and ecology. In: G. Cavarretta et al. (Eds.): The World of Elephants - International Congress. Consiglio Nazionale delle Ricerche (Rom) 2001, S. 126-128
- ↑ Oscar Sanisidro, María Teresa Alberdi und Jorge Morales: The First Complete Skull of Hispanotherium matritense (Prado, 1864) (Perissodactyla, Rhinocerotidae) from the Middle Miocene of the Iberian Peninsula. Journal of Vertebrate Paleontology, 32 (2), 2012, S. 446–455
- ↑ Kurt Heissig und Oldřich Fejfar: Die fossilen Nashörner (Mammalia, Rhinocerotidae) aus dem Untermiozän von Tuchorice in Nordwestböhmen. Sborník Národního Muzea v Praze. Acta Musei Nationalis Pragae (series B, Natural History) 63 (1), 2007, S. 19–64
- ↑ 15,0 15,1 Pierre-Oliver Antoine: Middle Miocene elasmotheriine Rhinocerotidae from China and Mongolia: taxonomic revision and phylogenetic relationships. The Norwegian Academy of Science and Letters - Zoologica Scripta 32, 2003, S. 95–118
- ↑ 16,0 16,1 16,2 Esperanza Cerdeño: Diversity and evolutionary trends of the the family Rhinocerotidae (Perissodactyla). Palaeo 141, 1998, S. 13–34
- ↑ 17,0 17,1 17,2 В. В. Титов: Крупные млекопитающие позднего плиоцена Зеверо-Восточного Приазовья. (Rostov am Don) 2008
- ↑ 18,0 18,1 18,2 Vera Baigusheva und Vadim Titov: Pleistocene large mammals associations of the Sea of Azov and adjacents regions. In: Abstraktband: Quaternary stratigraphy and paleontology of the Southern Russia: connections between Europe, Africa and Asia. 2010 annual meeting INQUA-SEQS, Rostov-on-Don, Russia, June 21–26, 2010. (Rostov-am Don) 2010, S. 24–27
- ↑ Vera S. Bajgusheva und Vadim V. Titov: Results of the Khapry Faunal Unit revision. In: L. Maul und R. D. Kahlke (Hrsg.): Late Neogene and Quaternary biodiversity and evolution: Regional developments and interregional correlations. Conference Volume. 18th International Senckenberg Conference. VI International Palaeontological Colloquium in Weimar. Konferenz in Weimar, 25.–30. April, 2004. Terra Nostra, Schriften der Alfred-Wegener-Stiftung (Berlin), 2004
- ↑ Vitaliy Logvynenko: The development of Late Pliocene to early Middle Pleistocene large mammal fauna of Ukraine. In: L. Maul und R. D. Kahlke (Hrsg.): Late Neogene and Quaternary biodiversity and evolution: Regional developments and interregional correlations. Conference Volume. 18th International Senckenberg Conference. VI International Palaeontological Colloquium in Weimar. Konferenz in Weimar, 25.–30. April, 2004. Terra Nostra, Schriften der Alfred-Wegener-Stiftung (Berlin), 2004
- ↑ 21,0 21,1 21,2 21,3 Piruza Tleuberdina, Gulzhan Nazymbetova: Distribution of Elasmotherium in Kazakhstan. In: Abstraktband: Quaternary stratigraphy and paleontology of the Southern Russia: connections between Europe, Africa and Asia. 2010 annual meeting INQUA-SEQS, Rostov-on-Don, Russia, June 21–26, 2010. (Rostov-am Don) 2010, S. 171-173
- ↑ А. Борисякъ: О зубномъ аппарате Elasmotherium caucasicum n. sp.. Исвестя Императорскоӣ Академиӣ Наук 6 (9), 1914, S. 555–584
- ↑ Anatoly P. Derevianko, Valery T. Petrin, Zhaken. K. Taimagambetov und Marcel Otte: Early Palaeolithic assemblages in travertine, Southern Kazakhstan (a variant of an adaptation model). Anthropologie 36, 1998, S. 137-164
- ↑ 24,0 24,1 Diana Pushkina: The Pleistocene easternmost distribution in Eurasia of the species associated with the Eemian Palaeoloxodon antiquus assemblage. Mammal Review 37 (3), 2007, S. 224-245
- ↑ 25,0 25,1 А. А. Хромов: Зуб эласмотерия с нетипичной из среднеплейстоценовых отложений Саратовского поволжья. In: В. М. Подбина, С. А. Родыгин, Н. И. Савина und Г. М. Татьянин: Эволюция жизни на Земле. Материалы II Международного симпозиума 12-15 ноября 2001 г. (Evolution of life on the earth. Proceedings of the II International symposium 12. - 15. November 2001) Tomsk, 2001, S. 534–535
- ↑ Pavel Kosintsev: Relict mammal species of the Middle Pleistocene in Late Pleistocene Fauna of Western Siberia south. In: Abstraktband: Quaternary stratigraphy and paleontology of the Southern Russia: connections between Europe, Africa and Asia. 2010 annual meeting INQUA-SEQS, Rostov-on-Don, Russia, June 21–26, 2010. (Rostov-am Don) 2010, S. 78–79
- ↑ Mikael Fortelius und Kurt Heissig: The phylogenetic relationships of the Elasmotherini (Rhinocerotidae, Mamm.). Mitteilungen der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und historische Geologie 29, 1989, S. 227–233