Gürteltiere



Gürteltiere

Neunbinden-Gürteltier (Dasypus novemcinctus)

Systematik
Reihe: Landwirbeltiere (Tetrapoda)
Klasse: Säugetiere (Mammalia)
Unterklasse: Höhere Säugetiere (Eutheria)
Überordnung: Nebengelenktiere (Xenarthra)
Ordnung: Gepanzerte Nebengelenktiere (Cingulata)
Familie: Gürteltiere
Wissenschaftlicher Name
Dasypodidae
Gray, 1821
Gattungen

Die Gürteltiere (Dasypodidae) bilden die einzige überlebende Säugetierfamilie der so genannten Gepanzerten Nebengelenktiere (Cingulata). Die zweite Familie dieser Ordnung, die Glyptodonten, sind am Ende des Eiszeitalters ausgestorben. Die Gürteltiere sind heute mit 20 Arten über den südamerikanischen Kontinent und die südlichen Teile Nordamerikas verbreitet. Ihre nächsten Verwandten sind, abgesehen von den ausgestorbenen Glyptodonten, die Ameisenbären und Faultiere.

Lebensraum

Gürteltiere kommen ausschließlich auf dem amerikanischen Kontinent vor, wobei das Vorkommen der meisten Arten auf das südliche Südamerika (Brasilien, Bolivien, Paraguay und Argentinien) beschränkt ist. In Mittelamerika finden sich lediglich zwei Arten, darunter die bekannteste Gürteltierart, das Neunbinden-Gürteltier (Dasypus novemcinctus), das fast ganz Süd- und Mittelamerika bis einschließlich der südlichen USA bewohnt. Die Vorfahren der Nord- und Mittelamerikanischen Arten sind vermutlich erst nach dem Entstehen der Landbrücke zwischen Nord- und Südamerika aus Südamerika eingewandert. Gürteltiere bevorzugen trockene Lebensräume wie Halbwüsten, Savannen und Steppen.

Körperbau

Der spanische Name der Gürteltiere Armadillos leitet sich von Armados ab und bedeutet „Die kleinen Gepanzerten“. Dieser Panzer, der fast die gesamte Körperoberfläche der Tiere bedeckt, besteht aus Horn- und Knochenplatten, die in der Haut gebildet werden. An Vorder- und Hinterleib sind sie häufig zu starren Rückenschilden verwachsen, dazwischen bilden sie zur Bauchseite offene, querverlaufende Ringe, die bezeichnenden Gürtel. Verbindungen mit überlappenden Hautfalten gewährleisten eine erstaunliche Flexibilität.

Der Kopf – auf der Oberseite ebenfalls mit Schildplatten besetzt – hat eine schmale, spitz zulaufende Form, die Ohren stehen mausartig nach oben ab, die Augen sind sehr klein. Bei einigen Arten ist die Schnauze röhrenartig verlängert. Die kurzen Beine haben starke Krallen, der spitze Schwanz ist von Knochenringen umgeben.

Die Größe der Arten variiert von dem 15 cm langen, 100 g schweren Gürtelmull (Chlamyphorus truncatus) bis zum 60 kg schweren Riesengürteltier (Priodontes giganteus), das ohne Schwanz eine Länge von 1 m erreicht.

Lebensweise

Die meisten Gürteltiere sind nachtaktive Einzelgänger. Mit ihrer langen, klebrigen Zunge und den kleinen, schwachen Zähnen sind sie auf Nahrung in Form von Insekten und anderen Wirbellosen spezialisiert. Größere Arten fressen auch kleine Wirbeltiere wie Eidechsen und Mäuse, seltener Aas und Pflanzenkost. Der bestens entwickelte Geruchssinn spürt die Beute bis zu 20 cm tief im Erdboden auf, die daraufhin ausgegraben wird. Dabei sind die Tiere in der Lage, bis zu sechs Minuten lang die Luft anzuhalten, um die Atemwege freizuhalten.

Das Riesengürteltier hält mit über 15 cm den Rekord der größten Krallen im ganzen Tierreich. Damit reißt es mühelos Termitenhügel auf und gräbt sich sogar durch Beton[1] .

Trotz des plumpen und scheinbar starren Körperbaus können sich Gürteltiere erstaunlich flink fortbewegen. Einige sind sogar gute Schwimmer, wobei sie vorher Luft in Magen und Darm schlucken, damit sie in ihrer Rüstung nicht untergehen. Zum Schlafen graben sie sich im Boden ein.

Bei Gefahr im Freien ziehen sich die Gürteltiere blitzschnell zusammen. Arten wie das Braunborsten-Gürteltier (Chaetophractus villosus) pressen sich dabei fest an den Boden, so dass nur die Panzerung attackiert werden kann. Die meisten anderen bilden rundum geschützte Kugeln. Vor allem bei den Kugelgürteltieren (Tolypeutes) ist der Panzer dabei so lückenlos verzahnt und der Muskelschluss so fest, dass kein Fressfeind, ausgenommen der Jaguar, diese Schale knacken könnte. Werden sie dagegen in ihrer gegrabenen Höhle angegriffen, spreizen einige Arten ihre Knochenplatten ab und verankern sich so fest im Erdboden. Die Krallen lassen sich dabei gut zur Verteidigung einsetzen.

Die Lebenserwartung der Gürteltiere beträgt in freier Wildbahn zwischen 12 und 18 Jahren, in menschlicher Obhut können sie bis zu 30 Jahre alt werden.

Fortpflanzung

Einige Gürteltier-Weibchen können befruchtete Eizellen mehrere Monate im Körper aufbewahren, bevor deren Nidation stattfindet und die weitere Entwicklung folgt. So werden in ungünstigen Zeiten keine chancenlosen Nachkommen hervorgebracht. Nach einer Tragzeit von bis zu vier Monaten bringen Gürteltiere ihre Jungen in ihren Höhlen zur Welt. Beim Neunbinden-Gürteltier sind es ausschließlich eineiige Vierlinge, was einzigartig im Tierreich ist. Die Jungen haben anfangs noch eine weiche, ledrige Haut und werden nur wenige Wochen gesäugt.

Gürteltiere und Menschen

In Südamerika werden Gürteltiere oft wegen ihres wohlschmeckenden Fleisches gejagt, was neben der Lebensraumvernichtung durch den Menschen bei einigen Arten bereits zur bedrohlichen Dezimierung geführt hat. Dagegen vermehrt sich beispielsweise das Neunbinden-Gürteltier beständig und breitet sich weiter nach Nordamerika aus. Mancherorts werden die Tiere zur Schädlingsbekämpfung angesiedelt oder als Heimtiere gehalten. Die Panzer der toten Tiere werden gern als skurrile Körbe an Touristen verkauft. Es werden auch Charangos aus ihnen hergestellt, deren Export aus den entsprechenden Herkunftsländern Bolivien und Peru jedoch verboten ist.

Neben dem Menschen sind Gürteltiere eine der wenigen Säugetiergruppen,[2] die das Bakterium der Leprakrankheit in sich tragen können. Ein Zusammenhang zwischen ihrer ungewöhnlich niedrigen Körpertemperatur und der Vermehrung der Mycobakterien gilt als wahrscheinlich. Das macht sie bei der Erforschung von Impfstoffen und neuen Antibiotikakombinationen kaum verzichtbar.
Es bedeutet aber auch, dass Menschen, die Gürteltiere essen, Gefahr laufen, sich mit dieser Krankheit zu infizieren. Etwa ein Drittel der Leprafälle in den Vereinigten Staaten von Amerika wird auf den Kontakt zu Gürteltieren zurückgeführt.[3]

Stammesgeschichte

Das Riesige Gürteltier Holmesina aus dem Spätpleistozän Amerikas

Gürteltiere existieren bereits seit dem späten Paläozän in Südamerika und erreichten im Pliozän Nordamerika. Die heutigen Gürteltiere bilden nur einen Teil einstiger Artenvielfalt ab. Während die modernen Arten klein sind, erreichte die fossile nordamerikanische Gattung Holmesina, aus der Unterfamilie der Pampatheriinae, eine Länge von zwei Metern und ein Körpergewicht von bis zu 270 kg. Holmesina starb erst am Ende des Pleistozän vor rund 10.000 Jahren aus. Ähnliche Ausmaße erreichte das zur gleichen Zeit in Südamerika verbreitete Pamphatherium. Über die Lebensweise dieser großen, ausgestorbenen Arten ist wenig bekannt, vermutlich ernährten sie sich wie heutige Gürteltiere zu einem Großteil von Insekten und Invertebraten.

Glyptodon und einige andere Stammlinienvertreter der rezenten Gürteltiere werden heute in einem Taxon Glyptodontidae zusammengefasst.

Systematik

Ein Gürtelmull

Die aktuell lebenden (rezenten) Gürteltiere werden in 8 Gattungen und rund 20 Arten eingeteilt, die allesamt derselben Familie Dasypodidae zugeordnet werden.

Die stammesgeschichtlichen Beziehungen zwischen den Gattungen kommen in folgendem Diagramm zum Ausdruck.[4]

  Dasypodidae  

  Dasypodinae  

  Langnasengürteltiere (Dasypus)


   
  Tolypeutinae  

 Kugelgürteltiere (Tolypeutes)


   

 Riesengürteltier (Priodontes)


   

 Nacktschwanzgürteltiere (Cabassous)




   
  Chlamyphorinae  

 Gürtelmull (Chlamyphorus)


  Euphractinae  

 Zwerggürteltier (Zaedyus)


   

 Borstengürteltiere (Chaetophractus)


   

 Sechsbindengürteltier (Euphractus)








In einer ersten Untersuchung aus dem Jahr 2003 wurden die Gürtelmulle nicht einbezogen,[5] spätere Analysen von 2007 berücksichtigten diese allerdings.[4]

Sonstiges

Scherzhaft werden auch (Gerichts)-Akten, die so umfangreich sind, dass sie nicht mehr in einen Aktendeckel passen, sondern mit einem Spannband (Gürtel) zusammengehalten werden müssen, als Gürteltiere bezeichnet.

Das Gürteltier ist das Staatstier von Texas/USA.

Der Dichter Robert Gernhardt schenkte der Stadt Frankfurt das Grüngürteltier Dasipus franconia, das sich mittlerweile regionaler (popkultureller) Beliebtheit erfreut.

Das offizielle Maskottchen der Fußball-Weltmeisterschaft 2014, Fuleco, stellt ein Gürteltier mit blauem Panzer dar.

Heraldik

Als seltenes Wappentier in der Heraldik ist das Gürteltier im Wappen Grenadas der heraldisch rechte Schildhalter.

Einzelnachweise

  1. Riesengürteltiere: gepanzerte Graslandbewohner
  2. H.Hof, R.L.Müller, R.Dörries: Mikrobiologie, S.342 ff. Georg Thieme Verlag Stuttgart, 2000, ISBN 3-13-125311-8
  3. New York Times, abgerufen am 28. April 2011
  4. 4,0 4,1 Maren Möller-Krull, Frédéric Delsuc, Gennady Churakov, Claudia Marker, Mariella Superina, Jürgen Brosius, Emmanuel J. P. Douzery und Jürgen Schmitz: Retroposed Elements and Their Flanking Regions Resolve the Evolutionary History of Xenarthran Mammals (Armadillos, Anteaters and Sloths). Molecular Biology and Evolution 24, 2007, S.2573–2582
  5. Frédéric Delsuc, Michael J. Stanhope und Emmanuel J.P. Douzery: Molecular systematics of armadillos (Xenarthra, Dasypodidae): contribution of maximum likelihood and Bayesian analyses of mitochondrial and nuclear genes. Molecular Phylogenetics and Evolution 28, 2003, S. 261–275

Literatur

  • Ronald M. Nowak: Walker's Mammals of the World. Johns Hopkins University Press, 1999 ISBN 0-8018-5789-9
  • Ian M. Lange: Ice Age Mammals of North America, Mountain Press Publishing Company Missoula, Montana, 2002 ISBN 0-87842-403-2

Weblinks

Commons: Cingulata – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

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