Roter Hartriegel



Roter Hartriegel

Blutroter Hartriegel (Cornus sanguinea)

Systematik
Kerneudikotyledonen
Asteriden
Ordnung: Hartriegelartige (Cornales)
Familie: Hartriegelgewächse (Cornaceae)
Gattung: Hartriegel (Cornus)
Art: Roter Hartriegel
Wissenschaftlicher Name
Cornus sanguinea
L.

Der Rote Hartriegel (Cornus sanguinea) ist eine Pflanzenart aus der Gattung der Hartriegel (Cornus) in der Familie der Hartriegelgewächse (Cornaceae). Sein Name kommt von den roten Blättern im Herbst und dem harten, teilweise auch roten Holz seiner Äste. Weitere Trivialnamen sind Blutroter Hartriegel, Rotes Beinholz, Hundsbeere und Roter Hornstrauch.

Beschreibung

Borke
Rinde und Knospen
Gegenständige Laubblätter
Illustration[1]
Die namensgebende Rotfärbung der Blätter im Herbst
Blütenstand
Blütenstand mit vierzähligen Blüten im Detail
Früchte

Erscheinungsbild und Holz

Der Rote Hartriegel bildet in Mitteleuropa 3 bis 4 Meter hohe, breite und dicht stehende, sommergrüne Sträucher. In Südeuropa kann der Rote Hartriegel auch baumförmig wachsen und erreicht dann Wuchshöhen von 6 Metern.[2]

Das Holz ist zäh und schwer spaltbar mit zerstreutporig verteilten Gefäßen. Splint- und Kernholz sind anders als bei anderen Hartriegelarten von gleicher rötlich-weißer Farbe.[3]

Rinde

Ältere Stämme zeigen eine Schuppenborke.[4] Die Rinde einjähriger Zweige ist kurzbehaart und leuchtend rot bis braunrot gefärbt. Die Rotfärbung wird durch Anreicherung von Anthocyan verursacht und ist kennzeichnend für die Art. Die Rinde zweijähriger Zweige ist olivbraun und kahl.[2]

Knospen

Sowohl die Blüten- als auch die Laubknospen sind bei einer Länge von bis zu 6 Millimetern länglich. Sie haben keine Knospenschuppen, stattdessen werden sie durch die braunfilzig behaarten Blätter geschützt. Die Knospen mit den Blütenständen erscheinen an den Zweigenden und im Gegensatz zu den Laubknospen verdickt. Anders als bei der Kornelkirsche (Cornus mas) liegen die Seitenknospen am Zweig an und die Spitzen sind dem Zweig zugewandt.

Blatt

Die gegenständig an den Zweigen angeordneten Laubblätter sind in Blattstiel und Blattspreite gegliedert. Der Blattstiel ist 8 bis 15 Millimeter lang. Die einfache, ganzrandige Blattspreite ist bei einer Länge von 4 bis 10 Zentimetern sowie einer Breite von 2,5 bis 5 Zentimetern breit elliptisch bis eiförmig mit keilförmiger Spreitenbasis und zugespitztem oberen Ende. Es sind drei bis fünf, an der Blattunterseite deutlich erhabene Nervenpaare vorhanden.[3] Die Blattoberseite ist dunkelgrün und angelegt gabelhaarig, die -Unterseite ist heller und besonders an den Blattadern kraushaarig.[5]

Blütenstand und Blüte

Der endständige, schirmrispige Blütenstand weist einen Durchmesser von 4 bis 8 Zentimetern auf und auf 2,5 bis 3,5 Zentimeter langen Stielen stehen 20 bis 50 Blüten.

Die zwittrigen Blüten sind radiärsymmetrisch und vierzählig mit doppelter Blütenhülle. Es ist ein Diskus vorhanden. Die vier sehr kurzen Kelchblätter sind verwachsen. Die vier weißen Kronblätter sind bei einer Länge von 4,5 bis 6 Millimetern linealisch-lanzettlich und an der Unterseite behaart. Die vier Staubblätter sind nur etwas kürzer als die Kronblätter und überragen etwas den Griffel. Der Fruchtknoten ist unterständig.[4][6]

Frucht

Die bei Reife weiß punktierten, schwarzblauen Steinfrüchte weisen einen Durchmesser von 5 bis 8 Millimetern auf.[6] Die Steinfrüchte enthalten ein ölhaltiges Fruchtfleisch und einen kugeligen, glatten, zweisamigen Steinkern.[4]

Chromosomensatz

Die Chromosomenzahl beträgt 2n = 22.[4][7]

Phänologie

Die Blütezeit reicht von Mai bis Juni.[5] Eine Besonderheit des Roten Hartriegels ist es, in manchen Jahren im frühen August eine zweite Blüte zu bilden. Blüten und fast reife Früchte stehen dann gleichzeitig am Strauch. Die Früchte reifen im September.

Ökologie

Der Rote Hartriegel kann 30 bis 40 Jahre alt werden. Die jungen Zweige haben eine dünne, assimilierende, primäre Rinde, diese wird in Schatten gelblichgrün, an der Sonnenseite und vor allem im Herbst und Winter durch Anreicherung von Anthocyan blutrot. Es liegt eine VA-Mykorrhiza vor. Die Vegetative Vermehrung erfolgt durch Wurzelausläufer sowie durch als Bogentriebe herabgesenkte Zweige, die sich unter Laub leicht bewurzeln, so besonders in feuchtschattigen Wäldern, wo der Rote Hartriegel kaum blüht. Der Rote Hartriegel lässt sich auch problemlos durch Stecklinge vermehren.

Blütenökologisch handelt es sich um homogame, nektarführende Scheibenblumen mit einem unangenehmen fischartigen Geruch, hervorgerufen durch Methylamin. Die Bestäubung erfolgt durch größere Insekten, z. B. durch Fliegen, Wildbienen der Gattungen Andrena, Lasioglossum, Osmia und Käfer. Auch Selbstbestäubung findet statt.

Die Ausbreitung der Früchte erfolgt durch Vögel wie Singdrossel, Amsel, Wacholderdrossel, Rotkehlchen, Dorngrasmücke, Star, Elster, Blaumeise, Gimpel und Fasan.[4]

Giftigkeit und Inhaltsstoffe

Die Blüten und Laubblätter enthalten ein Flavonglykosid, Gallussäure und Ellagsäure. Destillate aus den Blättern sind reich an Salicylsäure. Die Blatthaare sind mit Calciumcarbonat überzogen, das bei Berührung mit empfindlichen Stellen der Haut zu Reizerscheinungen führen kann. Wurzeln und Zweige enthalten Verbenalin. Frische Früchte enthalten einen Anthocyankomplex. Die Früchte sind roh ungenießbar, jedoch nicht giftig.[8] Sie können jedoch roh gegessen bei Kindern möglicherweise eine Gastroenteritis bewirken.[9]

Vorkommen

Verbreitung des Roten Hartriegels
  • Natürliche Verbreitung
  • × Isolierte Populationen
    [10]

    Das natürliche Verbreitungsgebiet des Roten Hartriegels erstreckt sich von Europa über die asiatische Türkei und den Kaukasusraum bis nach Mittelasien.[10] Der Rote Hartriegel wächst in Hecken und Strauchflächen, seltener in artenreichen Wäldern. Er wächst in Gesellschaften der Ordnung Prunetalia besonders in denen des Verbands Berberidion.[7] Er gedeiht am besten auf trockenen bis frischen, schwach sauren bis alkalischen, sandig- bis lehmig-humosen, mäßig nährstoffreichen Böden.[5] Er wächst vorwiegend im Flachland, man findet ihn jedoch in den Bayerischen Alpen in Höhenlagen bis zu 900 Metern, in den Allgäuer Alpen bis zu 1100 Metern[11], in Tirol bis auf 1350 Meter und im Wallis bis zu 1550 Metern.[2]

    Systematik und Forschungsgeschichte

    Der Rote Hartriegel (Cornus sanguinea) ist eine Art aus der Gattung der Hartriegel (Cornus) innerhalb der Familie der Hartriegelgewächse (Cornaceae).[12]

    Diese Art wurde schon im Altertum von Plinius als Cornus femina beschrieben.[2] Die wissenschaftliche Erstveröffentlichung unter dem Namen Cornus sanguinea erfolgte durch Carl von Linné 1753 in seinem Werk Species Plantarum.[12]

    Je nach Autor gibt es einige Unterarten:[13]

    • Cornus sanguinea L. subsp. sanguinea
    • Cornus sanguinea subsp. australis (C.A.Mey.) Jav.: Von Cornus sanguinea subsp. sanguinea unterscheidet sich die Unterart Cornus sanguinea subsp. australis durch folgende Merkmale: Sie hat eiförmig und stachelspitzige, bis zu 8 Zentimeter lange Blätter, die anfangs unterseitig flaumig behaart sind, später sind sie auf beiden Seiten angedrückt behaart. Die Früchte sind dunkelpurpurfarben und weisen einen Durchmesser von etwa 5 Millimetern auf. Das Verbreitungsgebiet dieser Unterart erstreckt sich von Mitteleuropa ostwärts bis nach Mittelasien.[5]
    • Cornus sanguinea subsp. cilicica (Wangerin) D.F.Chamb.: Sie kommt im Gebiet von Libanon, Syrien und der Türkei vor.[13]
    • Cornus sanguinea subsp. czerniaewii Grosset: Sie kommt in Österreich, Tschechien und in der Ukraine vor.[13]
    • Cornus sanguinea subsp. hungarica (Kárpáti) Soó: Sie kommt in Deutschland, Österreich, Polen, in der früheren Tschechoslowakei, im früheren Jugoslawien, in Ungarn, Bulgarien, Rumänien, in Weißrussland und in der Ukraine vor.[13]

    Verwendung

    Der Rote Hartriegel wird häufig aufgrund seiner bemerkenswerten Blüten als Zierpflanze verwendet. Er dient auch als Bienenweide.[5] Die Früchte sind trotz anderslautender Berichte nicht giftig[8], roh jedoch ungenießbar. Sie enthalten einen hohen Anteil an Vitamin C und werden zur Herstellung von Fruchtsäften und Marmelade verwendet.[14] In wärmeren Gebieten wird die Art zur Aufforstung problematischer Standorte eingesetzt, so etwa in Bologna zur Begrünung stark erodierter Tonhänge oder in Ungarn als Vorbereitung für eine spätere Aufforstung mit Eiche und Buche. Bis ins 18. Jahrhundert[15] wurde das in den Samen zu 40 bis 45 Prozent enthaltene Öl auch zu Brennzwecken verwendet.[16] Aus den Zweigen wurden Körbe geflochten und das harte, zähe und feste Holz wurde zum Drechseln benutzt.[14]

    Trivialnamen

    Für den Roten Hartriegel bestehen bzw. bestanden auch die weiteren deutschsprachigen Trivialnamen Arlitzbaum (mittelhochdeutsch), Rotes Beinholz, Beinweide (Salzburg, Bern), Beinweidli (Bern), Beinwüdli (Bern), Blutruothe (St. Gallen im Rheintal), Blutaruthis (St. Gallen im Rheintal), Blutruthen (Graubünden), Boanweig (Werfen), Wilde Dirntel (Österreich), Dürlitzenstrauch, Erlisbaum (mittelhochdeutsch), Erlischbaum (mittelhochdeutsch), Erlizbaum, Geishasla (St. Gallen), Grungel (Bern), Haberspies (Henneberg), Härtern, Haritugil (althochdeutsch), Harlbam (Göttingen), Hartbaum (Schlesien), Hartbom (Schlesien), Hartbömken (Prignitz), Hartdrogiln (mittelhochdeutsch), Hartdrugil (mittelhochdeutsch), Harterugilin (althochdeutsch), Hartelbom (Göttingen), Hartjebam (Göttingen), Hardreder (Thüringen), Hartredel, Hartregel (mittelhochdeutsch), Hartriegel (Mark, Württemberg), Hartrigel (mittelhochdeutsch), Hartröthern, Hartrügeln (mittelhochdeutsch), Hartrugel (mittelhochdeutsch), Hartrugil (althochdeutsch), Hartboum (althochdeutsch), Hartstrauch (Schlesien), Hartweide (Schlesien), Harttrügel (mittelhochdeutsch), Harttrugelin (althochdeutsch), Hartwigilin (mittelhochdeutsch), Heckenbaum (Schlesien), Heckholz (Schlesien), Heresken, Herzbaum, Herzbeerstaude, Horlizen, Horlske, Hundsbeerstaade (Schwaben, Österreich), Hundsbeerstrauch (Schwaben, Österreich), Isebaum (Schweiz), Iseholz (Schweiz), Iseruthe (Schweiz), Rot Kerngerten, Kiengerte (Bern), Kingerte (Bern), Kürbeerenbaum, Ladstockholz, Röthern (Schlesien), Rotcherngert (St. Gallen bei Werdenberg), Rothbeinholz, Rothgerten (Schlesien), Rothholz, Schiesbeeren (Schlesien), Schusterholz, Teufelsbeeren (Schlesien), Teufelsmättern (Bayern), Teufelsmatten (Schwaben), Teufelsmettern, Todtentraube (Eifel bei Kelberg), Roode Wilge (Oldenburg) und Zeigelruthe (Schweiz).[17]

    Nachweise

    Literatur

    • Peter Schütt, Horst Weisgerber, Hans J. Schuck, Ulla Lang, Bernd Stimm, Andreas Roloff: Enzyklopädie der Sträucher. Nikol, Hamburg 2006, ISBN 3-937872-40-X.
    • Peter Schütt, Hans Joachim Schuck, Bernd Stimm (Hrsg.): Lexikon der Baum- und Straucharten. Das Standardwerk der Forstbotanik. Morphologie, Pathologie, Ökologie und Systematik wichtiger Baum- und Straucharten. Nikol, Hamburg 2002, ISBN 3-933203-53-8, S. 61–66 (Nachdruck von 1992).
    • Andreas Roloff, Andreas Bärtels: Flora der Gehölze. Bestimmung, Eigenschaften und Verwendung. 3., korrigierte Auflage. Eugen Ulmer, Stuttgart (Hohenheim) 2008, ISBN 978-3-8001-5614-6, S. 218.
    • Ulrich Hecker: BLV Handbuch Bäume und Sträucher (= Der zuverlässige Naturführer). BLV, München 2006, ISBN 3-8354-0021-5, S. 354–355.
    • Peter A. Schmidt, Ulrich Hecker: Taschenlexikon der Gehölze. Quelle & Meyer, Wiebelsheim 2009, ISBN 978-3-494-01448-7.
    • Lutz Roth, Max Daunderer, Kurt Kormann: Giftpflanzen – Pflanzengifte. Vorkommen, Wirkung, Therapie, allergische und phototoxische Reaktionen. Mit Sonderteil über Gifttiere. 6., überarbeitete Auflage, Sonderausgabe. Nikol, Hamburg 2012, ISBN 978-3-86820-009-6.

    Einzelnachweise

    1. Illustration von Jacob Sturm aus Johann Georg Sturm: Deutschlands Flora in Abbildungen. 1796.
    2. 2,0 2,1 2,2 2,3 Schütt u. a.: Enzyklopädie der Sträucher. S. 62.
    3. 3,0 3,1 Schütt u. a.: Enzyklopädie der Sträucher. S. 63.
    4. 4,0 4,1 4,2 4,3 4,4 Schütt u. a.: Enzyklopädie der Sträucher. S. 65.
    5. 5,0 5,1 5,2 5,3 5,4 Roloff u. a.: Flora der Gehölze. S. 218.
    6. 6,0 6,1 Hecker: Bäume und Sträucher. S. 354.
    7. 7,0 7,1
    8. 8,0 8,1 Cornus sanguinea bei Plants For A Future, abgerufen am 25. März 2015.
    9. Lutz Roth, Max Daunderer, Kurt Kormann: Giftpflanzen, Pflanzengifte. 4. Auflage. Nikol, Hamburg 1994, ISBN 3-933203-31-7, S. 267.
    10. 10,0 10,1 Cornus sanguinea, Common dogwood auf EUFORGEN
    11. Erhard Dörr, Wolfgang Lippert: Flora des Allgäus und seiner Umgebung. Band 2, IHW, Eching 2004, ISBN 3-930167-61-1, S. 291.
    12. 12,0 12,1 Cornus sanguinea im Germplasm Resources Information Network (GRIN), USDA, ARS, National Genetic Resources Program. National Germplasm Resources Laboratory, Beltsville, Maryland. Abgerufen am 27. Februar 2011.
    13. 13,0 13,1 13,2 13,3 Daten aus World Checklist of Selected Plant Families (2010), copyright © The Board of Trustees of the Royal Botanic Gardens, Kew bei Datenblatt Cornus sanguinea In: Euro+Med Plantbase - the information resource for Euro-Mediterranean plant diversity. Berlin 2011.
    14. 14,0 14,1 Schütt u. a.: Lexikon der Baum- und Straucharten. S. 121.
    15. Hecker: Bäume und Sträucher. S. 355.
    16. Schütt u. a.: Enzyklopädie der Sträucher. S. 66.
    17. Georg August Pritzel, Carl Jessen: Die deutschen Volksnamen der Pflanzen. Neuer Beitrag zum deutschen Sprachschatze. Philipp Cohen, Hannover 1882, S. 112 f. (online).

    Weblinks

    Commons: Roter Hartriegel (Cornus sanguinea) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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