Oreopithecus (Hominidae)



Oreopithecus ist eine Primatengattung innerhalb der Familie Hominidae, deren 2 Mitglieder ab dem frühen Neogen (Miozän) im Tortonium lebten, das vor ungefähr 11,6 Millionen Jahren begann und bis vor 7,2 Millionen Jahren andauerte. Viele Überreste wurden in Italien gefunden.

Oreopithecus wird von vielen Autoren auf einer frühen Seitenlinie zur Entwicklung der Australopithecinen angesiedelt. Er wird auf eine Zeit zwischen 6 und 9 Millionen Jahren datiert. Seine Größe wird auf ca. 1,30 Meter, sein Gewicht wird auf ca. 32 Kilogramm geschätzt.

Fundorte

Die verlängerten vorderen Gliedmaßen und die gekrümmten Finger weisen darauf hin, dass dieser Primat sich durch das Geäst gehangelt hat. Sein großer Zeh stand in einem Winkel von 90° zu den übrigen Zehen. Sein Becken und die Darmbeinschaufeln ähneln denen des Menschen und machen wahrscheinlich, dass dieser Menschenaffe über längere Zeit aufrecht gehen konnte.

Steckbrief
Die Welt zur Zeit von Oreopithecus
Landmassenverteilung im Miozän
Ernährung/Lebensraum
Basierend auf den Fossilien glaubt man, dass die Primatengattung Oreopithecus Allesfresser (omnivor) waren. Ihr Leben verbrachen die Tiere vermutlich auf dem Boden, wo sie auch ihre Nahrung fanden.
* Daten nach Hurzeler and Engesser, 1976
Geographie, Epoche
Lebte im:
System: Neogen
Serie: Miozän
Stufe: Tortonium
Verbreitung:
Südeuropa
Italien
Physiologie
Gewicht: ?
Schwestertaxa

Ein Primat, der aufrecht gehen und einen Gegenstand zwischen Daumen und Zeigefinger festhalten kann - das wäre eine Beschreibung, die auch auf Homo und Australopithecus zutrifft. Forscher in Frankreich und Italien haben die Überreste eines Oreopithecus genauer unter die Lupe genommen, der bereits vor acht Millionen Jahren diese Charakteristika des modernen Menschen besessen haben könnte. Die Forscher untersuchten fossile Handknochen des Oreopithecus, die in der Toskana gefunden worden waren und eine Menge über die Lebensweise dieses Menschenaffen verraten.

Oreopithecus war in der Lage, mit seiner Daumenspitze die Spitzen der anderen Finger zu berühren, konnte also stark und präzise zugreifen. Hierzu sind viele heute lebenden Menschenaffen nicht in der Lage: Bei ihnen sind entweder die Daumen zu kurz, oder sie können in dieser Fingerstellung nur wenig Kraft ausüben. Ein sicherer Präzisionsgriff wird meist als Voraussetzung für die Handhabung von Gegenständen gesehen, die wiederum entscheidend für Tätigkeiten wie die Herstellung von Werkzeugen ist.

Menschenaffen -und im besonderen Gibbons und Orang-Utangs- haben äußerst lange Hände deren Finger stark gestreckt sind, während der Daumen dagegen kurz bleibt. Die verlängerten Hände sind Vorraussetzung, um sich mit starkem Griff sicher von Ast zu Ast zu schwingen und dabei nicht abzustürzen. Forscher fanden Hinweise für diese als Brachiation (Schwinghangeln) bezeichnete Art der Fortbewegung bei einem anderen fossilen Affen, dem Dryopithecus. Dieser war ein enger Verwandter des Oreopithecus, wobei letzterer aber eine kurze Hand aufweist, deren Finger und Daumen eher von gleicher Länge sind und sich dadurch gegenüber stehen.

Schimpansen und Gorillas haben dagegen Hände, die an eine Fortbewegungsweise auf allen Vieren angepaßt ist, bei welcher der Affe auf seinen Knöcheln läuft. Ihre Finger verfügen über aufschlußreiche Modifikationen, die beim Oreopithecus nicht anzutreffen sind. Die Finger des Oreopithecus unterscheiden sich auch von den ziemlich kurzen Fingern der Paviane, die eher auf dem Boden als auf Bäumen leben. Wenn die Hände des Oreopithecus überhaupt denen eines anderen Lebewesens ähneln, dann wohl am ehesten denen der Gattung Mensch.

Diese Annahmen passen zu früheren Ergebnissen, wonach der Oreopithecus auf dem Boden lebte, aufrecht gehen konnte und seine Hände frei hatte für die Manipulation von Gegenständen.

Einige Forscher haben vorgeschlagen, daß das einzigartige Fortbewegungs-Verhalten von Oreopithecus eine Revision des gegenwärtigen Konsens über den zeitlichen Ablauf der Entwicklung zur Zweibeinigkeit in der menschlichen Evolution verlangt, aber es herrscht unter den Paläontologen wenig Einigkeit in diesem Punkt. Unter anderem sah sein Fuß "vogelähnlich" aus und hatte eine andere Anatomie als die frühen, aufrecht gehenden Vorfahren des Menschen. Die große Zehe stand in einem Winkel von 90 Grad von den anderen Zehen ab, welche alle kürzer und gerader als jene moderner Menschenaffen waren.

Einige Forscher haben Oreopithecus in Verbindung mit dem frühen Apidium aus dem Oligozän gebracht, einem kleinen baumbewohnenden Proto-Menschenaffen, der vor beinahe 34 Millionen Jahren in Ägypten lebte. Andere meinen, dass Oreopithecus ohne Nachkommen ausgestorben ist und ein Schwestertaxon des europäischen Dryopithecus darstellt, eine Gattung aus dem Miozän, die den modernen großen Menschenaffen schon sehr ähnelt. Wieder andere haben vorgeschlagen, dass Oreopithecus ein baumbewohnendes Hufsäugetier war. Für den Moment ist diese Spezies eine große Anomalie und zeigt möglicherweise eine unabhängige Entwicklung des aufrechten Ganges - anders als der aufrechte Gang der Australopithecinen - der später in einer Sackgasse endete. Weitere Entdeckungen von Fossilien helfen vielleicht, diese und andere Fragen zu beantworten. Ebenso ist die taxonomische Unterbringung von Oreopithecus unklar. Einige Wissenschaftler stellen ihn zu einem sehr frühern Altweltaffen (Catarrhini), kurz nach der Abspaltung der Neuweltaffen von den Altweltaffen. Andere Wissenschaftler stellen Oreopithecus zu den Hominidae, kurz vor der Abspaltung der Orang-Utans vom Rest der großen Menschenaffen.

Oreopithecus entwickelte sich isoliert für mindestens 2 Millionen Jahre auf einer Insel im Mittelmeer, dort wo heute die italiensische Toskana liegt. Eine Phase der Abkühlung vor rund 9 Millionen Jahren verwandelte die tropische Insel in einen Ort mit gemäßigtem Klima. Es gab keine großen Raubtiere auf der Insel, und die Menschenaffen hatten keine natürlichen Feinde. Später, wahrscheinlich während des Eiszeitalters, als der Meeresspiegel überall auf der Welt fiel, entstand eine Landbrücke und brachte die Insel mit dem Festland in Verbindung. Für neue Spezies, unter ihnen große Raubtiere, war nun der Weg auf die sonst isolierte Insel frei und die Tiere, unter ihnen Oreopithecus, waren leichte Beute. Bald war dieser seltsame Primat -sowie andere Kreaturen auf der Insel- ausgestorben. Ähnliches ereignete sich, als eine Landbrücke zwischen Nordamerika und Südamerika die beiden Kontinente verband.

Der wissenschaftliche Name Oreopithecus führte schnell zu dem unter Paläontologen häufig benutzten inoffiziellen Namen Krümelmonster aus der Kinderserie Sesamstraße. Der wahre Name ist aber ganz alltäglich: er bedeutet "Bergaffe" und kommt aus dem griechischen von "oros-Berg" und "pithekos - Affe".

Oreopithecus bambolii

In der Paleobiology Database gibts zu Oreopithecus bambolii folgenden Eintrag:
Sammlung Epoche, Alter
Baccinello V1

Systematik


Literatur

P. Gervais 1876, . Zoologie et Paléontologie Générales. Nouvelles Recherches sur les Animaux Vertébrés Dont On Trouve les Ossements Enfouis dans le Sol et sur Leur Comparaison aves les Espèces Actuellement Existantes. Deuxième Série [General Zoology and Paleontology. New Research on Vertebrate Animals Whose Bones Are Found in the Soil and Their Comparison with Existing Species. Second Series]. , p. 72
J. Hurzeler, B. Engesser 1976, Les faunes de mammiferes neogenes du Bassin de Baccinello (Grosseto, Italie). Comptes Rendus de la Academie des Sciences Paris, Serie D. 283, p. 333 - 336