Evolution der Primaten im Wandel der Erdgeschichte



1. Kreidezeit

Die Entstehung der Primaten musste mit einer Aufsehen eregenden Entdeckung im US-Bundesstaat Montana bis in die ausgehende Kreidezeit vor 65 Millionen Jahren zurückverlegt werden.

Dieser fast unvorstellbar weit zurückliegende Zeitpunkt wird heute von den meisten Paläontologen als gesichert angesehen. Der Fund bestand aus fünf Zähnen und repräsentiert zwei Spezies von insektenfressenden Säugetieren, die 1965 als Purgatorius beschrieben wurden. Die Zuordnung zu den Primaten, basierend auf den Merkmalen eines einzelnen Prämolars und vier Molaren, obwohl zwischenzeitlich mit ein paar vollständigen Kiefern ergänzt, wird in der wissenschaftlichen Welt nicht vollständig akzeptiert.

2. Paläozän

Die frühesten, als Primaten anerkannten Spezies lebten vor etwa 60 Millionen Jahren, wie vollständig erhaltene Schädel und teilweise erhaltene, postcraniale Skelette zeigen.

Die Rede ist von Plesiadapis, Ignacius und Palaechthon aus Europa und Nordamerika. Gemeinsame Merkmale dieser Schädel sind eine Reihe von Spezialisierungen im Gebiss, einschließlich nagetierähnlicher Schneidezähne im Unter- und Oberkiefer im Fall von Plesiadapis, sowie das Fehlen anderer, vormolarer Zähne. Die Molare selbst zeigen jedoch eine große Ähnlichkeiten mit den Primaten.


Wichtige Primatenfunde aus dem Paläozän

Jüngste Funde, vor allem Fingerknochen von Ignacius und anderen Gattungen, deuten allerdings darauf hin, dass manche -wenn nicht alle-, dieser Primaten aus dem Paläozän in Wirklichkeit zur Ordnung Dermoptera gehören, deren einziger heute lebender Vertreter der Riesengleiter aus Südostasien ist. Wenn dem so ist, dann würden sich die fossilen Primaten aus dem Paläozän auf eine Handvoll Zähne mit zweifelhaftem Status reduzieren, die man in China und Frankreich fand.

3. Eozän

Die bis heute bekannten fossilen Primatenfamilien aus der Epoche des Eozäns (54,8 bis 33,7 Millionen Jahre) sind die Tarsiidae (Koboldmakis), die Adapidae (wahrscheinliche Vorfahren der Lemuren und Loris) sowie die Omomyidae (mögliche Vorfahren der »echten Affen« und Menschenaffen).

Die Familie Adapidae und die dazugehörigen Notharctidae bestehen aus den beiden nordamerikanischen Gattungen Notharctus und Smilodectes, die in fossilen Ablagerungen des Bridger Basin, Wyoming, USA, gefunden wurden, sowie aus Adapis, Europolemur, Anchomomys und Pronycticebus aus Europa.


Wichtige Primatenfunde aus dem Eozän

Notharctus und Smilodectes werden jedoch nicht als Vorfahren heute lebender Lemuren betrachtet, obwohl Notharctus den modernen Lemuren in Größe und allgemeinem Erscheinungsbild sehr ähnlich war. Sowohl aus zoogeographischen als auch aus morphologischen Gründen (besonders der Struktur der Fußknochen) könnten die Adapidae jenen Stamm darstellen, aus dem schließlich die modernen Lemuren und Loris hervorgingen. Die Gattung Europolemur hatte sogar eine sogenannte Putzkralle - das ist eine große Klaue, die bei der modernen Primatenunterordung der Feuchtnasenaffen (Strepsirrhini) anstelle eines Nagels auf der zweiten Zehe sitzt. Vertreter der Omomyidae schließlich wurden in Nordamerika, Europa, Nordafrika (Ägypten) und Asien gefunden.

Die eozänen Tarsiidae sind durch die europäischen Arten Necrolemur antiquus aus den Ablagerungen von Quercy, Südfrankreich, und Afrotarsius chatrathi aus dem ägyptischen Fayum-Becken vertreten. Sie sind aller Wahrscheinlichkeit nach die Vorfahren der modernen Gattung Tarsius (Koboldmakis). Koboldmakis sind in der Tat ein „lebendes Fossil” (im wahrsten Sinne dieses überholten Begriffes), denn fossile Zähne aus dem Eozän Chinas und dem Miozän Thailands (vor 23,8 bis 5,3 Millionen Jahren) konnten eindeutig der uns heute bekannten, modernen Gattung Tarsius zugeordnet werden.

Spuren der wahrscheinlich frühesten »echten Affen« (Simiiformes) stammen aus 45 Millionen Jahre alten Ablagerungen in Südchina. Eosimias, so der Name, ist hauptsächlich von winzigen fossilen Kierfern und wenigen Fußknochen bekannt. Der Fund von Eosimias verfügt über viele Merkmale, die von Wissenschaftlern für die frühesten Vorfahren der Simiiformes erwartet wurden und sie erscheinen sehr plausibel. Aus etwas späterer Zeit stammen andere Formen von frühen Simiifores, mit Namen Pondaungia und Amphipithecus aus Burma (heute Myanmar). Erste Funde wurden bereits in den 1920er Jahren gemacht, doch sollte es bis in die 1980er und 1990er Jahre dauern, bis der Status dieser Primaten durch weitere Funde bestätigt wurde.

4. Oligozän

Informationen über die Primatenevolution während des Oligozäns (vor 33,8 bis 23,3 Millionen Jahren) beruhen hauptsächlich auf Fossilien, die aus Texas und Ägypten stammen.

Die frühesten Fossilien von südamerikanischen Breitnasenaffen (Platyrrhini) sind nur etwa 25 Millionen Jahre alt, und so ist die Evolution letzterer ständiger Gegenstand paläontologischer Diskussionen. Um hier zu einer Einigung zu kommen, bedarf es wohl noch vieler Funde von Platyrrhini aus der Zeit ihrer frühesten Entwicklungsgeschichte.


Wichtige Primatenfunde aus dem Oligozän

Von außergewöhnlichem Interesse ist die Entdeckung des Craniums eines nordamerikanischen Omomyiden, der als Rooneyia bezeichnet wird. Von ungewöhnlichem Interesse deshalb, weil viele Wissenschaftler der Überzeugung waren, dass Primaten mit dem Ende des Eozäns aus Nordamerika verschwunden waren. Rooneyia selbst ist aber auch von besonderem Interesse, so zeigt der Schädel eine Mischung aus primitiven und weiterentwickelten Merkmalen, wie sie für die Übergangszeit von niedrigeren zu höheren Primaten zu erwarten ist.

Es wird allgemein angenommen, dass die Primaten-Familien Hominoidea (Menschenaffen und Menschen) und Cercopithecoidea (Altweltaffen) als Trockennasenaffen Catarrhini eine gemeinsame, tief verwurzelte Abstammung im afro-arabischen Raum haben. Der älteste Stamm der Trockennasenaffen, den man im Fossilienbestand identifizieren kann, sind die Propliopithecoidea aus dem späten Eozän bis Oligozän (etwa 35-30 Millionen Jahre alt) und stammen aus Ägypten, dem Oman und möglicherweise aus Angola. Genom-basierte Schätzungen für die Divergenz der Hominoiden und Cercopithecoiden reichen zurück bis ins frühe Oligozän, jedoch gibt es aus dem mittleren bis späten Oligozän (vor 30 bis 23 Millionen Jahren) wenig fossile Belege, die die Morphologie des letzten gemeinsamen Vorfahren von Hominoiden und Cercopithecoiden oder den Zeitpunkt ihrer Divergenz dokumentieren könnten. Erst im Jahr 2010 veröffentlichten Forscher die Entdeckung von Saadanius hijazensis(Link mit Video). Der Fund besteht aus einem Teilschädel und gehörte einem mittelgroßen Trockennasenaffen (etwa 15 bis 20kg) und wird auf ein Alter von 28 bis 29 Millionen Jahre datiert. Wissenschaftler erhoffen sich nun Erkenntnisse über eine Epoche der Primatenevolution, aus der es nur spärliche Fossilfunde gibt.

Aber die bei weitem wichtigste Region in der Erforschung der oligozänen Primatenevolution ist Ägypten. Aus der Fayum-Region in der westägyptischen Wüste, aus den Qasr El Sagha und Jabal Qatrani Formationen, stammen die ersten Hinweise auf die aufstrebende Unterordnung der Schmalnasenaffen Catarrhini. Aus dieser heute trockenheißen Gegend stammt eine Reihe verschiedener Primatengattungen wie Catopithecus, Proteopithecus, Apidium, Qatrania, Propliopithecus, Oligopithecus, Parapithecus und Aegyptopithecus. Die beiden ersten stammen zusammen mit einigen anderen Primaten mit unsicherer Zuordnung aus der Sagha-Formation, die erdgeschichtlich zwar zum ausgehenden Eozän gehört, deren Schichtfolgen sich jedoch bis ins Oligozän erstrecken. Aegyptopithecus soll sich weiter zum Vorfahren aller heute lebenden Catarrhinen entwickelt haben, das sind die Altweltaffen und Menschenaffen (Hominidae und Hylobatidae), deren Vorfahren sich nicht viel später als vor 25 Millionen Jahren getrennt haben. Die Fayum-Senke könnte aber nicht nur die Wiege der Catarrhini, sondern möglicherweise auch der Platyrrhini, also der Neuweltaffen sein, da einige Autoren der Meinung sind, dass die Familie der Parapithecidae (mit Parapithecus, Apidium und Qatrania) eher zu den Platyrrhini als zu den Catarrhini zu zählen ist. Die anderen Gattungen repräsentieren die gemeinsamen Vorfahren der Altweltaffen, was darauf schließen lässt, dass sich die Catarrhini und Platyrrhini inzwischen getrennt haben müssen, während die beiden modernen Gruppen der Catarrhini (Cercopithecoiden und Hominoiden) sich noch nicht getrennt hatten. Die Fayum-Primaten zeigen darüber hinaus, dass sich offensichtlich die Quadrupedie (Vierfüßigkeit) als typische Fortbewegungsform etabliert hatte und dass das charakteristische "von-Ast-zu-Ast-Springen" der eozänen Vorfahren nicht beibehalten wurde.

5. Miozän

Die Epoche des Miozäns (vor 23,8 bis 5,3 Millionen Jahren) ist für die Paläoprimatologie in Bezug auf Fossilfunde eine wahre Fundgrube.

Während dieser Zeit fanden dramatische Veränderungen in der Geomorphologie statt, was erheblichen Einfluss auf das Weltklima und die Vegetationen hatte. Die Zeit des Miozäns war geprägt durch starken Vulkanismus und Gebirgsbildung, so ließen die Küstenlinien der Kontinente bereits ihre heutige Form vorausahnen.


Wichtige Primatenfunde aus dem Miozän

Von besonderer Bedeutung für die Geschichte der Primaten sind die Veränderungen der Vegetation, die durch die Bildung solch gewaltiger Gebirgsmassive wie dem Himalaya hervorgerufen wurden. So kamen die Gräser, erst im späten Tertiär vor 65 Millionen Jahren entstanden, infolge den veränderten Bedingungen zu großer Blüte und in vielen zuvor bewaldeten Gebieten breiteten sich nun Savannen, Llanos oder Prärien aus. Während dieser Zeit entstand eine neue Art von Primaten, und zwar die Bodenbewohner. Die generelle Anatomie der Primaten, kombiniert mit einem spezialisierten Gehirn machten diesen Schritt möglich.

In den letzten Jahrzehnten haben bemerkenswerte Funde aus miozänen Ablagerungen Ostafrikas und Europas viel zum Verständnis der Evolution von Menschen und Affen beigetragen. In Ostafrika haben schon in den 1930er Jahren Ausgrabungen von Louis Leakey und einer Reihe seiner Kolleginnen und Kollegen an den Ufern des Lake Victoria die Kenntnisse über die Evolution der Menschenaffen und Menschen revolutioniert. Neuere Ausgrabungen bei diesen zum Teil 17 bis 19 Millionen Jahre alten Fundorten in Nordkenia - einer ist sogar 24 Millionen Jahre alt - haben die Erkenntnisse von früher stark erweitert. Die Gattung Proconsul kennt man von einem fast vollständigen Skelett und mehreren anderen, postcranialen Knochen, sowie von einer großen Anzahl von Kiefer- und Schädelfragmenten. Nur einer der Schädel ist komplett, dieser war jedoch durch den Druck der ihn umgebenden Gesteinsschichten stark verzerrt worden. Die mühevolle Rekonstruktion ergab ein eher affenähnliches Wesen, das mit einem Menschenaffen nur wenig gemeinsam hatte. Dies und die Rekonstruktion einiger Vorderextremitäten, die von dieser Spezies recht gut bekannt sind, deuteten auf eine Körperform hin, die den heute lebenden Affen ähnlicher als den Menschenaffen war. Leakey kam zu dem Schluss, dass Proconsul sich schon vor der Trennung der modernen Menschenaffen und Menschen vom Hauptstamm der Primaten entwickelt haben musste, und so stellte er Proconsul in eine separate Familie mit Namen Proconsulidae. Seit den 1980er Jahren kam eine Reihe weiterer Gattungen wie Limnopithecus, Dendropithecus, Afropithecus, Kamoyapithecus (nach dem berühmten Homininenfinder Kamoya Kimeu) und andere hinzu, jedoch blieb der Ursprung der tatsächlichen Vorfahren der Hominoiden immer noch im Dunkeln. Bis ein schon zuvor bekanntes Exemplar von Moroto Island (Lake Victoria) neu untersucht wurde und auch frisches Material hinzukam. 1997 wurde die Beschreibung der neuen Gattung und Art Morotopithecus bishopi schließlich offiziell angekündigt. Diese 20 Millionen Jahre alten Fossilen scheinen die frühesten Anzeichen der modernen hominoiden Skelettfunktionen zu offenbaren, so die Wissenschaftler. Da aus dieser Zeit auch die frühesten Spuren der Altweltaffen stammen, könnte dies bedeuten, dass, als die Gruppe der Proconsulidae mit ihren vielen Gattungen aufblühte, sich die Hominoiden (Menschenaffen) und die Cercopithecoiden (andere Affen) ebenfalls bereits spezialisierten und sich auseinander zu entwickeln begannen. Als schließlich während des mittleren Miozäns die Proconsulidae verschwanden, waren es die Altweltaffen, die sich sofort diversifizierten und die freigewordenen Nischen, die von den Proconsulidae hinterlassen wurden, nun neu besetzten. Die Hominoiden blieben bis zum Aufstieg der Menschenlinie jedoch eine eher unscheinbare Gruppe, die nur von wenigen Fossilien bekannt ist. Die Abspaltung der Gibbons (kleine Menschenaffen, Hylobatidae) von der Linie der großen Menschenaffen und Menschen (Hominidae) ist derzeit durch keine Fossilien dokumentiert. In der Tat diskutiert man heftig darüber, ob es überhaupt Fossilien von Gibbons geben kann, die älter als das Pleistozän sind.

In Europa existierte eine weit verbreitete Familie von Primaten mit Namen Pliopithecidae. Die bekanntesten Überreste dieser Gattung stammen von Pliopithecus aus der Tschechischen Republik. Sie liefern ein bemerkenswert vollständiges Bild über die Gewohnheiten dieser Gruppe, nicht zuletzt deslhalb, weil sie den schlanken Körperbau vieler Neuweltaffen besaßen und sich offenbar auf vier Beinen fortbewegten. Fälschlicherweise lange Zeit als die Vorfahren der Gibbons betrachtet, weiß man heute, dass die Pliopitheciden evolutionär am weitesten von jeder anderen, heute lebenden Primatenart entfernt sind. Ihre Vorfahren spalteten sich auf der Linie der Catarrhini noch vor den Proconsulidae mit ihrem bekanntesten Vertreter Proconsul ab. Neben den Pliopitheciden tauchten schließlich in Spanien, Frankreich und Ungarn die Überreste von Dryopithecus auf, einer Primatengruppe, die man heute in die Familie Hominidae (Menschenaffen, Menschen) einordnet. Nach heutiger Sicht sind die Dryopithecidae nahe Verwandte der Vorfahren von Menschenaffen und Menschen und zeigen hinsichtlich des Skeletts fortschrittlichere Merkmale als Morotopithecus, wie es moderne Hominoiden charakterisiert.

In den Siwalik-Hills im nördlichen Indien und Pakistan wurden seit 1870 die Überreste von mehreren Arten von Sivapithecus aus dem mittleren bis späten Miozän ausgegraben. Man hat schon früh vermutet, dass diese Gattung in irgendeinem Zusammenhang mit heute lebenden Orang-Utans stehen muss. Diese Hypothese wurde in den 1970er Jahren eindrucksvoll bestätigt, als man einen Gesichtsschädel fand, der primitive hominoide Merkmale mit entwickelteren, orang-utan-ähnlichen Merkmalen verband. Wenn sich die Orang-Utan-Linie also separat in Asien entwickelte, so könnte man erwarten, dass die Vorfahren der Menschen, Schimpansen und Gorillas gleichzeitig und weiter westlich entstanden sind. Wie sich möglicherweise noch herausstellen wird, war dies auch tatsächlich der Fall, denn mit der Entdeckung zweier weiterer Gattungen, dem etwa 8 Millionen Jahre alten Samburupithecus aus dem Norden Kenias und der ständig steigenden Anzahl von cranio-dentalen Überresten von Graecopithecus gleichen Alters aus Griechenland, scheint sich diese Annahme zu bestätigen.

Eins der berühmtesten Fossilien aus dem späten Miozän ist der "Kohlenmensch- oder mann", so genannt, weil das sehr gut erhaltene, vollständige Skelett in den 1950er Jahren beim Abbau von Braunkohle in Norditalien gefunden wurde. Der Fund mit wissenschaftlichen Namen Oreopithecus zeigte einige Merkmale bei den Knochen und im Gebiss, die man in der Regel als typisch "hominin" einstufen würde. Die Eckzähne waren relativ kurz, das Gesicht war verkürzt und das Becken war breit, was zusammen mit der menschenähnlichen Wirbelsäule auf einen aufrechten Gang hinwies. Die Arme waren lang und die Finger lang und gekrümmt. Die Proportionen der Gliedmaßen hatten Ähnlichkeit mit denen eines Brachiatoren, was soviel wie etwa "Schwinghangler" bedeutet. Anfangs zog man in Betracht, dass Oreopithecus möglicherweise ein menschlicher Vorfahr sein könnte. Neuere Analysen deuteten dann darauf hin, dass Oreopithecus die Merkmale eines Schwinghanglers parallel zu den Gibbons entwickelte. Ebenfalls scheinen neuere Studien zu bestätigen, dass Oreopithecus tatsächlich zur Familie der Hominidae gehörte, seine genaue taxonomische Stellung ist aber immer noch unklar. Zwar geht man davon aus, dass sich die menschliche Linie mit ihren aufrecht gehenden Vertretern (Australopithecinen) im Miozän noch nicht vom Hauptstamm der Hominidae abgespalten hat, doch das Becken des Oreopithecus zeigt unbestreitbar biomechanische Abnutzungsspuren, genau wie man sie bei einem aufrecht gehenden Wesen erwarten würde. Dass die Geschichte der Oreopithecidae noch einige Überraschungen bereit hält, scheint sicher. Bei einer anderen Kontroverse geht es um den Fundort selbst, bei dem es sich möglicherweise um eine isolierte, sumpfige Insellandschaft des Miozäns handelte, die für über eine Million Jahre vom Festland getrennt war.

6. Pliozän

Die Epoche des Pliozäns (vor 5,3 bis 1,8 Millionen Jahre) war den geographischen und klimatischen Verhältnissen von heute bereits sehr ähnlich.

Einmal abgesehen von den schlimmen Auswirkungen der jüngsten Geschichte auf die Savannen Afrikas und die Tropen weltweit, war das Antlitz der Erde im Großen und Ganzen so, wie es sich uns heute präsentiert. Folglich würde man erwarten, dass während des Pliozäns (die Wirksamkeit der natürlichen Auslese vorausgesetzt), bereits alle wesentlichen Formen der modernen Primaten vorhanden waren. Bis heute gibt es kaum nennenswerte Fossilien, die man der Linie der modernen Menschenaffen zuordnen könnte.


Wichtige Primatenfunde aus dem Pliozän

Zwar gibt es einige pliozäne Funde wie Libypithecus und Dolichopithecus, jedoch scheinen diese eine Vorfahrengruppe der Colobusaffen zu sein, die man heute noch nicht genau einordnen kann. Was das Pliozän wirklich auszeichnet, ist der Aufstieg einer Primatenlinie, die mit Ardipithecus ramidus vor 4,4 Millionen Jahren ihren Anfang nahm, und heute bei Homo sapiens endet.

7. Pleistozän

Das Pleistozän (vor 1,8 Millionen bis 11.700 Jahre vor heute) ist jene erdgeschichtliche Epoche, die von der Ausbreitung der Hominini gekennzeichnet ist.

Das Wissen über nichtmenschliche Primaten, außer vielleicht über einige wenige Altweltaffen, ist überraschend bruchstückhaft. Bis vor relativ kurzer Zeit kannte man keine Fossilien von Menschenaffen - andere Überreste von Altweltaffen wurden nur in wenigen Regionen Afrikas gefunden, darunter Spezies wie Paracolobus und Rhinocolobus (Mitglieder der Unterfamilie Colobinae) oder Gorgopithecus und Dinopithecus aus südafrikanischen Ablagerungen, die man der Gattung Papio (Paviane) zuordnen kann.


Wichtige Primatenfunde aus dem Pleistozän

Simopithecus aus der Olduvai-Schlucht und aus Südafrika bekannt, war nach Ansicht vieler Wissenschafttler ein riesiger Vorfahr der Gattung Theropithecus (Dscheladas), der auch vor kurzem in Indien entdeckt wurde. Möglicherweise kann die Trennung der Papio- und Theropithecuslinie bis ins vorhergehende Pliozän zurückdatiert werden.

Eine mysteriöse Gattung aus dem Pleistozän ist Gigantopithecus, die man nicht so ohne weiteres in die heute gebräuchliche Taxonomie einorden kann. Die abenteuerliche Geschichte von der Entdeckung der riesigen Zähne des Gigantopithecus blacki durch den deutsch-niederländischen Paläontologen G.H.R. von Koenigswald in einer chinesischen Apotheke ist oft erzählt worden. Sein Mut, eine neue Gattung aufgrund solch verschwindend weniger Fundstücke zu postulieren, wurde schließlich durch nachfolgende Entdeckungen mehrerer massiver Kiefer aus Kwangsi, Südchina, belohnt. Weitere, etwa eine Million Jahre alte Zahnfunde aus verschiedenen Höhlen in China und Vietnam bestätigten die Art und in einer dieser Höhlen (Tham Khuyen) fand man sogar Überreste von Gigantopithecus und Homo in den gleichen Schichten. Diese wurden vor kurzem auf ein Alter von ca. 475.000 Jahre datiert. Darüber hinaus hat die Entdeckung eines enormen Kiefers aus dem frühesten Pliozän in den Dhok-Pathan-Ablagerungen der Siwalikkette Indiens die erdgeschichtlich lange Existenz des Riesenaffen deutlich gemacht. Mit Sicherheit gehörte Gigantopithecus zur Familie der Hominidae und war mit den heutigen Orang-Utans verwandt, wobei seine spezialisierten Zähne möglicherweise eine Anpassung an die sich seit dem Pliozän ausbreitenden Grassteppen war, wo es kaum mehr Baumfrüchte gab und die Nahrung auf dem Boden zwar verfügbar, aber schwer zu nutzen war. Gigantopithecus gehörte somit zu einer Linie, die eng mit dem Orang-Utan verwandt war und sich für eine zeitlang parallel zu den Menschen entwickelte.


8. Holozän

Das Holozän (vor 11700 Jahren bis heute) ist durch den nacheiszeitlichen, kulturellen Aufstieg einer außergewöhnlichen Primatenart, dem Homo sapiens, gekennzeichnet. Ursprünglich vor etwa 200.000 Jahren in Afrika entstanden, siedelt er heute als einziger Überlebender des Tribus Hominini auf allen Kontinenten des Planeten, sieht man einmal von der Antarktis ab.