Biofilm


Biofilme bestehen aus einer Schleimschicht (Film), in der Mikroorganismen (z. B. Bakterien, Algen, Pilze, Protozoen) eingebettet sind. Biofilme entstehen, wenn Mikroorganismen sich an Grenzflächen ansiedeln. Sie bilden sich überwiegend in wässrigen Systemen, entweder auf der Wasseroberfläche oder auf einer Grenzfläche zu einer festen Phase.

Grundsätzlich können jedoch alle Grenzflächen von Biofilmen bewachsen werden: zwischen Gas- und Flüssigphasen (z. B. freier Wasserspiegel), Flüssig- und Festphasen (z. B. Kies an der Gewässersohle) oder auch zwischen verschiedenen Flüssigphasen (z. B. Öltröpfchen im Wasser). Die Grenzfläche, auf der sich der Biofilm bildet, nennt man Substratum.

Biofilme können als eine sehr ursprüngliche Form des Lebens gelten, denn die ältesten Fossilien, die man bisher gefunden hat, stammen von Mikroorganismen in Biofilmen, die vor 3,2 Milliarden Jahren gelebt haben. Es handelt sich dabei um in Westaustralien (Pilbara Kraton) gefundene Stromatolithen (biogene Sedimentgesteine). Der Biofilm als Lebensform hat sich so gut bewährt, dass er bis heute weit verbreitet ist. Die weitaus überwiegende Zahl an Mikroorganismen lebt in der Natur in Form von Biofilmen.[1]

Biofilme werden im Alltag oft als „Schleimschicht“ oder „Belag“ wahrgenommen. Andere, umgangssprachliche Bezeichnungen sind Aufwuchs, Kahmhaut oder Sielhaut.

Zusammensetzung

Der Biofilm enthält außer den Mikroorganismen hauptsächlich Wasser. Von den Mikroorganismen ausgeschiedene extrazelluläre polymere Substanzen (EPS) bilden in Verbindung mit Wasser Hydrogele, so dass eine schleimartige Matrix entsteht, in der Nährstoffe und andere Substanzen gelöst sind. Oft werden von der Matrix auch anorganische Partikel oder Gasbläschen eingeschlossen. Die Gasphase kann je nach Art der Mikroorganismen mit Stickstoff, Kohlenstoffdioxid, Methan oder Schwefelwasserstoff angereichert sein.

Die EPS bestehen aus Biopolymeren, die in der Lage sind, Hydrogele zu bilden und die somit dem Biofilm eine stabile Form geben. Dabei handelt es sich um ein weites Spektrum von Polysacchariden, Proteinen, Lipiden und Nukleinsäuren.

In Biofilmen leben normalerweise verschiedene Mikroorganismen gemeinsam. Neben den ursprünglichen Biofilm-Bildnern können auch andere Einzeller (Amöben, Flagellaten u. a.) integriert werden. Im Abstand von wenigen hundert Mikrometern können aerobe und anaerobe Zonen vorkommen, sodass aerobe und anaerobe Mikroorganismen eng nebeneinander leben können.

Form

Fluoreszenz-mikroskopische Aufnahme eines Multi-Spezies-Biofilms auf rostfreiem Stahl

Im Kernbereich ist der Biofilm meist kompakt (Basis-Biofilm). Der Randbereich (Oberflächen-Biofilm) kann entweder ebenfalls kompakt und regelmäßig geformt sein und eine ebene Grenzfläche zum überströmenden Fluid bilden oder unscharf ausgeformt und wesentlich lockerer sein. In letzterem Fall kann der Oberflächen-Biofilm einer Berg-und-Tal-Bahn ähneln, wenn beispielsweise Bakterienarten fadenförmig (filamentös) in das Fluid hineinwachsen oder wenn das Substratum mit Protozoen (z. B. Glockentierchen) oder höheren Organismenarten besiedelt ist.

Die Biofilm-Matrix ist dann oft von Poren, Kavernen und Gängen durchzogen, die einen Stoffaustausch zwischen den Bakterienzellen und eine Versorgung mit Wasser ermöglichen. So finden sich häufig pilzförmige oder turmartige Strukturen. Dort treten konvektive Stofftransportvorgänge auf, wenn diese von Flüssigkeit durchströmt werden. Im Bereich der Oberfläche des Biofilms können konvektive Mischungsvorgänge zusätzlich durch Bewegung von in die Strömung hineinragenden Auswüchsen (z. B. Fadenbakterien) ausgelöst werden. Im Inneren von Biofilmen werden gelöste Stoffe überwiegend durch Diffusion transportiert.

An der Grenzschicht zum Wasser können immer wieder Zellen oder ganze Teile des Biofilms abgegeben und vom vorbeiströmenden Wasser aufgenommen werden.

Bildung

Die Entstehung und Ausbildung eines Biofilms kann in drei Phasen unterteilt werden: Die Induktionsphase, die Akkumulationsphase und die Existenzphase.

Der Biofilmbildung auf festen Oberflächen geht meist eine Induktionsphase voraus, andere Biofilme bilden sich oft auch ohne diese. In der Induktionsphase lagert sich an einer mit Wasser benetzten Oberfläche eine dünne, zähflüssige Schicht aus organischen Substanzen an. Dadurch können die Mikroorganismen sich besser an die Oberfläche anheften. Diese Biopolymere entstammen der Schleimhülle, die sich um Bakterienzellen bildet (EPS), sich gelegentlich ganz oder teilweise ablöst und beim Kontakt mit Grenzflächen adsorptiv gebunden wird.

Phasen der Biofilmentwicklung

Diese organische Schicht wird dann in der Akkumulationsphase von Keimen besiedelt, welche die organischen Substanzen als Nährstoffe nutzen. Zur Verständigung der Mikroorganismen dient ein interzelluläres Kommunikationssystem, welches als „Quorum sensing“ bezeichnet wird. Dadurch können eine Reihe von Vorgängen durch die Aktivierung genetischer Programme untereinander koordiniert werden. Infolge der Vermehrung der Zellen, die sich an einer Oberfläche angelagert haben, kommt es zu einer Ausbreitung der Organismen. Die Grenzfläche wird in Form eines Films (Biofilm) erst flächig besiedelt. Gleichzeitig oder später wachsen die Biofilme mehrschichtig auf und bilden schließlich heterogene dreidimensionale Strukturen.

Von der Existenzphase spricht man, wenn sich ein Gleichgewicht zwischen Zuwachs und Abbau des Biofilms einstellt. Die Tiefenausdehnung des Biofilms ist begrenzt, da sich regelmäßig ganze Teile des Biofilms ablösen (Häutung, engl. sloughing). Dafür gibt es verschiedene Ursachen:

  • In den tieferen Schichten des Biofilms kommt es leicht zu Substrat- oder Sauerstoffmangel. Diese physiko-chemischen Gradienten können mittels Mikrosensoren gemessen werden. Fakultativ anaerobe (sauerstofftolerant) bzw. strikt anaerobe (leben ohne Sauerstoff) Bakterien haben in diesem Milieu einen Wachstumsvorteil gegenüber den aeroben (benötigen Sauerstoff) Vertretern.
  • Durch die zunehmende Dicke wird der Biofilm irgendwann zu schwer.
  • Durch die Bildung von Gasblasen (z. B. durch Denitrifikation und Kohlendioxid) geht der Zusammenhalt von Biofilmteilen verloren.
  • Die Erhöhung des Strömungswiderstandes mit zunehmender Dicke führt zu einer erhöhten Erosion, wenn sich der Biofilm an angeströmten Oberflächen gebildet hat.
  • Durch das Quorum Sensing werden genetische Programme zur kollektiven Ablösung aktiviert.

Leben im Biofilm – Schutz und Gemeinschaft

Die Lebensvorgänge der Bakterien im Biofilm unterscheiden sich deutlich von denen im planktonischen Zustand, also in freier Suspension. Bewegliche Bakterien trennen sich von ihren Flagellen und es werden andere EPS als im planktonischen Zustand gebildet.

Die Matrix bietet mechanische Stabilität und erlaubt es den Biofilm-Organismen, langfristige synergistische Wechselwirkungen aufzubauen, Hungerperioden zu überstehen und verhindert das Abschwemmen extrazellulärer Enzyme.

So werden einige Gene durch den Oberflächenkontakt an- und andere abgeschaltet. Durch spezielle Signalmoleküle können sie sich untereinander verständigen und gegenseitig weitere Gene an- und abschalten. Ihr genetisches Repertoire erweitern sie durch horizontalen Gentransfer, indem sie mit Nachbarzellen Gene austauschen.

Dadurch ist eine flexible, leistungsfähige und universelle Lebensform entstanden, die sich ansatzweise mit multizellulären Organismen vergleichen lässt.

Der Biofilm bietet dem einzelnen Mikrolebewesen darin einen ausgezeichneten Schutz und ermöglicht ihm, sich auf veränderte Umweltbedingungen einzustellen: So steigt die Toleranz gegenüber extremen pH- und Temperatur-Schwankungen, Schadstoffen (z. B. Bakterizide), aber auch UV- und Röntgenstrahlung sowie Nahrungsmangel. Mögliche Ursachen dieser Hemmung sind:

  • erschwerte Penetration – die Schadstoffe können nicht in die Biofilme eindringen
  • ungünstige Bedingungen für den Wirkstoff im Biofilm
  • hohe Diversität
    • Einzelne bakterielle Zellen oder Gruppen an verschiedenen Stellen des Biofilms (mit anderen Worten „näher“ oder „weiter entfernt“ von Nährstoffen, Sauerstoff (aerobe und anaerobe Bereiche), Antibiotika oder Reaktionen des Immunsystems) verhalten sich unterschiedlich. Selbst bei großflächigem Bakteriensterben überleben häufig vereinzelte so genannte „Persister“, die aufgrund der vorhandenen Nährstoffe nahezu ideale Bedingungen für eine erneute Vermehrung haben.[2]
    • langsamere Wachstumsraten der Bakterien im Biofilm – die Bakterien zeigen teilweise einen reduzierten Stoffwechsel bis hin zu Ruhestadien (VBNC – „viable but not culturable“)[3] und nehmen deshalb so gut wie keine antibiotischen Gifte auf, sie schützen sich im Wesentlichen selbst durch Untätigkeit.

Vorkommen

Natürliches Vorkommen

Biofilme kommen überall vor – in allen Böden und Sedimenten, auf Gestein, auf und in Pflanzen und Tieren, hier insbesondere an den Schleimhäuten; im Eis von Gletschern, in kochenden Quellen, auf Felsen in der Wüste, in verdünnter Schwefelsäure und verdünnter Natronlauge, in Flugzeugbenzin und in Öltanks, in Raumschiffen[4] und U-Booten, sogar in stark radioaktiv kontaminierten Bereichen von Kernkraftwerken. Sie bilden mikrobielle Matten in Feuchtgebieten.

Biofilme besitzen eine große ökologische Bedeutung. Sie sind an den globalen Kreisläufen von Kohlenstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Schwefel, Phosphor und vieler anderer Elemente beteiligt. Sie mobilisieren Stoffe aus Mineralen. Sie binden viel Kohlenstoffdioxid, womit sie dem Treibhauseffekt entgegenwirken.

Die Organismen innerhalb der Biofilme sind in der Lage, durch ihr Zusammenwirken auch schwer abbaubare Stoffe abzubauen. Sie spielen eine zentrale Rolle in den Selbstreinigungsprozessen natürlicher Habitate. So sind sie wesentlich an der Selbstreinigung der Gewässer beteiligt.

An Grenzflächen bzw. Körperöffnungen von Tieren gibt es häufig „einheimische“, nicht-krankheitserregende (apathogene) Biofilm-Populationen. Beispiele hierfür sind die Bakteriengemeinschaften von Haut, Mund und Darm (Haut-, Mund- und Darmflora). Auch die Plaque, die sich auf Zähnen bildet, besteht aus Biofilmen.[5] Die beteiligten Bakterien gehen mit dem Wirt eine interspezifische Wechselbeziehung ein. Sie gelten als Kommensale, sobald sie vom Wirt profitieren. Profitieren beide Arten handelt es sich um Mutualismus. Bei dieser Form der Wechselbeziehung erfüllen die Bakterien eine Reihe von Aufgaben. So sind sie bei der Reifung des Immunsystems in den ersten Lebensjahren von Bedeutung. Außerdem werden potenziell krankheitserregende Bakterien ferngehalten oder die Verdauungsprozesse unterstützt. Kommt es zu einem Ungleichgewicht in der Population, kann dies zu Krankheiten führen.

Infektionskrankheiten

Elektronenmikroskopische Aufnahme eines Staphylococcus aureus-Biofilms auf einer Katheteroberfläche

Obwohl Biofilme in der Natur allgegenwärtig sind, wird ihre klinische Bedeutung in der Medizin häufig unterschätzt. Dies gilt insbesondere für Infektionen, denn in mehr als 60 % aller bakteriellen Infektionskrankheiten schützen sich die Erreger durch die Bildung von Biofilmen vor dem Immunsystem.[6] Da ein großer Teil des anfänglichen mikrobiologischen Instrumentariums im Zuge großer Seuchen entwickelt wurde, geschah dies mit Schwerpunkt auf den frei schwebenden (planktonischen), sich schnell teilenden Bakterien akuter Infektionen (siehe Henle-Koch-Postulate). Die hier geforderte Isolation und Reinkultur im Labor führt allerdings zu beträchtlichem Genverlust der Bakterien unter herkömmlichen Laborbedingungen und schließlich zum Verlust der Fähigkeit zur Biofilmbildung. Deswegen und aufgrund der oben erwähnten Ruhephasen entziehen sich Biofilme in der Akkumulationsphase häufig neben dem Nachweis durch konventionelle Verfahren der Bakterienkultur auch der eingehenderen Untersuchung.[7] Moderne Techniken zur Visualisierung wie konfokale Mikroskopie und Gensonden zur Lokalisierung und Identifizierung von Biofilm-Organismen mittels Fluoreszenzmikroskopie haben zu einem besseren Verständnis der Biofilme beigetragen.

Im Zuge der Biofilmreifung kommt es in der Existenzphase, koordiniert durch das Quorum sensing, zum Ablösen größerer Bakterienansammlungen. Dadurch entsteht eine Quelle für Keime, die zu chronischen und wiederkehrenden Infektionen von Patienten (Bakteriämie) und unter Umständen bis hin zur häufig tödlichen Sepsis führen. Dies gilt insbesondere für Patienten mit geschwächtem Immunsystem. Biofilme werden mit einer Reihe von Infektionen in Verbindung gebracht. Beispiele hierfür sind:[1][8][9]

Ein weiteres betroffenes Feld sind die fremdkörper-assoziierten Infektionen. Hierunter fallen die mikrobielle Kontamination und Besiedlung von Kathetern, Implantaten und medizinischen Instrumenten. Der zunehmende Einsatz von Kunststoffen in der Medizintechnik hat neben den großen inhärenten Vorteilen für Diagnostik und Therapie zu einer Verschärfung der Biofilm-Problematik geführt. Besonders wegen der Affinität verschiedener Mikroorganismen, wie einigen Staphylokokken, zu den Oberflächen von Biomaterialien sind etwa die Hälfte der nosokomialen Infektionen auf chirurgische Implantate zurückzuführen.[11] Als Ausgangspunkt der beteiligten Mikroorganismen gelten die Hautoberfläche von Krankenhauspersonal und Patienten, der Kontakt von Austrittsstellen oder Konnektoren mit Leitungswasser und weitere Quellen aus der Umgebung.[12] Auch die Wasserleitungen von Krankenhäusern und zahnärztlichen Behandlungseinheiten sowie Dialyse-Ausrüstung und schwer zu reinigende Endoskope können betroffen sein. Abhängig von dem verwendeten Medizinprodukt und der Verweildauer kommen gram-positive, gram-negative Bakterien und Pilze als Einzel- oder Multi-Spezies-Biofilm vor. Beispiele für häufig beteiligte Erreger sind:

Aufgrund der teilweise ungeklärten erhöhten allgemeinen und Antibiotikum-Resistenz der Bakterien im Biofilm (u. a. durch verstärkten horizontalen Gentransfer, Bildung von „Persistern“ und hoher Diversität – siehe oben) ist in vielen Fällen die Entfernung des jeweiligen Implantats erforderlich. Besonders gefährdet sind Systeme mit großen Oberflächen und Hautdurchtrittsstellen. Beispiele für häufig von fremdkörper-assoziierten Infektionen betroffene Medizinprodukte sind:[1]

  • Venenkatheter
  • künstliche Herzklappen
  • Gelenkprothesen
  • Peritonealdialyse-Katheter
  • Herzschrittmacher
  • Endotrachealtubi
  • Stimmprothesen[13]
  • Zerebrospinalflüssigkeit-Shunts

Durch die Verwendung von Verfahren und Herangehensweisen aus der mikrobiellen Ökologie werden für die medizinische Mikrobiologie laut J. W. Costerton (siehe Literatur) erhebliche Synergien und damit ein deutlicher Fortschritt bei Verständnis und Therapie von medizinisch relevanten Biofilmen erwartet.

Lebensmittel

Um die Kontamination von Wasser und Lebensmitteln, aber auch von Medikamenten und Kosmetika durch Mikroorganismen zu verhindern, sind ständige Maßnahmen gegen Biofilmbildung nötig. Dabei fallen jedes Jahr große Mengen durch Reinigungs- und Desinfektionsmittel belasteten Wassers an.

Biokorrosion

In Gegenwart von Biofilmen wird Biokorrosion beobachtet. Hierbei führen in der sauerstoffliebenden (aeroben) Deckschicht enthaltene Eisenoxidierer zu einem Angriff der Passivschicht (von Metallen) - in der anaeroben Schicht existierende Sulfatreduzierer setzen an diesen Stellen an und „fressen“ sich in das Material hinein.
Durch mikrobiologisch bedingte Korrosion entstehen jährlich wirtschaftliche Schäden in beträchtlichen Umfang. Der Anteil an der Gesamtkorrosion (d.h. abiotisch und biotisch verursachter Korrosion) wird auf mindestens 20 % geschätzt; er liegt nach neueren Erkenntnissen wahrscheinlich deutlich höher. Selbst höherlegierte Werkstoffe wie V2A und V4A werden geschädigt. Fast alle technischen Systeme sind davon betroffen: u. a. Kühlkreisläufe, Wasseraufbereitungs- und Brauchwassersysteme, die Energieerzeugung in Kraftwerken, die Produktion von Autos, Computern, Farben, die Öl und Gas Industrie.[14] In Bergbaualtlasten führt biologische Laugung von Mineralen durch Biofilme zu großflächigen Umweltschäden bei Böden, Gewässern und Luft durch Staubbelastung sowie Emission von Schwefelsäure, Schwermetallen, Radon und Radionukliden.

Biofouling

Bei der Wasseraufbereitung durch Membranverfahren sind Biofilme für das Biofouling verantwortlich, das bei dieser Technik zu schwerwiegenden Störungen führt.

Ebenfalls unter Biofouling fallen Biofilme, die sich an Unterwasserkörpern bilden. Dies kann zu erheblichen Problemen führen. Ein Biofilm von nur einem Zehntel Millimeter verringert durch einen erhöhten Reibungswiderstand die Geschwindigkeit eines Tankers um 10 bis 15 Prozent. Dies hat einen erhöhten Brennstoffverbrauch zur Folge. Im Kampf gegen den organischen Bewuchs (bis hin zu Seepocken und Miesmuscheln) werden spezielle Substanzen auf Schiffe, Plattformen und Bojen gestrichen, deren Wirkstoffe an das Wasser abgegeben werden und häufig eine erhebliche Umweltbelastung darstellen. Eine solche Substanz ist das inzwischen weltweit verbotene hochtoxische Tributylzinn (TBT). Ebenfalls betroffen sind Sensorsysteme für Forschungs- oder Überwachungszwecke im maritimen Bereich, bei denen ein Bewuchs sehr schnell zu Funktionsbeeinträchtigungen führen kann.

Konzentrations-Gradienten von physisch-chemischen Parametern in Biofilmen können mittels hochauflösenden Mikrosensoren detektiert (= Funktionuntersuchung) und mit molekularbiologischen Daten aus der tiefenmäßigen Verteilung der im Biofilm vorhandenen mikrobiellen Populationen (= Strukturuntersuchung) korreliert werden. Ideelles Ziel ist es die Struktur und Funktion der mikrobiellen Populationen im Biofilm mit (Schadens-/Korrosions-)Daten von der Aufwuchsfläche zu kombinieren. Dieses trägt zum besseren Verständnis der Wechselwirkung zwischen schadensverursachendem Biofilm und der Aufwuchsfläche, was vor allem in angewandten Systemen von besonderem Interesse ist (z.B. marine Biofilme in Stahlrohren[14]), bei.

Nutzung

Die Biotechnologie macht sich Grenzflächen bereits in vielfacher Weise nutzbar. Dies reicht vom Einsatz immobilisierter, d. h. oberflächengebundener Enzyme und Mikroorganismen über die Abwasserreinigung mit Biofilm-Reaktoren und die biologische Abfallbehandlung bis zur mikrobiellen Laugung von Erzen.

Einsatz in der Abwassertechnik

Die Nutzung immobilisierter Mikroorganismen zur Abwasserreinigung in Form von Biofilmen begann bereits im 19. Jahrhundert. Biofilmverfahren eignen sich sehr gut für die Abwasserreinigung. Die Mikroorganismen sind an eine Feststoff-Oberfläche gebunden und werden somit nicht mit dem Abwasser aus der Kläranlage ausgetragen.

Die das Wasser verunreinigenden Stoffe sind für Mikroorganismen Energiequelle und Nahrung. Biofilme mit ihrer verästelten Struktur besitzen eine sehr große Adsorptionsfläche. Dadurch können Stoffe, die nicht sofort verarbeitet werden können, bis zu einem gewissen Grad am Biofilm angelagert und nachfolgend in Perioden mit geringer Nahrungszufuhr abgebaut werden.

Nach den jeweiligen Reaktortypen unterscheidet man Tropfkörper, Scheibentauchkörper, aerobe und anaerobe Festbetten und Schwebebetten.

Biologische Abfallbeseitigung

Biofilme machen die biologische Abfallbeseitigung möglich, indem sie die Abfälle besiedeln und abbauen.

Bodensanierung

Selbst Bodenschadstoffe wie ausgelaufenes Öl können von den entsprechenden Mikroorganismen zersetzt werden.

Verhinderung/Bekämpfung von Biofilmen

Mehrere unabhängige Institute bestätigen, dass sich bei der nachhaltigen Beseitigung von Biofilmen in technischen Systemen die Wasserentkeimung mit Vollmetallkatalysatoren in Verbindung mit geringem Einsatz an Wasserstoffperoxid seit mehr als zehn Jahren (erster technischer Einsatz 1997) erfolgreich im technischen Einsatz bewährt. Durch biochemische Verwertung von Keimen werden am Katalysator Biotenside gebildet, die den arteigenen Biofilm eliminieren.[15]

Weitere Institute bestätigen, dass der alleinige Einsatz von Wasserstoffperoxid keine Wirksamkeit in Bezug auf die Entkeimung hat.[16] Eine H2O2 - Konzentration von 150 mg/L mit einer Kontaktzeit von 24 h zeigte bei der Desinfektion von Trinkwassersystemen weder eine abtötende noch eine ablösende Wirkung, auch nicht durch die Zugabe von Silberionen (150 µg/L).[17] Da durch die Biozidbehandlungen Biofilme nicht abgelöst wurden, sondern die tote Biomasse auf den Oberflächen verblieb, kommt es durch eine Selektion resistenter einzelner Organismen und den Eintrag neuer Organismen in das Versuchssystem schnell zu einer Wiederverkeimung.

Einen guten Biofilm-Abbau zeigt das Desinfektionsmittel Chlordioxid. Das Molekül ist elektrisch neutral und kann die EPS-Schicht von Biofilmen, sowie die Zellmembranen von Mikroorganismen durchdringen. Im Gegensatz dazu erweist sich Chlor, welches in Wasser zu Hypochloriger Säure dissoziiert, als deutlich weniger wirksam, da es in Abhängigkeit vom pH-Wert teilweise als Hypochlorit-Ion vorliegt. Bedingt durch die negative Ladung des Hypochlorit-Ions ist eine Biofilm- und Zellmembrandurchdringung nicht mehr gewährleistet.

Darüber hinaus gibt es seit wenigen Jahren das Verfahren der lichtinduzierten Katalyse zur Wasserbehandlung. In Anlehnung an natürliche Vorgänge aus der Natur werden wasserführende Systeme in Gegenwart eines geeigneten Katalysators unter Einfluss von Tageslicht in einem biofilmfreien Zustand gehalten.[18]

Daneben gibt es verschiedene, zumeist experimentelle Methoden, Biofilme zu verhindern bzw. zu bekämpfen. Dabei wird häufig durch Vorbeugung versucht, es gar nicht erst zur Bildung von Biofilmen kommen zu lassen. Beispiele für verschiedene Ansätze sind:

  • Eintrag von organischen Nährstoffen minimieren, um den Mikroorganismen die Lebensgrundlage zu entziehen
  • Maßnahmen zur Desinfektion und Entkeimung des Wassers, z. B. Chlorung
  • mechanische Zerstörung der Biofilme
  • In der Biotechnik müssen Biofilme in Rohrleitungen, die reines und hochreines Wasser transportieren, verhindert werden. In der Regel wird dazu Ozon eingespeist.
  • Bakteriophagen[19]
  • antimikrobielle Peptide (AMPs)
  • Störung der Kommunikation (Quorum sensing) der Bakterien im Biofilm zur Verhinderung der Ansiedlung bzw. deren Ablösung
    • mit Enzymen[20]
    • mit sog. Furanonen (als Vorbild gilt die australische Rotalge Delisea pulchra)
  • Oberflächenmodifikation (bakterienabweisende Beschichtungen)
  • dynamische Oberflächen (häufig mit bionischem Ansatz)
    • elektrischer Strom
    • „Häutung“ oder „Schälung“
    • „Herauswachsen“ von Strukturen
    • „Schleimbildung“
    • Vibration der Oberfläche[22]

Literatur

  • John William „Bill“ Costerton: The Biofilm Primer (Springer Series on Biofilms). Springer-Verlag, Berlin/ Heidelberg/ New York 2007, ISBN 978-3-540-68021-5, doi:10.1007/b136878.
  • Hans-Curt Flemming: Biofilme – das Leben am Rande der Wasserphase. In: Nachrichten aus der Chemie. 4 (2000), S. 442–447.
  • Hans-Curt Flemming, Jost Wingender: Biofilme – die bevorzugte Lebensform der Bakterien: Flocken, Filme und Schlämme. In: Biologie in unserer Zeit. 31(3) (2001), ISSN 0045-205X, S. 169–180.
  • R. Walter, K. Büsching, H. Lausch: Wasserentkeimung mit Vollmetallkatalysatoren und Wasserstoffperoxid. In: Wasser, Boden, Luft. 1-2/2005, S. 30.
  • A. Houry, M. Gohar u. a.: Bacterial swimmers that infiltrate and take over the biofilm matrix. In: Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America. [elektronische Veröffentlichung vor dem Druck] Juli 2012. doi:10.1073/pnas.1200791109, PMID 22773813.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 Luanne Hall-Stoodley, J. William Costerton u. a.: Bacterial biofilms: from the natural environment to infectious diseases. In: Nature reviews / Microbiology. Bd. 2, Nr. 2, 2004, ISSN 1740-1526, PMID 15040259, doi:10.1038/nrmicro821, S. 95–108 (PDF-Datei; 0,6 MB)
  2. Kim Lewis: Riddle of biofilm resistance. In: Antimicrobial agents and chemotherapy. Bd. 45, Nr. 4, 2001, ISSN 0066-4804, PMID 11257008, doi:10.1128/AAC.45.4.999-1007.2001, S. 999–1007 (PDF-Datei; 0,2 MB)
  3. Ulrich Szewzyk, Regine Szewzyk: Biofilme − die etwas andere Lebensweise. In: BIOspektrum. Jg. 9, 2003, ISSN 0947-0867, S. 253–255. (PDF-Datei; 0,3 MB)
  4. C. Mark Ott, Rebekah J. Bruce u. a.: Microbial characterization of free floating condensate aboard the Mir space station. In: Microbial ecology. Bd. 47, Nr. 2, 2004, ISSN 1432-184X, PMID 14569419, doi:10.1007/s00248-003-1038-3, S. 133–136 (PDF-Datei; 0,9 MB)
  5. Joe J. Harrison, Raymond J. Turner u. a.: Biofilms – A new understanding of these microbial communities is driving a revolution that may transform the science of microbiology. In: American scientist. Bd. 93, Nr. 6, 2005, ISSN 0003-0996, doi:10.1511/2005.6.508, S. 508–515. (online-Version)
  6. Christoph A. Fux, J. William Costerton u. a.: Survival strategies of infectious biofilms. In: Trends in microbiology. Bd. 13, Nr. 1, 2005, ISSN 0966-842X, PMID 15639630, doi:10.1016/j.tim.2004.11.010, S. 34–40.
  7. Yogita N. Sardessai: Viable but non-culturable bacteria: their impact on public health. In: Current science. Bd. 89, Nr. 10, 2005, ISSN 0011-3891, S. 1650. (PDF-Datei; 0,01 MB)
  8. Eliana Drenkard, Frederick M. Ausubel: Pseudomonas biofilm formation and antibiotic resistance are linked to phenotypic variation. In: Nature. Bd. 416, Nr. 6882, 2002, ISSN 1476-4687, PMID 11961556, doi:10.1038/416740a, S. 740–743 (PDF-Datei; 0,3 MB)
  9. J. William Costerton, Philip S. Stewart u. a.: Bacterial biofilms: a common cause of persistent infections. In: Science. Bd. 284, Nr. 5418, 1999, ISSN 0036-8075, PMID 10334980, S. 1318–1322.
  10. Luanne Hall-Stoodley, Fen Ze Hu u. a.: Direct detection of bacterial biofilms on the middle-ear mucosa of children with chronic otitis media. In: The Journal of the American Medical Association. Bd. 296, Nr. 2, 2006, ISSN 0098-7484, PMID 16835426, doi:10.1001/jama.296.2.202, S. 202–211.
  11. Joseph M. Patti: Vaccines and immunotherapy for staphylococcal infections. In: The international journal of artificial organs. Bd. 28, Nr. 11, 2005, ISSN 0391-3988, PMID 16353122, S. 1157–1162.
  12. Rodney M. Donlan: Biofilms and device-associated infections. In: Emerging infectious diseases. Bd. 7, Nr. 2, 2001, ISSN 1080-6040, PMID 11294723, S. 277–281. (PDF-Datei; 0,1 MB)
  13. Henk J. Busscher, Gésinda I. Geertsema-Doornbusch u. a.: Adhesion to silicone rubber of yeasts and bacteria isolated from voice prostheses: influence of salivary conditioning films. In: Journal of biomedical materials research. Bd. 34, Nr. 2, 1997, ISSN 0021-9304, PMID 9029300, doi:10.1002/(SICI)1097-4636(199702)34:2%3C201::AID-JBM9%3E3.0.CO;2-U, S. 201–209.
  14. 14,0 14,1 C. U. Schwermer, G. Lavik, R. M. M. Abed, B. Dunsmore, T. G. Ferdelman, P. Stoodley, A. Gieseke, D. de Beer: Impact of nitrate on the structure and function of bacterial biofilm communities in pipelines used for injection of seawater into oil fields. In: Applied and Environmental Microbiology. 74 (2008), S. 2841-2851. (online)
  15. Jürgen Koppe, Stefan Winkens: Vollumfängliche Einhaltung der VDI 6022 – Möglich durch Festkörper-Katalysatoren bei der H2O2-Desinfektion von Luftbefeuchtern. In: HLH Lüftung/Klima, Heizung/Sanitär, Gebäudetechnik. Bd. 59, Nr. 2, 2008, ISSN 1436-5103, S. 22–27.
  16. Informationszentrum für betrieblichen Umweltschutz (IBU) - http://www.umweltschutz-bw.de/?lvl=6577
  17. Simone Schulte, Dissertation an der Uni Duisburg-Essen
  18. Till Elgeti, Sebastian Janning, Jan Koppe, Jürgen Koppe: Lichtinduzierte Katalyse in der Wasserbehandlung. In: WLB. 05/2010. (online)
  19. Timothy K. Lu und James J. Collins: Dispersing biofilms with engineered enzymatic bacteriophage. In: Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA. Bd. 104, Nr. 27, 2007, ISSN 0027-8424, PMID 17592147, doi:10.1073/pnas.0704624104, S. 11197–11202. (PDF-Datei; 1,7 MB)
  20. Jemy A. Gutierrez, Tamara Crowder u. a.: Transition state analogs of 5'-methylthioadenosine nucleosidase disrupt quorum sensing. In: Nature Chemical Biology. Online-Veröffentlichung 8. März 2009, doi:10.1038/nchembio.153
  21. Barbara W. Trautner, Richard A. Hull u. a.: Coating urinary catheters with an avirulent strain of Escherichia coli as a means to establish asymptomatic colonization. In: Infection control and hospital epidemiology. Bd. 28, Nr. 1, 2007, ISSN 0899-823X, PMID 17230395, doi:10.1086/510872, S. 92–94.
  22. Zadik Hazan, Jona Zumeris u. a.: Effective prevention of microbial biofilm formation on medical devices by low-energy surface acoustic waves. In: Antimicrobial agents and chemotherapy. Bd. 50, Nr. 12, 2006, ISSN 0066-4804, PMID 16940055, doi:10.1128/AAC.00418-06, S. 4144–4152.

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