Glycin
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- Neurotransmitter
- Arzneistoff
- Geschmacksverstärker
Strukturformel | |||||||||||||
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Allgemeines | |||||||||||||
Name | Glycin | ||||||||||||
Andere Namen |
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Summenformel | C2H5NO2 | ||||||||||||
Kurzbeschreibung |
farbloser, kristalliner Feststoff [1] | ||||||||||||
Externe Identifikatoren/Datenbanken | |||||||||||||
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Arzneistoffangaben | |||||||||||||
ATC-Code | |||||||||||||
Eigenschaften | |||||||||||||
Molare Masse | 75,07 g·mol−1 | ||||||||||||
Aggregatzustand |
fest | ||||||||||||
Dichte |
1,60 g·cm−3 [1] | ||||||||||||
Schmelzpunkt |
Zersetzung: 232–236 °C [1] | ||||||||||||
pKS-Wert | |||||||||||||
Löslichkeit |
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Sicherheitshinweise | |||||||||||||
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Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen. |
Glycin, abgekürzt Gly oder G, (auch Glyzin oder Glykokoll, nach systematischer chemischer Nomenklatur Aminoessigsäure oder Aminoethansäure), ist die kleinste und einfachste α-Aminosäure. Es gehört zur Gruppe der hydrophilen Aminosäuren und ist als einzige proteinogene (oder eiweißbildende) Aminosäure nicht chiral und damit nicht optisch aktiv.
Glycin ist nicht essentiell, kann also vom menschlichen Organismus selbst hergestellt werden und ist wichtiger Bestandteil nahezu aller Proteine und ein wichtiger Knotenpunkt im Stoffwechsel.
Der Name leitet sich vom süßen Geschmack reinen Glycins her (gr. γλυκύς: süß).
Synthese
Das bei der Reaktion von Formaldehyd, Cyanwasserstoff und Ammoniak (Strecker-Synthese) entstehende Aminonitril (genauer: α-Aminoacetonitril) liefert bei der Hydrolyse Glycin:
- $ \mathrm {HCHO+HCN+NH_{3}\longrightarrow } $ $ \mathrm {H_{2}N{-}CH_{2}{-}CN\longrightarrow } $ $ \mathrm {H_{2}N{-}CH_{2}{-}COOH\ } $
Diese Reaktion erlangt besondere Bedeutung durch die Hypothese, dass sich die Ausgangsstoffe aus der sogenannten Uratmosphäre gebildet haben könnten, die die Erde vor ca. 4 Mrd. Jahren umgeben hat. Dabei verfügte sie über eine vermutlich aus Wasserstoff (H2), Helium (He) sowie in geringerem Maße aus Methan (CH4), Ammoniak (NH3) und einigen anderen Edelgasen bestehende Gashülle.
Chemisch kann Glycin auch aus Monochloressigsäure und Ammoniak hergestellt werden:
- $ \mathrm {ClCH_{2}COOH+NH_{3}+NaOH\longrightarrow } $ $ \mathrm {H_{2}N{-}CH_{2}{-}COOH+H_{2}O+NaCl\ } $
Im Körper wird das meiste Glycin mit der Nahrung aufgenommen, es kann aber auch aus Serin hergestellt werden.
Eigenschaften
Glycin liegt überwiegend als „inneres Salz“ bzw. Zwitterion vor, dessen Bildung dadurch zu erklären ist, dass das Proton der sauren Carboxygruppe an das einsame Elektronenpaar des Stickstoffatoms der basischen Aminogruppe wandert:
Im elektrischen Feld wandert das Zwitterion nicht, da es als Ganzes ungeladen ist. Genaugenommen ist dies am isoelektrischen Punkt (bei einem bestimmten pH-Wert, hier 5,97[5]) der Fall, bei dem das Glycin auch seine geringste Löslichkeit in Wasser hat.
- van-der-Waals-Volumen: 48
- Hydrophobizitätsgrad: −0,4
Freies Glycin hat einen süßen Geschmack, wobei der Erkennungsschwellenwert bei 25 bis 35 mmol/L liegt.[6]
Vorkommen
Die folgenden Beispiele geben einen Überblick über Glycingehalte und beziehen sich jeweils auf 100 g des Lebensmittels, zusätzlich ist der prozentuale Anteil von Glycin, bezogen auf das Gesamtprotein, angegeben:[7]
Lebensmittel | Gesamtprotein | Glycin | Anteil |
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Schweinefleisch, roh | 20,95 g | 944 mg | 4,5 % |
Hähnchenbrustfilet, roh | 21,23 g | 940 mg | 4,4 % |
Lachs, roh | 20,42 g | 960 mg | 4,7 % |
Gelatinepulver, ungesüßt | 85,60 g | 19049 mg | 22,3 % |
Hühnerei | 12,57 g | 432 mg | 3,4 % |
Kuhmilch, 3,7 % Fett | 3,28 g | 69 mg | 2,1 % |
Walnüsse | 15,23 g | 816 mg | 5,4 % |
Kürbiskerne | 30,23 g | 1843 mg | 6,1 % |
Weizen-Vollkornmehl | 13,70 g | 552 mg | 4,0 % |
Mais-Vollkornmehl | 6,93 g | 284 mg | 4,1 % |
Reis, ungeschält | 7,94 g | 391 mg | 4,9 % |
Sojabohnen, getrocknet | 36,49 g | 1880 mg | 5,2 % |
Erbsen, getrocknet | 24,55 g | 1092 mg | 4,4 % |
Alle diese Nahrungsmittel enthalten praktisch ausschließlich chemisch gebundenes Glycin als Proteinbestandteil, jedoch kein freies Glycin.
2009 konnte im Kometenstaub von Wild 2 Glycin nachgewiesen werden.[8][9]
Funktionen
Stoffwechsel
Die Umsetzung von Serin zu Glycin dient neben der Erzeugung von Glycin auch der Umsetzung von Tetrahydrofolsäure zu N5-N10-Methylen-Tetrahydrofolsäure (TH4), die unter Anderem für die Synthese von Thymin-Nukleotiden (DNA-Bestandteil) benötigt wird.
Umgekehrt kann Glycin unter Aufnahme von CH3 aus TH4 zur Synthese von Serin dienen, welches dann für die Proteinsynthese, als Grundsubstanz des Cholins oder als Pyruvat zur Verfügung steht.
Auch für die Synthese anderer Bestandteile der Erbsubstanz (Purine) wird Glycin häufig benötigt.
Es dient ebenfalls der Biosynthese von Häm (Sauerstoff-Bindung im Blut), Kreatin (Energiespeicher im Muskel) oder Glutathion:
Glycin + Succinyl-CoA → 5-Aminolävulinsäure → Porphyrinsynthese zum Aufbau des Häm.
Glycin + Guanodingruppe (aus Arginin) → Guanidinoacetat, welches dann in die Kreatininsynthese eingehen kann.
Glycin + Glu-Cys-Peptidbindung → Glutathionsäure
Als Nebenprodukt kann aus Glycin auch giftige Oxalsäure gebildet werden.
Als sog. glucogene oder glucoplastische Aminosäure kann Glycin im Rahmen des Stoffwechsels über Pyruvat zu Glucose umgesetzt werden.
Proteinbestandteil
Aufgrund seiner geringen Größe wird Glycin bevorzugt in Polypeptide an räumlich beengten Positionen (der Protein-Sekundärstruktur) eingebaut.
Besonders häufig kommt es im Kollagen, dem häufigsten Protein in tierischen Organismen, vor. Hier macht es gut ein Drittel aller Aminosäuren aus, da es aufgrund seiner geringen Größe das Aufwickeln des Kollagens zu dessen Tripelhelix-Struktur erlaubt.
Nervensystem
Glycin wirkt im Zentralnervensystem über den Glycinrezeptor als inhibitorischer Neurotransmitter, also als hemmender Signalstoff. Die Wirkung erfolgt über die Öffnung von ligandengesteuerten Chlorid-Kanälen und führt so zu einem inhibitorischen postsynaptischen Potential (IPSP), was die Aktivität der nachgeschalteten Nervenzelle herabsetzt.
Am NMDA-Rezeptor hingegen wirkt es neben dem hauptsächlichem Agonisten Glutamat an einer speziellen Glycin-Bindungsstelle stimulierend.
Glycin freisetzende Nervenzellen (glycinerge Neurone) kommen vor allem im Hirnstamm und im Rückenmark[10] vor, in letzterem hemmen sie die sog. Motoneurone des Vorderhorns, wodurch es zu einer Herabsetzung der Muskelaktivität der von den Zellen innervierten Muskeln kommt.
Eine Herabsetzung der Glycinwirkung bewirken Strychnin, ein Antagonist des Glycinrezeptors, und das Tetanustoxin, welches die Freisetzung von Glycin hemmt. Der Wegfall der Hemmung erhöht die Muskelaktivität. Dadurch kann es zu lebensbedrohlichen Krämpfen kommen.
Verwendung
Als Geschmacksverstärker wird Glycin Lebensmitteln zugesetzt.
Glycin sowie sein Natriumsalz sind in der EU als Lebensmittelzusatzstoff der Nummer E 640 ohne Höchstmengenbeschränkung für Lebensmittel allgemein zugelassen, negative gesundheitliche Auswirkungen sind nicht bekannt.
Weiterhin ist Glycin ein Bestandteil von Infusionslösungen zur parenteralen Ernährung.[11]
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 Eintrag zu Glycin in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA (JavaScript erforderlich) .
- ↑ 2,0 2,1 F. A. Carey: Organic Chemistry. 5. Auflage The McGraw Companies, 2001, S. 1059, Link
- ↑ Hans-Dieter Jakubke, Hans Jeschkeit: Aminosäuren, Peptide, Proteine, Verlag Chemie, Weinheim, S. 38-43, 1982, ISBN 3-527-25892-2.
- ↑ Robert C. Weast (Hrsg.): CRC Handbook of Chemistry and Physics. 1. Student Edition. CRC Press, Boca Raton, Florida 1988, ISBN 0-8493-0740-6, S. C-706.
- ↑ P. M. Hardy: The Protein Amino Acids. In: G. C. Barrett (Hrsg.): Chemistry and Biochemistry of the Amino Acids. Chapman and Hall, 1985, ISBN 0-412-23410-6, S. 9.
- ↑ W. Ternes, A. Täufel, L. Tunger, M. Zobel (Hrsg.): Lebensmittel-Lexikon. 4. Auflage. Behr’s Verlag, Hamburg 2005, ISBN 3-89947-165-2, S. 62f.
- ↑ Nährstoffdatenbank des US-Landwirtschaftsministeriums, 22. Ausgabe.
- ↑ NASA Researchers Make First Discovery of Life's Building Block in Comet nasa.gov, August 2009; Lebensbausteine aus dem All spektrum.de, August 2009 (abgerufen am 4. Oktober 2010).
- ↑ Jamie E. Elsila, et al.: Cometary glycine detected in samples returned by Stardust. Meteoritics & Planetary Science 44, Nr 9, 1323–1330 (2009), pdf online@gsfc.nasa.gov, abgerufen am 23. November 2011.
- ↑ Georg Löffler, Petro E. Petrides, Peter C. Heinrich: Biochemie & Pathobiochemie. Springer Medizin Verlag, Heidelberg 2006, ISBN 3-540-32680-4, S. 1040.
- ↑ S. Ebel, H. J. Roth (Hrsg.): Lexikon der Pharmazie. Georg Thieme Verlag, 1987, ISBN 3-13-672201-9, S. 28.
Literatur
- G. Löffler, P. E. Petrides: Biochemie und Pathobiochemie. 7. Auflage. Springer Verlag, 2003, ISBN 3-540-42295-1.