Kanadischer Luchs
Der Kanadische Luchs ist mit seinen schwarzen Ohrenbüscheln, der flauschigen Halskrause und dem sehr kurzen Schwanz eine leicht erkennbare Katze. Wenn überhaupt, dann kann man sie nur mit dem eng verwandten Rotluchs (Lynx rufus) im südlichen Teil des Verbreitungsgebietes verwechseln, jedoch offenbart ein genauer Blick eine Reihe von Unterschieden.
Aussehen
Der Kanadische Luchs hat z.B. längere Beine und eine breitere Pfoten, um auch im Tiefschnee gut voranzukommen. Ihre Ohrenbüschel sind länger und die Halskrause ist mehr entwickelt. Der Schwanz des Kanadischen Luchses hat eine schwarze Spitze, während der des Rotluchses mehr Streifen aufweist und an der Unterseite weiß ist.
Beide Luchsarten scheinen den nordamerikanischen Kontinent unter sich aufgeteilt zu haben, denn der Kanadische Luchs (Lynx canadensis) lebt in den Wäldern des Nordens und der Rotluchs (Lynx rufus) beschränkt sich wegen des Schneereichtums Kanadas auf den Süden, ist dafür aber in dieser Richtung bis nach Zentral-Mexiko verbreitet.
Die übliche Grundfarbe des Fells ist silbrig-grau oder graubraun, kann aber auch von gelblich-grau und rostbraun bis rötlich-braun variieren. Die Haare des Fells haben meist eine weiße Spitze, was der Katze ein frostiges Aussehen verleiht. Das dicke, weiches Fell kann variabel mit mehr oder weniger deutlichen dunklen Flecken besetzt sein, manchmal auch mit kleinen Streifen. Eine seltene fahle Farbvariante lässt auf partiellen Albinismus schließen; solche Katzen sind als „blauer Luchs” bekannt.
Die deutliche Halskrause aus langen Haaren umrahmt das Gesicht, die Ohren sind groß und spitz mit langen, aufrechten Büscheln aus dunklen Haaren und an der Rückseite gegen die Spitze schwarz. Die Farbe der Iris reicht von gelbbraun bis zu einem hellen gelbgrün. Die Beine sind lang, wobei die hinteren Gliedmaßen länger als die vorderen sind. Dies verleiht der Katze ein nach vorne geneigtes oder leicht gebeugtes Aussehen. Die Pfoten sind breit und stark behaart, der Schwanz ist sehr kurz und hat eine schwarze Spitze.
Kanadische Luchse leben hauptsächlich in borealen Wäldern und Mischwäldern, können aber auch in landwirtschaftlichen Gegenden leben, wenn diese mit bewaldeten Flächen durchsetzt sind. Ihre gesamtes Verbreitungsgebiet in Nordamerika beträgt 7,7 Millionen km², ihres historisches Verbreitungsgebiet ist noch weitgehend intakt, obwohl es im Süden durch menschliche Besiedlung und Waldrodung geschrumpft ist.
Das Wort „Luchs” stammt aus dem Griechischen und bedeutet soviel wie „leuchten”. Ihr Name könnte also mit der reflektierenden Schicht (Tapetum lucidum) hinter der Netzhaut der Augen zu tun haben, die allen Katzen eine exzellente Nachtsicht ermöglicht und die Augen zum Leuchten bringt. Kanadische Luchse sind hauptsächlich terrestrisch und nachtaktiv, obwohl sie auch tagsüber jagen, beispielsweise wenn Beute knapp ist. Man nimmt an, dass Kanadische Luchse hauptsächlich auf Sicht und Gehör jagen und sich nur in geringerem Umfang auf ihren Geruchssinn verlassen. Sie schleichen sich an ihre Beute an, um sie dann mit wenigen Sätzen anzuspringen, jedoch können sie ihrer Beute auch stundenlang im Hinterhalt auflauern. Erwachsene Weibchen und Jungtiere jagen oft gemeinsam.
Ausbreitung und Nahrung
Die wichtigste Beute in allen Regionen des Verbreitungsgebietes sind Schneeschuhhasen (Lepus americanus). Aufzeichnungen der Hudson Bay Fur Company über mehr als zweihundert Jahre zeigen, dass die Luchspopulationen in 8 bis 11-jährigen Zyklen schwanken, eine Reaktion auf Schwankungen in der Zahl der Schneeschuhhasen. Eine Telemetriestudie über eine Luchspopulation in den Nordwest-Territorien Kanadas hat ergeben, dass die Populationsdichte der Luchse mit 30 Katzen pro 100 km² einen Höchststand erreichte und auf etwa drei Katzen pro 100 km² sank, als die Hasenpopulationen einbrachen.
Weitere Beutetiere des Kanadischen Luchses sind unter anderem eine Vielzahl von Nagetieren (Eichhörnchen, Mäuse, Biber, Bisamratten, Stachelschweine), junge Hirsche sowie einige Vogelarten, darunter Enten, Moorhühner und Fasane. Gelegentlich werden auch Hausschafe gerissen. Berichten zufolge legen Kanadische Luchse auf Suche nach neuer Hasenbeute weite Entfernungen zurück, manchmal bis zu 1.200 km.
Fortpflanzung
Die Paarung erfolgt bei Kanadischen Luchsen in den meisten Regionen zwischen Spätwinter und Frühling (März-April in Alaska, April-Mai in Alberta). Die Weibchen sind monoöstrisch und zwischen einem und zehn Tagen empfängnisbereit, die Männchen sind in diesem Zeitraum besonders lautstark. Die Paarungen erfolgen in der Regel nachts.
Ihr Lager bauen sie in umgestürzten hohlen Baumstämmen, an der Basis von Bäumen, in felsigen Gebieten oder in dichter Vegetation. Das Weibchen bringt nach einer Tragzeit von 63 - 70 Tagen ein bis sechs Jungtiere zur Welt.
In schlechten Jahren wenn Beute knapp ist, kann es vorkommen, dass Weibchen überhaupt nicht schwanger werden, oder die Schwangerschaft spontan als Reaktion auf die schlechten Ernährungszustand des Körpers abgebrochen wird. Die jungen Kätzchen wiegen bei der Geburt durchschnittlich 197 bis 211 Gramm. Ihre Augen öffnen sich zwischen dem 10. und 17. Tag, und sie beginnen bereits nach 24 - 30 Tagen herumzulaufen.
Der Nachwuchs wird zwischen drei und fünf Monate gesäugt, jedoch beginnen die Kleinen schon nach einem Monat auch feste Nahrung zu sich zu nehmen. Sie bleiben bis zur nächsten Paarungszeit im folgenden Winter bei der Mutter. Nach der Trennung bleiben die Geschwister oft noch einige Wochen oder Monate zusammen und gehen gemeinsam auf die Jagd. Die Geschlechtsreife wird in der Regel im Alter von etwa 23 Monaten erreicht, obwohl in guten Zeiten mit reichlich Beute die Geschlechtsreife bereits mit zehn Monaten eintreten kann. In Gefangenschaft können Kanadische Luchse bis zu 21 Jahre alt werden, in freier Wildbahn liegt die Lebenserwartung bei mindestens 15 Jahren.
Schutz
Die Grenze zwischen Kanada und den USA stellt den Südrand der Populationen des Kanadischen Luchses dar. Aufgrund des Fehlens günstiger Lebensräume sind die Katzen in den USA recht selten und es gibt Anzeichen dafür, dass ihre Anwesenheit dort nur zyklischen Wanderungen aus Kanada entspricht. Kanadische Luchse sind in den sieben US-Bundesstaaten, in denen sie vorkommen, gesetzlich geschützt.
In den Wintern 1988 - 1990 wurden 83 Kanadische Luchse aus dem kanadischen Yukon-Territorium in den Adirondack State Park im US-Bundesstaat New York umgesiedelt. Die freigekassenen Katzen nehmen sehr weite Landstriche in Anspruch und es gibt Anhaltspunkte dafür, dass sie sich auch fortpflanzen. Im Winter 1999 wurden 41 Kanadische Luchse in Colorado freigelassen. Das nachfolgende Radio-Tracking ergab, dass die meisten von ihnen an Hunger starben oder durch Jagd oder Verkehrsunfälle umkamen. Weitere Auswilderungen in dieser Region werden künftig im Frühling erfolgen, wenn es reichlichere Beutetiere gibt.
In Kanada darf der Kanadische Luchse in allen Provinzen legal gefangen werden, mit Ausnahme von Nova Scotia. Dort sind die Luchse auf eine verbleibende Restpopulation auf Cape Breton Island beschränkt und gesetzlich geschützt. Auf Prince Edward Island gibt es keine Kanadischen Luchse mehr. Die restlichen Provinzen überwachen die Luchspopulation durch Fangquoten, die jährlich abhängig von den Zyklen der Schneeschuhasenpopulationen variieren können. In Zukunft könnte die Fangmethode unter Verwendung von Tellereisen als Folge des Drucks der Europäischen Union verboten und international anerkannte Normen für humane Fangmethoden eingeführt werden.
Die Zukunft des Kanadischen Luchses sieht vielversprechender aus als die vieler anderer Raubkatzen. Es gibt jedoch noch Anlass zur Sorge, da die Populationen in den zyklischen Perioden seit Mitte der 1970er Jahre schrittweise zurückgehen, genauso wie die Bestandszahlen der Schneeschuhasen.
In Kanada kann der Kanadische Luchs immer noch große Teile von relativ ungestörten Waldlebensräumen durchstreifen, besonders im Norden. In den USA gilt der Kanadische Luchs als gefährdet. Das Washingtoner Artenschutzübereinkommen (CITES) führt die Katzenart auf Anhang II.
Nowell, K. 2008. Lynx canadensis. In: IUCN 2012. IUCN Red List of Threatened Species. Version 2012.1. <www.iucnredlist.org>. Downloaded on 19 August 2012 .
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