Säbelzahnkatzen



Das kleine Kätzchen zuhause, das einem Wollknäuel auflauert und mit ihm spielt, zeigt ein Verhalten, das es mit allen anderen Katzen teilt. Der Schlag mit den Vorderpfoten im Spiel entwickelt sich zu einem tödlichen Schlag für ein Nagetier.

Der Schlag mit der Pfote hat seinen Ursprung in Bewegungsabläufen, die vor 20 Millionen Jahren für das Klettern verantwortlich waren. Die ersten Katzen, die auf den Boden herabstiegen, ließen das Erbe ihrer Vorfahren aktiviert. Sie benutzten die flexiblen Vorderbeine und einziehbaren Greifklauen ihrer baumkletternden Vorfahren, um ihre kleinen Beutetiere auf dem Boden zu fixieren und ihnen dann den Dolchstoß in den Nacken zu verpassen. Mit der Zeit passte sich der Körper einiger Katzen so an, dass sie an größeren Beutetieren emporklettern konnten, so wie ihre Vorfahren die Bäume emporgeklettert sind. Diese größeren, stärkeren Katzen setzten die Steigeisen ihrer Vorfahren nun zum Beutefang ein und wurden zu mächtigen Räubern, die ihre größere Beute in die richtige Position für den Tötungsbiß niederringen konnten.

Urzeitliche Szene von den La Brea Tar Pits
Urzeitliche Szene an den La Brea Tar Pits: Ein Riesen-Faultier (Paramylodon) ist im Teer steckengeblieben, gegenüber zwei Säbelzahnkatzen (Smilodon fatalis). Kondore (Teratornis) sitzen auf einer Zypresse und warten. Im Bereich hinter der Teergrube haben sich Elefanten (kolumbianisches Mammut) versammelt. Im Hintergrund die San Gabriel Gebirgskette mit dem Mt. Lowe in der Mitte und dem Mt. Wilson rechts von dem aufgerichtetem Faultier. Der Mt. San Antonio (Old Baldy) befindet sich am rechten Rand.

Allerdings erfordert es eine spezielle Waffe, um einem großen Beutetier mit muskulösem Nacken und massiven Wirbelknochen den Todesstoß zu versetzen. Große Pflanzenfresser (Herbivore) hatte es schon vor 50 Millionen Jahren gegeben, und so waren die Katzen weder die ersten, die mit diesem Problem konfrontiert waren, noch die ersten, die es lösten. Die Lösung - Säbelzähne - wurde unabhängig von mindestens vier Säugetier-Gruppen auf drei Kontinenten erfunden.

Machaeroides, ein Urraubtier (Creodonta), war der erste, der vor 48 Millionen Jahren Säbelzähne entwickelte. Vor etwa 40 Millionen Jahren erfanden die Paläo-Säbelzähne (Nimravidae) diese Waffen und benutzten sie erfolgreich bis sie vor etwa 6 Millionen Jahren ausstarben. In Südamerika hatte der Beutelsäuger Thylacosmilus (das Taschenmesser) ebenfalls Säbelzähne. Das Aussterben der Paläo-Säbelzähne und des "Taschenmessers" fällt mit ihrer Begegnung mit der letzten Familie zusammen, die Säbelzähne entwickelte: den echten Katzen.

Smilodon-Skulptur
Diese Säbelzahnkatze flankiert den Eingang zum Museum von La Plata in Argentinien

Große Säbelzahnkatzen konnten Mega-Pflanzenfresser überwältigen, wie etwa riesige nashornähnliche Huftiere (Ungulata), deren ledrige Haut für konventionelle Angriffe fast undurchlässig war. Eine der bekanntesten Säbelzähne ist Smilodon, eine Katze, die sich vor etwa zwei Millionen Jahren in Nordamerika entwickelte. Smilodon war etwa so groß wie ein heutiger Schneeleopard (Uncia uncia, Panthera uncia), hatte einen Stummelschwanz und mächtige Vorderpranken, die sich an das Packen großer Beute angepasst hatten. Sein dicker muskulöser Hals endete in einem relativ großen Kopf mit kleinen Augen, fliehender Stirn und einem Maul mit zwei Säbelzähnen, die entlang ihrer äußeren Krümmung 18 cm maßen. Die Leute spekulierten, dass die Säbelzähne wie Eispickel beim Erklettern von Bäumen verwendet wurden, oder wie die Stoßzähne eines Walrosses, das nach Nahrung gräbt, oder um den Schädel der Beutetiere zu durchbohren. Es wurde auch vorgeschlagen, dass sie dazu verwendet wurden, um das Rückgrat zu zerbrechen, wie es heute kleine Katzen tun. Heutige Jaguare (Panthera onca), die relativ zu ihrer Größe die stärktste Beißkraft aller Großkatzen (Panthera) haben, verwenden ihre Eckzähne, um die Panzer von Schildkröten und Kaimanen zu durchbohren, die bis zu einem Drittel ihrer Beute im peruanischen Regenwald ausmachen. Sie sind auch die einzigen Großkatzen, die routinemäßig den Schädel ihrer Beute durchbohren. Allerdings zeigen Berechnungen, dass die Stiletto-ähnlichen Eckzähne von Smilodon zwar leicht Fleisch aufspießen konnten, aber beim Aufprall auf Knochenmaterial zerbrochen wären. Smilodon konnte seine Kiefer bis zu erstaunlichen 90 Grad öffnen, verglichen mit 70 Grad, wozu heutige Katzen fähig sind. Obwohl die Kiefermuskeln von Smilodon relativ enorm waren, scheint es nicht wahrscheinlich, dass sie bei maximaler Kieferöffnung weder in der Lage waren, zwei dicke Säbel durch ledrige Haut und Sehnen zu bohren, noch die Nackenmuskeln stark genug waren, um den Kopf mit den Zähnen hart genug in die Beute zu schlagen.

Smilodon Vergleich mit Messer
Die Illustration veranschaulicht die „Stechhypothese“, die den Angriff einer Säbelzahnkatzen mit dem Zustechen mit einem Messer vergleicht.

Ein Hinweis darauf, wie die Säbelzähne wirklich funktioniert haben könnten, kam unerwartet aus dem Maul eines Reptils auf der tropischen Insel Komodo. Der 3 Meter lange Komodo-Waran nutzt eine Batterie von Säbeln, um Fleisch von gerissenen Ziegen (Capra) zu zerschneiden. Nach diesem Arbeitsmodell verwendete Smilodon seine Säbelzähne nicht wie Dolche sondern wie Klingen, vielleicht indem er seine unteren Eckzähne in die Flanke oder die Kehle der Beute stieß, um so einen Haltepunkt zu schaffen, gegen den die Kopfmuskeln die Säbelzähne nach unten drücken konnten. Wenn er sein Maul dann auf der Beute schloß, konnten die Säbelzähne, die gezackte hintere Schneidkanten hatten, nach hinten und nach außen durch die Haut schneiden. So ein Biss könnte verwendet worden sein, um den Bauch der Beute, wo sich zahlreiche Blutgefäße befinden, aufzureißen bei minimalem Risiko auf einen Knochen zu treffen. Alternativ könnte eine Säbelzahnkatze in die Kehle eines Opfers gebissen haben. Ein Argument gegen den Biss in die Kehle ist, dass Smilodon sein Maul so weit auseinanderklappen hätte müssen, dass er sein Ziel nicht hätte sehen können. Er hätte damit den Bruch der Säbelzähne durch einen versehentlichen Biss auf einen Knochen riskiert. Allerdings wäre für Smilodon ein blinder Biss kein Problem gewesen, wenn er, wie moderne Katzen, mit seinen Zähnen "fühlen" konnte.

Ein weiteres Rätsel war, wie Smilodon mit einem Maul voller Säbelzähne fressen konnte. Seltsamerweise scheint das Problem von einigen Filmemachern gelöst worden zu sein, denn sie hatten bei dem Versuch, den Beutefang einer Säbelzahnkatze zu rekonstruieren, modernen Löwen künstliche Säbelzähne angeklebt. Anscheinend konnten die Löwen ohne Schwierigkeiten fressen. Säbelzähne waren wohl auch nützlich, um das Fleisch transportgerecht zu zerschneiden. In der Friesenhahn-Höhle in Texas war der Bau einer fossilen Säbelzahnkatze - genannt Homotherium - voll von abgetrennten Beinen kleiner Mammuts, die wahrscheinlich als Futter für den Nachwuchs in die Höhle gebracht wurden. Dies unterscheidet Säbelzahnkatzen von modernen Großkatzen, die ihre Jungen mit auf die Jagd nehmen, anstatt die Beute zurück in eine Höhle zu bringen. Tigerbabys zum Beispiel begleiten ihre Mutter ab einem Alter von zwei Monaten. Homotherium hatte besonders lange Säbelzähne, die an der Rückseite zu einer Schneidkante geschärft waren und die leicht den Kadaver eines Elefanten durchdringen konnten.

Smilodon Malerei
Dieses Gemälde eines Smilodon befindet sich im American Museum of Natural History in New York City.

Die Gesellschaftsform der Säbelzahnkatzen

Forscher haben sich natürlich auch über die Gesellschaftsformen der vorgeschichtlichen Säbelzahnkatzen Gedanken gemacht. Insbesondere über Smilodon, der bis zu seinem Aussterben vor weniger als 10.000 Jahren ein Zeitgenosse der modernen großen Katzen war. Gestützt auf fossile Hinweise und der Beobachtung moderner Raubkatzen sind die Experten zu diametral entgegengesetzten Ansichten über Smilodons`s Sozialleben gekommen. Die "soziale Schule" stellt sich vor, dass sie in Rudeln lebten, ähnlich wie Löwen. Die "solitäre Schule" zeichnet ein Bild vom schwer bewaffneten Einzelkämpfer, der mit seinen Zähnen Fleischdiebe wie die räuberischen Dire Wolves in Schach hält. Sie argumentieren, dass Sozialität Kopfarbeit kostet, und gehen davon aus, dass intelligentere Arten relativ größere Gehirne haben. Diese Annahme mag ungerechtfertigt sein, aber zumindest in der Hundefamilie haben Jäger in der Meute relativ größere Gehirne als einzelgängerische Jäger. Gemessen an seiner Körpergröße war Smilodon`s Gehirn kleiner als das einer modernen, einzelgängerischen Katze wie dem Puma, Jaguar oder Leopard, und viel kleiner als das des geselligen Löwen.

Fossilien von Smilodon sind häufig beschädigt, mit abgebrochenen Säbelzahnspitzen, die in alten Wunden stecken. Säbelzähne waren Präzisionsinstrumente und ein Bruch während eines Kampfes wäre fatal gewesen. Die "solitäre Schule" interpretiert diese Wunden als Beweis, dass Smilodon streitsüchtig und damit einzelgängerisch war. Jedoch streiten sich moderne Pumas und Luchse offenbar auch nicht öfter als gesellige Löwen und Geparde.

In den Teergruben von Rancho La Brea in Kalifornien wurden die Überesste von 1.000 bis 2.000 Smilodons in einem schrecklich klebrigen Grab konserviert. Neben ihnen fand man rund 600 große Pflanzenfresser. Die "gesellige Schule" nutzt dies als Beweis dafür, dass Smilodon in Rudeln jagte und schließt daraus, dass Gruppen von durchschnittlich zwei oder drei, vielleicht nicht weniger als acht Säbelzahnkatzen von verendeten Pflanzenfressern angelockt wurden und dabei selbst zu Tode kamen. Allerdings könnten die Säbelzähne auch nur aus Unachtsamkeit steckengeblieben sein, wie die Pflanzenfresser. Oder einzelne könnten durch den Verwesungsgeruch kleinerer Tiere über große Entfernungen angezogen worden sein, um dann im Asphalt, um die Kadaver zu kämpfend, auch zu sterben.

Viele der Smilodon-Knochen aus Rancho La Brea sind infolge von Krankheit oder Verletzung verformt. Einige hatten gut verheilte Verletzungen, die zeigen, dass die Tiere mit ihren Behinderungen überlebt hatten, was ausgeschlossen gewesen wäre, wenn sie auf sich angewiesen waren. Unter modernen sozialen Fleischfressern können andere eine krankes, invalides Gruppenmitglied unterstützen, bis es wieder gesund ist. So könnte das Überleben dieser verkrüppelten Smilodons ein Hinweis auf ihre Sozialität sein. Alternativ könnten ihre starke Anwesenheit in den Teergruben dadurch zu erklären sein, dass sie, nicht mehr imstande zu Jagen und hungrig, zu verzweifelten Aasfressern wurden.

Vielleicht führt der vielversprechendste Weg zur Klärung des sozialen Lebens von Smilodon über seine Beute. Smilodon lebte von der Mega-Fauna seiner Zeit. Wäre Smilodon bei der Jagd auf diese Beute alleine oder in Gesellschaft erfolgreicher gewesen? In dichter Vegetation hätte Smilodon die Möglichkeit gehabt, aus dem Hinterhalt und somit solitär zu jagen. Wenn moderne Jaguare und Pumas nicht durch die Notwendigkeit Aasfresser abzuwehren in Rudeln jagen müssen, könnte es vielleicht auch Smilodon allein geschafft haben. Einmal einen Mega-Pflanzenfresser gerissen, könnte ein einzelgängerischer Säbelzahn für Wochen Nahrung gehabt haben, doch zumindest in wärmeren Regionen seines Verbreitungsgebietes wäre das Fleisch schnell verdorben. Dies geschieht nicht, wenn man gemeinschaftlich auf die Jagd geht und die Beute teilt.