Ammoniten



Ammoniten

Historische Rekonstruktion lebender Ammonitentiere von Heinrich Harder. Als überholt gilt die Deutung der Arme als Cirren und der Anaptychen als Gehäusedeckel.

Zeitliches Auftreten
Emsium (Unterdevon) bis Maastrichtium (Oberkreide)
407 bis 65,5 Mio. Jahre
Fundorte
  • Weltweit
Systematik
Vielzellige Tiere (Metazoa)
Urmünder (Protostomia)
Weichtiere (Mollusca)
Kopffüßer (Cephalopoda)
Ammoniten
Wissenschaftlicher Name
Ammonoidea
Zittel, 1884
  • Palaeoammonoidea
  • Mesoammonoidea
  • Neoammonoidea

Die Ammoniten (Ammonoidea) sind eine ausgestorbene Teilgruppe der ausschließlich marin lebenden Kopffüßer (Cephalopoda, Mollusca). Dieses Taxon war mit über 1500 bekannten Gattungen sehr formenreich. Die Zahl der Arten dürfte bei etwa 30.000 bis 40.000 liegen. Die Größe der Schale ausgewachsener Tiere liegt meist im Bereich von 1 bis 30 cm. Eine berühmte Ausnahme bildet Parapuzosia seppenradensis – mit ca. 1,80 m Schalendurchmesser ist dies die größte bekannte Art. Ammoniten stellen seit ihrem ersten Auftreten im Unterdevon bis zu ihrem Aussterben am Ende der Kreide (Kreide-Paläogen-Grenze) über einen Zeitraum von etwa 350 Millionen Jahren eine große Zahl der Leitfossilien; zum Teil erfolgt die zeitliche Abgrenzung mariner Sedimente ausschließlich anhand von Ammoniten. Sie sind für die Geologie und die Paläontologie daher von großer Bedeutung. Wegen ihrer Schönheit, Vielfalt und Häufigkeit sind sie auch bei vielen Fossiliensammlern beliebt und entsprechend häufig im Fossilienhandel zu finden.

Namensgebung

Das Taxon Ammonoidea wurde 1884 von Karl Alfred von Zittel (1839–1904) in seinem Handbuch zur Paläontologie zum ersten Mal erwähnt.[1] Die Bezeichnung stammt aus der Antike, Plinius der Ältere bezeichnete Versteinerungen als „Ammonis cornua“ (Ammonshörner). Amon oder Ammon war bei den Griechen und Römern die Bezeichnung für den ägyptischen Sonnengott Amun-Re. Dieser Gott wurde häufig mit einem Widderkopf mit entsprechenden Hörnern dargestellt. Die mit Wülsten versehenen und eingedrehten Hörner dieser Huftiere erinnern an Ammoniten. Es wird jedoch vermutet, dass Plinius der Ältere wahrscheinlich keine Ammoniten, sondern fossile Schnecken der Gattung Natica beschrieben hat.[2] Die Bezeichnung -ceras in vielen wissenschaftlichen Namen von Ammoniten leitet sich vom griechischen Wort κέρας für „Horn“ ab. Einige europäische Ortschaften tragen Ammoniten im Stadtwappen, so etwa das französische Villers-sur-Mer in der Normandie, das britische Whitby, die Gemeinde Gosau in Österreich oder die deutschen Gemeinden Cremlingen (Niedersachsen), Lüdinghausen (Westfalen) und Schernfeld (Bayern).

Anatomie

Schale

Nachbildung von Parapuzosia seppenradensis in Seppenrade

Die Grundform des Gehäuses von Ammoniten ist eine in einer Ebene aufgerollte Spirale, wobei sich die Ränder der einzelnen Windungen mehr (involut) oder weniger (evolut) umfassen. Diese Schalenform wird als planspiral bezeichnet. Vermutlich bedingt durch starke Meeresspiegelanstiege (Transgression) kam es jedoch in der Obertrias, im Mitteljura und besonders häufig in der Kreidezeit zu abnorm und zum Teil dreidimensional im Raum entrollten Gehäusen.[3] Der bekannteste Vertreter dieser Formen ist Nipponites aus der Oberkreide Japans. Dessen Gehäuseröhre besteht aus in sich verschlungenen u-förmigen Abschnitten und zählt zu den absoluten Raritäten.

Die Schale aller Ammoniten ist in zwei Bereiche unterteilt, die vordere Wohnkammer und den gekammerten hinteren Auftriebskörper (Phragmokon). In der Wohnkammer der Ammoniten saß der größte Teil des Weichkörpers.

Datei:Model of nipponites without softparts.jpg
Modell eines Nipponites der japanischen Firma Kaiyodo wie man es im National Museum of Nature and Science in Tokio erwerben kann. Größe des Modells ca. 4 cm
Zweitgrößter je in Österreich gefundener Ammonit. Gefunden in Gosau, Oberösterreich. Obere Kreide. Naturhistorisches Museum, Wien.

Das wichtigste und zugleich häufig das einzige überlieferungsfähige Merkmal ist die kalkige Schale der Ammoniten. Die Struktur der Ammonitenschale entspricht dem Grundaufbau wie er bei fast allen Molluskenvertretern (Muscheln, Schnecken) zu finden ist. Die Schale wird vom äußeren Mantelrand in einer speziellen Mantelfalte durch eine organische Schicht, dem Periostracum, vorgeformt. Das Periostracum fungiert im weiteren Schalenbildungsprozess als Matrize, das heißt alle Ornamente wie Rippen oder Knoten sind bereits vorhanden. Im nächsten Schritt wird das Periostracum von einer etwa 5 µm dünnen mineralisierten Schicht, dem Außenostrakum (= äußere Prismenschicht) unterlagert. Die Anordnung der stengeligen Aragonitkristalle erfolgt in zum Teil radial, zum Teil halbkreisförmigen Sektoren (sphärolith Sektoren). In der zweiten mineralisierten Lage werden Stapel von mikroskopisch kleinen sechseckigen Plättchen übereinander gestapelt.

Quenstedtoceras mit aragonitscher Schale und erhaltener Perlmuttstruktur, wodurch das Licht in seine Spektralfarben zerlegt wird und ein irisierender Effekt, ähnlich dem von Öl auf Wasser, verursacht wird.
Ultrastruktur der Perlmuttschicht eines Unterkreide-Ammoniten Leymeriella mit dem typischen stapelartigen Aufbau kleiner Aragonit-Plättchen (Foto: W. Chorazy)
Medianschnitt durch den gekammerten Teil (Phragmokon) eines Ammoniten aus der Unterkreide von Madagaskar (Argonauticeras), die Wohnkammer ist nicht erhalten, klar erkennbar ist das weiße Schalenmaterial der Kammerscheidewände, die Kammern selbst sind z.T. mit Sediment und grobkristallinem Kalzit verfüllt, Durchmesser 10 cm

Durch die geringe Mächtigkeit der einzelnen Plättchen (Bruchteil eines Mikrometers) kann das Licht unterschiedlich tief in diese Stapel eindringen, wird dabei in seine Spektralfarben zerlegt und reflektiert. Dies erzeugt den so beliebten schillernden Effekt der Perlmuttschicht. Die Perlmuttschicht erreicht ein Vielfaches der Mächtigkeit des Außenostrakums. Da diese Plättchen ursprünglich von organischem Material umhüllt waren, verliehen sie der Schale zusätzlich eine hohe Elastizität. Nach innen folgt die dritte mineralisierte Schalenschicht, das Innenostrakum (= innere Prismenschicht). Diese zuletzt mineralisierte Schalenlage wird von hinteren Teilen des Mantels abgeschieden. Ihr Aufbau und Funktion ist zum Teil recht unterschiedlich und dient unter anderem der Anheftung von Muskulatur.[3]

Die den Phragmokon unterteilenden Kammerscheidewände (Septen) werden hingegen vom hinteren Bereich des Mantelgewebes mineralisiert. Dieser Mineralisationsprozess ging vermutlich recht zügig vonstatten und erfolgte gleichzeitig auf der gesamten Septenoberfläche. Das lässt sich aus dem Fehlen von Anwachsstreifen schließen. Vermutlich wurden die Septen ähnlich wie die Schale durch eine organische Lage vorgeformt und anschließend vollständig perlmuttrig mineralisiert. Die Ansatzstellen der Kammerscheidewände an der Innenseite der Gehäuseröhre liefern ein wichtiges Merkmal für die Systematik der Ammoniten.[4] Diese Kontaktnaht bildet die Lobenlinie, die bei verschiedenen Ammonitengruppen unterschiedlich ausgebildet ist. Da es sich bei der Lobenlinie um ein Merkmal der inneren Schale handelt, kann dieses nur bei Steinkernen (Innenausgüssen von Schalen) beobachtet werden. Da die Wohnkammer nicht durch Septen untergliedert ist finden sich auf Wohnkammersteinkernen keine Lobenlinien.

Der Phragmokon der Ammoniten erfüllte ähnlich wie beim rezenten Nautilus eine Gewichtsausgleich-Funktion. Die neugebildeten Kammern waren zunächst mit Flüssigkeit gefüllt. Sie wurden mittels organischer Innenauskleidung (Pellicula), die wie ein Löschblatt funktionierte, und dem schlauchartigem Mantelgewebe (Sipho), das alle Kammern durchzog, leer gepumpt.[5][6] Durch ein Salzionen-Konzentrationsgefälle zwischen der Kammerflüssigkeit, mit nahezu Süßwasserzusammensetzung, und dem Blut des Siphos wurde ein osmotischer Druck aufgebaut. Dieser aktiv vom Organismus aufgebaute Druck führte dazu, dass die Kammerflüssigkeit zum Sipho geleitet und über diesen abgeführt wurde.[7] Durch den Abpumpprozess entstand in den voll mineralisierten Kammern ein Unterdruck, der wiederum zum Ausperlen eines stickstoffhaltigen Gases führte. Der dadurch gewonnene Auftrieb glich das Gewicht von Schale und Weichkörper aus. Der gesamte Prozess ist also eine wesentliche Voraussetzung, um den Ammoniten (aber auch Nautilus) das Wachstum (= Gewichtszunahme) zu ermöglichen. Der Sipho der Ammoniten liegt im Unterschied zu Nautilus, wo der Sipho zentral-mittig in der Gehäuseröhre liegt, immer randlich meist extern. Nur bei der oberdevonischen Gruppe der Clymenien liegt der Sipho intern. Der Vorgang der Kammerneubildung im Ganzen wurde 2008 ausführlich beschrieben.[8] Somit ist der rezente Nautilus also in der Lage, das Gewicht von Schale und Weichkörper auszugleichen und in der Wassersäule zu schweben, ohne dafür zusätzliche Energie aufzuwenden. Da die Kammerscheidewände der Ammoniten deutlich komplexer als die uhrglasförmigen Kammern des Nautilus ausgebildet sind, wird vermutet, dass die Ammoniten ihr Gehäuse auch benutzten, um Tag/Nachtwanderungen vertikal in der Wassersäule durchzuführen. Dies könnte ähnlich wie bei einem U-Boot durch Fluten und Leerpumpen der Phragmokonkammern bewerkstelligt worden sein. Das Eigengewicht wurde so entsprechend modifiziert und ein energiesparendes Auf- und Abtauchen ermöglicht. Allerdings ist es nicht unumstritten, ob Ammoniten tatsächlich auf diese Art und Weise Tag/Nachtwanderungen vollzogen. Eine aktuelle Übersicht über alle zur Zeit diskutierten Funktionen des gekammerten Phragmokons und der Septen geben.[3][9]

Die Größen der Schalen variieren stark. Die größten Ammoniten mit einem Durchmesser von rund 1,80 Meter wurden bislang in der Westfälischen Bucht gefunden. Sie gehören zur Art Parapuzosia seppenradensis. Die ersten Exemplare wurden 1887 und 1895 in einem Steinbruch bei Seppenrade entdeckt. Die größte bekannte Ammonitenart wurde also nach ihrem Fundort benannt und 2008 zum ersten Fossil des Jahres im Rahmen der Tagung der deutschen Paläontologischen Gesellschaft gewählt. Das größte erhaltene Schalengehäuse kam beim U-Bahn-Bau in Dortmund ans Tageslicht. Die Funde stammen aus kreidezeitlichen Mergel-Schichten.

Weichteile

Schema der Weichteile eines Nautilus
Zungenförmige dorsale Muskelansatzstelle eines Lobolytoceras siemensi (Unterjura) umrahmt von Resten des Septums

Über die Weichkörperorganisation der Ammoniten ist bisher nur wenig bekannt, da außer den Kieferapparaten und den Muskelansatzstellen kaum Weichteile überliefert sind. So bleibt zum Beispiel die Anzahl der Ammonitenarme und deren Funktion bis heute umstritten und könnte 10, 8 und 6 betragen haben. Eine schlüssige Rekonstruktion des Weichkörpers gibt es für die diskusförmige Gattung Aconeceras, die zum Teil häufig in den Unterkreide-Ablagerungen von NW Deutschland gefunden werden kann.[10] Der Weichkörper befand sich hauptsächlich in der Wohnkammer und war wie bei Nautilus mittels großer Muskeln an der Innenseite festgeheftet. Solche Muskelansatzstellen zum Beispiel der Rückziehmuskulatur die dafür sorgte, dass sich die Ammoniten bei Gefahr vollständig in ihre Wohnkammer zurückziehen konnten, wurden zum ersten Mal umfangreicher beschrieben.[11][12] Der Cephalopoden-Weichkörper entspricht dem Grundmuster der Mollusken und lässt sich in Kopf, Eingeweidesack und Mantel untergliedern. Im Kopfbereich befinden sich Sinnesorgane wie Augen, Fangarme und der Kieferapparat. Der Eingeweidesack enthält den Verdauungstrakt, das Herz und die Gonaden und wird vollständig vom Mantel umschlossen (siehe Skizze). Der Mantel bildete bei den Ammoniten vermutlich auch eine Mantelhöhle im ventralen, vorderen Wohnkammerbereich wie sie bei Nautilus ausgebildet ist. In die Mantelhöhle ragen ein paar Kiemen für die Sauerstoffaufnahme aus dem Meerwasser. Zusätzlich kann Nautilus über einen zweilappigen Trichter Wasser in die Mantelhöhle einströmen und durch Zusammenziehen von Muskulatur das Wasser wieder herauspressen. Nach diesem Rückstoßprinzip bewegt sich der rezente Nautilus und vermutlich auch die ausgestorbenen Ammoniten durchs Wasser. Einen Tintenbeutel wie Sepia und Octopus besaßen die Ammoniten nicht. Am hinteren Abschnitt der Wohnkammer am Übergang zum Phragmokon bildet der Mantel eine schlauchartige Struktur, die bei den Ammoniten alle Kammern miteinander verbindet, der Sipho.

Arme

Alle rezenten Cephalopoden mit internem Gehäuse (Endocochleata) besitzen entweder 8 (Vampyropoda) z. B. Octopus oder 10 (Decabrachia) z. B. Sepia, Spirula Arme. Nautilus mit seinem externen Gehäuse (Ektocochleata) besitzt hingegen zahlreiche ~90 Arme.[13] Die Arme von Octopus oder Sepia sind mit Saugnäpfen besetzt, die von Belemniten mit kleinen Haken (Onychiten) und Saugnäpfen.[14] Nautilus besitzt weder Haken noch Saugnäpfe, sondern zahlreiche Cirren, die ein klebriges Sekret absondern können. Hieraus ergibt sich für die Rekonstruktion der Ammonitenarme eine ganze Reihe an Möglichkeiten.[15] Am Wahrscheinlichsten scheint eine Armanzahl von 10, 8 oder 6, da durch neuere Untersuchungen gezeigt werden konnte, dass auch Nautilus in der Embryonalanlage nur 10 Arme besitzt.[16] Die Erhöhung der Armzahl auf über etwa 90 erfolgte also sekundär innerhalb der Nautiliden-Entwicklungslinie. Zudem ist bekannt, dass Ammoniten durch verschiedene Merkmale (schmale Radula, kleines Juvenilgehäuse) den Coleoidea (Cephalopoden mit internem Gehäuse z. B. Belemniten, Sepien) entwicklungsgeschichtlich näher stehen als den Nautiliden, mit denen sie lediglich das externe Gehäuse als gemeinsames Merkmal gemeinsam haben.[17] Da bisher Nachweise von Ammonitenarmen, auch von Fossillagerstätten mit exzellenter Weichteilerhaltung wie zum Beispiel der mitteljurassischen Lagerstätte Voulte-sur-Rhone, von der ein vollständig erhaltener Octopode (Proteroctopus ribeti) bekannt ist, fehlen, sind folgende Rückschlüsse möglich: a) die Arme waren fadenartig dünn oder b) sehr kurz. Ein paar Rekonstruktionsversuche zu Aussehen und Funktion der Ammonitenarme sind beschrieben.[18][19][20]

Radula, Aptychen, Anaptychen und Rhyncholithen (Nahrungsaufnahme)

Ammonit aus dem Oberjura (Malm) von Solnhofen mit einem Teil des Kieferapparates (Aptychus) aufrecht in der Wohnkammer liegend

Ammoniten besaßen wie alle Cephalopoden und auch deren nächste Verwandte die Gastropoden eine sogenannte Buccal Masse. Diese kugelige, von kräftiger Muskulatur umfasste Struktur liegt direkt hinter der Mundöffnung und enthält bei rezenten Cephalopoden einen Papageienschnabel-artigen Kiefer, wobei hier, umgekehrt wie bei den Papageien, der Unterkiefer größer ist als der Oberkiefer. Im Zentrum dieser Kapsel liegt die Raspelzunge oder Radula, mit deren Hilfe die Nahrung zerkleinert wird. Sie besteht bei Nautilus aus 13, bei Ammoniten und Coleoideen aus 9 Elementen je Querreihe.[17] In einer speziellen Tasche werden zeitlebens kontinuierlich neue Zahnreihen gebildet, welche die abgenutzten Zähne ersetzen. Im Jahr 2011 veröffentlichte 3D-Rekonstruktionen eines oberkreidezeitlichen heteromorphen Ammoniten (Baculites) zeigten die fragile Struktur der Raspelzähne und deren Anpassung an die Ernährung von Zooplankton z. B. Schneckenlarven oder kleine Krebstiere.[21] Eine ähnliche Radula ist für die Unterkreide Gattung Aconeceras berichtet.[10] Es bleibt abzuwarten, ob weitere Untersuchungen ähnlich starke Anpassungen der Radula an die Ernährungsweise wie bei den Gastropoden zeigen.

Im Unterjura treten bei der Ammonitengruppe der Hildoceraten zum ersten Mal verkalkte zweiteilige Unterkiefer, die Aptychen, auf. Mit dem Auftreten zunächst hornig-zweiteiliger und später kalzitisch-zweiteiliger, muschelähnlicher Unterkiefer (Aptychus) im Unterjura (Lias) geht ein Funktionsverlust als Teil des Kieferapparates einher. Der Verlust einer zum Zerschneiden von Beute geeigneten Spitze, die Abplattung sowie die gelenkig miteinander verbundenen zueinander symmetrischen Teile machen eine Kieferfunktion unwahrscheinlich. Beide Varianten (ursprünglich einteiliger Unterkiefer (= Anaptychus) und zweiteiliger Aptychus) kommen bis zum Ende der Kreide parallel nebeneinander vor und führten zur Unterteilung der Ammoniten in Aptychen-tragende (Aptychophora) und nicht aptychentragende Formen.[22] Aptychentragende Ammoniten konnten sich nach neueren Vorstellungen nur noch von mikroskopisch kleinen Partikeln/Organismen ernähren wohingegen Formen mit funktionsfähigem Kiefer sich möglicherweise von Aas ernährten.[23] So besaßen Phylloceraten und Lytoceraten einen Unterkiefer der dem des rezenten Nautilus ähnlich ist und an der Spitze durch Kalkeinlagerungen (Rhynchaptychus) verstärkt war. Dies wurde bereits als konvergente Anpassung an eine aasfressende Lebensweise, wie sie auch von Nautilus bekannt ist, interpretiert.[24] Vermutlich schwammen die Ammoniten auch mit ähnlichen Geschwindigkeiten wie Nautilus. Ammoniten waren also trotz ihres komplizierter gebauten Gehäuses keine schnellen, räuberischen Formen wie etwa die Belemniten mit ihrem torpedoförmigen Körper. Als Nahrung kommen daher Plankton, Foraminiferen, kleinere Ammoniten (bis rund 1/10 der Größe des Prädators), Krebse, Ostracoden, Echinodermata (z. B. Armglieder von Seelilien), Brachiopodenbrut oder Aas und eventuell auch Korallen und Bryozoen in Frage. Die Hypothese zur Nahrungsbiologie wird durch in Ausnahmefällen fossilisierten Resten des Mageninhaltes von Ammoniten gestützt.

Rhyncholith - ein starker verkalkter Teil eines Nautilidenkiefer aus der Unterkreide von Frankreich.

Umstritten ist nach wie vor die Funktion der Aptychen a) als Operculum (Verschlussdeckel) der ähnlich der Hutkappe das Nautilus die Gehäusemündung bei Gefahr verschließt, wenn sich der Ammonit vollständig in seine Wohnkammer zurückzieht, b) weiter funktionsfähiger Teil des Kieferapparates, c) Doppelfunktion Operculum und Kiefer, d) als Tariergewicht massiv verkalkter Aspidoceraten-Aptychen.[25] Eine kurze Zusammenstellung verschiedener Theorien zur Funktion der Aptychen findet sich ebenfalls.[25]

Rhyncholithen, die wegen ihrer Ähnlichkeit mit den Kiefern von Nautilus früher als Kieferteile von Ammoniten gedeutet wurden, sind nach heutiger Auffassung sicher keine Ammonitenkiefer, sondern vermutlich Kiefer anderer Cephalopoden, eine Zuordnung zu einzelnen Gruppen ist aber noch schwierig.

Weitere Weichteile (Tintenbeutel, Kiemen und Augen)

Nachweise von Tintenbeuteln bei Ammoniten sind nicht eindeutig. Höchstwahrscheinlich liegen Verwechslungen mit Magen und Ösophagus der Ammoniten vor. Kiemen sind von Ammoniten fossil nicht überliefert. Nautiliden haben vier Kiemen, alle anderen rezenten Kopffüßer und auch deren nächste Verwandte, die Schnecken, besitzen nur zwei Kiemen. Aufgrund der engeren Verwandtschaft der Ammoniten zu den Coleoideen, aufgrund der Ausbildung von Radula und Embryonalgehäuse, wird vermutet, dass Ammoniten ebenfalls zwei Kiemen besaßen. Da auch Schnecken nur zwei Kiemen besitzen, kann davon ausgegangen werden, dass erst innerhalb der Entwicklungsreihe der Nautiliden die Kiemenanzahl von ursprünglich zwei auf vier erhöht wurde, ganz entsprechend der Erhöhung der Armzahl. Augen sind fossil nicht überliefert. Dass Ammoniten jedoch Augen besessen haben müssen, scheint unstrittig. Die Augen von Nautilus funktionieren wie eine Camera obscura (Lochkamera) und besitzen keine Linse. Alle anderen modernen Cephalopoden besitzen verschiedene Formen von Linsenaugen.

Paläobiologie

Fortbewegung

Die Frage nach der Fortbewegung der Ammoniten ist am schwierigsten zu beantworten. Es kann hier mit Hilfe von Indizien über eine wahrscheinliche Lebensweise der Ammoniten spekuliert werden. Zunächst einmal soll erwähnt sein, dass es zwei grundsätzlich verschiedene Vorstellungen zur Lebensweise der Ammoniten gibt: a) benthonisch auf dem Meeresboden kriechend oder gar sessil und b) frei in der Wassersäule schwimmend.

Für eine benthonische Lebensweise sprechen geochemische Analysen.[26] Es wurden Schalen von Oberkreide Ammoniten, Planktonorganismen und Benthosorganismen untersucht. Dabei stellte sich heraus, dass die Sauerstoffisotopen der Ammonitenschalen stark denen der Benthosorganismen ähnelten. Weitere Indizien für eine bodenbezogene Lebensweise könnte aus dem Bereich der Paläopathologie angeführt werden. So könnten Schalenverletzungen, die durch bodenbewohnende Krebse verursacht wurden, für eine benthonische Lebensweise der Ammoniten sprechen. Beide Argumente können als Hinweise für eine benthonische Lebensweise gedeutet werden, schließen aber eine demersiale, das heißt dicht über dem Meeresboden schwebende Lebensweise nicht aus.

Für eine Lebensweise in der freien Wassersäule spricht das Fehlen jeglicher Spurenfossilien von Ammoniten. Die von Devon bis Oberkreide weltweit massenhaft vorkommenden Ammonitentiere müssten unzählige Spurenfossilien in den Ablagerungen jener Zeit hinterlassen haben. Bis heute ist jedoch keine einzige Spur bekannt, die eindeutig einem Ammoniten zugewiesen werden kann. Alle rezenten Cephalopoden mit einem gekammerten Gehäuse (Nautilus, Spirula) schwimmen frei in der Wassersäule, ebenso die bereits ausgestorbene Gruppe der Belemniten. Generell ist das gekammerte Gehäuse als Schlüsselinnovation der Cephalopoden zu verstehen, die ihnen erst den Übergang von der benthonischen zur schwimmenden Lebensweise ermöglichte. Ammoniten mit ihrem gekammerten Außengehäuse und der Wohnkammer entsprechen im Grundprinzip dem Nautilusgehäuse. Es lassen sich jedoch auch gravierenden Unterschiede feststellen: Der Sipho liegt am Rand, und die Kammerscheidewände der Ammoniten sind teilweise extrem stark verfaltet. Diese Verkomplizierung des Gehäuses spricht nach Meinung vieler Forscher für eine Effizienzsteigerung des hydrostatischen Apparates (= Auftriebsorgan). Das heißt, Wasser kann schneller aus den neugebildeten Kammern abgepumpt und so schneller das Schwimmgleichgewicht erreicht werden. Möglicherweise konnte auch schneller Wasser zurückgeflutet werden, wie ein Vergleich von Schalenverletzungen bei Nautilus und Ammoniten zeigte.[27][28] Positiver Auftrieb zum Beispiel durch Schalenverlust könnte somit verringert und das Auftreiben an die Wasseroberfläche, gleichbedeutend mit dem Tod des Tieres, vermieden werden.[29][3] Kalkige Ablagerungen in den Kammern und Siphonen verschiedener fossiler Cephalopoden könnten sogar ein Hinweis darauf sein, dass der Auftrieb ständig größer als das Eigengewicht war.[27]

Die größere Wohnkammer der Ammoniten mit entsprechend großem Weichkörper wird oft angeführt, um die bodenbezogene Lebensweise der Ammoniten zu begründen. Da der Weichkörper jedoch eine relative Dichte von 1 g/cm³ besitzt, also nahezu identisch mit dem umgebenden Meerwasser ist, wirkt sich die Größe des Weichkörpers kaum auf das spezifische Gewicht der Tiere im Wasser aus (im Toten Meer können auch Nichtschwimmer aufgrund das hohen Salzgehaltes und des dadurch verursachten Auftriebs schwimmen). Den weitaus wichtigsten Gewichtsfaktor bildet die aragonitische Schale mit einer Dichte von ca. 2.5–2.6 g/cm³.

Weitere Indizien für eine schwimmende Lebensweise der Ammoniten kommen von den verschiedensten Fundstellen. Ammoniten werden auch in Sedimenten (z. B. Schwarzschiefer) gefunden, die unter sauerstoffarmen bis – freien Bedingungen (dys- bis anoxisch) abgelagert wurden (z. B. Fossillagerstätte Holzmaden). Wären Ammoniten bodenbezogen lebende Organismen, dürften sie dort nicht vorkommen. Sie lebten daher vermutlich in der freien Wassersäule oberhalb der sauerstoffarmen Zone und sanken nach ihrem Tod zum Meeresboden oder wurden aus anderen Meeresbereichen dorthin verdriftet. Die lebensfeindlichen sauerstoffarmen Bedingungen verhinderten nach der Ablagerung eine weitere Zerstörung oder Bewuchs der Schalen durch andere Organismen. Auch scheint die Ernährungsweise für eine entweder planktonische oder nektonische Lebensweise in der freien Wassersäule zu sprechen. So fand sich marines Zooplankton (Schneckenlarven und kleine Krebstiere) im Kieferapparat des Oberkreide Ammoniten Baculites.[21] Da Baculites mit seinen zweiteiligen Aptychus zu den Aptychophora gehört, kann die Ernährung von Zooplankton, die eine schwimmende Lebensweise erforderlich macht, evtl. für alle Aptychen-tragenden Ammoniten angenommen werden.[21][23]

Auch die schnelle Entfaltung und globale Verbreitung der Ammoniten nach den Massenaussterbe-Ereignissen spricht für eine Lebensweise sowohl in der freien Wassersäule küstennah als auch küstenfern, da insofern eine schnellere Verbreitung gegenüber bodenbezogen lebenden Organismen möglich war.[15]

Geschlechtsdimorphismus: Mikrokonche und Makrokonche

Abguss eines Ammonitenpaares mit Makro- (Weibchen) und Mikrokonch (Männchen) aus dem Unterjura von Deutschland

Unter den Begriffen Mikro- bzw. Makrokonch versteht man zunächst einmal lediglich kleine und große Ammonitengehäuse mit ähnlich gestalteten Innenwindungen. Bei den detailliert-morphologischen Studien an Ammonitengehäusen fiel auf, dass einige Formen zunächst identische Windungen mit identischen Ornamenten anlegten. Ab einem bestimmten Schalendurchmesser unterschieden sich dann aber die Windungen und die Ornamentierung. Bei weiterer langjährige Sammeltätigkeit stellte sich heraus, dass diese Formen immer zeitgleich und an den gleichen Fundorten zu finden waren. Lediglich die Verhältnismäßigkeit der Fundhäufigkeit war unterschiedlich. Oft wurden diese Ammoniten erst als unterschiedliche Arten oder sogar Gattungen beschrieben. Waren einmal die Ähnlichkeiten erkannt, drängte sich schnell der Verdacht auf, es könnte sich hierbei um sexualdimorphe Paare handeln. Sexualdimorph bedeutet, die Geschlechter (männlich oder weiblich) unterscheiden sich morphologisch (vgl.Menschen). Um dieses zu belegen, müssen ausgewachsene Ammoniten der gleichen Art verglichen werden. Dies geschieht über die Bildung einer morphologischen Reihe. Allgemeinhin nimmt man an, dass es sich bei den größeren Makrokonchen um die Weibchen und bei den kleineren Mikrokonchen um die Männchen sogenannte Zwergmännchen handelt. Beweisen lässt sich diese Annahme allerdings nicht, da Weichteile von Ammoniten nicht überliefert sind. Allerdings tritt bei rezenten Cephalopoden häufig der Fall auf, dass die Weibchen größer als ihre Männchen werden. Die frühen Ähnlichkeiten und späteren Unterschiede im Gehäusebau könnten Folge der sexuellen Reife sein. Um auszuschließen, dass nicht ausgewachsene mit ausgewachsenen Exemplaren der gleichen Art verglichen werden, ist die Beachtung der Lobenlinie hinreichend. Das Erreichen das Adultstadiums und damit der maximalen Gehäusegröße, erkennt man bei Ammoniten wie auch beim rezenten Nautilus an der Drängung der zuletzt gebildeten 2–3 Septen. Diesen Effekt hat Hölder als Lobendrängung beschrieben).[30] Auch die Mündungsapophysen (Ohren) der Mikrokonche z. B. Ebrayiceras werden als geschlechtsbedingte Modifikationen der Gehäusemündung interpretiert.[18] Ein etwas komplizierter gelagerter Fall von Sexualdimorphismus wurde ebenfalls 2011 beschrieben.[31] Einen umfassenden Überblick zu allen Aspekten des Sexualdimorphismus bei Ammoniten gibt Callomon.[32]

Verwandtschaft und Stammesgeschichte

Verteilung von rund 1500 Ammonitengattungen von Devon bis Kreide, hellblau: vor allem Goniatiten, blau: vor allem Ceratiten, violett: vor allem Ammoniten

Die Ammoniten leiteten sich im Unterdevon (Emsium) von den Bactriten, einer Gruppe Cephalopoden, die ihren Sipho vom Zentrum der Gehäuseröhre an den Rand verlagerten, ab. Infolge der Siphoverlagerung ergab sich auch eine erste Einfaltung der Lobenlinie. Die Bactriten wiederum lassen sich nahtlos von orthoceriden Nautiliden mit langen gradgestreckten Gehäusen - ebenfalls im Unterdevon (Pragium) - ableiten. [33] Durch die beginnende Krümmung und zunehmende planspirale Einrollung des Gehäuses leiten die Bactriten zu den Ammoniten über.[34] Eine genaue Definition für die Ammoniten ist wegen des graduellen morphologischen Übergangs zwischen Bactriten und Ammoniten zur Zeit noch schwierig. Bemerkenswert ist jedoch, dass die Ammoniten bereits kurze Zeit nach ihrem ersten Auftreten global und massenhaft verbreitet waren, was im Zusammenhang mit weiteren Veränderungen in den damaligen Meeren als die devonische Nektonrevolution beschrieben wurde.[35] Vermutlich lassen sich auch die Coleoidea (Cephalopoden mit Innenskelett), zu denen auch die ausgestorbene Gruppe der Belemniten gehört, ableiten. Generell werden die Großgruppen innerhalb der Ammoniten anhand der Ausgestaltung ihrer Lobenlinie unterschieden.[36]

Lange Zeit wurde zur Rekonstruktion der Lebensweise oder des Weichkörpers der rezente Nautilus herangezogen. Wie aber gezeigt werden konnte, sind die Ammoniten eher mit den Coleoideen verwandt. Neben den bekannteren Vertretern dieser Gruppe (Octopus und Sepia) ist besonders die seltene Tiefseetintenart Spirula spirula für die Paläontologie in letzter Zeit immer stärker in den Focus rückt. Diese Form besitzt nämlich ein vollständiges gekammertes Gehäuse mit Siphon, das in den Weichkörper eingelagert ist. Wegen der engeren Verwandtschaft zwischen Ammoniten und Spirula wird letzterer als Modellorganismus für zukünftige Rekonstruktionsversuche verstärkt herangezogen.[37]

Vereinfacht lassen sich die Ammoniten in Paläo- (Devon-Perm), Meso- (Trias) und Neoammoniten (Jura-Kreide) unterteilen. Die vereinfachte und nicht ganz korrekte, dafür aber in Gelände leicht anzuwendende Methode basiert auf der Ausgestaltung der Lobenlinien späterer ontogenetischer Stadien und nicht der Primärsutur (was eigentlich die korrekte Herangehensweise wäre). Bei fast allen Paläoammoniten (Goniatiten, Anarcestiden, Clymenien) ist die Lobenlinie noch recht einfach mit wenigen Sätteln (meist breit-gerundet) und Loben (meist spitz) ausgebildet. Bei den Mesoammoniten (Ceratiten) sind die Sättel einfach und die Loben zeigen eine beginnende Zerschlitzung des Lobengrundes. Die Neoammoniten (Phylloceraten, Ammoniten inklusive Lytoceraten und Ancyloceraten = Heteromorphe) entwickeln die kompliziertesten Lobenlinien mit zerschlitzten Sätteln und Loben. Die Zeichnungen wurden in die vermutete Lebendstellung der Ammonitentiere gedreht. Neben dieser Tendenz finden sich eine Unzahl an Variationen der Proportion der Schale, von „Verzierungen“ wie Rippen, Spaltrippen, Wülste, Rillen, Dornen oder Knoten, z. T. als Folgen von Konvergenz. Die drei Gruppen sind jeweils durch ein Massenaussterben getrennt, wobei nur wenige Formen überlebten. Von diesen ging anschließend eine explosionsartige Entfaltung (Radiation) neuer Formen aus. Die Ammoniten, die ein Massenaussterben überlebt hatten, wiesen vereinfachte Lobenlinien auf, die sich im Zuge der Stammesgeschichte jedes Mal hin zu komplizierteren Lobenlinien entwickelten. Dieser phylogenetische Trend lässt sich auch während der Ontogenie sehr gut beobachten. Leider starben die Ammoniten an der Kreide/Paläogen-Grenze nachkommenlos aus. Möglicherweise überlebten einige wenige Ammoniten dieses Aussterbe-Ereignis, dem neben vielen Planktonorganismen auch die Dinosaurier zum Opfer fielen, noch um ein paar Monate oder Jahre. Ein Effekt der unter dem Begriff „dead clade walking“ bekannt ist. Gab es in der höchsten Oberkreide noch ca. 30 Ammonitenarten, so sind kurz oberhalb der Iridium-Anomalie, die global nachgewiesen wurde und einen Meteoriten-Impakt wahrscheinlich macht, alle Ammoniten verschwunden.[19]

Typostrophen-Theorie

Ammoniten waren das Musterbeispiel der überholten Typostrophenlehre, wie sie Otto Heinrich Schindewolf vertrat.[38][39] Eine Typostrophe beginnt mit der Entstehung einer neuen Form (Typogenese), die dann im Laufe der Zeit im Rahmen ihrer Entwicklungspotenzen ausgestaltet wird (Typostase). Schließlich gelangt die Form an die Grenzen ihrer Möglichkeiten und stirbt aus (Typolyse). Die Evolution der Ammoniten folgt scheinbar diesem Schema. Beispielsweise ist in dieser Deutung das Auftreten von heteromorphen Ammonitenarten, die keine planspiralen Gehäuse besitzen, in der Oberkreide eine Typolyse, d. h. eine stammesgeschichtliche Degeneration. Spätere Funde belegen das Auftreten solcher Formen auch in anderen Epochen. Die unhaltbar gewordene antidarwinistische „Typostrophen-Theorie“ wurde z. B. durch Korn widerlegt.[40]

Aussterben

Vor dem endgültigen Aussterben der Ammoniten an der Kreide-Tertiär-Grenze bzw. Kreide/Paläogen-Grenze überlebten die Ammoniten drei der fünf größten Massenaussterbe-Ereignisse der Erdgeschichte. Bereits im Oberdevon (Kellwasser-Event) gab es einen starken Einschnitt in der Diversität der Ammoniten. Einen zweiten deutlich stärkeren Einschnitt gab es an der Perm-Trias-Grenze, als es zum größten Massenaussterben der Erdgeschichte kam. Hier starben nach Schätzungen etwa 75–90 % aller Tierarten aus. Das dritte Massenaussterben der Ammoniten liegt an der Trias-Jura-Grenze. Bei den ersten drei Ereignissen haben jeweils nur wenige Ammonitenarten überlebt. Von diesen ging jedoch kurz danach eine enorme Radiation aus, welche oft die vorherige Formenvielfalt übertraf. Die Ursachen für diese Massenaussterben sind umstritten; klimatische und astronomische Ursachen (Meteoriteneinschläge, KT-Impakt) werden ebenso diskutiert wie u. a. aufgrund von Kontinentaldrift veränderte Meeresströmungen mit tiefgreifendem Wechsel im Nahrungsangebot, der Temperaturverteilung im Meer und der Wassertiefe – also rapiden Änderungen der paläoökologischen Bedingungen. Nach den Darlegungen von Kruta[21] und Tanabe[23] starben die Ammoniten auch infolge ihrer planktonischen Lebensphase aus. Demzufolge waren die frischgeschlüpften Ammoniten - mit einem Gehäusedurchmesser von etwa 0,5 – 2 mm - möglicherweise selbst Teil des Zooplanktons, aber ihrerseits auf Plankton als Nahrung angewiesen. Generell ist das Kreide-Paläogen-Massenaussterben auch als Planktonkrise, von der vor allem das kalkige Nanoplankton betroffen war, bekannt. Es ist wahrscheinlich, dass im Zuge der Planktonkrise die Jungtiere ohne ihre Nahrungsgrundlage einfach verhungerten. Aber auch die Adulttiere mit modifizierten Unterkiefern (Aptychen) waren auf Plankton als Nahrung angewiesen und somit direkt von der Planktonkrise betroffen.

Systematik

Die Bezeichnung Ammonoidea Zittel 1884 umfasst neben den eigentlichen Ammoniten des Jura und der Kreide eine Reihe weiterer Formen, die klassischerweise als Ordnungen geführt werden (Gattungslisten unvollständig). Die Brauchbarkeit dieses taxonomischen Konzepts der Hierarchien wird in der Rezentbiologie spätestens seit 1999 infrage gestellt und immer seltener genutzt.[41]. Stattdessen ist nur noch von Taxa (Sing. Taxon) die Rede, welche sich durch Apomorphien (einmalig neu erworbene Merkmale) unterscheiden müssen. Die Unterteilung in Ammoniten-Großgruppen erfolgt heutzutage primär nach der Ausgestaltung der Primärsutur. Die Primärsutur ist die Lobenlinie des ersten echten in Perlmutt angelegten Septums (Kammerscheidewand). Man unterscheidet in trilobate- (Paläoammonoidea, Devon-Perm), quadrilobate- (Mesoammonoidea Oberperm-Trias; sekundär vereinfacht bei heteromorphen Ammoniten der Kreidezeit), quinquelobate- (Neoammonoidea, die Ammoniten im engeren Sinne (Jura-Kreide) und sixlobate (Tetragoniten eine Teilgruppe der Lytoceraten aus der Oberkreide) Primärsuturen.[36] Einen aktuellen Überblick über die phylogenetischen Zusammenhänge alle größeren Ammonitentaxa oberhalb des Gattungsniveaus geben Rouget et al.[42] Für einen detaillierteren Einblick in die Ammonitensystematik werden folgende Standardwerke empfohlen:[43] alle Ammonoideen von Devon bis Kreide leider stark veraltet,[44] enthält nur die Kreideammoniten sowie Teile der Reihe Fossilium Catalogus I: Animalia.

Ammonoidea

    • Ordnung Agoniatitida (Gattungen Agoniatites, Anarcestes, Maenioceras, Prolobites, Manticoceras, Beloceras)
    • Ordnung Clymeniida ? frühe Goniatiten (Gattungen Acanthoclymenia, Gonioclymenia, Hexaclymenia, Wocklumeria, Platyclymenia, Clymenia, Parawocklumeria)
    • Ordnung Goniatitida ? Echte Goniatiten (Gattungen Tornoceras, Cheiloceras, Sporadoceras, Gattendorfia, Ammonellipsites, Goniatites, Gastrioceras, Schistoceras, Perrinites, Cyclolobus)
    • Ordnung Prolecanitida ? frühe Ceratiten (Gattungen Prolecanites, Medlicottia, Sageceras)
    • Ordnung Ceratida ? Echte Ceratiten (Gattungen Xenodiscus, Otoceras, Beneckeia, Ceratites, Cloristoceras, Tropites, Cladiscites, Ptychides, Pinacoceras)
  • Neoammonoidea
    • Ordnung Phylloceratida (Gattungen Phylloceras, Geyeroceras, Paradasyceras, Leiophyllites)
    • "Ordnung" Lytoceratida (Gattungen Lytoceras, Ectocentrites, Pleuroacanthites u. a.)
    • "Ordnung" Ancyloceratida (Gattungen Ancyloceras, Macroscaphites, Crioceratites, Baculites, Turrilites, Bostrychceras, Scaphites, Hoploscaphites, Douvilleiceiras, Parahoplites, Deshayesites)
    • Ordnung Ammonitida Echte Ammoniten (Mehrere Überfamilien)
      • Psilocerataceae (Gattungen Psiloceras, Caloceras, Alsatites, Storthoceras, Schlotheimia, Arietites, Echioceras, Oxynoticeras)
      • Eoderocerataceae? ?Ringripper? (Gattungen Eoderoceras, Androgynoceras, Amaltheus, Pleuroceras, Dactylioceras)
      • Hildocerataceae? ?Sichelripper? (Gattungen Harpoceras, Hildoceras, Leioceras, Ludwigia, Sonninia, Oppelia)
      • Stephanocerataceae (Gattungen Stephanoceras, Macrocephalites, Kosmoceras, Quenstedtoceras)
      • Perisphinctaceae (Gattungen Perisphinctes, Ataxioceras, Rasenia, Gravesia, Aulacostaphanus, Virgatites, Aspidoceras, Polyptychides)
      • Weitere Gattungen (ehemals Überfamilien Desmocerataceae und Hoplitaceae): Callizoniceras, Pachydiscus, Leymeriella, Schloenbachia, Tissotia, Flickia.

Schmuck aus Ammoniten

Aus fossilen Überresten von Ammoniten kann sich der als Ammolit bezeichnete opaleszierende Edelstein bilden, der im Schmuckhandel auch unter den Namen Calcentin oder Korit angeboten wird.

Des Weiteren gibt es einige wenige Vorkommen von opalisierenden Muschelmarmoren, die aus Schalenresten von Ammoniten bestehen, wie beispielsweise den Bleiberger Muschelmarmor in Kärnten und weitere Vorkommen in Hall in Tirol in Österreich, die zu Broschen, Ringen, Dosen und als Tischeinlagerungen verarbeitet wurden. Weitere Muschelmarmore kommen bei Yelatma an der Oka im europäischen Russland, bei Folkestone in Südengland, bei Bakulites von Wyoming und bei Lethbridge in Alberta, Kanada vor.

Vollständig pyritisierte Ammoniten werden im Volksmund als Goldschnecken bezeichnet und, wie auch geschnittene und polierte Exemplare, in Schmuckstücke (z. B. Amulette) eingearbeitet.

Ammoniten inspirieren gelegentlich auch Künstler zu Ammonitenobjekten. So gestalten Goldschmiede Ohrringe und Anhänger in Ammonitenform, genauso so wie Bildhauer Gartenobjekte gestalten, die als Ursprung einen Ammoniten als Vorbild haben.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Zittel, K. A. 1884. Handbuch der Paläontologie: Abt. 1, Band 2, 893 Seiten.
  2. Thenius, E. 1996. Fossilien im Volksglauben. Kramer Frankfurt/M.
  3. 3,0 3,1 3,2 3,3 Keupp, H. 2000. Ammoniten – Paläobiologische Erfolgsspiralen. 165 Seiten.
  4. Schindewolf, O. H. 1961–1968. Studien zur Stammesgeschichte der Ammoniten. Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse.
  5. Denton, E. J., Gilpin-Brown, J. B. 1966. On the buoyancy of the pearly Nautilus. Journal of the Marine Biological Association U.K. 46: 723–759.
  6. Denton, E. J. 1974. On buoyancy and the lives of modern and fossil cephalopods. Proceedings of the Royal Society of London, Series B, Biological Sciences. 185: 273–299.
  7. Greenwald, L., Cook, C. B., Ward, P. 1982. The structure of the chambered Nautilus siphuncle: the siphuncular epithelium. Journal of Morphology. 172: 5–22.
  8. Klug, C., Meyer, E. P., Richter, U., Korn, D. 2008. Soft-tissue imprints in fossil and recent cephalopod septa and septum formation. Lethaia. 41: 477–492.
  9. Hoffmann, R. 2010. New insights on the phylogeny of the Lytoceratoidea (Ammonitina) from the septal lobe and its functional interpretation. Revue de Paléobiologie. 29 (1): 1–156.
  10. 10,0 10,1 Doguzhaeva, L. A., Mutvei, H. 1991. Organization of the soft body in Aconeceras (Ammonitina), interpreted on the basis of shell morphology and muscle-scars. Palaeontographica A. 218: 17–33.
  11. Jordan, R. 1968. Zur Anatomie mesozoischer Ammoniten nach den Strukturelementen der Gehäuseinnenwand. Beihefte zum Geologischen Jahrbuch. 77: 1–64.
  12. Richter, U. 2002. Gewebeansatz-Strukturen auf pyritisierten Steinkernen von Ammonoideen. Geologische Beiträge Hannover. 4: 1–113.
  13. Kröger, B., Vinther, J. Fuchs, D. 2011. Cephalopod origin and evolution: A congruent picture emerging from fossils, development and molecules. BioEssays: doi:10.1002/bies.201100001 12 Seiten.
  14. Fuchs, D., Boletzky, S. v., Tischlinger, H. 2010. New evidence of functional suckers in belemnoid coleoids (Cephalopoda) weakens support for the "Neocoleoidea" concept. Journal of Molluscan Studies. 2010: 1–3.
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  17. 17,0 17,1 Lehmann, U. 1990. Ammonoideen. Haeckel Bücherei, 257 Seiten.
  18. 18,0 18,1 Keupp, H., Riedel, F. 2009. Remarks on the possible function of the apophyses of the Middle Jurassic microconch ammonite Ebrayiceras sulcatum (ZIETEN, 1830), with a discussion on the palaeobiology of Aptychophora in general. Neues Jahrbuch fur Geologie und Palaontologie, Abhandlungen. 255: 301–314.
  19. 19,0 19,1 Landman, N. H., Johnson, R. O., Garb, M. P., Edwards, L. E., Kyte, F. T. 2010. Ammonites from the Cretaceous/Tertiary Boundary, New Jersey, USA. 287–295. Tokai University Press.
  20. Walton, S. A., Korn, D., Klug, C. 2010. Size distribution of the Late Devonian ammonoid Prolobites: indication for possible mass spawning events. Swiss J. Geosciences. 103: 475–494.
  21. 21,0 21,1 21,2 21,3 Kruta, I., Landman, N., Rouget, I., Cecca, F., Tafforeau, P. 2011. The Role of Ammonites in the Mesozoic Marine Food Web Revealed by Jaw Preservation. Science. 331: 70–72.
  22. Engeser, T., Keupp, H. 2002. Phylogeny of the aptychi-possessing Neoammonoidea (Aptychophora nov., Cephalopoda). Lethaia. 34: 79–96.
  23. 23,0 23,1 23,2 Tanabe, K. 2011. The feeding habits of Ammonites. Science. 331: 37–38.
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  40. Korn, D. 2003. Typostrophism in Palaeozoic Ammonoids?. Paläontologische Zeitschrift. 77 (2): 445–470.
  41. Ax, P. 1995. Das System der Metazoa I - ein Lehrbuch der phylogenetischen Systematik. Gustav Fischer Verlag, 226 Seiten.
  42. Rouget, I., Neige, P., Dommergues, J.-L. 2004. Ammonites phylogenetic analysis: state of the art and new prospects - L´analyse phylogénétique chez les ammonites: état des lieux et perspectives. Bulletin de la Société Géologique de France. 175 (5): 507–512.
  43. Moore, R. C. 1957. Treatise on Invertebrate Paleontology Part L Mollusca 4 Cephalopoda Ammonoidea. Geological Society of America and University of Kansas Press. 490 Seiten.
  44. Kaesler, R. L. 1996. Treatise on Invertebrate Paleontology Part L Mollusca 4 Revised Volume 4: Cretaceous Ammonoidea. Geological Society of America Inc. and The University of Kansas. 362 Seiten.

Literatur

  • Ulrich Lehmann: Ammoniten. Ihr Leben und ihre Umwelt 2. Auflage. Enke, Stuttgart 1987. ISBN 3-432-88532-6 (gute Einführung, ohne systematischen Teil)
  • A. H. Müller: Lehrbuch der Paläozoologie. Bd II/2. Invertebraten. Teil 2. Mollusca 2 – Arthropoda 1. 4. Auflage. Friedrich Pfeil, München 1994. ISBN 3-89937-017-1 (Lehrbuch mit systematischem Teil, Darstellung)
  • A. E. Richter: Ammoniten. Überlieferung, Formen, Entwicklung, Lebensweise, Systematik, Bestimmung. Franckh-Kosmos, Stuttgart 1982. ISBN 3-8112-1166-8 (Überblick, eher für Sammler; Lehmann bietet mehr und genaueres zur Biologie)
  • Rudolf Schlegelmilch: Die Ammoniten des süddeutschen Lias. Gustav Fischer, Stuttgart 1976. ISBN 3-437-30238-8
  • R. Schlegelmilch: Die Ammoniten des süddeutschen Dogger. Gustav Fischer, Stuttgart 1985. ISBN 3-437-30488-7
  • R. Schlegelmilch: Die Ammoniten des süddeutschen Malms. Gustav Fischer, Stuttgart 1994. ISBN 3-437-30610-3 (Drei Beispiele für Monografien der Ammoniten in einem geographischen Raum, in dem klassische Arbeiten zu Ammoniten entstanden. Hervorragende Zeichnungen und umfassende Beschreibungen, zahlreiche Abbildungen von Typusexemplaren. Standardwerke für die Bestimmung.)
  • Zum Ober-Bathonium (Mittlerer Jura) im Raum Hildesheim, Nordwestdeutschland - Mega- und Mikropaläontologie, Biostratigraphie. Geologisches Jahrbuch. Reihe A. H. 121. Hannover 1990, S. 21–63.
  • H. Keupp: Ammoniten. Paläobiologische Erfolgsspiralen. Jan Thorbecke, Stuttgart 2000. ISBN 3-7995-9086-2 (umfassendes Nachschlagewerk)

Weblinks

Commons: Ammoniten – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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