Polyphenole


Quercetin, ein Polyphenol, das beispielsweise in Äpfeln und Zwiebeln enthalten ist

Polyphenole sind aromatische Verbindungen, die zwei oder mehr direkt an einen aromatischen Ring gebundene Hydroxygruppen enthalten und zu den sekundären Pflanzenstoffen gerechnet werden. Natürliche Polyphenole kommen in Pflanzen als bioaktive Substanzen wie Farbstoffe, Geschmacksstoffe und Tannine vor. Sie sollen die Pflanze vor Prädatoren schützen oder durch ihre Farbe Insekten zur Bestäubung anlocken. Aufgrund ihrer antioxidativen Wirkung und der Filterung energiereicher UV-B-Strahlung dienen Polyphenole manchen Pflanzen als Schutz für den Photosynthese-Apparat. Weiterhin sind Polyphenole Grundbausteine wichtiger Biopolymere wie Lignin und Suberin. In der Gruppe der Polyphenole sind viele Pflanzenstoffe zusammengefasst, wie die Farbstoffe Flavonoide und Anthocyane, Procyanidine, Benzoesäurederivate (z. B. Vanillinsäure, Gallussäure, Protocatechusäure), Zimtsäurederivate (wie Kaffeesäure, p-Cumarsäure) und Stilbenderivate (etwa Resveratrol). Der Name Polyphenole leitet sich vom Phenol ab.

Herkunft

Viele Polyphenole gelten als gesundheitsfördernd. Pflanzen mit hohem Polyphenolgehalt sind beispielsweise die Apfelbeeren, die Blätter und Trauben der Weinreben, auch im Rotwein, die Schale und das Fruchtfleisch der Mangostanfrucht (Garcinia mangostana), der Saft des Granatapfels (Punica granatum), der unter anderem Punicalagin, Ellagsäure und Gallussäure enthält, Ginkgo, Tee, Zistrosen und die Samen von Perilla (Perilla frutescens, auch „Schwarznessel“ oder irreführend „Wilder Sesam“ genannt). Darüber hinaus werden Polyphenole (Flavonoide) aus der Rinde von Pinien und aus Lärchenholz für den Einsatz in der Medizin extrahiert.

Wirkung

Einige Polyphenole wirken wie andere Antioxidantien unter anderem entzündungshemmend und krebsvorbeugend. Im Rahmen verschiedener Studien mit Granatapfel-Polyphenolen wurde ein gehemmtes Wachstum von Krebszellen in der Brustdrüse, Lunge, Haut, dem Darm und der Prostata beobachtet.[1] Flavonoide und Anthocyane schützen Körperzellen vor freien Radikalen und verlangsamen die Zelloxidation. Sie vermindern die Fettablagerungen (Plaques) in den Blutgefäßen und beugen damit der Arteriosklerose vor. So reduzierte sich die Dicke der inneren Gefäßwand der Arteria carotis bei Patienten mit Arteriosklerose nach einjährigem Verzehr von Granatapfelsaft um 30 %, während sie in der Kontrollgruppe um 9 % zunahm.[2]

Apfelsorten mit hohem Polyphenol-Gehalt werden von Allergikern häufig besser vertragen, da die Polyphenole im Apfel mit den allergieauslösenden Eiweißen eine Verbindung eingehen und das Allergen dadurch neutralisiert [3].

Weiterhin konnte in einer Studie vom Vanderbilt University Medical Center nachgewiesen werden, dass bei regelmäßigem Fruchtsaftkonsum das Risiko für eine Alzheimererkrankung um bis zu 76 % gesenkt werden kann, wofür ebenfalls Polyphenole verantwortlich gemacht werden. Andere Polyphenole, wie das Lärchenextrakt Taxifolin werden neben der Krebsprävention vielfach zur Behandlung von Hirninfarkt (Ischämischer Schlaganfall) und seinen Folgeerscheinungen, zerebraler Thrombose, koronarer Herzkrankheit und Angina pectoris eingesetzt.[4]

Eine In vivo-Studie mit weiblichen Mäusen, die spontanen Haarausfall auf dem Kopf, Nacken und Rücken entwickelt hatten, ergab, dass bei 33 % der Mäuse aus Gruppe A, die Polyphenol-Extrakt aus grünem Tee mit ihrem Trinkwasser erhalten hatten, ein signifikantes Nachwachsen der Haare während der sechs Monaten dauernden Behandlung beobachtet wurde. Kein Haarwuchs war unter den Mäusen der Kontrollgruppe B, die nur Wasser erhielten, zu beobachten.[5]

Polyphenole aus Weintrauben hemmen die Bakterienart Streptococcus mutans, die zum Aufbau von Zahnbelägen (Plaque) und sogenannten Biofilmen auf den Zähnen beiträgt. Durch ihre bakterizide Wirkung hemmen Polyphenole die schädlichen Auswirkungen der Bakterien und wirken so auch vorbeugend gegen Zahnkaries.[6][7]

Gleichzeitig können sich Polyphenole aus pflanzlicher Nahrung an Verdauungsenzyme binden und so die Nährstoffaufnahme im Darm vermindern. Beim gesunden Menschen verhindern die im Speichel enthaltenen prolinreichen Proteine diese Wirkung, indem sie einen im Verdauungstrakt stabilen Komplex mit den Polyphenolen bilden.

Die Polyphenole aus Tee und Kakao können durch den Zusatz von Milch in ihren Wirkungen behindert werden, weil das Kasein der Milch ebenfalls prolinreich ist.

Polyphenole lassen sich mit Eisen(III)-Chlorid-Lösungen nachweisen. Sie reagieren mit Eisen(III)-Ionen zu grün bis blau gefärbten Komplexverbindungen.

Toxikologie

Viele Polyphenole besitzen in geringer Dosis, wie sie in Pflanzen vorkommen, positive biologische Eigenschaften. Bei in-vitro-Untersuchungen und in hoher Dosierung können sie auch toxische Wirkungen zeigen. Werden sie hochdosiert oder langdauernd angewendet, sind diese Wirkungen auch im Organismus möglich, weshalb dies nicht üblich ist. Apigenin, Quercetin, Taxifolin und Kaempferol wirken cytostatisch. Diese sowie einige andere Polyphenole wie z. B. Brenzcatechin, Genistein und Gossypol sind als Gesundheitsschädliche Stoffe eingestuft, Quercetin gar als giftig. Polyphenole werden im menschlichen Körper meist nicht unverändert resorbiert und zeigen abhängig von der chemischen Struktur recht unterschiedliches pharmakokinetisches Verhalten.[8][9] Daher sind die Ergebnisse von in-vitro-Experimenten bei Polyphenolen nur eingeschränkt auf den Menschen übertragbar. Zudem wird ihre Wirkung noch durch den sog. Matrix-Effekt anderer sekundärer Pflanzenstoffe moduliert. Für Quercetin beispielsweise ist eine mutagene Wirkung nachgewiesen.[10] Liegt Quercetin in Pflanzen-Matrix vor, die andere Polyphenole, wie etwa Gerbstoffe enthält,[11] überwiegt eine antimutagene Wirkung des Pflanzenextraktes.[12]

Literatur und weiterführende Quellen

  • Aviram et al.: Pomegranate juice consumption for 3 years by patients with carotid artery stenosis reduces common carotid intima-media thickness, blood pressure and LDL oxidation. (PDF) In: Clinical Nutrition 23 pg116 (2004), S. 423–433.
  • Bonnie Tay Yen Ping: Chemical constituents of Garcinia mangostana, G. Parvifolia, G. griffiti, and G. diversifolia (Guttifera e) and their biological activities. Dissertation from University Putra Malaysia (1996)
  • P. Chanarat, N. Chanarat, M. Fikojara, T Nagumo: Immunopharmacological activity of polysaccharide from the pericarp of mangosteen garcinia; phagocytic intracellular killing activities. In: J Med Assoc Thai,1 : S. 149–154 (1997)
  • S.X. Chen, M. Wan, B.N Loh: Active constituents against HIV-1 protease from Garcinia mangostana. In: Planta Med, 1996 Aug;62(4): S. 381–382.
  • Dahanukar et al.: Pharmacology of Medical Plants and Natural Products. In: Indian Journal of Pharmacology, 2000, S. 96.

Einzelnachweise

  1. Lansky, Newman: Punica granatum (pomegranate) and its potential for prevention and treatment of inflammation and cancer. In: J Ethnopharmacol. Jan 19;109(2):177-206. 10. September 2007, PMID 17157465
  2. M Aviram et al.: Pomegranate juice consumption for 3 years by patients with carotid artery stenosis reduces common carotid intima-media thickness, blood pressure and LDL oxidation. In: Clinical Nutrition. 23: 423–433 (2004), PMID 15158307
  3. Apfelallergien; Institut für Agrarökologie, Ökologischen Landbau und Bodenschutz, Freising
  4. Pozharitskaya ON et al.: Determination and pharmacokinetic study of taxifolin in rabbit plasma by high-performance liquid chromatography. Phytomedicine. 2009 Mar;16(2-3):244-251, PMID 19110406.
  5. Adeleh Esfandiari, A. Paul Kelly: The effects of tea polyphenolic compounds on hair loss among rodents. In: Journal of the National Medical Association 2005 August; 97(8), PMID 16173333.
  6. Hyun Koo et al.: Chemical Characterization of Red Wine Grape („Vitis vinifera“ and „Vitis Interspecific Hybrids“) and Pomace Phenolic Extracts and Their Biological Activity against „Streptococcus mutans“. In: Journal of Agricultural and Food Chemistry. 2007. Bd. 55 (25), S. 10200–10207, PMID 17999462.
  7. Die Kraft des Weins. Polyphenole aus Weintrauben wirken gegen Bakterien, die Karies auslösen können. Meldung in Bild der Wissenschaft, 4. Januar 2008.
  8. J. Heilmann, I. Merford: Aktueller Kenntnisstand zum Metabolismus von Flavonoiden. I. Resorption und Metabolismus von Flavonolen. In: Pharmazie in unserer Zeit, 1998;27(2):58-65
  9. J. Heilmann, I. Merford: Aktueller Kenntnisstand zum Metabolismus von Flavonoiden.II. Resorption und Metabolismus von Flavonen, Flavanonen, Flavanen, Proanthocyanidinen und Isoflavonoiden. In: Pharmazie in unserer Zeit, 1998;27(4):173-183
  10. JT MacGregor, L. Jurd: Mutagenicity of plant flavonoids: Structural requirements for mutagenic activity. In: Mutation Res 1978;54:297-309
  11. A. Dauer, P. Metzner, O. Schimmer: Proanthocyanins from the bark of Hammamelis virginiana exhibit antimutagenic properties against nitroaromatic compounds. In: Planta Med 1998;64:324-327
  12. O. Schimmer: Pflanzliche Antimutagene. In: Dtsch. Apoth. Ztg 1999;139:51-62.

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