Wildkatze



Die Wildkatze (Felis silvestris) sieht aus wie eine robuste, kräftige Version der Hauskatze (Felis catus). Auch im Verhalten und den Freßgewohnheiten ähneln sich beide Katzenarten sehr stark. Das ist auch nicht verwunderlich, denn man nimmt an, dass die afrikanische Wildkatze der Vorfahr aller Hauskatzen ist. Wildkatzen sind weit verbreitet und bewohnen eine Vielfalt an Lebensräumen. Von vielen Autoren wird die Wildkatze in drei verschiedene Gruppen oder Abstammungen eingeteilt:

F.s. silvestris- Gruppe (Waldkatzen) aus Europa, dem Kaukasus und Kleinasien.
F.s. ornata- Gruppe (Steppenkatzen) aus Süd- und Zentralasien
F.s. lybica- Gruppe (Falbkatzen) aus Afrika und dem Mittleren Osten

Aussehen

Steckbrief

Die Grundfarben der Wildkatze sind von ihrem Lebensraum abhängig. So variieren die Farbnuancen von dunklerem Graubraun und Graugelb in Waldgebieten bis zu hellerem Sandbraun oder Grau in Halbwüsten und Steppen. Die asiatischen Unterarten unterscheiden sich von der europäischen Wildkatze durch deutliche, schwarze bis rotbraune Punkte, die manchmal zu Streifen verschmelzen. Die afrikanische Wildkatze ist von leichterem Körperbau als ihre Verwandten und hat einen dünneren, spitz zulaufenden Schwanz. In nördlicheren Breiten ist das Fell dicht mit wolligem Unterpelz, in wärmeren Lebensräumen ist es kürzer und glatter. Oft haben Wildkatzen dunkle Streifen auf Stirn und Nacken, die auf dem Rücken zu einem Band zusammenkommen. Von dort laufen dann Querstreifen zum Bauch hinunter. Kinn und Kehle sind normalerweise weiß bis cremefarben.

Verbreitung

Der Kopf ist etwas breiter als der von Hauskatzen und ist mit zwei parallelen Streifen auf jeder Backe versehen. Die Iris des Wildkatzenauges ist grünlich bis gelb und die kleinen, spitzen Ohren sind an den Enden oft mit kleinen schwarzen Haarpinseln bestückt. Die Rückseiten der Ohren sind bräunlich bis grau ohne helle Stelle in der Mitte (ein Merkmal, das man oft bei anderen Kleinkatzen findet). Die Beine haben Querstreifen und die Sohlen der Pfoten sind normalerweise schwarz. Der Schwanz ist buschig mit schwarzen Ringen und endet mit einer schwarzen Spitze. In Schottland sind häufig schwarze Wildkatzen (bekannt als Kellas-Cat) anzutreffen, wobei man davon ausgeht dass es sich dabei um das Ergebnis einer Kreuzung zwischen Wildkatze und Hauskatze handelt.

Wildkatze mit totem Hasen.
Gnadenlos. Diesmal ist der Wildkatze ein unachtsamer Hase zum Opfer gefallen.

Verhalten

Wildkatzen sind nachtaktiv und bewegen sich hauptsächlich auf dem Boden, obwohl sie ausgezeichnete Kletterer sind. In Europa sind Wildkatzen hauptsächlich Waldbewohner, nur in Schottland findet man sie oft in felsigen Heidelandschaften. In Deutschland ziehen Wildkatzen Nadelwälder und im Kaukasus Laubwälder vor. Afrikanische Wildkatzen trifft man sowohl in Wäldern, als auch in der offenen Savanne an. Eine andere Unterart der Wildkatze, deren Lebensraum vom Mittleren Osten bis nach Nordindien reicht, ist sehr gut an Halbwüsten angepaßt.

Gut getarnte Wildkatze
Gut getarnte Wildkatze mit Kill
Zwei gut getarnte Wildkatzen, wie die Beute der beiden beweist

Wildkatzen pirschen sich wie eine Hauskatze an die Beute heran, bevor sie sich dann mit wenigen Sätzen auf die Opfer stürzen. Ihre Nahrung besteht aus einer Vielzahl von Nagetieren wie Mäusen, Ratten, Wühl- und Rennmäusen sowie Kaninchen, Wildschweinferkeln, Vögeln, Reptilien, Fröschen, Fischen und Insekten. Manchmal dringt die Wildkatze in Ställe ein und erbeutet Hühner und anderes Geflügel

Fortpflanzung

Die Paarungszeit in Europa und Zentralasien dauert von Januar bis März. Geburtstermine reichen in Gefangenschaft (Berner Zoo) von März bis August. Die Weibchen der Wildkatze haben mehrere Zyklusphasen, wobei die Empfängnisbereitschaft zwei bis acht Tage dauert. Die Paarungsrituale der Wildkatze sehen genauso aus wie bei der Hauskatze, wobei die Männchen um die Gunst der Weibchen wetteifern. Beide Geschlechter verkünden ihre Paarungwilligkeit durch lautes Miauen. Die Weibchen beziehen Wurfhöhlen unter Steinen, in alten Fuchsbauten, unter Baumstümpfen oder in dichter Vegetation.

Trächtige, schottische Wildkatze
Eine müde schottische Wildkatze gähnt
Schottische Wildkatzen - freundliches Kopfstoßen
Kleine Fotoserie: Trächtige Wildkatze (F.s.grampia) im British Wildlife Centre, Newchapel, Surrey. Das Foto zeigt die Katze 'Iona', einen Tag bevor sie 4 Kätzchen zur Welt brachte.

Nach einer Tragzeit von durchschnittlich 66 Tagen in Europa und von 58 - 68 Tagen in Afrika werden ein bis acht, normalerweise aber vier Kätzchen geboren. In Lebensräumen mit gutem Nahrungsangebot sind zwei Würfe pro Jahr möglich. Die kleinen Wildkatzen wiegen bei der Geburt 80 - 130 g, ihre Augen öffnen sich nach 10 - 11 Tagen und erste Gehversuche werden nach 16 - 20 Tagen unternommen. Die Wildkatze stillt ihre Nachkommen während 6 - 12 Wochen nach der Geburt. Die Kätzchen tauchen erstmals nach vier bis fünf Wochen in den Eingangsbereichen der Geburtshöhlen auf und nach 12 Wochen begleiten sie die Mutter bereits bei der Jagd. Im Alter von fünf Monaten streifen die jungen Wildkatzen bereits allein umher. Weibliche Jungtiere erreichen nach 9 bis 10 Monaten die Geschlechtsreife, männliche nach 22 Monaten. In Zoos werden Wildkatzen bis zu 15 Jahre alt.

Archäologen und andere Forscher sind der Meinung, dass die afrikanische Wildkatze in Ägypten vor 4.000 bis 8.000 Jahren domestiziert wurde. Afrikanische Dorfbewohner adoptieren heute noch kleine Wildkatzen, die die Mutter verloren haben, als Haustiere, um den Nagetierbestand auf den landwirtschaftlichen Flächen und in den Kornspeichern zu kontrollieren.

Bedrohung, Schutz

Beinahe ausgestorben ist eine Unterart der Wildkatze in Arabien. 1986 wurde in Abu Dhabi ein Zuchtprogramm mit einem Männchen aus einem Zoo und einem in der Wildnis gefangenen Weibchen begonnen. Die Initiatoren dieser letzten Wildkatzenkolonie in Arabien machten sich bald Sorgen, dass im Falle einer Katastrophe oder einer Epedemie, der gesamte Bestand ausgelöscht werden würde und so gründeten sie weitere Zuchtstationen in Deutschland und Kalifornien, USA. Ein möglicher Hoffnungsschimmer für diese gefährdeten Katzen sind genetische Studien an allen Unterarten der Wildkatze, die in Washington DC, USA, durchgeführt werden. Wenn sich der Verdacht der Experten erhärtet, dass es keine genetischen Unterschiede zwischen der arabischen Wüstenkatze und der israelischen Wildkatze gibt, so würde das den Genpool enorm vergrößern und die Gefahr des Aussterbens wäre damit nicht mehr so hoch.

Die Hauptbedrohung aller Wildkatzen-Bestände ist die Ausdünnung des Genpools durch fortgesetzte Vermischungen mit verschiedenen Rassen der Hauskatze. Durch diese beständige Geschlechtsinteraktion im Verlauf der Jahrhunderte sind möglicherweise die wahren Beziehungen zwischen den verschieden Unterarten der Wildkatze für immer verwischt worden.

Andere Bedrohungen sind beispielsweise die Verfolgung durch Bauern, die in der Wildkatze eine Gefahr für ihr Geflügel sehen oder der zunehmende Autoverkehr in Europa. Auch stellen Krankheiten, die von den häuslichen Verwandten auf die Wildkatze übertragen werden, eine gewisse Bedrohung dar. Die europäische Gruppe der Wildkatzen (Waldkatzen) sind in den meisten Ländern ihres Verbreitungsgebiets strengstens geschützt, wohingegen für die afrikanische Gruppe (Falbkatzen) diesen Schutz nicht genießt. Die asiatische Gruppe ist in den östlichen Gebieten ihrer Verbreitung ebenfalls geschützt, in den restlichen Gebieten nicht. Dort wurde sie in der Vergangenheit wegen ihres Fells kommerziell gejagt. Durch das Umdenken des Pelztiergewerbes ist aber der Handel mit dem Fell der Wildkatze drastisch zurückgegangen. Das Washingtoner Artenschutzübereinkommen (CITES) listet die Wildkatze in Anhang II.


David W. Macdonald (Hrsg). The Encyclopedia of Mammals. Oxford University Press; Auflage: New edition (12. Oktober 2006)

Driscoll, C. & Nowell, K. 2010. Felis silvestris. In: IUCN 2012. IUCN Red List of Threatened Species. Version 2012.1. <www.iucnredlist.org>. Downloaded on 19 August 2012 .

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Fremuth, W.; Wachendörfer, V. (2009): Rückkehr auf leisen Pfoten: Wildkatzen in Deutschland. In: ZGF Gorilla, 4/2009