Indischer Hutaffe
Indische Hutaffen (Macaca radiata) sind baumlebende, tagaktive Altweltaffen aus der Gattung der Makaken (Macaca).
Sie leben im südlichen Teil Indiens in den Bundesstaaten Andhra Pradesh, Goa, Gujarat, Karnataka, Kerala, Tamil Nadu und Maharashtra. Sie sind von der Südspitze des Subkontinents bis südlich des Tapti Flusses im Norden und bis zum Krishna Fluss im Nordosten verbreitet.
Lebensraum
Indische Hutaffen (Macaca radiata) bewohnen eine Vielzahl von Lebensräumen, darunter immergrünen Hochwald und die trockenen Laubwälder in den Westghats . Obwohl sie Höhenlagen unterhalb 2.000 m bevorzugen, hat man sie auch schon in Höhen bis zu 2.600 m angetroffen [7]. Sie verbringen die meiste Zeit in den Bäumen und sind gute Schwimmer [2][5][13].
Indische Hutaffen (Macaca radiata) trifft man häufig am Rande menschlicher Siedlungen an. Hier ernähren sie sich von Nahrungsabfällen der Dorfbewohner. Sie fressen und schlafen gern in großen Feigenbäumen, die die Straßen in der Nähe menschlicher Siedlungen säumen [2][5][13].
Taxonomie
Primatologen erkennen zwei Unterarten an: Macaca r. radiata hat einen dunkleren Bauch als Macaca r. diluta. Letztere Unterart ist auf die Küstengebiete im Südosten Indiens beschränkt, wo sie eher Waldgebiete als Lebensraum bevorzugt, während die Nominatform , Macaca r. radiata, häufiger ist und den Großteil des gesamten Verbreitungsgebiets abdeckt.
Aussehen
Wie ihr Name schon sagt, wachsen den Affen Haare auf dem Kopf, die sich strahlenförmig von der Mitte nach außen richten - dies hinterläßt den Eindruck, als hätten sie eine "Kappe" aufgesetzt. Indische Hutaffen (Macaca radiata) haben ein graubraunes oder goldbraunes Körperfell. Die haarlosen Gesichter erscheinen bei den Weibchen rosa [3][4][5][13].
Indische Hutaffen (Macaca radiata) sind sexuell dimorph, d.h. die Männchen sind schwerer und größer als die Weibchen. Letztere erreichen eine Körperlänge (einschließlich Kopf) von 37,5 - 48,0 cm und wiegen als Erwachsene zwischen 3,9 und 4,4 kg. Der Schwanz der Weibchen ist zwischen 33,0 und 56,6 cm lang. Männchen wiegen bei einer Körperlänge von 45,0 - 59,0 cm zwischen 5,4 und 8,85 kg. Ihr Schwanz mißt zwischen 49,8 bis 63,9 cm [11].
Ernährung
Indische Hutaffen (Macaca radiata) leben oft sympatrisch mit Nilgiri-Languren (Tachypithecus johnii) und Hanuman-Languren (Semnopithecus entellus). Es gibt nur begrenzten Wettbewerb um Nahrungsresourcen, da Languren eher Blätterfresser sind und Makaken eher Allesfresser. Als Früchtefresser spielen Indische Hutaffen (Macaca radiata) - jene Populationen, die nicht in der Nähe des Menschen leben - eine nicht geringe Rolle in der Waldökologie, da sie die Samen der Bäume verbreiten [8][13]. Sie ernähren sich hauptsächlich von Früchten, die einen Anteil von 47 - 53 % an der Gesamternährung haben. Darüber hinaus fressen sie Samen, Blätter, Blüten und machen Jagd auf Kleingetier wie Insekten, Eidechsen und Frösche [11].
Bei Populationen abseits menschlicher Siedlungen hat man festgestellt, dass den Affen Beeren, Blüten und junge Blätter von ganzjährig blühenden Lantana-Pflanzen besonders gut schmecken. Auch scheinen sie die Früchte und jungen Blätter des Pongam Baumes (Millettia pinnata) sowie Feigen, Karanda-Pflaumen (Carissa edulis) , Akazien und Tamarisken zu mögen. Ihre Lieblingsspeise sind einem Bericht zufolge große Heuschrecken [13].
Nicht wenige Populationen verlassen sich auf den Menschen als Nahrungslieferanten, so leben sie oft in der Nähe von Tempeln, wo sie von Touristen gefüttert werden, oder sie machen sich über die Opfergaben zu Füßen religiöser Figuren her. Auch dringen sie in umliegende Häuser, Touristenbusse, Imbissstände oder Hinterhofgärten ein oder suchen in großen Müllhaufen nach Nahrung [13].
Fortpflanzung
Indische Hutaffen (Macaca radiata) pflanzen sich ganzjährig zu verschiedenen Paarungszeiten fort, jedoch scheinen sich Paarungen in den Monaten September und Oktober zu häufen, was zur Folge hat, dass die meisten Geburten zwischen Februar und April stattfinden. Die Weibchen der Indische Hutaffen (Macaca radiata) haben im Gegensatz zu anderen weiblichen Makaken während des Sexualzyklus keine genitalen Schwellungen. Das Fehlen solcher Schwellungen steht möglicherweise mit dem sozialen Zusammenhalt der Männchen in Verbindung [1];[6][10][13].
Bei Indischen Hutaffen (Macaca radiata) und Makaken im Allgemeinen hängt die Wachstumsrate der Kinder und die sexuelle Reifung vom Nahrungsangebot und sozialen Gegebenheiten ab. In der Regel werden Weibchen im Alter von etwa 3 Jahren geschlechtsreif und gebären erstmals mit 4 Jahren. Männchen sind da später dran: sie kommen mit 3 Jahren in die Pubertät und ihr Hodensack ist erst Alter von 4 - 5 Jahren voll entwickelt. Die Weibchen bringen nach einer durchschnittlichen Tragzeit von 24 Wochen ein einzelnes Junges zur Welt. Die Neugeborenen werden von ihren Müttern gestillt, bis sie etwa 6 oder 7 Monate alt sind. Zwischen den einzelnen Geburten liegen 1 - 2 Jahre. Weibchen haben während ihres Lebens durchschnittlich 5 Nachkommen, bevor im Alter von 27 Jahren die Menopause eintritt [1][9][10].
Neugeborene bleiben in den ersten sechs Monaten bis zu einem Jahr immer in der Nähe der Mutter. Sie reiten auf ihrem Rücken oder lassen sich auf dem Arm herumtragen. Die Mutter pflegt die Jungen und ernährt sie während der ersten 6 oder 7 Monate. Auch nach der Entwöhnung bleiben die Kleinen dicht bei der Mutter, da sie noch nicht alles gelernt haben, was für eine selbstständige Nahrungssuche nötig ist, erst im Alter von etwa einem Jahr sind sie in der Lage, sich selbstständig zu ernähren. Auch der Schutz der Säuglinge obliegt den Müttern. Wenn in gefährlichen Situationen Mutter und Kind nicht nahe beisammen sind, begibt sie sich selbst in Gefahr, indem sie das Junge sucht und dann erst flüchtet. Die ganze Gemeinschaft trägt zum Schutz der Jugendlichen bei, so wurden junge Männchen beobachtet, wie sie alleine oder zusammen mit Weibchen nach verlorengegangenen Kindern suchten.
Gruppenleben
Indische Hutaffen (Macaca radiata) leben in Gruppen mit mehreren Männchen und mehreren Weibchen, die durchschnittlich 30 Affen zählen. Die Weibchen sind philopatrisch - sie verbleiben in ihrer Geburtsgruppe und bilden Untergruppen mit verwandten Weibchen. Männchen verlassen ihre Geburtsgruppe und schließen sich sofort - ohne Einzelgängerphase - einer neuen Gruppe an. Seltener verlassen auch Weibchen ihre Geburtsgruppen, obwohl solche Fälle auch gut dokumentiert sind.
Soziale Fellpflege ist ein häufig beobachtetes Verhalten von Indischen Hutaffen (Macaca radiata). Im Gegensatz zu vielen anderen Primatenarten beruht Fellpflege auf Gegenseitigkeit und so kommen nicht nur dominante Affen in diesen Genuß, sondern auch untergeordnete Affen. Bei Indischen Hutaffen (Macaca radiata) verbringen dominante Männchen oft mehr Zeit als andere mit der Pflege von jugendliche Männchen. Alle Gruppenmitglieder üben sich in sozialer Fellpflege, von der man annimmt, dass sie Spannungen abbaut und soziale Bindungen festigt.
Während der Ruhezeiten oder während sie schlafen suchen Indische Hutaffen (Macaca radiata) engen Körperkontakt zum gleichen Geschlecht. Dominante Männchen umklammern jugendliche Männchen; erwachsene Weibchen und Mütter kuscheln miteinander, genau so wie es die Kleinkinder miteinander tun.
Raufen und Scheinattacken sind ein häufiges Spielverhalten unter Jugendlichen. Indische Hutaffen (Macaca radiata) sind insofern einzigartig, als dass erwachsene Männchen aller Altersgruppen regelmäßig bei diesen spielerischen Raufereien mitmachen. Jugendliche und Kinder springen sich immer wieder an, treten und umklammern sich, und wagen es sogar große Männchen zu beißen - dabei scheinen sie keine Angst vor Vergeltung zu haben. Ein anderes Sozialverhalten unter Männchen ist das gegenseitige "Besteigen", wobei in der Mehrheit dominante Männchen jugendliche Männchen besteigen. Zu etwa einem Drittel verhält es sich umgekehrt [1][5][6][10][13].
Die Reviere der Indischen Hutaffen (Macaca radiata) sind unterschiedlich groß, was in erster Linie von der Verteilung der Nahrungsressourcen und der Raubtierdichte abhängig. Das Kerngebiet umfasst eine Fläche von durchschnittlich 50 ha. Oft bleiben die Affen für mehrere Monate in einem Futtergebiet, bevor sie sich aufmachen, um neue Nahrungsquellen zu erschließen. Die Reviere der Indischen Hutaffen (Macaca radiata) überlappen sich häufig mit Revieren von Artgenossen, aber auch mit Gebieten von Languren oder Bartaffen (Macaca silenus). Begegnungen laufen ohne Aggression ab und oft vermischen sich die Gruppen [13].
Kommunikation
Wie viele andere Primaten können sie sehr gut und in Farbe sehen. Indische Hutaffen (Macaca radiata) verlassen sich stark auf ihre Augen, sei es um Nahrung zu finden, die Landschaft zu erkunden oder mit Artgenossen zu kommunizieren. Der Geruchssinn ist mit nach unten weisenden Nasenlöchern eher reduziert. Indische Hutaffen (Macaca radiata) verwenden ihren Geschmackssinn um zu bestimmen, ob Früchte reif sind oder nicht. Eine überlebenswichtige Form der Kommunikation sind ihre Vokalisationen.
Wenn Raubtiere gesichtet werden, geben Indische Hutaffen (Macaca radiata) schrille Alarmrufe von sich, die von allen Mitgliedern der Gruppe emittiert werden und etwa wie "kern kern" klingen. Sobald ein Alarmruf ertönt, versteckt sich die Gruppe in den Baumkronen oder im Gebüsch. Im Allgemeinen ist es das dominante Männchen, das sich nach überstandener Gefahr wieder aus dem Versteck traut; andere Gruppenmitglieder folgen in Zweier- oder Dreiergruppen. Studien deuten darauf hin, dass Indische Hutaffen (Macaca radiata) Alarmrufe anderer Affenarten in der Gegend erkennen und darauf reagieren, besonders von Nilgiri-Languren (Trachypithecus johnii), Hanuman-Languren (Semnopithecus entellus) und Bartaffen (Macaca silenus). Bereits Jugendliche reagieren auf solche artfremden Alarmrufe und die Fähigkeit sie zu erkennen, nimmt mit zunehmendem Alter und Erfahrung zu. Indische Hutaffen (Macaca radiata) reagieren am stärksten auf Alarmrufe aus ihrer eigenen Truppe [8][13].
Gefahren
Indische Hutaffen (Macaca radiata) sind Beute von Leoparden, Tigern, Adlern, Krokodilen, Rothunden , verwilderten Haushunden und großen Schlangen [8]. In Gefangenschaft können sie bis zu 35 Jahre alt werden, in der Wildnis haben sie jedoch kaum diese hohe Lebenserwartung, so erreichen nur sehr wenige Weibchen die Menopause, die im Alter von 27 Jahren eintritt. Die meisten Todesfälle gehen auf Raubtiere und Krankheiten zurück - in der Nähe des Menschen zählen zudem Zusammenstöße mit Autos zu den häufigsten Todesursachen [9].
Indische Hutaffen (Macaca radiata) werden gejagt, wobei in einigen Regionen offen Handel mit lebenden Tieren betrieben wird, zumeist für Forschungslabore oder für Straßentheater [7]. Mensch-Tier-Konflikte in landwirtschaftlichen und städtischen Gebieten werden zu einer zunehmenden Bedrohung für die Art [12].
Im Hinblick auf die weite Verbreitung der Indischen Hutaffen (Macaca radiata), wegen ihrer Toleranz einer breiten Palette von Lebensräumen und wegen den vermutlich großen Populationen stuft die Weltnaturschutzunion IUCN die Art als nicht gefährdet (Least Concern) ein [12].