Weißohr-Springaffe
Der Weißohr-Springaffe (Callicebus donacophilus) kommt hauptsächlich im Osten Boliviens in den Einzugsgebieten des Rio Mamore und des Rio Grande vor, außerdem in den äußersten südwestlichen Teilen der brasilianischen Bundensstaaten Mato Grosso und Rondônia.
Lebensraum
Weißohr-Springaffen bewohnen Uferzonen und Galeriewälder nahe sumpfigen Wiesen und andere Freiflächen.
Aussehen
Weißohr-Springaffen sind kleine Neuweltaffen, die eine Körperlänge von rund 32 cm erreichen, hinzu kommt der Schwanz mit rund 42 cm. Weibchen sind mit einem Gewicht von durchschnittlich 900 Gramm nur geringfügig kleiner als Männchen, die durchschnittlich 990 Gramm erreichen. Weißohr-Springaffen haben lange Schwänze, die aber nicht zum Greifen fähig sind. Das Gesicht springt nur wenig hervor, der Schädel ist länglich und die langen Hinterbeine weisen einen intermembralen Index von 75 auf. Bauch und Brust der Weißohr-Springaffen sind orange bis braun-orange, der Rücken und die Gliedmaßen reichen von grau bis orange-aguti. Die Schwänze sind grau bis schwärzlich und die Ohrbüschel sind weiß.
Ernährung
Weißohr-Springaffen ernähren sich hauptsächlich von Füchten. Man nimmt an, dass sie über 70% der Gesamternährung ausmachen. Der Speiseplan wird ergänzt mit Blättern, Samen und Insekten. Um diese hauptsächlich pflanzliche Nahrung zu verdauen, müssen Weißohr-Springaffen eine nicht unerhebliche Zeit des Tages ruhen [10].
Fortpflanzung
Weißohr-Springaffen sind wie alle Mitglieder der Gattung Callicebus monogam. Die Bindung zwischen Männchen und Weibchen ist so stark, dass sie ein Leben lang zusammenbleiben. Bei allen Aktivitäten bleiben sie immer in unmittelbarer Nähe des Partners, sie ruhen gemeinsam mit ineinander gedrehten Schwänzen und halten sich dabei oft die Hände. Wenn Weißohr-Springaffen getrennt werden, zeigen sie Anzeichen von Ängstlichkeit und Betrübnis. Außerdem verhalten sie sich "eifersüchtig" wenn sich ein fremder Affe nähert, besonders das Männchen, das sein Weibchen fest und stark umgreift, um ein "außereheliches" Abenteuer zu verhindern [1][4][8].
In Gefangenschaft pflanzen sich Weißohr-Springaffen während des ganzen Jahres fort. In der freien Wildbahn sorgen sie nur im Frühjar vor der Regenzeit in Bolivien für Nachwuchs. Weibliche Weißohr-Springaffen gebären in Gefangenschaft erstmals ein Jahr nachdem sie einen Partner gefunden haben. Nach einer Tagzeit von etwa 18 Wochen kommt in der Regel ein einzelnes Junges zur Welt, Zwillinge sind selten. Obwohl die Weibchen die Geschlechtsreife bereits nach zwei Jahren erreichen, ist das Durchschnittsalter bei der ersten Geburt etwa 4 Jahre [8].
Die Männchen der Weißohr-Springaffen spielen - ganz anders, als sonst bei Primaten üblich - eine herausragende Rolle bei der Betreuung ihrer Jungen. Zwar säugen die Weibchen die Jungaffen, doch die Männchen sind es, die die Kleinen die meiste Zeit herumtragen und beschützen. Schon in der ersten Woche ihres Lebens werden die Kleinen nur noch zu 20% der Zeit von ihren Müttern getragen, und nach dem ersten Monat ist der Kontakt nur noch spärlich. Folglich erleben die Jungen mehr Stress mit erhöhter Herzfrequenz, wenn sie von ihrem Vater getrennt werden, als von ihrer Mutter. Ganz allgemein ist die auch die Bindung zwischen den erwachsenen Affen stärker als zu ihrem Nachwuchs.
Verhalten
Weißohr-Springaffen leben in Familiengruppen mit 2 bis 7 Mitgliedern. Obwohl die Männchen einen gewissen Anspruch auf die Führungsrolle erheben, gibt es keine Hierarchie zwischen den Geschlechtern oder zwischen den Gruppenmitgliedern. Erwachsene Paare bleiben das ganze Leben lang stets in unmittelbarer Nähe zueinander. Außerdem scheint es, dass sie ihre Aktivitäten so planen, dass diese Nähe nicht zu lange unterbrochen wird. Wie bereits oben erwähnt, umschlingen sie während des Schlafes ihre Schwänze und der Schlafplatz im Geflecht kleiner Zweige ist nie weit von den anderen Gruppenmitgliedern entfernt.
Wie die meisten Neuweltaffen sind Weißohr-Springaffen tagaktive Primaten. Ihre Aktivitäten verteilen sich auf etwa 11 Stunden des Tages, wobei sie früh am Morgen erwachen und ihre täglichen Aktivitäten bis zum Sonnenuntergang verrichten. Die Zeit der Nahrungssuche verteilt sich auf den Vor- und Nachmittag und in der Mittagsstunde wird ein Päuschen eingelegt.
Weißohr-Springaffen sind vierbeinige Baumbewohner, die sie hauptsächlich in den unteren Etagen der Baumzonen bewegen. Auf dem Boden hat man sie nur selten beobachtet. Sie bewegen sich hauptsächlich mit kurzen Sprüngen fort, wofür die langen Hinterbeine gut geeignet sind. Weitere Fortbewegungsarten sind das vierbeinige Gehen entlang der Äste und das Klettern. Ihre Schwänze sind nicht greiffähig, daher spielen sie - anders wie bei Klammerschwanzaffen - keine Rolle bei der Fortbewegung.
Weißohr-Springaffen haben kleine Reviere und sie zeigen keine große Neugier. Sie sind vorsichtig und zögernd, wenn neue Situationen auf sie zukommen. Trotzdem sind sie territorial und nutzen eine Vielzahl von Lautäußerungen, um ihr Hoheitsgebiet abzugrenzen und zu sichern [1][2][3][8][11].
Kommunikation
Weißohr-Springaffen nutzen wie alle Mitglieder der Gattung Callicebus eine Vielzahl von Lautäußerungen, um zu kommunizieren. Diese Laute sind komplex und zahlreich, können aber in der Regel in zwei Gruppen eingeteilt werden: in höher klingendes Quietschen, Trillern, Zwitschern und Grunzen sowie in tiefer klingendes Stöhnen, Keuchen, Schnalzen und Schreien. Höhere Töne hört man meist, wenn die Affen aufgeregt sind oder Gewalt erfahren. Die tieferen, lauteren Töne werden oft verwendet um sich innerhalb der Gruppe zu verständigen oder den Kontakt zu anderen Gruppen über weitere Entfernungen zu halten. Von bestimmten Zirplauten glauben Wissenschaftler, dass sie Informationen über Alter und Geschlecht des rufenden Affen beinhalten, außerdem werden sie eingesetzt, um Gruppenmitglieder zu lokalisieren. Stöhnen kommt häufig während der Kopulation vor oder ist zu hören, wenn sich die Affen begrüßen.
An den äußeren Grenzen ihrer relativ kleinen Reviere geben Weißohr-Springaffen ganz charakteristische Laute von sich, die dazu dienen die Hoheitsgebiete zu klären und die Reviere abzustecken. Dies erfolgt in der Regel gleich am Morgen kurz nach dem Erwachen. Männchen rufen dabei laut, stöhnen, grunzen oder geben andere Laute von sich - die in den menschlichen Sprachen kaum zu beschreiben sind - um die Grenzen zu sichern. Wenn sich zwei benachbarte Gruppen zu nahe kommen, geben die Mitglieder Laute von sich, die man am besten als "Duette" bezeichnen kann. Je näher sich beide Gruppen kommen, umso intensiver werden die Duette, an denen sich sowohl Männchen als auch Weibchen beteiligen. Wenn sich zwei Gruppen direkt gegenüberstehen, nimmt die eher körperliche Kommunikation in Form von bestimmten Haltungen und Posen zu. Dazu gehört beispielsweise das Peitschen mit dem Schwanz, das Aufstellen der Haare (Piloerektion) und gegenseitiges Hinterherjagen.
Zur körperlichen Kommunikation gehört auch die gegenseitige Fellpflege und das Ineinanderwinden der Schwänze. Zusammengehörige Männchen und Weibchen umwinden ihre Schwänze und pflegen ihr Fell eher untereinander, weniger mit anderen Gruppenmitgliedern [5][6][7].
Weißohr-Springaffen können mit vielen anderen Neuweltaffen koexistieren. Dazu gehören Marmosetten, Tamarine, Totenkopfäffchen, Kapuzineräffchen, Nachtaffen, Brüllaffen und Klammeraffen. Allerdings werden sie von vielen der größeren Arten von Futterbäumen und anderen Nahrungsquellen verjagt. Da Springaffen in der Regel aber lieber unter sich bleiben, versuchen sie den Kontakt zu anderen Primaten sowieso zu vermeiden.
Lebenserwartung, Gefahren und Fressfeinde
Der älteste Weißohr-Springaffe wurde in Gefangenschaft knapp 25 Jahre alt. Wie alt sie in der Wildnis werden, ist nur unzureichend erforscht. Weißohr-Springaffen haben viele Fressfeine, darunter Raubvögel wie der Guinea-Würgadler (Morphnus guianensis), der Prachtadler (Spizaetus ornatus), Katzen wie der Jaguar sowie viele baumlebende Schlangen, Außerdem wurde beobachtet, dass Säuglinge von Gehaubten Kapuzinern (Cebus apella) erbeutet wurden. Weißohr-Springaffen sind durch ihre Fellfarbe gut getarnt, das hilft ihnen mit der Umgebung zu verschmelzen und Fressfeine abzuwehren.
Obwohl sich die Populationen der Weißohr-Springaffen auf einem Abwärtstrend befinden, listet die IUCN die Art als nicht gefährdet (Least Concern), da sie relativ weit verbreitet sind und sich die Geschwindigkeit der Populationsabnahme in Grenzen hält. Weißohr-Springaffen sind erwiesenermaßen recht anpassungsfähig und haben nur wenige natürliche Feinde. Die Hauptbedrohung geht vom Verlust ihres Lebensraumes durch die Landwirschaft aus. Weißohr-Springaffen gehören zu den wenigen Primatenarten, die auch in der Nähe von ländlichen Ansiedlungen und sogar innerhalb von Stadtgebieten überleben können [9].